Organische Gemeinde - Neil Cole - E-Book

Organische Gemeinde E-Book

Neil Cole

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Beschreibung

Wie wäre es, wenn Gemeinden auf organische Weise entstünden, wie kleine geistliche Familien, aus dem Boden der Verlorenheit geboren, weil hier der Samen Gottes ausgesät wurde? Diese Gemeinden könnten sich reproduzieren, wie es alle lebendigen und organischen Dinge tun. Genau dies erlebte Neil Cole, nachdem er angefangen hatte umzusetzen, was Jesus selbst zum Thema Gemeinde gelehrt hat. Innerhalb von sechs Jahren entstanden 800 Gemeinden in 32 Ländern. Diese Gemeinden treffen sich in Privathäusern, Restaurants, Cafés, Büros oder Parks, an Hochschulen, Schulen oder Stränden. In diesem Buch fasst er seine Erkenntnisse zusammen: · Welche Sicht hatte Jesus selbst von der Gemeinde · Die organische Natur des Reiches Gottes · Der genetische Aufbau des Leibes Christi · Jesu Strategie, sein Reich auszubreiten · Unsere hohe Berufung, an Gottes Plan mitzuwirken Dieses Buch ist ein Aufruf, zu unseren Wurzeln zurückzukehren. Die Gemeinde soll lebendig, organisch und mitten im Leben sein. Sie soll dort hervorkommen, wo sie am meisten gebraucht wird. Sie soll fruchtbar sein, sich vermehren und die Erde füllen, wie es Jesus beabsichtigt hat, als er dafür bezahlte.

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NEIL COLE

Organische Gemeinden

WENN SICH DAS REICH GOTTES GANZ NATÜRLICH AUSBREITET

GLORYWORLD-MEDIEN

 

 

 

 

 

 

 

1. E-Book-Auflage 2021

Die Originalausgabe erschien unter dem Titel „Organic Church“ bei Jossey-Bass, 989 Market Street, San Francisco, CA 94103-1741, USA.

© 2005 by Neil Cole

© der deutschen Ausgabe 2008 GloryWorld-Medien, www.gloryworld.de

Alle Rechte vorbehalten

Bibelzitate sind, falls nicht anders gekennzeichnet, der Elberfelder Bibel, Revidierte Fassung von 1985, entnommen.

Weitere Bibelübersetzung: LU: Lutherbibel, Revidierte Fassung von 1984

Foto auf Seite 138: Two day old human embryo at four cell stage of development x260; Stone/Yorgos Nikas

Fotos auf Seite 174: Manfred Mayer

Das Buch folgt den Regeln der Deutschen Rechtschreibreform. Die Bibelzitate wurden diesen Rechtschreibregeln angepasst.

Übersetzung: Markus RollLektorat/Satz: Manfred MayerCover: Vision C, www.vision-c.deCover-Foto: Gert Blazejewski

ISBN (epub): 978-3-95578-129-3

ISBN (Druck): 978-3-936322-29-3

Stimmen zum Buch

 

Neil Cole ist einer der führenden Köpfe und Praktiker organischer Gemeindeformen. Seine Vision von der Gemeinde ist so neu wie sie uralt ist. Seine eigene Geschichte und die Philosophie von CMA ist für die Gemeinde auf ihrem Weg ins 21. Jahrhundert beispielhaft.

Alan Hirsch, Autor und Gemeindegründer

 

Dieses Buch ist tief gehend und praktisch und trotzdem angenehm zu lesen. Es erweitert unser Denken und versetzt uns in die Lage zu erleben, dass sich das Reich Gottes in unserer Generation über die ganze Welt ausbreitet. Es kommt genau zur rechten Zeit.

John C. Maxwell, Autor und Gründer von INJOY

 

Mein Leben dreht sich darum, hundertfache Frucht zu sehen. Der Ansatz von Neil Cole hilft, solche Ergebnisse in Bezug auf Gemeinden zu erhalten, indem er viele neue Formen des Reiches Gottes gründet, die Tausende von Menschen erreichen. Das dramatische Wachstum der „Awakening Chapels“ und die organischen Gemeinden, die in diesem Buch beschrieben werden, zu beobachten, war für mich in den letzten Jahren eine der größten Freuden. Das neue Buch von Neil Cole erzählt nicht nur die inspirierende Geschichte, sondern beschreibt die Prinzipien dahinter, damit wir sie anwenden können.

