Operation Falkenstein und die Angst vor dem Unbekannten - Alexander Lombardi - E-Book

Operation Falkenstein und die Angst vor dem Unbekannten E-Book

Alexander Lombardi

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Beschreibung

Der fünfte Fall für die 4 vom See! Ein neues Abenteuer wartet auf Antonia, Jaron, Emma und Franky und ihren Spürsinn! Wonach suchte der Taucher, dem sie das Leben retten, das ihn in so große Gefahr brachte? Welche Rolle spielt die merkwürdige Familie, die sich im Schlosshotel einquartiert hat? Gleichzeitig werden die 4 vom See mit gemeinen Anschlägen auf Flüchtlinge konfrontiert. Kommen sie den Tätern auf die Spur?

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Seitenzahl: 257

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ALEXANDER LOMBARDI · SANDRA BINDER

Die 4 vom See

Operation Falkensteinund die Angst vor dem Unbekannten

SCM ist ein Imprint der SCM Verlagsgruppe, die zur Stiftung Christliche Medien gehört, einer gemeinnützigen Stiftung, die sich für die Förderung und Verbreitung christlicher Bücher, Zeitschriften, Filme und Musik einsetzt.

ISBN 978-3-417-27005-1 (E-Book)

ISBN 978-3-417-28934-3 (lieferbare Buchausgabe)

Datenkonvertierung E-Book: CPI books GmbH, Leck

© 2021 SCM Verlag in der SCM Verlagsgruppe GmbH

Max-Eyth-Straße 41 · 71088 Holzgerlingen

Internet: www.scm-verlag.de; E-Mail: [email protected]

Die Bibelverse sind folgender Ausgabe entnommen:

Neues Leben. Die Bibel, © der deutschen Ausgabe 2002 und 2006 SCM R.Brockhaus in der SCM Verlagsgruppe GmbH Witten/Holzgerlingen

Umschlaggestaltung: Patrick Horlacher, Stuttgart

Titelbild und Illustrationen: Clara Vath, www.vath-art.de

Inhalt

Die 4 vom See – das sind …

Kapitel I: Wenn sich alles ändert

Kapitel 1: Der Anschlag

Kapitel 2: Unfall an der Allmannshausener Steilwand

Kapitel 3: Recherche im alten Heinrich

Kapitel 4: Der Junge im Steinbruch

Kapitel II: Ankunft in einem neuen Leben

Kapitel III: Ein Tag im Kinderheim

Kapitel IV: Freude und Strafe

Kapitel 5: Ein Journalist mit Geheimnissen

Kapitel 6: Yara

Kapitel 7: Gottes Liebe – Unsere Welt

Kapitel 8: Neue Freunde

Kapitel V: Wo sind die Eltern?

Kapitel VI: Wilhelm

Kapitel VII: Eine Gelegenheit für Fräulein Helga

Kapitel VIII: Tag der Wahrheit

Kapitel 9: Ein Verdacht kommt auf

Kapitel 10: Bayerische Patrioten

Kapitel 11: Die Attentäter werden enttarnt

Kapitel 12: Die Van-Bergen-Familie

Kapitel IX: Im Keller

[ Zum Inhaltsverzeichnis ]

Die 4 vom See – das sind …

Antonia wohnt schon, seit sie denken kann, in der großen Burg direkt am Ufer des Starnberger Sees, mitten zwischen den Villen der Reichen und Schönen – ein Zuhause, um das sie viele beneiden. Ihre Eltern Andreas und Gitti Reihmann sind die Herbergseltern der Jugendherberge, die in dem Gebäude untergebracht ist, deshalb wohnt die Familie in dem historischen Gemäuer. Wenn Antonia morgens aufwacht, kann sie ans Fenster treten und auf den See hinausblicken – wenn sie dabei nicht über ihr Kletterzeug stolpert, das meistens irgendwo im Zimmer auf dem Boden liegt. Klettern ist Antonias größtes Hobby, sehr ordentlich ist sie aber nicht. Wenn sie nicht in einer Felswand hängt, liest sie gerne Informationen über Geschichte und Archäologie. Ihr Wissen hat den vier Freunden bei ihren Entdeckungen schon oft geholfen.

Antonia hat zwei jüngere Geschwister, die siebenjährigen Zwillinge Sina und Lukas. Zu ihrer Familie gehört außerdem Opa Hans, ein alter Fischer, der nicht weit entfernt von der Seeburg in einer Fischerhütte direkt am See lebt und über die Jahre zu ihrem Ersatzopa geworden ist. Von seinen Ratschlägen und vor allem seinem festen Glauben hat Antonia schon viel gelernt.

Die Familie Reihmann besucht eine evangelische Freikirche in Starnberg. Für Antonia gehört der Glaube ganz selbstverständlich zum Alltag dazu, und dass sie sich auf Jesus verlassen kann, hat sie schon oft erfahren. Das heißt aber nicht, dass es nicht auch einige Dinge in ihrem Leben gibt, die sie richtig ärgern oder nerven. Beispielsweise leidet Antonia seit dem Kindergartenalter an Diabetes. Sie muss ständig eine Insulinpumpe tragen, die das lebensnotwendige Insulin in ihren Körper abgibt. Meistens hat Antonia ihre Krankheit gut im Griff, doch manchmal sackt ihr Blutzucker plötzlich ab, und dann wird es gefährlich für sie, wenn sie nicht sofort etwas Zuckerhaltiges isst oder trinkt. Zum Glück wissen ihre Freunde Bescheid, besonders ihre beste Freundin Emma, und können ihr im Notfall beistehen.

Antonia hasst es, schwach zu sein. Sie regt sich schnell auf, wenn ihr jemand unterstellt, dass sie etwas nicht kann, und wird dann richtig wütend. Ihre Kraft und Entschlossenheit machen sie zu derjenigen, die bei den vier vom See oft die Initiative ergreift.

Emma ist da etwas zurückhaltender. Sie denkt eher zweimal nach, bevor sie etwas unternimmt, ist dafür dann aber gründlich und plant voraus. Ihre Stärke liegt vor allem in der Planung – und in der Recherche. Emma ist eine talentierte Forscherin, Naturwissenschaften sind ihre Leidenschaft. Außerdem reitet sie, ihr Pferd Firestorm ist ihr Ein und Alles.

Emmas Eltern sind geschieden und so lebt sie einen Teil der Woche im Zuhause ihrer Mutter und ihres Stiefvaters Peter und den anderen Teil bei ihrem Vater Jörn und seiner Frau Manuela. Jörn ist Chemiker und betreibt ein Analyse- und Forschungslabor in der Villa am See. Manuela ist Innenarchitektin und engagiert sich stark in sozialen Projekten. Zusammen haben sie noch eine Tochter, Emmas jüngere Halbschwester Mia. Peter ist Kommissar bei der Kripo in Starnberg, Emmas Mutter Katrin ist Arzthelferin.

Emma leidet unter der Zerrissenheit, sich immer zwischen ihren Eltern entscheiden zu müssen. Meistens versucht sie, nicht weiter darüber nachzudenken, aber manchmal gelingt ihr das nicht.

Emma hat sich im Versteck der vier vom See, einem alten Zirkuswagen auf dem Gelände der Seeburg, ein kleines Labor eingerichtet. Hier verbringt sie viele Stunden mit Experimenten. Außerdem ist sie häufig auf der Seeburg bei ihrer besten Freundin Antonia. So häufig, dass sie dort eine Zahnbürste im Bad stehen hat und einen festen Sitzplatz in der Küche. Sie fühlt sich bei Antonias Familie sehr wohl und genießt die gemeinsamen Abendessen am großen Familientisch.

Während der Trennungsphase ihrer Eltern musste Emma lernen, die Stimmungen anderer Menschen schnell zu erfassen. Sie ist deshalb sehr sensibel und hoch empathisch, außerdem scheut sie Konflikte. Bei den teilweise abenteuerlichen Unternehmungen der vier Freunde ist sie oft diejenige, die die anderen bremsen möchte.

Frankys Zuhause liegt direkt am Sportplatz von Allmannshausen – nicht das Reihenhaus seiner Familie, das befindet sich ein paar Straßenzüge weiter, sondern das Restaurant seiner Eltern, in dem die Familie die meiste Zeit verbringt. Frankys Vater Germano und seine Mutter Elvira sind aus Italien nach Deutschland gezogen und betreiben die Pizzeria schon seit vielen Jahren. Sie backen die beste Pizza in der gesamten Umgebung und so treffen sich bei »La Ruota« Nachbarn, Freunde und Sportvereine. Franky liebt auf der einen Seite Pizza über alles (wie fast jedes italienische Gericht), auf der anderen Seite hasst er es, im Restaurant mit anpacken zu müssen.

Neben der Zubereitung italienischer Gerichte kennt sich Frankys Vater vor allem mit einem aus: Fußball. Er trainiert die Jugendmannschaft des TV Berg und war selbst in seiner Jugend ein richtig guter Spieler. Sehr zum Leidwesen von Franky hat er seinen Ehrgeiz nie ganz abgelegt und ihn auf seinen Sohn übertragen, bei dem er sofort ein großes Talent für Fußball erkannt hat. Franky spielt gerne und gut Fußball, doch es ist nicht seine erste Leidenschaft und die Pläne, die sein Vater für ihn hat, sind ihm zu viel. Deshalb hat er vor einiger Zeit mit dem Training aufgehört und widmet sich nun dem Hobby, das ihn wirklich begeistert: Programmieren.

Franky ist der Computerexperte der vier Freunde. Er ist in der Lage, sich schnell mit jedem fremden System vertraut zu machen, und hat seine Hackerkünste schon manchmal eingesetzt, um Dinge herauszufinden, die sonst nicht zugänglich gewesen wären. Aber er achtet streng darauf, keinen Schaden anzurichten.

Emma, Antonia und Franky kennen sich schon seit der Grundschule. Gemeinsam haben sie vor ein paar Jahren einen alten Zirkuswagen auf dem Gelände der Seeburg zu einem gemütlichen Treffpunkt gemacht, in dem sie sich treffen, reden und Pläne schmieden. Franky ist gerne dort. Mit dem Glauben hat er nicht so viel am Hut. Seine Familie ist zwar in einer katholischen Kirchengemeinde und Franky hat auch an der Kommunion teilgenommen, aber sie gehen eigentlich nur an den hohen Feiertagen in den Gottesdienst und der Glaube spielt in ihrem Alltag kaum eine Rolle.

Jaron ist erst vor Kurzem zu den anderen drei gestoßen. Er ist zusammen mit seiner Mutter von Köln an den Starnberger See gezogen, als diese eine Arbeit als Sekretärin auf der Seeburg angenommen hat. Angelika Rahn und Gitti Reihmann sind alte Schulfreundinnen und haben immer Kontakt gehalten. Jarons Vater lebt nicht mehr, er ist bei einem Autounfall ums Leben gekommen, als Jaron vier Jahre alt war. Der Unfall hat Jarons Leben überschattet, lange hat er geglaubt, er wäre schuld am Tod seines Vaters. Erst vor wenigen Monaten hat er erkannt, dass das falsch war und er sich lange grundlos gequält hat. Seitdem weiß er auch, wie viel Kraft man aus Vergebung ziehen kann.

Jaron interessiert sich für Flugzeuge, trainiert leidenschaftlich Kung-Fu und liebt Sport aller Art – am Starnberger See hat er zum Beispiel das Surfen für sich entdeckt. Jaron liebt den See. Wann immer er Zeit hat, geht er schwimmen oder sitzt am Seeufer und flitscht Steine über die Oberfläche. Der historische Löwensteg der Seeburg ist dafür der perfekte Ort. Die wechselnden Wetterlagen über dem See faszinieren ihn und er bekommt nicht genug davon.

Jaron und seine Mutter Angelika gehen in die gleiche Gemeinde wie Antonia und ihre Eltern. Sie waren in Köln schon in einer freien Gemeinde und haben sich in Starnberg gleich zu Hause gefüllt. Dazu trägt auch bei, dass Jaron nach dem Umzug endlich einen besten Freund gefunden hat – Franky. Nicht nur sind die beiden unzertrennlich, Jaron liebt außerdem die Pizza, die Frankys Vater backt.

[ Zum Inhaltsverzeichnis ]

Das schrille Klingeln an der Haustür weckte Karl. Verwirrt strich er sich die Haare aus der Stirn und richtete sich halb im Bett auf. Sein kleiner Bruder Wilhelm, der in seinem Bett auf der anderen Seite des Zimmers schlief, regte sich ebenfalls. Karl konnte seinen Umriss im Licht der Laterne erkennen, das durch das Fenster fiel. Ein Blick auf den Wecker auf seinem Nachttisch zeigte ihm, dass es vier Uhr morgens war. Wieder klingelte es. Lange und ausdauernd. Wer war um diese Zeit nur wach und machte solchen Krach?

In diesem Moment ging das Licht im Gang an und ein heller Streifen fiel unter der Tür hindurch ins Kinderzimmer. Karl hörte die Schritte seiner Mutter auf der Treppe. Schnell stand er auf und ging zur Tür. Er öffnete sie und schlüpfte in den Flur. An seinen nackten Beinen unter dem Nachthemd stellten sich die Haare auf, als er an das Treppengeländer trat. Er beugte sich vor und sah hinunter in den Flur der Villa, wo seine Mutter gerade auf die Haustür zueilte. Sie war barfuß. Sie zog das Umschlagtuch, das sie übergeworfen hatte, fester um sich, als fröre sie. Wieder klingelte es.

»Ich komm ja schon«, hörte Karl seine Mutter murmeln. Ihre Stimme klang verängstigt. Angst stieg in ihm hoch, dieselbe Angst, mit der sie seit drei Tagen lebten.

Seit Montag war nichts mehr wie vorher. Als Karl von der Schule nach Hause gekommen war, hatte er seine Mutter im Salon der Stadtwohnung vorgefunden, zusammen mit ihrer besten Freundin Helene.

»Papa ist von der Polizei abgeholt worden«, hatte sie ihm stockend berichtet. Danach hatten sie nichts mehr von seinem Vater gehört. Seitdem schlief nicht nur Karl unruhig, sondern auch seine kleineren Geschwister Elfriede, die von allen Elfie genannt wurde, und Wilhelm. Selbst die vierzehnjährige Katrin war sehr still geworden. Und nun klingelte es mitten in der Nacht Sturm. Was erwartete sie?

Hinter Karl klapperte eine Tür. Elfie und Katrin traten neben ihn. Elfie griff nach seiner Hand. Ihre Finger waren eiskalt.

»Was passiert da unten?«, flüsterte Elfie heiser.

Karl drückte ihre Hand sanft und antwortete: »Ich weiß es nicht.«

Käthe Buddenberg schaltete das Außenlicht an und öffnete die Tür. Der Schein der Laterne beleuchtete mehrere Gestalten von hinten. Karl konnte ihre Gesichter nicht sehen, erkannte aber an der Kleidung, dass es Männer waren. Der Mann direkt an der Tür hatte noch den Finger auf der Klingel liegen. Er trug einen dunklen Trenchcoat und einen Hut. Ein Mann hinter ihm trug eine dunkle Uniform, die anderen waren eindeutig Polizisten. Karl konnte ihre typischen zylindrischen Helme, die Tschakos, klar erkennen.

Auch Katrin hatte die Männer gemustert und flüsterte: »Da hat einer einen Totenkopf auf dem Kragenspiegel! Der ist von der SS! Der Mann, der geklingelt hat, sieht aus wie von der Gestapo!« Ihre Stimme klang panisch.

Furcht ergriff Karl. Wenn die Wachmänner der SS und die Geheimpolizei gemeinsam anrückten, dann musste es sich um etwas sehr Schlimmes handeln, so viel wusste er.

»Ja bitte?«, fragte seine Mutter den Mann, der vor ihr stand, leise.

»Katharina Buddenberg?«, fragte er schroff.

»Ja.«

»Sie sind verhaftet!«

»Was? Warum?« Käthe Buddenbergs Stimme klang hoch und schrill. Sie hatte schreckliche Angst, das konnte Karl von seinem Beobachtungsposten am Geländer hören. Entsetzt sah Katrin ihn an. Elfies Hand zuckte in seiner. Er drückte sie beruhigend, obwohl er selbst alles andere als ruhig war.

»Das werden Sie noch früh genug erfahren. Jetzt los. Packen Sie Ihre Sachen«, schnaubte der Mann.

Käthe Buddenberg zögerte einen Moment. Dann fragte sie: »Und was ist mit meinen Kindern?«

»Darum wird sich jemand kümmern.«

»Kann ich eine Freundin anrufen? Sie wohnt im Nachbarhaus und könnte sofort kommen.«

»Nein, wir werden uns darum kümmern!«, wiegelte der Mann ab und zeigte mit einer Geste, dass er die Geduld verlor.

Karl sah, wie seine Mutter ergeben nickte. Das konnte er nicht verstehen. Seine Mutter war eine Kämpferin. Warum leistete sie jetzt keinen Widerstand?

»Darf ich mir wenigstens noch etwas anziehen?«, fragte Käthe Buddenberg resigniert.

»Machen Sie schnell.« Der Mann drehte sich zu seinen Begleitern um und holte betont gelangweilt eine Packung Zigaretten aus seiner Manteltasche. Sein Kollege gab ihm Feuer.

Karls Mutter drehte sich um und ging auf die Treppe zu. Ihr Gesicht spiegelte Verzweiflung. Dann sah sie hoch und entdeckte Karl, Katrin und Elfie im ersten Stock am Geländer. Sie versuchte zu lächeln, aber ihre Verzweiflung konnte sie nicht verstecken.

»Geht bitte wieder in eure Betten«, sagte sie zu ihnen, während sie die Treppe hinaufstieg und ihr Tuch dabei noch enger um sich zog.

»Mama, was ist denn los?«, fragte Elfie verängstigt. Sie ließ Karls Hand los, rannte zu ihrer Mutter und umarmte sie.

»Diese Herren wollen mir ein paar Fragen stellen und dafür muss ich für eine Weile mit ihnen gehen.« Käthe Buddenberg strich Elfie beruhigend über die Haare. »Ich bin bald zurück. Du musst keine Angst haben.«

»Hab ich aber«, schluchzte Elfie, »du sollst nicht gehen.« Eine dicke Träne kullerte ihre Wangen herunter und sie presste sich noch fester an ihre Mutter.

Käthe Buddenberg beugte sich zu ihrer Tochter und strich mit dem Daumen über ihre Wangen. »Mein Schatz, geh jetzt einfach wieder ins Bett, und wenn du morgen früh aufwachst, bin ich bestimmt wieder da.«

Die Zehnjährige drückte ihre Mutter noch fester. »Ich hab dich lieb«, schluchzte sie.

»Ich hab dich auch lieb.« Käthe Buddenbergs Stimme war anzuhören, dass sie mit den Tränen kämpfte.

»Hat das was mit Papa zu tun?«, fragte Karl, der inzwischen mit Katrin auch zu ihnen getreten war. Er hatte genau gehört, wie der Beamte seiner Mutter gesagt hatte, dass sie verhaftet sei. Er glaubte nicht, dass sie am nächsten Morgen wieder zu Hause sein würde.

Seine Mutter aber schien ganz ruhig, sah ihn lächelnd an und zuckte mit den Schultern. »Höchstwahrscheinlich«, antwortete sie, »ich bin mir sicher, dass es sich schnell klären lässt.«

Sie strich Elfie über das Haar. »Karl, bitte bring Elfie in ihr Bett zurück«, bat sie ihren Sohn.

»Mama, was wird jetzt passieren?« Katrin stand wie erstarrt vor ihr.

»Mein Kind, es wird alles gut«, versuchte Käthe, das Mädchen zu beruhigen. »Wir müssen einfach die Nerven bewahren. Geh jetzt bitte ins Bett zurück.«

Katrin nickte und umarmte sie.

»Darf ich bei dir im Bett schlafen?«, fragte Elfie ihren großen Bruder, griff wieder nach seiner Hand und sah mit einem flehenden Ausdruck zu ihm hoch. Ihre großen, dunklen Augen glänzten tränenreich im schwachen Licht der Flurbeleuchtung und Karls Herz wurde weich. Seine kleine Schwester hatte schon immer einen besonderen Platz darin eingenommen und er war selten in der Lage, ihre Bitten abzuweisen, wenn sie ihn so ansah.

»Na gut«, meinte er und lächelte sie an, »wir kuscheln so lange, bis Mama wieder da ist.«

Er war wild entschlossen, sich die Angst, die ihn würgte, nicht anmerken zu lassen.

»Danke«, sagte seine Mutter leise und legte ihm kurz die Hand auf die Schulter. Dann drehte sie sich um und verschwand im Elternschlafzimmer.

Karl warf noch einen letzten Blick zur offenen Haustür hinunter, wo die Beamten standen und rauchten. Gerade schien einer einen Witz gemacht zu haben, denn sie lachten rau, ein Geräusch, das dem Jungen einen Schauder über den Rücken laufen ließ.

Der Dreizehnjährige drehte sich um und ging mit Elfie an der Hand in sein Schlafzimmer. Katrin folgte den beiden. »Ich will auch nicht alleine bleiben«, sagte sie leise.

»Das kann ich verstehen«, antwortete Karl.

Die Zimmertür zum Flur ließ er einen Spalt offenstehen. Der siebenjährige Wilhelm schlief immer noch tief. Er lag auf dem Bauch, umarmte sein Kissen und hatte einen nackten Fuß unter dem dicken Federbett hervorgestreckt. Sein Mund stand offen und die lockigen Haare hingen ihm wild in die Stirn. Katrin legte sich vorsichtig zu dem Jungen unter die Decke und schob ihn etwas zur Seite. Er wachte nicht auf, sondern seufzte nur tief und drehte sich auf die andere Seite.

»Ganz leise«, flüsterte Karl Elfie zu, während sie in sein Bett krabbelte. Die Federn quietschten, als sie unter seine Decke kroch. Vorsichtig legte er sich neben sie und breitete seinen rechten Arm aus. Sie schmiegte sich an ihn und legte ihren Kopf auf seine Schulter. So lagen sie still da und lauschten auf die Geräusche, die aus dem Hausflur zu ihnen drangen. Zuerst öffnete und schloss sich die Tür des Elternschlafzimmers, dann hörten sie die Schritte ihrer Mutter auf der Treppe. Etwas stieß gegen das Geländer. Vielleicht ein Koffer, dachte Karl. Die Haustür fiel mit einem dumpfen Krachen ins Schloss und die Stimmen der Männer verstummten. Nun war es ganz still im Haus.

»Meinst du, dass Mama morgen früh wirklich da ist?«, flüsterte Elfie.

Karl dachte nach. Glaubte seine Mutter das tatsächlich oder hatte sie das nur gesagt, um die Kinder zu beruhigen? Er seufzte leise. »Ich weiß es nicht, Elfie«, sagte er dann, »aber wir können Jesus bitten, dass sie wiederkommt, meinst du nicht?«

Elfie nickte. »Und Papa auch«, fügte sie hinzu.

»Und Papa auch«, bestätigte Karl. Er legte den Arm um ihre schmale Schulter und drückte sie sanft. »Lass uns beten.« Er schloss die Augen. »Lieber Herr Jesus, bitte pass auf unsere Eltern auf, wenn sie jetzt bei der Polizei sind. Bitte bring Mama und Papa ganz schnell zu uns zurück und bitte pass auf uns auf, während sie weg sind. Amen.«

»Und bitte sag den Polizisten, dass sie nix gemacht haben. Amen«, ergänzte Elfie noch.

Karl musste trotz aller Sorge lächeln. »Amen«, wiederholte er. Er hörte Katrin leise im anderen Bett schluchzen.

»Katrin, du brauchst keine Angst haben. Der Herr Jesus passt auf uns auf«, versuchte Elfie, die Ältere zu beruhigen.

»Ja, ich weiß«, flüsterte Katrin. »Danke, Elfie.«

Eine Weile lagen sie ganz still. Dann hörte Karl den ruhigen Atem seiner kleinen Schwester, die wieder eingeschlafen war. Er selbst lag hellwach im Bett. Plötzlich hörten sie, wie sich die Haustür unten wieder öffnete. Laute Stimmen drangen nach oben. Katrin hob ebenfalls den Kopf und lauschte.

»Wir sollten etwa morgen Nachmittag am Starnberger See sein«, sagte eine Männerstimme. »Ich habe für uns zwei Zimmer in einer Pension nicht weit von der Seeburg entfernt reserviert. Übermorgen fahren wir dann ganz früh zurück, sodass Sie gegen Mittag wieder in Mannheim sind.«

»Das ist gut«, antwortete eine Frauenstimme, »länger möchte ich bei dieser Bezahlung auch nicht unterwegs sein.«

»Na hören Sie mal!«, erwiderte die Männerstimme sichtlich verärgert. »Sie werden angemessen entschädigt und so schwer kann es doch wohl nicht sein, vier Kinder während einer Autofahrt in Schach zu halten.«

Vier Kinder? Sprach er etwa von ihnen? Karl durchfuhr ein kalter Schauer.

»Sagen Sie mir nicht, was schwer oder leicht an meinem Job ist«, fauchte die Frau, »Sie haben keine Ahnung, wovon Sie reden.«

»Ist ja gut«, beschwichtigte der Mann.

Während der kurzen Unterhaltung kamen die beiden Stimmen immer näher, Schritte waren auf der Treppe zu hören. Karl hörte, wie sie die Tür neben seinem Schlafzimmer öffneten, die ins Arbeitszimmer seines Vaters führte, und sie gleich wieder zuzogen. Dann öffnete sich die Kinderzimmertür. Nun wurde auch Elfie wieder wach und setzte sich auf.

Ein kräftig gebauter, untersetzter Mann in Mantel und Hut trat ins Zimmer. Hinter ihm kam eine ältere Frau in der Tracht einer Kinderschwester herein. Sie tastete nach dem Schalter und machte das Licht an. Die Kinder kniffen die Augen zusammen und sahen den beiden entgegen. Die Frau presste die Lippen zusammen. Im Schein der Lampe sah Karl, dass sie die Brauen runzelte und sich missmutig umsah. Es war offensichtlich, dass ihr der Einsatz am frühen Morgen lästig war. Ihr Haar war so streng nach hinten frisiert, dass es sich unter der kleinen Haube wie eine enge Kappe an den Schädel schmiegte.

Der Mann trug seinen Mantel offen und hatte auf dem Kopf eine Schiebermütze. Gestank nach Zigaretten erfüllte das ganze Zimmer. Er sah Karl an: »Bist du Karl Buddenberg?«, fragte er unfreundlich.

Karl nickte und fühlte, wie sich Elfie an ihn schmiegte. »Ihr vier steht jetzt auf und zieht euch an. Fräulein Schwan wird sich um euch kümmern. Verstanden?«

»Was wollen Sie von uns?«, fragte Karl voller Angst.

Wilhelm rührte sich. Er hob den Kopf, dann drehte er sich auf den Rücken und starrte die Fremden benommen an. Sein Blick wanderte zu Katrin, die sich neben ihm im Bett aufgesetzt hatte.

»Das werdet ihr schon sehen. Ihr werdet eine kleine Reise machen!«, antwortete der Mann und kratzte sich am Bauch. »Ein Wagen wartet unten. Jetzt los und keine Widerrede!«

Karl konnte spüren, wie sich Elfie ängstlich an ihn klammerte. Was passiert hier, dachte er entsetzt, die haben doch gesagt, dass jemand bei uns bleibt, bis Mama wiederkommt. Er starrte den Mann an und konnte sich nicht rühren.

Dieser wandte sich an die Kinderschwester. »Sie kommen hier klar?«, raunzte er.

Sie kniff die Lippen zusammen und nickte ruckartig.

»Gut«, sagte er und drängte sich an ihr vorbei aus dem Zimmer. Der Zigarettengeruch blieb zurück.

Fräulein Schwan sah sich um und trat an den Kleiderschrank von Wilhelm. Sie öffnete ihn und sah sich den Inhalt prüfend an, dann zog sie ein paar Pullover und Hosen heraus und legte sie am Fußende von Wilhelms Bett ab.

»Wo finde ich einen Koffer?«, fragte sie, ohne die Kinder anzusehen, und wandte sich wieder dem Schrank zu.

Keiner antwortete. Sie drehte sich um. Als sie sah, dass immer noch alle in ihren Betten lagen, schnaubte sie: »Ihr sollt aufstehen! Was liegt ihr denn immer noch herum. Raus aus den Betten!« Sie sah Elfie und Katrin an: »Los ihr Gören, geht in euer Zimmer und packt. Was habt ihr überhaupt hier bei den Jungen zu suchen?«

Elfie zuckte erschrocken zusammen und stieg aus Karls Bett. Auch Katrin stand auf. Ohne ein weiteres Wort patschten sie auf nackten Füßen durch die Tür und verschwanden in Richtung ihres Kinderzimmers.

Karl schlug die Decke zurück und stand auf »Wo fahren wir hin?«, fragte er leise.

»In ein Kinderheim«, kam die knappe Antwort.

Er traute sich nicht, nachzufragen, und griff nach seinen Kleidern, die auf einem Stuhl am Fußende seines Bettes lagen.

»Steh auf«, flüsterte er Wilhelm zu, der die Kinderschwester immer noch mit offenem Mund anstarrte. Wilhelm löste sich aus seiner Starre und setzte sich auf die Bettkante.

Ein paar Minuten später standen die vier Kinder in Mänteln und Hüten reisefertig im Hausflur. Vor ihnen türmten sich vier Koffer, die der Mann aus einer Nebenkammer geholt hatte und die Fräulein Schwan bis zum Bersten mit warmen Sachen, Schuhen und den Kulturbeuteln der vier gefüllt hatte. Es war sehr deutlich, dass kein kurzer Aufenthalt geplant war, sondern dass die Kinderschwester und der Mann sie auf eine längere Reise mitnehmen würden. Spielzeug hatte sie keines eingepackt.

Wilhelm hatte Katrins Hand ergriffen, er sah immer noch völlig verstört aus. Zwar hatte Karl versucht, ihm die Lage zu erklären, aber der aus dem Tiefschlaf gerissene Junge hatte nur ungefähr begriffen, was los war. Und so hielt er sich an Katrin fest. Elfie dagegen wich nicht von Karls Seite.

Als der Mann, den Fräulein Schwan mit »Herr Thun« ansprach, die Haustür öffnete, sah Karl, dass einer dieser großen olivgrünen Lastwagen auf der Straße stand, wie sie auch in der Fabrik, in der sein Vater arbeitete, verwendet wurden. Herr Thun öffnete die hintere Klappe und winkte die Kinder zu sich.

»Aufsteigen, kommt, macht schon, wir haben nicht den ganzen Tag Zeit«, rief er ihnen zu.

Karl trat mit Elfie zu ihm und der Mann hob das Mädchen ohne viel Umschweife auf die Ladefläche. Karl wies seine Hilfe ab und kletterte selbst hinauf.

Nachdem Wilhelm und Katrin ebenfalls im Lastwagen waren, setzten sich die vier auf die Bänke, die rechts und links unter dem Segeltuch eingebaut waren. Herr Thun half Fräulein Schwan hinauf und lud die Koffer ein. Dann schloss er die niedrige Klappe und verschwand aus ihrem Sichtfeld. Karl beobachtete durch das kleine Fenster in der vorderen Wand der Ladefläche, wie der Mann in die Fahrerkabine stieg und den Motor anließ. Direkt unter dem Fenster waren eine Reihe kleiner Fässer gestapelt, die einen merkwürdig chemischen Geruch verströmten, doch in der Dunkelheit konnte Karl keine Einzelheiten erkennen.

Der Lastwagen fuhr an. Wie seine Geschwister blickte Karl durch die offene Rückseite des Wagens zurück. Langsam verschwand ihr Elternhaus immer mehr aus ihrem Blickfeld. Es war eines der wenigen Häuser in ihrer Straße, die noch standen. Der Wagen suchte sich seinen Weg durch das völlig ausgebombte Mannheim, in Schlangenlinien vorbei an großen Schutthaufen und Ruinen. Dann ließen sie die wenigen Lichter der Stadt hinter sich und es wurde vollkommen schwarz.

Wilhelm, der neben Katrin saß, begann leise zu weinen.

[ Zum Inhaltsverzeichnis ]

Kapitel 1:

Der Anschlag

Starnberger See, Sommer 2021

Die Farbdose klackerte laut, als er sie schüttelte. Vorsichtig sah er sich um. Sein Freund musterte ebenfalls die Umgebung, dann flüsterte er: »Alles ruhig, mach weiter.«

Er hob die Dose und sprühte den ersten Strich. Das Zischen des Sprays war so laut in der Dunkelheit, dass er für einen Moment fürchtete, sie könnten jeden Moment erwischt werden. Aber es blieb ruhig. Das Muster war fertig und er tat einen Schritt zurück, um sein Werk zu begutachten.

»Okay, was als Nächstes?«, fragte sein Kumpel.

»Wie wär’s damit?«, fragte er und hob einen Arm.

»Gute Idee!« Sein Freund hob seine eigene Dose und sprühte. Er sah ihm dabei zu und spürte, wie sich die Nervosität in ihm langsam in Euphorie verwandelte. Sie taten es tatsächlich! Sie machten einen Unterschied, zeigten allen, dass sie sich nicht mehr verstecken würden. Das Gefühl war berauschend.

Ein neuer Gedanke kam ihm. Er tat ein paar Schritte zur Seite, auf die andere Seite der gläsernen Eingangstür, und hob seine Farbdose. Die Wand war fast zu kurz für den Spruch, aber indem er etwas kleiner wurde, passte er hin. So arbeiten sie für ein paar Minuten konzentriert.

»In Deutsch hättest du dafür eine Sechs gekriegt«, kommentierte sein Freund, der hinter ihn getreten war, als er fertig war.

»Du in Gemeinschaftskunde aber auch«, ergänzte er. Sie mussten beide leise lachen.

In diesem Moment ging in einem der Fenster direkt vor ihnen das Licht an.

»Scheiße!«, fluchte er und duckte sich schnell. Eine Gestalt tauchte hinter der Gardine auf, griff nach dem Fenstergriff und kippte das Fenster. Dann verschwand sie wieder im Zimmer.

»Das war knapp!«, flüsterte sein Freund.

»Ich glaube, es ist Zeit, zu verschwinden«, sagte er.

»Stimmt, lass uns abhauen.«

»Aber nicht ohne das große Finale!« Er griff vorsichtig nach dem Rucksack, den er auf dem Rücken trug, und setzte ihn auf den Boden. Die gefüllten Ballons waren in Stoff eingewickelt, damit sie nicht vorzeitig platzten. Er holte zwei davon heraus und gab sie seinem Freund, dann nahm er die restlichen zwei. Sie platzierten sich direkt vor der Eingangstür und dann knallte der erste Ballon auf die Glastür und platzte. Schnell warfen sie die anderen drei, bis die Flüssigkeit über die gesamte Scheibe bis zum Boden floss. Laut lachend rannten sie zu ihren Rädern.

Als die Bewohner des Hauses die verschmutzte Eingangstür entdeckten, waren sein Kumpel und er längst verschwunden.

[ Zum Inhaltsverzeichnis ]

Kapitel 2:

Unfall an der Allmannshausener Steilwand

»Ich dachte, du willst Erster werden«, frotzelte Antonia, als sie Jaron einholte. Die Sonne schien ihr ins Gesicht, während sie den Weg vom kleinen Örtchen Leoni am Ostufer des Starnberger Sees entlangradelten.

Jaron warf ihr einen kurzen Blick zu. Antonias lange blonde Haare wirbelten unter dem Fahrradhelm hervor und ihr Gesicht strahlte. Dann zog sie mit Leichtigkeit an ihm vorbei. Das konnte er natürlich nicht auf sich sitzen lassen und trat noch fester in die Pedale, um wenigstens den Anschluss nicht zu verlieren.

»Hey, jetzt macht doch mal nicht so schnell«, hörte er Emma von hinten rufen.

Franky, der neben Emma fuhr, antwortete mit seinem üblichen trockenen Humor: »Stress dich nicht, die sind doch nur eine Minute vor uns da …«.

Er hat recht, dachte Jaron bei sich und ließ sich neben Emma und Franky zurückfallen. Antonia verschwand vor ihm hinter einer Kurve.

»Solche Tage sollte es öfter geben«, meinte Emma.

»Stimmt«, antwortete Franky, »die letzten beiden Stunden fallen aus und keine Hausaufgaben!«

Jaron lächelte seinem Freund zu. Er war erst vor einem Jahr von Köln an den Starnberger See gezogen, in die Jugendherberge von Antonias Eltern, wo seine Mutter nun arbeitete, aber Franky war in dieser Zeit sein bester Freund geworden. Einer, wie er ihn in Köln nie gehabt hatte.

Zusammen mit Antonia und Emma waren sie »Die vier vom See«, vier Freunde, die im vergangenen Jahr das jahrtausendealte Rätsel um einen legendären Schatz am Starnberger See gelöst hatten und nun so etwas wie Berühmtheiten waren. Jetzt waren die Sommerferien in greifbarer Nähe und die Sonne lachte über den Alpen im Süden des Sees. Kleine Segelboote fuhren als weiße Wolkentupfer auf der ruhigen Wasseroberfläche.

Vor ihnen war Antonia wieder zu sehen, sie hatte das Tempo etwas verlangsamt und wiegte sich wohl in Sicherheit, dass sie als Erste ankommen würde.

»Ich werde mal versuchen, sie einzufangen«, sagte Jaron zu Emma und Franky und gab Gas. Schnell näherte er sich Antonia wieder und zog mit ihr gleichauf.

»Kannst du nicht ein bisschen schneller?«, rief er ihr lachend zu.

»Na warte«, schnaufte Antonia und strampelte noch viel wilder.

Jaron schmunzelte, so eine Reaktion war typisch für sie. Doch er hielt mit ihr mit. Die zwei rasten am gelben Schloss Unterallmannshausen vorbei und lieferten sich ein Kopf-an-Kopf-Rennen, während Emma und Franky immer mehr zurückfielen.

Kurz hinter dem Schloss zweigte links ein steiler Weg Richtung Allmannshausen ab und der Uferweg verbreiterte sich zu einer Kreuzung. Antonia und Jaron fuhren in vollem Tempo auf die Kreuzung zu, als plötzlich vor ihnen Reifen auf dem Asphalt quietschten. Dann tauchte ein Sportwagen auf, der ihnen in hohem Tempo entgegenkam und sie zum Ausweichen zwang. Antonia konnte noch bremsen, aber ihr Hinterrad blockierte und sie schlingerte an den Straßenrand.