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Heiße Blicke und eine verführerische Gelegenheit: He-falls-first Boss-Romance in London für Fans von Ava Reed und April Dawson »Mein Leben lang hatte ich Angst vor dem Versagen. Niemals hätte ich damit gerechnet, irgendwann Angst vor Erfolg zu haben. Erfolg darin, ihn von mir zu überzeugen.« Ihr Leben lang will Marielle Adams nur eines: eine erfolgreiche Anwältin werden. Mit der Einstellung in der renommierten JRE Nassari Anwaltskanzlei kommt sie ihrem Ziel immer näher und ihre Träume scheinen in Erfüllung zu gehen – wäre da nicht der extrem gutaussehende CEO Jaden Nassari. Zwischen heißen Schlagabtauschen und irritierenden Gefühlen arbeitet Marielle an der Now-Or-Never-Bucket-List ihrer Schwester. Als sie dafür einen Tag die Arbeit schwänzt, läuft sie ausgerechnet Jaden in die Arme, welcher ihr ein verlockendes Angebot unterbreitet …
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Veröffentlichungsjahr: 2024
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© Piper Verlag GmbH, München 2024
Redaktion: Fam Schaper
Konvertierung auf Grundlage eines CSS-Layouts von digital publishing competence (München) mit abavo vlow (Buchloe)
Covergestaltung: Emily Bähr
Covermotiv: Shutterstock: Riseness, Freepik: rawpixel.com
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Cover & Impressum
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Kapitel 18
Kapitel 19
Kapitel 20
Kapitel 21
Kapitel 22
Kapitel 23
Kapitel 24
Kapitel 25
Kapitel 26
Kapitel 27
Kapitel 28
Kapitel 29
Kapitel 30
Kapitel 31
Kapitel 32
Kapitel 33
Kapitel 34
Kapitel 35
Kapitel 36
Kapitel 37
Kapitel 38
Kapitel 39
Kapitel 40
Kapitel 41
Kapitel 42
Kapitel 43
Kapitel 44
Kapitel 45
Kapitel 46
Inhaltsübersicht
Cover
Textanfang
Impressum
Marielle
»Wer braucht schon selbstfahrende Autos? Eine sich selbst putzende Wohnung wäre viel sinnvoller!« Annabelle stieß wüste Flüche aus und warf ihre Klamotten auf den gefährlich wankenden Stapel im Wäschekorb.
Ich verschränkte die Arme vor der Brust und lehnte mich mit der Schulter gegen den Türrahmen. »Wenn du immer direkt aufräumen würdest, würde Mom dir nicht wöchentlich die Hölle heiß machen.«
»Ich bin siebzehn und keine sieben. Mom könnte mich einfach in Ruhe lassen.« Annabelle pustete sich die Ponyfransen aus dem Gesicht. Ihre Wangen waren vor Aufregung gerötet. »Sie hat schon eine Miss Perfect in der Familie, also kann sie meine Fehler ruhig dulden.«
Ertappt zuckte ich zusammen und versuchte, mir nicht anmerken zu lassen, wie hart mich ihre Worte trafen.
Annabelle schien es selbst gemerkt zu haben und sah mit reumütiger Miene auf. »Sorry, Marielle. So war das nicht gemeint. Ich bin einfach nur so unendlich wütend, weil sie sich ständig überall einmischt.«
»Schon gut, ich kenne das ja«, murmelte ich und dachte dabei an den dicken Umschlag mit dem unterzeichneten Arbeitsvertrag auf meinem Schreibtisch, direkt neben dem Zugticket nach London.
»Bist du dir sicher, dass du in die Hauptstadt willst? Allein? Dort hast du niemanden. Außerdem regnet es da noch mehr als hier und sind wir mal ehrlich, du bist ein Landei.« Annabelle schnupperte an einem Shirt und musterte kritisch einen Fleck darauf, als würde sie überlegen, ob sie es noch anziehen könnte.
»Wäsche«, murmelte ich. Sie verdrehte die Augen und warf das pinke Stück auf den Wäscheberg. Es fehlte nicht mehr viel und er würde umkippen. »Es ist eine großartige Chance, Anni«, fügte ich hinzu.
Ich verkniff mir, zu erwähnen, dass ich keine nennenswerten Freunde hatte, die ich zurücklassen würde. Bis auf meine kleine Schwester hielt mich nichts im Norden von Großbritannien. Erst recht nicht unsere Eltern. Insgeheim zählte ich die Stunden, bis ich ihren Fängen entfliehen würde.
Annabelle schob sich eine lila gefärbte Strähne zum wiederholten Male aus dem Gesicht. »Du hast einen Abschluss von Cambridge. Als ob du nicht irgendwo hier in der Nähe ein tolles Jobangebot bekommen hättest. Ich habe die Stapel auf deinem Schreibtisch gesehen. Die Unternehmen reißen sich förmlich um dich. Ständig höre ich Mom prahlen, welche Briefe jetzt schon wieder hereingeflattert sind. Und du entscheidest dich von all den Angeboten ausgerechnet für einen Laden in London?« Sie verzog das Gesicht, als wäre sie angewidert. Ich kannte diesen Ausdruck. Den bekam sie immer, wenn sie versuchte, nicht zu weinen.
»Das ist nicht einfach nur irgendein Klamottengeschäft, Anni.« Ich zog weg, um Abstand zwischen meine Eltern und mich zu bringen, und weil ich bei der besten Kanzlei arbeiten wollte. Diese Gründe kannte Anni. Dass es noch einen weiteren Grund gab, würde ich ihr nicht verraten.
Ich stieß mich vom Türrahmen ab, überbrückte den Abstand zwischen uns und schloss meine kleine Schwester fest in die Arme. Dabei lehnte ich die Wange gegen ihre Schläfe und strich ihr zärtlich über den Rücken. Als ich sie schniefen hörte, drückte ich sie noch ein bisschen fester. »Wir können telefonieren. Außerdem kannst du mich jederzeit besuchen. Was sind schon zweieinhalb Stunden Autofahrt? Meine Universitätszeit haben wir schließlich auch überstanden«, flüsterte ich. Sie schluchzte auf und drückte ihre Wange an meinen Hals. Ich fühlte ihre Tränen auf meiner Haut und kämpfte gegen meine eigenen an.
»Ich werde dich vermissen, Marielle. Mit wem soll ich denn sonst über Mom und Dad lästern? Grandma ist viel zu gut erzogen, um etwas gegen Mom zu sagen, und meine Freunde verstehen mich nicht so, wie du.« Sie schlang die Arme so fest um meinen Oberkörper, dass ich ein leises Knacken in der Wirbelsäule spürte. Sie hasste das Geräusch von knackenden Knochen. Dass sie jetzt nicht darauf reagierte, verdeutlichte den Ernst der Lage und raubte mir zusätzlich den Halt.