Bob Buford, Autor und Leiter von „Leadership Network“

 

In einer Zeit, in der viele sagen: „Gott ja; Kirche nein!“, spüren die meisten von uns instinktiv, dass die Kirche, wie wir sie kennen, verhindert, dass es zur Kirche, wie Gott sie will, kommt. Aber wo ist der Haken? Wohin gehen wir von hier aus? Gekonnt legt uns Neil Cole eine begeisternde Einladung zur wohl aufregendsten geistlichen Pilgerreise vor, die heutzutage stattfindet: die globale Reise einer Kirche zurück nach Hause. Machen Sie mit und werden Sie Teil davon!

Wolfgang Simson, Autor von „Häuser, die die Welt verändern“

 

Gemeindemultiplikation ist wohl nicht das Fachgebiet der Elfenbeinturm-Theoretiker! Neil Cole hilft uns, zu verstehen, dass es dabei nicht um einen Zuschauersport geht. Dies ist das praktischste, hilfreichste und umfassendste derzeit erhältliche Buch, wenn wir die sich schnell ausbreitenden Formen des einfachen, organischen Gemeindelebens auf der ganzen Welt verstehen wollen.

Dr. Tony Dale, House2House

 

Dieses Buch empfehle ich von ganzem Herzen. Es ist voller tiefer Erkenntnisse; Sie werden nichts Schwammiges darin finden. Unter den Büchern über Gemeindegründung bietet es eine rare Kombination von Eigenschaften: es ist biblisch und gut geschrieben, das beschriebene Modell hat sich als effektiv erwiesen, und es ist von einem Praktiker geschrieben und nicht von einem Beobachter oder Elfenbeinturm-Theoretiker.

Curtis Sergeant, Leiter der Gemeindegründung

der Saddleback Church, Lake Forest, Kalifornien

 

Mir großer Freude empfehle ich dieses Buch. Die Geschichten und Erfahrungen in diesem Buch werden viele ermutigen, der Führung des Heiligen Geistes zu folgen. Neil Cole ist ein echter Pionier des Glaubens und ein Mann mit einer großen Vision, der sich entschieden hat, die Dinge, die Gott in ihn hineingelegt hat, in die Praxis umzusetzen. Ich glaube, dass dieses Buch Herzen entzünden wird, ihren Glauben in organischen Gemeinden überall auf der Welt auszuleben.

Michael Steele, Leiter Nordamerika, DAWN Ministries

 

Neil Cole ist ein echter Wegbereiter für die heutige Kirche. Seine Geschichte wird Sie inspirieren und Sie dafür zurüsten, den lebendigen Christus in Gemeinschaft zu erfahren.

Jonathan S. Campbell, Ph. D., Autor von „The Way of Jesus“

 

Inhalt

Vorwort

Vorbemerkung

Einführung

TEIL 1: WURZELN DER ORGANISCHEN GEMEINDE

1 Reite mit mir hinaus!

2 Für eine neue Art von Gemeinde erwachen

3 Die Zombie-Braut lebt!

4 Eine gefährliche Frage

TEIL 2: DIE ORGANISCHE NATUR DES REICHES GOTTES

5 Grundlagen des Reiches Gottes: Man erntet, was man sät, und man isst, was man erntet

6 Ein verzaubertes Königreich mit Zaubersamen, schnellwachsenden Bäumen und einer wunderschönen Braut, die gerettet werden muss

7 Wir alle haben als Zygote begonnen

TEIL 3: VOM MIKROSKOP ZUM TELESKOP

8 Die DNA des Leibes Christi entschlüsseln

9 Epidemisches Wachstum beginnt in den Genen

TEIL 4: DAS EPIDEMISCHE REICH UND WIE ES SICH AUSBREITET

10 Es braucht Mut, sich um Menschen zu kümmern

11 Osama und ich sind uns nahe

12 Wie sich die Epidemie ausbreitet

TEIL 5: DER RUF ZUR ORGANISCHEN GEMEINDE

13 Stilvoll fallen!

14 Bemerkenswerte Geschichten

ANHANG

Dank

Über den Autor

 

 

 

 

Vorwort

Vor einiger Zeit führte ich in einem schottischen Dorf in der Nähe von Edinburgh ein Tagesseminar für junge Leiter der Church of Scotland durch. Jerry Middleton, mein Gastgeber und Pastor der Gemeinde vor Ort, unterstützte mich dabei. Eines der Geschenke, die er mir machte, war, dass er mir von einem Erlebnis berichtete, das er einige Monate zuvor gehabt hatte.

Als er eines Tages in seiner Amtstracht durch den Ort ging, riefen ihm zwei Kinder über die Straße zu: „He, Herr Pastor, könnten Sie mal kurz aufhören, Pastor zu sein, um uns zu helfen?“ Etwas sprachlos, aber bereit, die Herausforderung anzunehmen, ging Jerry über die Straße. Dort sah er, dass die Kette eines der Fahrräder der Jungen gerissen war. Ohne zu zögern kniete er sich auf den Bürgersteig hin und fing an, das Fahrrad auseinanderzubauen, um die Kette zu reparieren. Die beiden konnten es nicht glauben, dass dieser Pastor sich tatsächlich hinkniete, um ihnen zu helfen. Und sie waren noch mehr überrascht, als sie merkten, dass er sogar fähig war, ihr Problem zu lösen.

Nachdem er fertig war, entschuldigten sie sich dafür, dass seine Hände nun so dreckig waren. Jerry tat es ab. „Kein Problem, Freunde. Wollt ihr wissen, wie man diesen Dreck wieder wegbekommt?“ „Keine Chance“, sagte der eine von ihnen, „das kriegt man nicht so leicht wieder ab.“

„Ich zeig euch, wie’s geht“, fuhr Jerry fort. Er kniete sich noch einmal auf den Boden, aber dieses Mal nahm er einfach etwas lose Erde und „wusch“ seine Hände, indem er sie mit der Erde rieb. Dann fragte er sie: „Wisst ihr, wo ich etwas Wasser finden kann?“ Die Jungen antworteten: „Wir wohnen hier gleich um die Ecke. Kommen Sie mit!“

So marschierten die drei, sehr zur Überraschung ihrer Mutter, direkt in die Küche ihres Hauses. Die Kinder baten sie, zur Seite zu rücken, damit sie das Spülbecken benutzen könnten. Mit offenem Mund starrte sie auf den Pastor, den ihre Kinder mitgebracht hatten. „Vielen Dank, dass ich hier meine Hände waschen kann“, sagte Jerry, während die Jungen beobachteten, wie seine Hände unter dem Wasser wieder sauber wurden. Die Mutter bat ihn dann, noch auf einen Tee zu bleiben. Für Jerry war dies „einer seiner verrücktesten pastoralen Besuche“, aber er bezeugte auch, dass er durch diesen einen Vorfall eine Menge lernte, wie der Dienst in einer postmodernen Kultur praktisch aussehen kann.

Erst als ich die geniale Einleitung von Neil Cole zu dem vorliegenden Buchlas, fing ich an zu verstehen, wie grundlegend Jerrys Geschichte ist. Wir leben in einer nachchristlichen Kultur, die denkt, dass die Kirche nichts zu bieten hat, außer wenn sie einmal aufhört, das zu tun, was sie immer tut: „He, Pastor, könnten Sie mal kurz aufhören, Pastor zu sein, um uns zu helfen?“ Heutzutage kommen die Leute nicht mehr auf die christliche Seite der Straße. Wir müssen die Straße überqueren, wenn wir den Menschen dienen wollen. Und am besten können wir dienen, wenn wir es nicht groß planen, sondern wenn es natürlich, organisch geschieht, oft, wenn wir gerade etwas ganz anderes tun.

Es gefällt mir, wie Neil Cole es ausdrückt: „Wenn du diese Welt für Jesus gewinnen willst, dann musst du im Raucherbereich sitzen.“ Wenn die Kirche nicht bereit ist, ihre Hände (oder Lungen) schmutzig zu machen, dann findet sie kein Gehör. Die Häuser und Herzen der Menschen sind offen für das Evangelium, aber es braucht Beziehungen, damit sie es verstehen. Kirche funktioniert am besten mit zweien oder dreien – nicht mit zwei- oder dreihundert oder zwei- oder dreitausend. „Wo sich zwei oder drei versammeln, da bin ich mitten unter ihnen.“

In Organische Gemeinde geht es weniger um das, was wir tun sollen, sondern es ist ein Buch über das, was Gott schon getan hat und heute tut. Ich glaube, es ist nicht möglich, dass Sie es wieder weglegen, ohne dass das Bild, wie Gott die Kirche gemeint hat, zu einem Hologramm in Ihrem Herzen geworden ist. Lesen Sie es, und ernten Sie Samen, der gleich wieder ausgesät werden kann. Lesen Sie es, und weinen Sie eine Tränenernte über das, was sein könnte, wenn wir, wie Neil Cole es so unvergesslich ausdrückt, „die Latte, wie wir Kirche praktizieren, tiefer legen, und die Latte, was es bedeutet, ein Jünger zu sein, höher legen.“ Die eigentliche Sünde ist nicht, was in der Vergangenheit geschehen ist, sondern das, was in der Gegenwart nicht geschieht.

Dr. Leonard I. Sweet

E. Stanley Jones Stuhl in Evangelisation

an der Drew University

 

 

 

 

 

 

 

 

Dieses Werk widme ich Menschen

aus zwei Generationen in meinem Leben:

 

Erstens: dem Gedenken an Ray Walker,

der mir gezeigt hat, was es bedeutet,

ein Mensch zu sein, der Jesus und andere liebt.

 

Zweitens: Heather, Erin, Zachary

und der nächsten Generation

von „Reich-Gottes-Agenten“,

die die Gemeinde dahin bringen werden,

wo wir es im Traum nicht für möglich gehalten hätten.

 

 

 

Vorbemerkung

An diesem Abend regnet es sehr stark. Neo wird von einer eigenartigen Gruppe von Menschen begleitet. Sie sehen teils streberhaft, teils cool aus, aber alle benehmen sich, als seien sie schlauer als der Rest der Welt.

Mit vorgehaltener Waffe wird Neo zu einem alten, verlassenen Haus geführt, wo er angeblich den berüchtigten Morpheus treffen soll. Hier wird ihm dann ein dunkler Fremder mit reflektierender Sonnenbrille und schwarzem Trenchcoat einige Pillen anbieten – und er wird bereitwillig eine der Pillen schlucken!

Was war wohl der Auslöser, dies zu tun? Neo wird von einem Wunsch getrieben, dem er nicht länger widerstehen kann. Eine unersättliche Neugier und eine heilige Unzufriedenheit mit der Norm treiben ihn dazu, allen Zwang abzulegen. Er ist motiviert, außergewöhnliche Risiken auf sich zu nehmen, weil er nicht länger im dumpfen Einerlei eines gewöhnlichen Lebens verharren kann – einer Welt, in der alles seinen gewohnten Gang geht.

Die Begrüßung verläuft freundlich. Dann folgt ein höchst interessanter Dialog.

Morpheus beginnt, indem er Neos schwierige Situation mit der von Alice im Wunderland vergleicht, als diese in ein Kaninchenloch fällt. Er bemerkt, Neo biete den Anblick eines Mannes, der nur das akzeptiert, was er sieht, weil er sich in einem Traum befinde, kurz vor dem Aufwachen. Ironischerweise kommt das der Wahrheit sehr nahe. Morpheus erzählt Neo, warum sie ihn hierher gebracht haben: Es sei seine Chance zu erfahren, was die Matrix ist. Morpheus fragt ihn, ob er das möchte.

Neo nickt bedächtig, aber ohne zu zögern, als würde er erkennen, dass es sich hier um einen Wendepunkt in seinem Leben handelt, durch den sich alles für immer verändern würde. Morpheus erklärt: „Die Matrix ist überall. Sie ist um uns herum, sogar jetzt in diesem Raum. Du kannst sie sehen, wenn du aus deinem Fenster blickst oder wenn du deinen Fernseher einschaltest. Du kannst sie fühlen, wenn du zur Arbeit oder zur Kirche gehst und wenn du deine Steuern zahlst. Es ist die Welt, die man über deine Augen gestülpt hat, um dich für die Wahrheit blind zu machen.“

Neo fragt, um welche Wahrheit es gehe.

„Dass du ein Sklave bist, Neo. