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Wird die digitale Revolution uns eine digitale Diktatur oder eine digitale Demokratie bringen? Wir müssen alles vergessen, was wir über das digitale Zeitalter zu wissen glauben. Es geht nicht um Privatsphäre, Überwachung, künstliche Intelligenz oder Blockchain. Es geht um die Frage des geistigen Eigentums. Denn wer im digitalen Zeitalter Informationen und Daten besitzt, der kontrolliert die Zukunft. In diesem wichtigen und provokanten Buch wird eine neue Diagnose für die Missstände des digitalen Zeitalters vorgestellt und ein Weg in eine gerechtere, innovativere und profitablere Zukunft aufgezeigt. Die Antworten sind nicht technischer, sondern politischer Natur: Es geht um die wichtige Entscheidung, ob Informationen offen, also „open“, sind und somit mit allen frei geteilt werden oder ob Informationen stattdessen geschlossen, also „closed“, gehalten werden und sich im privaten sowie exklusiven Besitz und unter der Kontrolle einiger weniger befinden. Heute sind wir in einer geschlossenen Welt der Gunst zweifelhafter digitaler Diktatoren ausgeliefert. Wir spielen nach alten Regeln in einer neuen Welt. Es ist an der Zeit dies zu ändern und neue Regeln für das Informationszeitalter aufzustellen. Dieses Buch ist daher ein Beitrag die Idee einer auf Open Information Konzepten basierenden Gesellschaft zu verbreiten und ein Nachdenken bzw. Umdenken anzustoßen. Wie würde in einer Open-Welt die Zukunft aussehen? www.openrevolution.net
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Seitenzahl: 179
Veröffentlichungsjahr: 2019
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Rufus Pollock:
Für meine Eltern
Dr. Rufus Pollock ist Forscher, Technologe und Unternehmer. Er ist ein Pionier in der globalen Open-Data-Bewegung und beriet nationale Regierungen, internationale Organisationen und die Industrie dazu, wie man in der digitalen Welt erfolgreich sein kann. Er ist der Begründer von Open Knowledge, einer führenden Non-Profit-Organisation, die in über 35 Ländern Menschen und Organisationen beim Zugang zu Informationen stärkt, damit sie neue Erkenntnisse gewinnen und Veränderungen vorantreiben können. Früher war er Mead Fellow in Economics am Emmanuel College, University of Cambridge. Er ist der Empfänger eines $1-Mio.-Shuttleworth-Fellowship und ist derzeit ein Ashoka Fellow und Fellow der RSA. Er promovierte in Wirtschaftswissenschaften und hat einen Double First in Mathematik an der University of Cambridge.
Sascha Berger ist Dipl. Physiker für Kern- und Teilchenphysik. Seit den 1999ern arbeitet Sascha Berger im Bereich Vertrieb, IT, E-Commerce und Digitalisierung von Geschäftsprozessen, als ehemaliger Entrepreneur und zuletzt bei einem auf erneuerbare Energien, Vertrieb und Netze spezialisierten Energiekonzern. Er ist auch Autor und Blogger (www.digitalotopia.net). In seinem Buch »Digitalotopia – Sind wir bereit für die (R)Evolution der Wirklichkeit?« schreibt er über Fragen zum aktuellen durch die Digitalisierung und Digital-Technologien beschleunigten industriellen sowie gesellschaftlichen Wandel. Digitalotopia ist ein Ort in der Zukunft, der so gut sein kann und wird, wie wir ihn gestalten. Digitalotopia ist auch eine kritische Auseinandersetzung mit der Digitalisierung und ein Entwurf einer nachhaltigen und humanen digitalen Utopie. Im Buch stellt er dazu neue Thesen, Konzepte und Strategien vor. Eine Aufklärung 2.0 und eine Bildung 4.0, die neben einer Digitalkunde auch eine Bewusstseinskunde beinhaltet, sind der Schlüssel, um den Wandel aktiv sinnvoll sowie human zu gestalten und die ökonomischen, ökologischen, politischen und gesellschaftlichen Herausforderungen des 21. Jahrhunderts zu meistern. Eine seiner Kernthesen lautet, dass Open Information, künstliche Intelligenz, Big Data und Dezentralisierung richtig genutzt die größte Chance sind, die die Menschheit je hatte. Es bedarf dazu einer humanen, nachhaltigen sowie sinnvollen Nutzung einer reichhaltigen Daten- sowie Informationsfülle, basierend auf dem Open-Konzept.