»Ich werde dich auch vermissen«, murmelte ich und drückte ihr einen Kuss auf den Kopf. »Du bist meine beste Freundin.«
»Deine Einzige.« Annabelle ließ mich los und sah mich mit glasigen Augen ernst an. Sie wischte sich mit dem Handrücken über die feucht schimmernden Wangen. »Versprich mir, dass du dein Leben genießen wirst. Schwör mir, dass du endlich aufhörst, nur die perfekte Marionette von Mom und Dad zu sein.«
»Anni«, brummte ich und zupfte mein Top zurecht. Ich widerstand dem Drang, mir mit der Hand über den nassen Hals zu streichen, weil ich Annabelle nicht in Verlegenheit bringen wollte.
»Du weißt genau, dass ich recht habe.« Sie reckte trotzig das Kinn. »Wenn ich dich nicht zwischendurch in den Park geschleppt hätte, würdest du nicht mal wissen, dass Cambridge einen hat!«
»Wie stellst du dir das vor?« Ich wandte mich ab und starrte auf den schwarzen Hoodie auf ihrem Bett. Darauf stand irgendein chinesischer Schriftzug und darunter Moe’s Secrets. Ich tippte auf einen YouTube-, Twitch- oder TikTok-Star. Anni schwärmte ständig von irgendeiner neuen Person, die sie entdeckt hatte.
Ich hatte nicht einmal eine Social Media App auf dem Handy. In meinem Kinderzimmer hatte ich noch die Plakate von Boygroups, Sängern und Schauspielern aufgehängt. Obwohl Anni und mich lediglich knappe sieben Jahre voneinander trennten, fühlte ich mich manchmal uralt.
»Du weißt genau, dass ich bin, wie ich bin. Soziale Kontakte fallen mir schwer.« Ich spürte, wie sich Annabelles Blick in meinen Rücken bohrte. Dafür brauchte ich mich nicht zu ihr umzudrehen.
»Deswegen habe ich dir ja auch eine Liste geschrieben.« Als ich mich meiner Schwester zuwandte und sie irritiert ansah, verzogen sich ihre schmalen Lippen zu einem finsteren Grinsen. »Du bekommst Aufgaben von mir. So ähnlich wie bei PS. Ich liebe dich.«
»Du hast weder den Film gesehen noch das Buch gelesen.«
Annabelle verdrehte die Augen und vollzog mit der Hand eine wegwerfende Handbewegung. »Das Prinzip ist dennoch ähnlich. Du musst jede Aufgabe auf der Bucket-Liste erfüllen, bis du wieder zurück bist. Zwanzig, um genau zu sein.«
»Da du die konkrete Zahl bereits kennst, gehe ich davon aus, dass diese ominöse Liste schon fertig ist?« Skeptisch verschränkte ich die Arme vor der Brust, als Anni mich mit ihren Rehaugen unschuldig ansah. Sie wusste, dass ich ihrem Rehblick nicht widerstehen konnte. Dennoch kniff ich den Mund fest zusammen und funkelte sie finster an. »Und wenn ich mich weigere?«
»Das wirst du nicht. Nicht, wenn du sonst deiner kleinen, zuckersüßen Schwester damit das Herzchen brichst. Außerdem weiß ich, dass sich hinter deiner Sozialphobie verdammt viel Neugier verbirgt.« Sie grinste selbstgefällig, als ich empört die Augenbrauen zusammenzog.
»Ich habe keine Sozialphobie!«
»Beweis es.« Herausfordernd reckte sie das Kinn. Als ich weiterhin schwieg, wurden ihre Augen schmaler. »Muss ich dich daran erinnern, dass du nicht zu meinem achtzehnten Geburtstag gekommen bist, weil du zu viel für deine Prüfungen gelernt hast? Du meintest, du würdest mir etwas schulden. Alsooo.« Sie wackelte mit den Augenbrauen.
Ich stöhnte und fuhr mir mit beiden Händen über das Gesicht. Anni wusste genau, welche Knöpfe sie bei mir drücken musste, um zu bekommen, was sie wollte.
»Also gut.« Ich lächelte ergeben.
Anni strahlte mich regelrecht an. »Ich hole sie dir! Mach sie erst in London auf, ja?«
Skeptisch runzelte ich die Stirn. Anni sprang auf und stürmte zu ihrem Schreibtisch, zog einen verschlossenen Umschlag aus einer Schublade, den sie mir feierlich überreichte. »Dein Ticket in ein echtes Leben!«
»Dir ist bewusst, dass Arbeiten zum Leben dazugehört?« Ergeben nahm ich den Briefumschlag entgegen. Er fühlte sich so leicht an, während der Inhalt gewiss schwer sein dürfte. So, wie ich Annabelle kannte, würden sich schwierige und einfache Aufgaben miteinander abwechseln.
Sie ignorierte meine Worte und deutete stattdessen mit einem Kopfnicken zum Umschlag. »Du musst nicht auf die Reihenfolge achten.« Annis Blick war unlesbar. »Mach Beweisfotos, ja? Außer bei einem Punkt. Da reicht es, wenn du mir davon erzählst.«
Skeptisch musterte ich erst sie, dann den Briefumschlag, während sich mein Magen krampfhaft zusammenzog. Am liebsten hätte ich ihn direkt vor ihren Augen aufgerissen und alle Aufgaben überflogen.
»Was zur Hölle hast du da reingeschrieben?«
Jaden
»Sie sieht heiß aus.«
»Sagst du das nicht über jede Frau?« Genervt stellte ich meine Kaffeetasse ab und massierte mir den verspannten Nacken. Dabei war ich mir nicht sicher, was mehr schmerzte: Meine verspannten Schultern oder die Füße aufgrund der neuen Sportschuhe. Entweder saß ich zu lange am Schreibtisch oder machte zu viel Sport. Wenn es sich heute einrichten ließ, musste ich dringend eine Sporteinheit speziell für den Oberkörper dazwischenschieben. Die Letzte war bereits drei Tage her und ich merkte aufgrund der ganzen Verspannungen, dass es mir fehlte.
»Jaden?«
»Hm?«
»Du hörst mir mal wieder nicht zu.«
Ertappt sah ich auf und begegnete dem Blick meines jüngsten Bruders Elias. Er strotzte vor Tatendrang. Doch leider wusste ich aus eigener Erfahrung, dass sich dieser selten auf die Arbeit bezog. Er würde jetzt genauso wie ich für unser Familienunternehmen JRE-Nassari arbeiten. Und natürlich konzentrierte er sich direkt auf unsere Mitarbeiterinnen, obwohl Dad und ich ihm mehrfach versucht hatten klarzumachen, dass er die Finger von Kolleginnen lassen sollte. Es war egal, dass er keine höhere Position bekleidete, er war Teil der Familie und damit Mitglied der Führungsriege. Das vergaß er leider zu gern und ich war nicht gewillt, dass wegen ihm Klageverfahren eingeleitet wurden.
»Sie arbeitet nicht mit mir und untersteht dir. Es gäbe also kein berufliches Konfliktpotenzial.« Er hob das Foto von Miss Adams hoch. Ich sah zu den faszinierend intensiven Augen dieser Frau. Eisblau. Kühl und zugleich offen. Das blonde Haar trug sie zum Zopf gebunden, was ihrem jungen Gesicht eine strenge Attraktivität verlieh. Ansonsten hatte sie recht hohe Wangenknochen und einen wachen Blick, der von Intelligenz sprach. Diese wurde definitiv auch von ihren einwandfreien Noten und ihrer tadellosen Bewerbungsmappe bestätigt.
»Halt dich von ihr fern wie von jeder anderen Kollegin in diesem Gebäude.«
»Du und Dad, ihr seid beide Spielverderber.« Elias seufzte resigniert und legte die Fotografie zurück auf die Bewerbungsunterlagen. »Wie kommts eigentlich, dass du einen Frischling einstellst? Ich dachte, dass du für den Posten eine erfahrene Person suchst.« Er lenkte vom Thema ab. Wie immer, wenn ihm meine Meinung nicht passte, er aber wusste, dass ich recht hatte.
»Sie war Jahrgangsbeste in Cambridge«, murmelte ich, während ich mich wieder dem aktuellen Fall zuwandte. Eine Schadensersatzklage gegen einen großen Mandanten von uns aufgrund von vermeintlichem Lizenzbruch. Ganz abwegig erschien mir die Klageschrift nicht. Es war nicht die Erste, die in diese Richtung ging und hatte ziemliche Erfolgschancen. Ich würde mit dem CEO sprechen müssen, weil bislang aus den vorliegenden Informationen nicht hervorkam, ob etwas an dem Inhalt der Klage dran war oder nicht.
»Und?« Elias ließ sich in den dunklen Sessel gegenüber von meinem Schreibtisch fallen. Ich warf ihm über die Papierberge hinweg einen kurzen Blick zu. Er starrte mich fast schon herausfordernd an, das Kinn trotzig hervorgeschoben. Manchmal fragte ich mich, ob die zwei vor der vier falsch war. Elias benahm sich weniger wie ein Vierundzwanzigjähriger, sondern vielmehr wie ein Kleinkind, dem man das Spielzeug weggenommen hatte.
»Dad hielt es für eine gute Idee. Ich kann nichts gegen sie einwenden, also bekommt sie eine Chance.«
Elias stöhnte und warf den Kopf in den Nacken. Das Kunstleder knarzte leise unter seiner Bewegung. »Na klar. Du bist ja Daddys Lieblingssohn, der immer alles richtig und korrekt macht, so, wie er es will, obwohl du lieber den einen Anwalt da eingestellt hättest, nicht wahr? Der aus der Golden Laws Kanzlei?«
Meine Zähne knirschten, so fest biss ich sie aufeinander. Seine Worte machten mich wütend. Womöglich, weil er mich als unserem Vater gegenüber hörig darstellte, obwohl ich das nicht war!
Ich musste jedoch zugeben, dass Dad mich in dieser Sache mal wieder überstimmt hatte. Ich hatte seine Favoritin eingestellt, obwohl ich eigentlich die Firma leitete.
»Du solltest einen Arsch in der Hose haben und ihm sagen, dass du sie nicht willst«, beharrte Elias.
»So einfach ist das nicht. Er war schon immer begeistert von intelligenten Menschen und sie scheint es zu sein. Sonst wäre sie keine Jahrgangsbeste. Ohne eine Person vorher auf Herz und Niere durchleuchtet zu haben, würde er niemals jemanden einstellen.« Ich seufzte. »Kannst du nicht jemand anders nerven? Ryan zum Beispiel?«
»Der ist mal wieder verschollen.«
Der Glückspilz.
Elias schien noch nicht fertig zu sein mit seiner Predigt, denn sein Mund öffnete sich schon wieder: »Außerdem weißt du, dass das Ausweichen einer Frage ebenfalls eine Antwort ist?«
»Halt die Klappe. Seit wann bist du so neunmal klug?«
Als ältester von drei Söhnen lag es an mir, das Imperium, das einst mein Großvater aufgebaut und mein Vater erweitert hatte, am Leben zu erhalten. Das bedeutete, dass ich besonders wachsam sein musste. Es lag an mir, unsere Dynastie zu pflegen und musste dafür Sorge tragen, dass wir weiterhin rentabel blieben. Das war gar kein leichtes Unterfangen, weshalb ich insgeheim hoffte, dass Ryan und Elias mir jeweils einen Zweig abnehmen würden, denn neben der weltweit bekannten und erfolgreichen Anwaltskanzlei mit Fachspezialisierung auf verschiedene Wirtschaftszweige bestand die Dynastie zusätzlich aus zwei weiteren großen Wirtschaftsbereichen: Einem Immobilienzweig einschließlich Notargesellschaften sowie dem Architekturzweig.
Nicht umsonst war meine Familie stinkreich, obwohl ich noch immer nicht begriff, was mir all der Reichtum brachte, wenn ich eine Hundert-Stunden-Woche nach der anderen hatte.
»Du hörst mir schon wieder nicht zu.«
»Entschuldige, ich bin heute abgelenkt.« Ich seufzte.
»Lass mich raten: Letzte Nacht hast du bis Mitternacht gearbeitet und warst dennoch um sechs wieder im Büro.«
»Ich habe es um ehrlich zu sein gar nicht verlassen.«
»Jaden!« Sorge stand meinem jüngsten Bruder ins Gesicht geschrieben. Er beugte sich vor und stützte die Unterarme auf seinen Knien ab. »Du arbeitest dich seit Jahren kaputt. Du brauchst dringend Urlaub!«
»Ich habe Urlaub.«
»Wenn man welchen hat, ist man in der Regel nicht im Büro. Muss ich dir das wirklich erklären, Jaden?«
»Wenn dieser Fall vom Tisch ist, kann ich …«
»Das hast du schon bei der Klage davor gesagt und vor der davor und der davor. Ich kann es nicht mehr hören.« Elias musterte mich verstimmt. »Was willst du machen, wenn du im Gerichtssaal abgelenkt bist? Oder tot umkippst?«
»Das war ich noch nie und jetzt mach dich nicht lächerlich.« Verärgert schob ich die Blätter zurück in die Akte.
»Noch ist das richtige Wort. Außerdem finde ich die Frage der Gesundheit keinesfalls lächerlich. Gerade du solltest wissen, wie wichtig es ist, Pausen einzulegen. Anderen gegenüber schwingst du die Moralapostel und selbst gehst du aufs Zahnfleisch!« Elias deutete mit einem Kopfnicken zu der Bewerbungsakte, die auf der Ecke meines Schreibtisches lag, damit die Unterlagen nicht versehentlich in den Akten der Klage landeten. »Wird sie dir helfen?«
»Das ist der Plan.«
»So ungern ich mich wiederhole, aber: warum sie und niemand Erfahrenes? Verflucht noch mal, Jaden! Du brauchst eine rechte Hand, die dir Arbeit abnimmt und nicht noch mehr aufhalst. Sie muss eingearbeitet werden, braucht Führung und Kontrolle, bevor sie im Alleingang Dinge angehen kann. Dafür fehlt dir die Zeit!«
Ich stöhnte. Diese Standpauke hörte ich nicht zum ersten Mal. »Du klingst wie Mom.«
»Weil sie recht hat.«
»Dad hielt es für eine hervorragende Idee, Nachwuchstalente direkt nach dem Abschluss an uns zu binden«, gab ich widerwillig zu.
»Ha! Da haben wir ja wieder den hörigen Erstgeborenen«, spottete Elias. Sein Gesichtsausdruck wurde so ernst, wie ich ihn noch nie zuvor gesehen hatte. »Jaden, ich liebe dich. Du bist mein großer Bruder. Es gefällt mir gar nicht, wie sehr du dich für die Firma aufopferst.«
Ich schwieg und drehte den Kopf, um aus dem Fenster sehen zu können. Mein Büro war im obersten Stockwerk, die Aussicht über London war fantastisch. Elias’ Worte waren wahr, das wusste ich, aber warum begriff er nicht, dass es nun mal Entscheidungen im Leben gab, die man nicht aus egoistischen Gründen treffen durfte? Er wusste genau, was gerade auf dem Spiel stand.
»Hör mal«, sprach Elias im versöhnlichen Tonfall weiter. »Wenn du Hilfe brauchst, unterstütze ich dich. Ich weiß, ich bin ein Grünschnabel, doch falls du mich lässt, kann ich dir zumindest ein paar Aufgaben abnehmen.«
Als Jüngster in der Familie lastete auf seinen Schultern nicht so viel Druck wie auf meinen oder Ryans, trotzdem waren seine Einschätzungen richtig. »Du hast recht.«
»Natürlich habe ich das. Und jetzt zu Miss Adams.« Elias deutete mit einem Kopfnicken zur Akte. »Was soll sie konkret machen?«
»Im Grunde normal mitarbeiten. Einige Fälle übernehmen und mir zuarbeiten.«
»Dir persönlich?« Elias zog erstaunt beide Augenbrauen hoch.
Ich schnitt eine Grimasse und nickte. Das war ungewöhnlich, das war selbst mir bewusst. »Dads Idee.«
»Ah ja. Lass mich raten: Er nimmt keinen erfahrenen Anwalt, weil er sich jemanden heran erziehen will, der haargenau so arbeitet, wie er das will. Aus einem Frischling kann man schließlich genau die hörigen Angestellten machen, die Dad so sehr schätzt. Was sagt er immer? Sie sind wie Ton in unseren Händen.« Er ahmte die Stimme unseres Vaters erschreckend gut nach. »Was bedeutet, dass sie später eventuell die Abteilung führen soll, damit du dich bedeutsameren Aufgaben wie Charity-Veranstaltungen zuwenden kannst?«
Ich stöhnte und wischte mir mit der Hand über das Gesicht. Manchmal unterschätzte ich meinen Bruder und dessen Scharfsinn. Er machte es mir aber auch verdammt einfach, ihn als Küken der Familie, Wildfang und Sunnyboy abzustempeln. Er tat schließlich selten etwas, um diesen Eindruck zu revidieren.
Doch er hatte die Ziele unseres Vaters gut zusammengefasst: Händeschütteln und wichtige Persönlichkeiten treffen, um neue Wirtschaftshaie als Kunden zu gewinnen, die viel Geld in unsere Kanzlei spülten – so sah meine Zukunft aus, wenn es nach unserem Dad ging. Dabei stand ich lieber im Gerichtssaal.
»Wenn ich Dad richtig verstanden habe, schwärmen sämtliche Dozenten von ihr. Ihr Schwerpunkt liegt in Wirtschaftsrecht, was wir brauchen. In nächster Zeit gehen zu viele Kollegen in den Ruhestand.«
»Falls sie die Leitung der Abteilung tatsächlich übernimmt, wie Dad geplant hat, könnte es Ärger geben.«
»Ich weiß.«
»Sie braucht ein dickes Fell.«
»Ich weiß.«
»Wenn du das alles weißt, warum denkst du dann nicht darüber nach, die Führung jemandem zu überlassen, der schon im Team ist?« Elias neigte den Kopf und wirkte dabei wie ein neugieriges Küken, das einen Blick aus dem Nest wagte.
»An wen?« Meine Mundwinkel zuckten. »Miss Bell? Sie ist zu hibbelig für diesen Job. Miss Cruse habe ich ihn bereits angeboten, sie hat dankend abgelehnt, weil sie vermeintlich zu alt dafür sei. Ich glaube, sie will sich den zusätzlichen Stress nicht antun. Mr. Hurkey ist definitiv zu alt, er geht nächstes oder übernächstes Jahr in Pension. Und der Rest ist zu gierig auf die ganz großen Fälle und die Provisionen. Niemand will die Verantwortung tragen und den Kopf hinhalten, wenn etwas im Team schiefgeht.«
»Was ist mit Mr. Hanson? Er ist jung, charismatisch und geht über Leichen, um zu gewinnen.«
Ich zog eine Augenbraue hoch. »Du hast dir deine Antwort selbst gegeben.«
Elias verdrehte die Augen. »Sollte ein guter Anwalt nicht alles für den Sieg tun?«
»Ja, aber auf legalem Weg. Ich habe Lucas seit Längerem im Blick, was seine Vorgehensweise angeht. Er ist erfolgreich in dem, was er tut, jedoch kann ich ihm nicht blind vertrauen. Außerdem müssen wir gerade bei ihm aufpassen, dass unser Ruf nicht ins Schleudern gerät, weil er Taktiken fährt, die nicht moralisch einwandfrei sind. Wir haben dahingehend schon ein gewaltiges Problem. Wir brauchen nicht noch jemanden.«
Elias tippte sich gegen das frisch rasierte Kinn. Manch anderer bekam ohne Drei-Tage-Bart ein Baby-Face, so wie ich. Ihm stand beides. »Ansonsten fällt mir auch niemand auf die Schnelle ein, der das Zeug dafür hätte.« Er linste zu der Akte. »Dann mal viel Glück mit deinem Mäuschen. Hoffentlich hat sie es drauf.«
»Sei nicht so sexistisch!«
»Aber sie ist heiß und jung! Dieser Kosename ist nun wirklich nichts, wofür ich eine Abmahnung bekommen dürfte.«
»Doch, ist es.«
Elias seufzte. »Ich meine es nicht abfällig.«
Verstimmt runzelte ich die Stirn. »Ich bitte dich dennoch, nicht so über deine Kolleginnen zu sprechen. Oder generell über Frauen.«
»Nimm mal den Stock aus dem Arsch.« Elias verdrehte die Augen. »Außerdem hast du leicht reden.«
Verwirrt musterte ich Elias. »Was genau meinst du damit?«
Er zuckte mit den Schultern, was ein klein wenig bockig aussah. »Du umgibst dich nur mit attraktiven Frauen und bezeichnest dann mich als sexistisch?«
Irritiert runzelte ich die Stirn. »Darauf achte ich nicht. Mir ist es egal, wie jemand aussieht, welches Geschlecht er hat, wie alt derjenige ist oder wessen Tochter oder Sohn es ist. Hauptsache die Arbeit stimmt.«
»Deswegen sieht deine persönliche Sekretärin aus wie ein Victoria’s Secret Model.«
Ungerührt wandte ich mich wieder meinen Unterlagen zu. »Tracey ist gut in ihrem Job. Nur aus diesem Grund beschäftige ich sie.«
»Und im Bett«, ergänzte Elias. Dabei wackelte er bedeutungsvoll mit den Augenbrauen.
»Elias!« Eine Ader an meiner Schläfe zuckte. Jedes Mal trieb dieser Vollidiot mich zur Weißglut. Ich sollte ihm den Zutritt zu diesem Stockwerk komplett verbieten.
»Was denn? Tu nicht so, als würdest du die Gerüchte über euch nicht kennen.«
Gerüchte?
Ich ließ mir nichts anmerken, sondern funkelte Elias wütend an. »Hast du nichts Besseres zu tun, als mich zu nerven? Wie du siehst, habe ich mehr als genug Arbeit, auch ohne deine Hirngespinste!«
»Wären es nur Hirngespinste, würdest du nicht derart aggressiv reagieren.«
»Ich bin nicht …« Ich unterbrach mich selbst, als ich merkte, dass ich lauter geworden war. Mühsam schloss ich die Augen, massierte mir mit Zeigefinger und Daumen die Nasenwurzel, ehe ich die Luft ergeben ausstieß.
»Die anderen glauben, dass du was mit Tracey am Laufen hast.«
Ich senkte die Hand und sah ausdruckslos zu meinem Bruder. Ernsthaft? »Aha.«
»Mach dir nichts draus. Lieber reden sie über so etwas, statt dir Betrug oder illegale Machenschaften vorzuwerfen.«
Meine Augen wurden schmaler. »Das ist nicht witzig, Elias.«
Elias nickte leicht und sah dann zu den Aktenbergen auf meinem Schreibtisch.
Ich musterte ihn. Das dunkelblaue Hemd hatte Mom ihm geschenkt. Es stand ihm. Sie hatte ein Händchen für Mode. Die beiden oberen Knöpfe waren offen, was ihm einen legeren Look verlieh. Unterbrochen wurde sein Businesslook jedoch von der Kappe, die sein braunes Haar bedeckte. Darauf ruhte obendrein seine tiefschwarze Sonnenbrille, die er ständig trug. Er mochte es, seine Umwelt zu beobachten, ohne dass zu sehen war, wohin sich sein Blick richtete. Oder eher auf wen.
»Du weißt, dass wir früher oder später über die Sache … mit Dad reden müssen. So kann das nicht weitergehen«, flüsterte Elias aus dem Nichts.
Ertappt zuckte ich zusammen. Der wahre Grund, warum Elias hier war. Ein Thema, über das weder unser Vater noch ich sonderlich gern sprachen. Auch das war etwas, das ich gern verdrängte. »Mhm.«
»Jaden, es ist dringend. Wenn du nicht aufpasst, landest du im Knast.« Elias hob den Blick und sah mich eindringlich, fast schon flehend an. Ich wich aus, indem ich zur Seite sah.
»Ich habe alles unter Kontrolle. Wir reden ein anderes Mal darüber, aber nicht jetzt, Elias.«
»Das sagst du ständig!«
Das war mir bewusst, aber ich wollte dieses Problem so lange aufschieben, wie es nur ging. Weil ich mir keine Gedanken über die Konsequenzen machen wollte. Weder für unseren Vater noch für unsere Familie. Für die Firma.
Für mich.
Denn wenn das eintrat, was wir drei Brüder befürchteten, wusste ich bereits jetzt, wer der Leidtragende sein würde.
Marielle
Aufregung durchflutete mich. Mein Herz raste, während ich kurz davorstand, den ersten Schritt in mein neues Leben zu setzen. Dabei war es die Angst, die mich regelrecht lähmte. Sorge vor dem Versagen. Davor, dass ich nicht genug war.
»Bist du schon da?«
»Ja.« Ich biss mir auf die Unterlippe und hielt das Smartphone ans Ohr gedrückt.
»Bist du dir absolut sicher, dass du das machen willst, Emi?« Ich hörte die Sorge in der Stimme meines Onkels. Dabei hatten wir das Gespräch erst vor einigen Monaten während des Erstellens meiner Bewerbungsunterlagen geführt. »Du hattest so viele Zusagen. Warum muss es ausgerechnet diese Kanzlei sein?«
»Du weißt, warum«, flüsterte ich und betrachtete das Firmengebäude der JRE-Nassari-Dynastie. Für mich stand dieses Gebäude für einen Neuanfang – und hoffentlich auch die Wahrheit.
Ich wollte herausfinden, wer hinter dieser Kanzlei steckte. Ich wollte sie mit eigenen Augen sehen und nicht durch die Augen meiner Familie.
Mein Onkel seufzte schwer am anderen Ende der Leitung. »Ich hoffe, du weißt, was du tust.«
Ich schwieg. Seine Bedenken waren verständlich. Wenn man bedachte, was einst geschehen war. »Wir reden die Tage. Ich muss jetzt rein.«
»Viel Erfolg. Hau sie vom Hocker, Kleines. Und vergiss die Bucket-Liste nicht. Du bist in London und kannst abends endlich unterwegs sein, statt nur zu lernen. Versprich es mir.«
»Das werde ich. Aber ich muss jetzt wirklich auflegen.«
»In Ordnung.« Er klang sogar noch nervöser, als ich mich fühlte. Dieser Gedanke entlockte mir ein Lächeln. »Hab dich lieb, Emi.«
»Ich dich auch.« Ich legte auf und atmete tief durch, während ich das Smartphone in die Aktentasche steckte. Meine Finger berührten das Papier, auf dem meine Schwester in ihrer schönsten Handschrift die einzelnen Punkte vermerkt hatte.
Ich schloss die Augen und rieb mit dem Daumen über die Falte auf dem Blatt. Endlich schaffte ich es, einen Schritt vorzutreten, und prallte direkt mit einem Kerl zusammen, der gerade den Bürokomplex verließ.
Vor Schreck ließ ich meine Tasche fallen, deren Schnalle prompt aufging, sodass all meine Sachen herauspurzelten – einschließlich der Bucket-Liste! »Oh, es … es tut mir leid«, stammelte ich, während ich auf allen vieren den Inhalt zusammenklaubte. Zwei Kugelschreiber, mein Portemonnaie, das Schreiben, das mich als neue Mitarbeiterin bestätigte. Selbst meine Zugangskarte, die mir vorab zugeschickt worden war, war rausgefallen. Als würde es fliehen wollen und mich anschreien, es ihm gleich zu tun. Warum zur Hölle musste ausgerechnet jetzt meine Tasche kaputtgehen? Womöglich hatte ich die Aktentasche in der U-Bahn zu oft geöffnet und wieder geschlossen, um den Brief immer wieder aufs Neue ungläubig zu lesen.
»Ich wollte Sie nicht über den Haufen rennen.« Ich sah auf und realisierte erst jetzt, dass ich mich kurzentschlossen vor dem Kerl auf den Boden geworfen hatte, um die davonrollenden Kugelschreiber einzufangen. Was bedeutete, dass ich direkt auf der Höhe seines Schritts hockte. Statt also zu dem Mann hochzusehen, starrte ich auf die leichte Ausbeulung seiner engen Jeans. Meine Wangen glühten. Ich hoffte inständig, dass mein Make-Up die Rötungen verbergen würde.
»Meine Augen sind hier oben.« Die tiefe, melodische Stimme klang belustigt. Tatsächlich grinste der Kerl mir zu, als ich langsam den Blick hob, während ich den Kopf leicht in den Nacken legte. Er trug eine tiefschwarze Sonnenbrille, eine Kappe und ein dunkelblaues Hemd, dessen oberen zwei Knöpfe geöffnet waren.
»Wenn der Hosenstall offen ist, kann ich nicht anders. Es ist wie bei einem Autounfall, man muss einfach hinsehen«, entgegnete ich trocken, während ich die Aktentasche an meine Brust presste, um sie irgendwie zusammenzuhalten. Ich stand auf und hoffte inständig, dass niemand von meinen künftigen Kollegen diese Situation mitbekommen hatte.
Sofort verschwand das Lächeln aus dem attraktiven Gesicht und seine Hand wanderte hektisch zum Reißverschluss der Jeans. Als er merkte, dass ich geflunkert hatte, kehrte das anziehende Grinsen zurück. »Das war ziemlich frech.«
Ich schmunzelte. »Mir nicht dabei zu helfen, meine Sachen wieder einzufangen, ist mindestens genauso fies.«
Er lachte leise. Der Laut sorgte dafür, dass sich mein Magen einmal umdrehte. »Touché. Und Sie sind?« Etwas in seinem Blick irritierte mich. Er grinste fast schon provokant. Als würde er die Antwort auf seine Frage bereits kennen.
»Zu spät dran.« Ich linste auf meine schmale Armbanduhr und fluchte. Eilig schob ich mich an dem Fremden vorbei, ehe ich zügig den Bürokomplex betrat. Ich hatte keine Zeit für irgendwelche Ablenkungen, egal, wie charmant das Lächeln auch sein mochte.
»Miss?«
Ich drehte mich um, aber da glitt die Schiebetür zu, sodass wir einander durch das reine Glas anstarrten. Eigentlich müsste ich nur einen Schritt nach vorne setzen, damit die Tür wieder aufging, doch weder er noch ich rührten uns. Und da ich ohnehin zu spät dran war, lächelte ich unschuldig und wandte mich ab. Ich bemerkte erst, dass ich insgeheim darauf gehofft hatte, dass er mir folgen würde, als er es nicht tat.
Angestrengt widerstand ich dem Drang, einen Blick zurückzuwerfen, und konzentrierte mich dafür auf den imposanten Eingangsbereich. Denn diesen Ort würde ich für mindestens ein Jahr fast jeden Tag betreten.
Bei dieser Vorstellung schlug mein Herz noch schneller. Meine Handinnenflächen wurden feucht, sodass es mir schwerer fiel, die Aktentasche zusammenzuhalten.
Ich atmete tief die erstaunlich frische Luft ein, im Versuch, meinen Puls zu beruhigen. Es roch nach Pfefferminztee und dezent nach Lavendel. Ich sah mich um. Der großzügige Raum war in Erdtönen gehalten. Überall gab es gigantische Pflanzen. Die Dekoration in Form von riesigen Vasen, künstlerischen Skulpturen und sogar einer dazu passenden geschwungenen Treppe war in verschiedene Grüntöne gehalten. Mit den dunkelbraunen Möbeln ergab es einen idealen Kontrast. Insbesondere, da die Wände in einem harmonischen Cappuccino Ton gestrichen waren. Ein Wohlfühlort, wie in einem Wellnesseingang. Die Eingangshalle passte besser zu einem schicken Spa als zu einer Anwaltskanzlei. Wenn mir jetzt jemand mit einem flauschigen Bademantel entgegenkommen und mich zu einer Massage entführen würde, hätte ich es glatt geglaubt.
»Kann ich Ihnen helfen?«
Ertappt zuckte ich zusammen und sah zu der Rezeptionistin, die mich neugierig musterte.
»Ähm.« Ich räusperte mich. »Hi. Ich heiße Marielle Adams«, stellte ich mich schüchtern vor, während ich nähertrat.
Noch immer musterte mich die Rezeptionistin neugierig und schob sich eine braune Locke hinter das Ohr.
»Haben Sie mit einem unserer Anwälte einen Termin?« Sie lächelte mir freundlich zu und neigte dabei leicht den Kopf zur Seite.
»Nein. Ich meine, ja. Ich …«
Verflucht, ich war doch sonst nicht auf den Mund gefallen! Ich nestelte mit schwitzigen Fingern an dem Riemen meiner Aktentasche. Irgendwie gelang es mir, die lockere Schnalle wieder zu verschließen. Solange sie mir nicht erneut hinfiel, sollte es vorerst halten. Nervös sah ich auf und lächelte angespannt. »Ich heiße Marielle Adams. Heute ist mein erster Tag.«
Sofort hellte sich die Miene der Angestellten auf, die laut dem Namensschild auf der Rezeption Mrs. Domeloof hieß. »Ah. Herzlich willkommen! In welche Etage müssen Sie?« Als ich sie peinlich berührt anstarrte, kicherte sie. »Ich meinte, für welche Abteilung wurden sie eingesetzt?«
»Wirtschaftsrecht.« Ich straffte die Schultern. Es war Zeit, mich zusammenzureißen und nicht das graue Mäuschen zu spielen. Ansonsten könnte ich den Job gleich an den Nagel hängen, weil man mich vor Gericht zum Frühstück verspeisen würde.
Während die Rezeptionistin nickte und sich ihrem Computer zuwandte, sah ich an ihr vorbei zum gewaltigen, goldenen Schild an der Wand. Darauf waren die einzelnen Etagen vermerkt. Neben jeder Zahl stand die entsprechende Fachgruppierung. Mir schwindelte, als ich sah, dass mein Fachgebiet im obersten Stockwerk untergebracht war: Siebenundzwanzig. Wie gut, dass ich minimal unter Höhenangst litt. Mein Magen krampfte.
»Oh.«
Ich zuckte zusammen und sah wieder zu Mrs. Domeloof. »Oh?«, wiederholte ich und gab mir Mühe, mir meine Verunsicherung nicht anmerken zu lassen. Sofort ging ich mental den Inhalt des Einladungsschreibens durch, das ich mittlerweile auswendig kannte. Nein, ich hatte mich definitiv nicht vertan. Heute war mein erster Arbeitstag. Die Zusage war unmissverständlich, die Ortsbeschreibung ebenfalls. Lediglich mein Ansprechpartner und die exakte Etage meines Büros fehlten im Schreiben.
»Nein, nein, alles gut, bloß habe ich nicht damit gerechnet, dass Sie direkt Mr. Nassari unterstehen«, meinte sie fröhlich und sah mich erstaunlich munter an. »Das ist selten.«
»Oh.« Jetzt entfuhr mir dieser Laut. Ich hatte keine Ahnung, ob das ein gutes oder ein schlechtes Zeichen war. Da Mrs. Domeloof wieder auf ihre Tastatur tippte und sich zur Gänze dem Monitor zuwandte, wollte ich sie nicht stören. Also zwang ich mich, ruhig stehen zu bleiben und widerstand dem Drang, an meinem Rock zu nesteln.
Ich beobachtete die Menschen, die ein- und ausgingen. Die meisten waren geschäftig gekleidet, schleppten Aktenkoffer mit sich und erschienen mir unfassbar professionell. Frauen in Hosenanzügen oder teuer aussehenden Kleidern, Männer in Hemden, Anzughosen und Krawatte.
Zu meiner Verwunderung waren viele aber auch weniger schick gekleidet, mit Jeans und manche sogar in stylishe Jogginghosen.
»Hier kann jeder anziehen, was er oder sie will«, erklärte Mrs. Domeloof, die mich mit einem warmen Lächeln und einem freundlichen Blick betrachtete, ehe sie an mir vorbeisah. »Bei Meetings und Gerichtsterminen gibt es natürlich eine Kleiderordnung. Für jemanden wie mich, der die Besucher empfängt, existieren ebenfalls Regeln, aber ansonsten kann man nahezu alles tragen. Abgesehen davon, dass die meisten Mitarbeiter überwiegend aus dem Home-Office arbeiten.«
»Ich verstehe«, murmelte ich.
Die Rezeptionistin zuckte mit den Schultern und reichte mir einen Zettel. »Das hier ist der Code für die oberen Stockwerke«, erklärte sie und tippte auf eine vierstellige Zahl. »Niemandem verraten, ja? Mr. Nassari hat gern seine Ruhe und möchte nicht, dass unbefugte Zutritt zu seiner Etage haben. Dort befindet sich sein privates Büro, wenn Sie verstehen, was ich meine.« Sie zwinkerte mir verschwörerisch zu, als würde sie mir den Zugangscode für ein geheimes Labor anvertrauen.
Oder zur Privatwohnung des CEOs persönlich.
»Vielen Dank für die Hilfe.« War es normal, dass ich bereits jetzt ein wenig eingeschüchtert war? Unsicher betrachtete ich den unscheinbaren Zettel. Ich hatte angenommen, dass ich keinen der Nassari-Brüder zu Gesicht bekommen würde. Aber dass ich einem der drei direkt unterstand, irritierte mich. Ein CEO hatte weiß Gott Wichtigeres zu tun, als sich um mich zu kümmern.
»Dann viel Erfolg«, flötete Mrs. Domeloof munter und deutete zu den Aufzügen.
Ich nickte ihr zu, wünschte ihr noch einen schönen Tag und ging auf die zehn golden schimmernden Türen zu.
Ich beobachtete die roten Ziffern, die anzeigten, auf welcher Etage sich der jeweilige Fahrstuhl soeben befand, als sich einer von ihnen öffnete. Nachdem die adrett gekleidete Dame herausstolziert war, trat ich schnell ein und drückte auf die Zahl siebenundzwanzig. Sofort leuchtete das Tastenfeld links neben den Etagennummern auf. Ich sah auf den Zettel, ehe ich die Ziffern vier-sieben-eins-eins eintippte. Automatisch schlossen sich die Türen und der Aufzug setzte sich in Bewegung.
Marielle
Angespannt beobachtete ich die rote Zahl oberhalb der Aufzugstür, die sich überraschend schnell erhöhte. Am Ziel angekommen, bremste der Aufzug erstaunlich weich ab, sodass ich es kaum bemerkte, bis die Türen aufgingen.
Das, was sich mir offenbarte, ließ mein Herz schneller schlagen. Ehrfürchtig trat ich auf den dunklen Parkettboden. Er wirkte auf mich unfassbar teuer, passte jedoch in das edle Design des Raumes. Die Absätze meiner schwarzen Pumps gaben keinen Ton von sich. Ich blieb stehen und sah mich um. Auf dieser Etage gab es ebenfalls zahlreiche Pflanzen, von denen nicht alle rein grün waren, sondern teilweise sogar wunderschöne, violette Blüten trugen.
Es war still. Ich hörte nichts. Weder Druckergeräusche noch Gespräche, Schritte, das Röhren von Kaffeemaschinen oder sonst etwas. Nicht mal den Klang eines Radios.
Vor mir erstreckten sich zahlreiche gläserne Wände, die einzelne Bürobereiche voneinander abtrennten. Die gesamte Etage schien nur aus Glas zu bestehen. Viele Scheiben waren mattiert. Diese Technologie kannte ich. Wenn man einen Knopf drückte oder den Raum verriegelte, wurde die Glasscheibe undurchsichtig.
Erst jetzt sah ich nach oben und bekam kaum Luft vor Ehrfurcht, als ich direkt in den Himmel blickte. Ich befand mich tatsächlich unmittelbar unterhalb des Daches! Da ich ein Gelände und etwas wie Stehtische erahnte, gab es wohl einen Zugang zum Dachgeschoss. Auf solch einer Höhe stellte ich mir Empfänge sehr imposant vor.
Mein Blick glitt weiter zu dem kunstvoll wachsenden und drapierten Efeu. Dieser schlängelte sich zwischen den modernen Lampen, die überall angebracht waren. Zu gern hätte ich die Blätter berührt und mich vergewissert, ob sie echt oder künstlich waren.
Schritte erklangen. Sofort sah ich zur Seite und realisierte, dass ich mich noch immer nicht vom Fleck bewegt hatte. Wie viele Minuten stand ich schon hier und starrte Löcher in die Luft?
»Guten Tag, Miss. Kann ich Ihnen helfen?« Eine ältere Dame trat auf mich zu.
»Guten Morgen«, grüßte ich sie so freundlich und offenherzig, wie ich es vermochte. »Ich heiße Marielle Adams.« Ehe ich weitersprechen konnte, hellte sich die Miene der adrett gekleideten Frau auf.
»Ah, unsere Special-Mitarbeiterin!« Als sie meinen irritierten Blick bemerkte, lachte sie herzhaft auf. Es klang rau und tief. Dabei sah sie so elegant wie Miranda Priestley aus Der Teufel trägt Prada aus. »Es ist selten, dass wir in dieser Abteilung einen Neuzugang haben, der frisch aus dem Studium kommt.«
»Das wusste ich nicht.« Mir war zwar bewusst gewesen, welche Ehre es darstellte, einen Job in der Kanzlei der JRE-Nassari-Dynastie zu ergattern, aber, dass diese derart groß war, hatte ich nicht geahnt.
Sie lächelte großmütterlich. »Diese Abteilung ist eine der wichtigsten Zweige, die wir im Unternehmen haben. Oder, um Klartext zu sprechen: Es ist der, der am meisten Geld reinbringt und nichts für Grünschnäbel ist. Umso größer werden die Erwartungen an Sie sein, aber machen Sie sich keine Gedanken. Wir sind hier ein Team und unterstützen uns gegenseitig.« Sie zwinkerte mir verschwörerisch zu und schürzte ihre rot geschminkten Lippen. Sie trug einen perfekt maßgeschneiderten Hosenanzug, kombiniert mit einer hellblauen Bluse, die zu ihren graublauen Augen passte. Alles war farblich abgestimmt, saß wie eine zweite Haut und betonte ihre trainierte Figur. Sie musste weit über fünfzig Jahre alt sein, sah jedoch fitter aus als manche Kommilitonin von mir.
»Das ehrt mich.« Ich spürte wieder diesen Druck im Magen. Leistungsdruck kannte ich, aber das hier war eine vollkommen neue Ebene. »Mir wurde an der Rezeption mitgeteilt, dass Mr. Nassari für mich zuständig sein soll? Das war vermutlich ein Fehler?« Ich lächelte nervös und biss mir auf die Zunge, ehe ich ohne Punkt und Komma weiter plapperte.
»Nein, Liebes. Das ist korrekt«, sagte sie. »Oh, schauen Sie doch nicht so drein. Er ist ganz handzahm und ein wirklich freundlicher Chef«, versicherte sie mir mit einem Zwinkern.
»Ich kann mir gut vorstellen, dass Mr. Nassari bedeutungsvollere Aufgaben hat, als sich um einen Neuling zu kümmern.« Zwar war ich mir nicht sicher, ob ich derart offen sprechen sollte, aber diese Frau hatte etwas an sich, das mich seltsam beruhigte und mir den Eindruck vermittelte, offen reden zu dürfen.
»Natürlich hat er das«, sagte sie. »Deswegen bin ich ebenfalls als Mentorin eingesetzt, Schätzchen. Mr. Nassari hat aktuell sehr viele wichtige Termine und wird Ihnen wohl hin und wieder Arbeiten auftragen, für die er oder seine Assistentin keine Zeit haben. Sehen Sie nicht so drein, als wären Sie ein Reh, das jeden Moment überfahren wird. Er wird Sie weder fressen noch wird er Sie großartig beachten. Da muss ich Sie leider enttäuschen oder, in Ihrem Fall, wohl eher beruhigen?« Ihre Augen funkelten vor Schalk, während ich nicht sicher war, was ich sagen sollte. Ihre Energie überforderte mich.
»Okay«, nuschelte ich daher, um nicht schweigend dazustehen. So unsicher kannte ich mich gar nicht. Üblicherweise war ich jemand, der zu forsch und frech war, der für sich und seine Interessen einstand. Zumindest schätzte ich mich so ein. Doch hier, Stunden von zu Hause, komplett auf mich allein gestellt, ohne meine Familie und in meinem ersten richtigen Job, war ich eingeschüchtert. Womöglich war das Ganze eine Nummer zu groß für mich. Aber für diesen Gedanken war es jetzt schon zu spät. Ich würde es durchziehen. Komme, was wolle.
»Folgen Sie mir. Sie haben Ihr Büro direkt neben meinem, damit ich Ihnen unter die Arme greifen kann. Das ist so aufregend, ich war bisher noch nie Mentorin! Dass ich in meinem Alter so was Neues machen würde, hätte ich nicht gedacht. Das wird eine interessante Erfahrung für uns beide werden.« Sie zwinkerte mir über die Schulter zu, als wären wir bereits die besten Freundinnen.
So sehr mich ihre Art überforderte, beruhigte mich ihre Gutherzigkeit.
Jaden
Erschöpft ließ ich den Hörer sinken und beendete das Telefonat. Ich stellte mich vors Fenster meines Büros und starrte auf London herab, während sich die Tür in meinem Rücken leise hinter Elias schloss. Ich war müde und wusste, dass er recht hatte. Ich war überarbeitet und brauchte dringend Urlaub.
Meine Gedanken wanderten immer wieder zu unserem Vater zurück. Ich hatte ihn seit Ewigkeiten nicht mehr gesehen, aber Mom hatte mir erzählt, wie drastisch er abgebaut hatte.
Trotzdem war Dad noch Geschäftsführer. Die Ärzte rieten ihm, kürzerzutreten oder besser noch: komplett aufzuhören. Er war zu stur, um auf sie zu hören.
Missmut überkam mich. Die Last ruhte zu schwer auf meinen Schultern. Ich war es, der unsere Familie tragen und jeden Mist ausbaden musste. Seit Monaten ging es neben dem gewaltigen Fall, an dem ich arbeitete, noch um … etwas anderes. Um eine Angelegenheit, die ich allein Dad zu verdanken hatte.
Ich linste zu den Unterlagen auf meinem Tisch. Hoffentlich würde diese Miss Adams etwas draufhaben, wie Dad es mir hochlobend versprochen hatte.
Ich schloss die Augen, ehe ich frustriert dem herrlichen Ausblick auf London den Rücken zuwandte. Solche Minuten der Ruhe gönnte ich mir viel zu selten. Aber für sie blieb selten Zeit in meinem Leben voller Erwartungen, Hoffnungen und Verpflichtungen.
Ich liebte und hasste es zugleich.
So sehr ich meine Familie vergötterte und alles für meine Brüder und meine Eltern tun würde, so sehr wünschte ich mir ein selbstbestimmtes Leben. Im Grunde hatten meine Brüder und ich nie eine Wahl gehabt. Das Jurastudium war unser vorherbestimmter Weg. Ryan und Elias hätten vielleicht auch Makler oder Architekt werden können, um die Leitung dieser Zweige zu übernehmen. Für mich gab es nie eine Alternative.
Manchmal fühlte ich mich den Serien und Filmen nahe, die über alte Adelshäuser berichteten, in denen die erstgeborenen Söhne die Titel der Väter erbten. Meine Realität war aber nicht so romantisch mit langen Ausritten, höflichen Konversationen und hochtrabender Sprache. Ich befand mich in einem Haifischbecken voller Paragraphenreitern, hinterlistigen Geschäftsverbindungen und Stress. Verdammt viel davon.
Ich sah zu den Akten meines aktuellen Falls der Oil Smith Group, die von der Scherres AG verklagt wurde. Kurz spielte ich mit dem Gedanken, mich direkt an die Arbeit zu setzen, aber mein Gehirn war nach dem Gespräch mit Elias zu Brei geworden. Ich brauchte eine Verschnaufpause.
Daher verließ ich kurzerhand mein Büro und holte mir im Zentrum der Etage unmittelbar unter der Glaskuppel einen Kaffee. Dafür tippte ich auf das Display des Kaffeevollautomaten und veränderte die Stärke der Bohnen auf schwarz und extra stark, um meine Lebensgeister zu wecken.
Grölend erwachte das Mahlwerk zum Leben. Fast schon hypnotisch beobachtete ich, wie der Kaffee meine Tasse allmählich füllte. Ich war mit den Gedanken zu weit weg und hörte die Schritte erst, als es zu spät war.
»Mr. Nassari? Haben Sie eine Minute für mich?«
Oh nein, die hatte ich nicht. Meine Lust auf das Gespräch hielt sich in Grenzen, aber mir blieb keine Wahl. Als CEO musste ich für alle Mitarbeiter seriös und zugänglich bleiben. Das enthielt auch die Tatsache, mich unliebsamen Personen zuzuwenden, deren Anwesenheit allein mich reizte.
Der Kaffeevollautomat beendete seine Arbeit. Ich griff nach meiner Kaffeetasse und wandte mich mit einem höflichen Lächeln Lucas Hanson zu, ein Mann, groß, schlank, mit einem breiten Kreuz aufgrund seines Schwimmtrainings. »Mr. Hanson. Was kann ich heute für Sie tun?« Abgesehen davon, ihn hochkantig rauszuwerfen, weil er mir tierisch auf die Nerven ging?