Vielen Dank, dass du das Buch liest. Bitte teile das Buch und seine Ideen mit anderen. Wir werden nur dann eine offene Welt realisieren, wenn mehr Menschen sich deren Potenzials bewusst sind. Dieses Buch selbst ist offen lizenziert, so dass du frei bist, es zu teilen und weiter zu verwenden, wie du es willst! Die neuesten digitalen Versionen finden sich immer auf: www.openrevolution.net oder die deutsche Version auf www.digitalotopia.net
Wir würden gerne hören, was du von dem Buch hälst. Gedanken sollen daher über einen der aufgelisteten Wege geteilt werden: www.openrevolution.net/contact
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He who receives an idea from me receives instruction himself without lessening mine; as he who lights his taper at mine, receives light without darkening me.
— Thomas Jefferson an Isaac McPherson, 13. Aug. 1813.
Dante: «How can it be that a good when shared, shall make the greater number of possessors richer in it, than if it is possessed by a few?”
Virgil: «Because thou does again fix thy mind merely on things of earth, thou drawest darkness from true light … The more people on high who comprehend each other, the more there are to love well, and the more love is there, and like a mirror one giveth back to the other.”
— Purgatory XV.
In diesem Buch geht es um Aufklärung.
Prolog: Monopole der Aufmerksamkeit
1.1 Plattform-Effekte
1.2 Kostenloses Vervielfältigen
1.3 Recht auf »geistiges Eigentum«
1.4 Alte Regeln in einer neuen Welt
Eine offene Welt
Definitionen für Information und Openness (Offenheit)
3.1 Was ist Information?
3.2 Was bedeutet Open? Freiheit zur Nutzung, Weiterentwicklung und Teilen
3.3 Attribution, Integrität und Share-Alike
Patente und Copyright als »geistiges Eigentum«
Auge in Auge mit der Macht
Triumph über die Engstirnigkeit: Das Internet
Musik in unseren Ohren
7.1 Benötigen wir Offenheit als Prinzip? Ist das Spotify-Prinzip nicht ausreichend?
Wie das Geheimnis des Lebens fast geheim geblieben wäre
8.1 Das Geheimnis des Lebens
8.2 Die Entschlüsselung des DNA-Codes
8.3 Über Würmer und Menschen
8.4 Wellcome tritt in Erscheinung
8.5 Die Risiken einer Verzögerung und die Geschichte von BRCA2
8.6 Zurück zum Genom
Treffen mit Jamie Love
Offenheit ist die beste Medizin
Eine offene Welt schaffen
11.1 Vergütungsrechte anstelle von Monopolrechten
11.2 Sind Vergütungsrechte realisierbar?
11.3 Vergütungsrechte sind technisch realisierbar
11.3.1 Es wird bereits heute ermittelt, wer Innovationen »besitzt«
11.3.2 Rechtsansprüche werden bereits heute zwischen mehreren Innovatoren aufgeteilt
11.3.3 Finanzmittel sind zwischen Inhabern von Vergütungsrechten verteilbar
11.3.4 Es ist möglich zu ermitteln, wie viel für die einzelnen Arten von Informationen ausgegeben werden soll
11.4 Vergütungsansprüche sind politisch durchsetzbar
11.4.1 Eine nachhaltige Finanzierung kann national und global sichergestellt werden
11.4.2 Ein Vergütungsrecht ist mit nationalem und internationalem Recht vereinbar
11.4.3 Ein erfolgreicher Übergang zu einem Open-Modell mit Vergütungsrechten ist möglich
Hilf, es möglich zu machen
Zu guter Letzt: Der initiale Copyright-Streit
Danksagung
Im März 2018, als der Skandal um die politische Beratungsfirma Cambridge Analytica und Facebook bekannt wurde, zitierte der Guardian in London einen ehemaligen Direktor der Beratungsfirma:
Konzerne wie Google, Facebook, Amazon, all diese großen Unternehmen ziehen zig oder hunderte von Milliarden Dollar Einnahmen aus den Daten der Menschen … Ich erzähle Unternehmen und Regierungen seit Jahren, dass Daten wahrscheinlich ihr wertvollstes Gut sind. Individuen sollten jedoch in der Lage sein, ihre eigenen Daten zu monetarisieren – es ist ihr originärer menschlicher Wert, der nicht ausgenutzt werden darf.
Andere Kommentatoren stimmen dem zu: Das Problem mit den Internetgiganten ist ihre Kontrolle über unsere persönlichen Daten. Doch diese Diagnose ist grundsätzlich falsch, und genau wie in der Medizin sind Fehldiagnosen relevant.
Denn es sind gar nicht unsere Daten, die Google und Facebook ausnutzen: Sondern es ist unsere Aufmerksamkeit. Es sind unsere Augen, die auf die Bildschirme starren und mit denen sie das Geld verdienen. Denn wenn wir nach etwas suchen oder mit Freunden in Kontakt treten und herausfinden wollen, was los ist, benutzen Milliarden von uns die Webseiten oder Apps der Internetgiganten. Und es ist diese überwältigende Dominanz, die sie so mächtig macht.
Wir alle wissen, dass diese Unternehmen unsere persönlichen Daten verwenden, um Werbeanzeigen personalisiert und individuell zu schalten. Und ja, das ist Teil ihrer Geschäftsmodelle. Aber selbst, wenn sie keinen Zugang zu unseren Daten hätten, würden sie weiterhin riesige Geldsummen verdienen, ebenso wie Fernsehnetze ein Vermögen gemacht haben, bevor zielgerichtete Werbung erfunden wurde. Und dies geschieht einfach auf Grund der schieren Anzahl der Nutzer.
Es ist das Aufmerksamkeits-Monopol, das zählt. Um also das wahre Problem zu diagnostizieren, das diese Unternehmen darstellen, müssen wir uns fragen, wie sie zu solch unglaublichen Monopolisten geworden sind. Die Antwort ist, dass sie dort operieren, wo drei verschiedene Phänomene konvergieren:
»Plattform”-Effekte
Kostenlose digitale Kopien
Rechte auf »geistiges Eigentum«.
Erst wenn wir alle diese drei Punkte und ihre Wechselwirkung verstehen, haben wir eine echte Diagnose des Problems vorliegen und können darauf basierend eine geeignete Behandlung anwenden.
Twitter, eBay und die anderen wie Google und Facebook agieren als das, was Ökonomen als »Plattformen« bezeichnen. Das sind Orte bzw. Systeme, an denen sich verschiedene Teilnehmer vernetzen. Das ist ein uraltes Phänomen. Auch der Fischmarkt auf dem Stadtplatz ist eine Plattform, auf der sich Verkäufer und Käufer versammeln. Amazon tut das Gleiche, jedoch für ein breiteres Portfolio an Waren und ohne den Geruch und den Lärm eines echten Marktes. Facebook ist auch eine Plattform, die ursprünglich dazu gedacht war, einen Nutzer mit einem anderen Nutzer zu verbinden, um Inhalte untereinander auszutauschen. Bald wurden auch Werbetreibende angelockt, weil sie sich auch mit den Nutzern verbinden wollten. Google ist eine weitere solche Plattform, die Nutzer mit Content-Anbietern und Werbetreibenden verbindet (so wie es beispielsweise Zeitungen auch immer getan haben).
Alle Plattform-Geschäftsmodelle haben eine starke Tendenz, dass schließlich ein einziger Gewinner übrigbleibt. Denn je mehr Kunden es dort gibt, desto mehr Anbieter werden angelockt und umgekehrt. Zum Beispiel ist es sowohl im Interesse der Käufer als auch der Verkäufer, dass eBay so groß wie möglich ist, so dass jeder weiß, dass es der richtige Ort im Internet ist, um dort nach etwas zu suchen und es dort auch zu finden. Und diese sich gegenseitig verstärkenden (Netzwerk-)Effekte führen dazu, dass Rivalen ausgeschlossen werden, entweder absichtlich durch das Unternehmen oder einfach durch die Logik bzw. Eigendynamik solcher Plattformen. Neueinsteiger können nicht auf Augenhöhe konkurrieren, und so führen kleine anfängliche Vorteile zu tief verwurzelten Monopolen. Der Markt konvergiert zu einer einzigen oder einer kleinen Anzahl von Plattformen. Es funktionierte über Jahrhunderte hinweg für Fischmärkte und Börsen, nun funktioniert es für Google und Facebook, Whatsapp, Microsoft, Uber oder Airbnb im viel größeren Stil.
Die Besitzer von Fischmärkten und Börsen machen ein sehr gutes Geschäft. Doch die Eigentümer der riesigen Online-Plattformen spielen wegen der grundlegenden Merkmale des digitalen Zeitalters in einer anderen Liga. Grund ist die Möglichkeit, digitale Güter unendlich häufig und nahezu kostenfrei zu vervielfältigen. Die außerordentlichen Auswirkungen dieser einfachen Tatsache zu erkennen, ist der Beginn zum Verständnis der modernen Welt.
Sobald man eine einzige Kopie einer digitalen Information hat – sei es Software, eine Statistik oder eine Symphonie –, kann man beliebig viele Kopien davon erstellen, effektiv, kostenlos und auf Knopfdruck. Das ist beispiellos. Jede neue Kopie kostet nahezu nichts, denn es besteht keine Notwendigkeit, ständig Rohstoffe oder neue Geschäftslokale zu kaufen, in denen man Dinge verkaufen kann. Die Expansion ist quasi kostenlos, mit unendlichen Skaleneffekten. So konnten Microsoft, Facebook, Google und die anderen ihre Dienste in einem beispiellosen Tempo ausbauen und beispiellose Gewinne erzielen.
Doch kostenloses Kopieren wäre nicht so profitabel, wenn es wirklich unbegrenzt oder ohne Einschränkung möglich wäre. Wenn jemand, der eine Kopie von Microsoft Windows erhält, so viele Kopien machen und diese freigeben könnte, wie er wollte, dann könnte Microsoft nicht sehr viel verdienen. Oder wenn die Algorithmen, auf denen Google und Facebook laufen, für jeden frei verfügbar wären, der sie nutzen und modifizieren könnte, dann könnten andere Unternehmen leicht mit ihnen konkurrieren. Das letzte Element, das diese Unternehmen zu so mächtigen Monopolisten macht, ist ihr exklusives Recht, die Kopien anzufertigen. Dank des »geistigen Eigentums« in Form von Patenten und Urheberrechten haben sie die alleinige Kontrolle über die digitalen Informationen, die das Herzstück ihrer Geschäftsmodelle bilden: die Software und Algorithmen, die ihre Produkte und Plattformen antreiben.
Microsoft Windows ist eine Betriebssystemplattform, die von einem Großteil der Welt genutzt wird. Als Industriestandard war es lange Zeit praktisch ein Monopolist. Und es ist tatsächlich eine der größten Gelddruckmaschinen aller Zeiten, denn Patente und Urheberrechte verhindern, dass jemand anderes seine proprietäre Software zum Verkauf anbietet. Auch wenn die Bits, aus denen sich die Software und die Protokolle zusammensetzen, kostenlos kopiert werden können, zahlt jeder Kunde zehn oder hundert Dollar für das Privileg, eine Kopie zu erhalten – und dieses Privileg ist heute fast eine Voraussetzung für die Teilnahme an der digitalen Welt. So berechnet Microsoft jedem von uns effektiv eine Gebühr für die Nutzung unserer Computer und für den Zugang zum Internet.
Es ist das Konzept des »geistigen Eigentums«, das einem einzelnen Unternehmen Ausschließlichkeitsrechte einräumt. Doch solche Monopole existieren nicht in der Natur, sondern sie sind das Ergebnis von Urheberrechten und Patenten, die wir als Gesellschaft geschaffen haben. Natürlich gibt es eine Logik dahinter und gute Argumente für Monopole bei geistigem Eigentum. Auch wenn Folgekopien billig sind, kann die anfängliche Erstellung eines neuen Films, einer neuen App oder eines Medikaments enorm teuer sein. Geistiges Eigentum ist eine Möglichkeit, für die initiale Schöpfungshöhe eines immateriellen Guts eine Vergütung zu ermöglichen. Aber wie wir sehen werden, gibt es andere Möglichkeiten, Innovationen zu finanzieren. Es gibt Wege dazu, Patente und Urheberrechte durch Vergütungsrechte zu ersetzen, die als Anreize für Innovationen dienen, ohne dabei Monopole zu schaffen.
Das Ergebnis daraus, die Informations-Ökonomie nach den alten Regeln der geistigen Monopolrechte zu führen, ist eine zunehmende Ungleichheit. Im Jahr 2016 hatten die acht reichsten Menschen der Welt so viel Geld wie die unteren 50 Prozent der Menschheit und damit dreieinhalb Milliarden Menschen. Und von diesen acht Menschen waren sechs Technologie-Milliardäre. Dieser Zustand ist eine politische Zeitbombe. Es ist daher wichtig, dass wir die wahren Gründe für diese unhaltbare Konzentration von Reichtum und Macht verstehen. Die Gründe sind das ausschließliche Eigentum an digitalen Informationen in Kombination mit Plattformeffekten und der Möglichkeit zur »kostenfreien« Vervielfältigung, also zu gegen Null tendierenden Grenz- bzw. Marginalkosten.
Wir müssen auch die Kosten für ins Stocken geratenes Wachstum und verlorene Chancen sehen. Monopolisten fürchten naturgemäß jeglichen Wettbewerb, der ihre Position bedroht. Daher sind sie bestrebt, potenzielle Rivalen zu neutralisieren, indem sie sie entweder zerstören oder verschlingen. Warum sonst, außer zum Schutz der eigenen Monopolstellung, hätte Facebook 22 Milliarden Dollar im Jahr 2014 für WhatsApp gezahlt (als der Umsatz von WhatsApp nur 10 Millionen Dollar betrug)? Obwohl der von Facebook gezahlte Preis öffentlich bekannt ist, sind die Kosten für verlorene Innovationen und verkümmerten Wettbewerb nicht wirklich berechenbar. Es sind die Verbraucher, die zukünftigen Innovatoren und die Gesellschaft, die dadurch jedoch verlieren.
Wir brauchen neue Regeln für diese neue digitale Welt. Es macht keinen Sinn, die alten Regeln der physischen Wirtschaft zu übernehmen und sie in diesem neuen digitalen System anzuwenden. Die alten Eigentumskonzepte funktionierten, aber übertragen auf geistiges Eigentum in einer digitalen Welt funktionieren diese Konzepte nicht mehr. In dieser neuen Welt kommt geistiges Eigentum einem geistigen Monopol gleich. Solche Monopole sind ungerechtfertigt sowie ungerecht und sie sind sowohl für unsere Wirtschaft als auch für unsere Gesellschaft als Ganzes gefährlich. Wir brauchen neue Regeln, die an unsere neue (digitale) Informations-Ökonomie angepasst sind. Regeln, die Möglichkeiten bieten, Innovatoren und Schöpfer zu entlohnen und dabei gleichzeitig Fairness und Freiheit zu bewahren, und die jedem eine Teilhabe an unserer digitalen Zukunft ermöglichen.
Es ist ganz einfach: Wir brauchen eine offene (open) Welt. Eine Welt, in der alle digitalen Informationen offen sind, in der jeder sie nutzen, ausbauen und frei teilen kann und in der die Innovatoren und Schöpfer anerkannt und entlohnt werden.
Im Folgenden werden daher die richtigen Konzepte und Regeln für das Informationszeitalter aufgezeigt.
Heute, im digitalen Zeitalter, hält derjenige, der Informationen besitzt, die Zukunft in seinen Händen. In dieser digitalen Welt stehen wir vor der grundlegenden Entscheidung zwischen open (offen bzw. frei zugänglich und frei nutzbar) und closed (geschlossen, geschützt, privat bzw. verborgen). In einer Open-Welt werden Informationen von allen geteilt und sie sind frei zugänglich für alle. In einer Closed-Welt werden Informationen ausschließlich »besessen« und kontrolliert.
Anmerkung des Autors der deutschen Übersetzung:
Da Begriffe wie beispielsweise Open Data oder Open Government im Fachchargon im deutschen Sprachraum bereits geläufig sind, werden im weiteren Verlauf der deutschen Übersetzung dieses Buches in guter »denglischer« Tradition auch gelegentlich die Begriffe »open« und »offen« bzw. »closed« und »geschlossen« oder verwandte Begriffe wie »Offenheit« und »Openness« wechselweise verwendet. Es wird also zwischen der englischen und deutschen Schreib- bzw. Sprechweise hin- und hergewechselt.
Heute leben wir in einer Closed-Welt. Einer Welt mit außergewöhnlichen und wachsenden Konzentrationen an Macht und Reichtum bei einigen wenigen. Einer Welt, in der Innovationen zurückgehalten und durch die zerstörerische Hand des Monopols verzerrt werden. Einer Welt, in der lebenswichtige Medikamente nur für die Reichen erschwinglich sind. Einer Welt, in der die Freiheit durch Manipulation, Ausgrenzung und Ausbeutung bedroht ist und in der man bei jedem Klick, den man macht, und bei jedem Schritt, den man tut, ständig beobachtet wird.
Im Gegensatz dazu würden wir alle in einer offenen Welt durch die Freiheit bereichert, alles nutzen, es genießen und es weiterentwickeln zu können, seien es Statistiken, Forschung, Zeitungsgeschichten, Bücher, Software, Filme, Musik, jegliche Kunst oder medizinischen Formeln. In einer offenen Welt würden Innovatoren und Schöpfer von Informationen immer fair bezahlt werden, indem marktgerechte Vergütungsrechte anstelle von Monopolrechten für geistiges Eigentum genutzt würden.
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Durch die Verbesserung der Digital-Technologien haben Maschinen immer mehr von den Aufgaben übernommen, die der Mensch früher bearbeitet hat: von der Herstellung von Autos bis hin zur Terminplanung. Und in den nächsten Jahrzehnten könnte »KI« (künstliche Intelligenz) nicht nur unsere Autos für uns fahren, sondern auch rechtliche Verträge entwerfen oder chirurgische Operationen durchführen. Auf den ersten Blick haben wir viel zu gewinnen, wenn Maschinen uns langweilige oder routinemäßige Aufgaben ersparen und sie diese mit größerer Genauigkeit ausführen können. In Zukunft besteht dadurch die Hoffnung, dass jeder von uns mehr Zeit haben wird, sich den Dingen zu widmen, die ihm individuell wichtig sind: sei es die Erziehung unserer Kinder, das Erlernen von Sprachen oder das Tiefseetauchen.
Die Gefahr besteht jedoch darin, dass Roboter auf Informationen – Software, Datenalgorithmen – basieren und das »Eigentum« an solchen Informationen derzeit sehr ungleich verteilt ist. Und weil diese Informationen durch unser heutiges Closed System durch das Recht auf geistiges Eigentum geschützt sind, wird dieser Zustand dank der Möglichkeit, kostenfreie Kopien zu erstellen und Plattformeffekte zu generieren, weiter zunehmen. Mit der überwältigenden und ständig wachsenden Bedeutung der Informationstechnologie in der modernen Welt kippt das Gleichgewicht von Reichtum und Macht immer mehr hin zu einem exklusiven Club von Menschen. Aber wenn wir uns für Offenheit entscheiden, können wir sicherstellen, dass eine positive Zukunft für alle möglich ist, nicht nur für das eine Prozent der Menschen, die reich sind.
Der wichtigste Wirtschaftssektor der Welt ist der Informationssektor mit der Erzeugung und dem Management von Informationen. Und die Kontrolle darüber und der aus diesem Sektor gewonnene Reichtum sind zunehmend auf eine kleine Gruppe Personen bzw. Unternehmen konzentriert. Die fünf reichsten Unternehmen der Welt stammen alle aus diesem Informationssektor, und sie selbst weisen weltweit sehr ungleich verteilte Eigentumsstrukturen auf. Eine kleine Gruppe von Gründern und Investoren besitzt die größten Anteile an diesen Unternehmen.
Mit der Beschleunigung der technologischen Entwicklungen entstehen neue Arten von Anwendungen und Erfahrungswelten, die wahrscheinlich einen bedeutenden Platz in unserem Alltag und im Wirtschaftsleben einnehmen werden. So kann beispielsweise die virtuelle Realität heute viele unserer Erlebnisse und Eindrücke der realen Welt nachbilden und sie wird in Zukunft eine große Bedeutung im Freizeitsektor, bei verschiedenen Formen von Training oder im Bereich Weiterbildung einnehmen. Es würde unsere Freiheit gefährden, wenn es bei der virtuellen Realität zu einem ähnlichen Monopol käme wie beispielsweise mit Facebook im Social-Media-Bereich. Ebenso wächst das so genannte Internet of Things (Internet der Dinge) sehr schnell. Bereits viele Geräte wie Babyphone, Beleuchtungssysteme oder Zentralheizung sind mit dem Internet verbunden. Auch das ist erst der Anfang. In den nächsten Jahren, wenn Milliarden weiterer Geräte angeschlossen sind, werden wir vielleicht sehen, dass die Daten, die durch Maschinen-zu-Maschinen-Kommunikation generiert werden, die durch Menschen verursachte Internetnutzung überholen und zur Hauptursache für Datenverkehr im Internet werden. Es wäre zutiefst beunruhigend, die Kontrolle über all dies an einen einzigen Unternehmensmonopolisten zu übergeben.
Am meisten sind durch die aktuelle Situation die Normen einer freien Gesellschaft bedroht. Das freie Unternehmertum und die freien Märkte zerfallen angesichts der internationalen Monopole, die freie Wahl bedeutet wenig, wenn es nur eines zu wählen gibt. Und selbst unsere politische Freiheit und die Gedankenfreiheit werden von Mächten bedroht, die in der Lage sind, unser Denken und Handeln zu beeinflussen. Das sollte uns allen Anlass zur Sorge geben und die Beweise aus den jüngsten Skandalen wie Cambridge Analytica zeigen, dass diese Bedenken allgemein weiter zunehmen.
Wenn jedoch für alle Menschen auch alle Informationen, die produziert werden, zugänglich gemacht würden – die Software, die heute die Welt regiert, alle Schätze und »verschlossenen« Güter, wie Literatur, Kunst und Algorithmen –, dann ließe sich die informationstechnologische Revolution demokratisieren. Erinnern wir uns an den Plan, den Google einmal hatte. Google wollte jedes Buch der Welt online stellen! Doch selbst Google konnte diesen Plan nicht realisieren, weil dies gegen das Urheberrecht verstößt. Doch ein Open-Modell würde dies nicht nur für alle Bücher ermöglichen, sondern auch für Musik, Nachrichten, Astronomie, Ozeanographie, Marktpreise, Poesie, Medizinformeln, klassische Wissenschaft, eben all das Wissen und die Schätze der Welt, die digitalisiert werden können. Der Wert, der dadurch durch weitere Fortschritte geschaffen wird, würde mit der gesamten Menschheit geteilt werden und nicht bloß in den Händen von einigen wenigen konzentriert sein. Offenheit würde das Problem der Monopole der Informationsmächtigen auflösen, den Wettbewerb fördern, Transparenz schaffen und die Möglichkeiten und Anreize für Innovationen erhöhen. Der neue Ansatz würde alle patentierten oder urheberrechtlich geschützten Materialien frei verfügbar machen und gleichzeitig ihren Urhebern eine gerechte Bezahlung zukommen lassen.
Doch sowohl die Chancen wie auch die Gefahren sind groß. Die Entscheidung pro Optimismus und Offenheit ist eine der wichtigsten politischen Chancen des 21. Jahrhunderts. Es liegt darin die Chance, unsere Gesellschaften zu verändern, eine Zukunft jenseits der Politik des Kapitalismus und des Sozialismus zu schaffen, indem die Ideale von Fairness mit den Idealen eines unternehmerischen Denkens und Handelns kombiniert werden. Wir haben nun die einmalige Chance, eine bessere Welt für alle zu schaffen. Und diese einmalige Chance basiert auf einem einzigartigen Merkmal unserer außergewöhnlichen neuen digitalen Technologie, es ist die Möglichkeit zur kostenlosen Vervielfältigung.
Physische Dinge haben eine unglückliche Einschränkung: Sie können nur für jeweils eine Sache zu einem Zeitpunkt verwendet werden. Ein Fahrrad ist ein Fahrrad, und wenn ich es zur Arbeit fahre, kann niemand anderer damit zum Einkaufen in die Stadt fahren. Physische Dinge, wie Ökonomen sagen, sind im Gebrauch »rival«. Diese Tatsache ist so offensichtlich,, dass wir sie kaum bemerken, doch sie ist von großer Bedeutung. Das bedeutet, dass die Welt der physischen Güter eine Welt der Knappheit ist. Allzu oft gibt es jedoch nicht genug für alle.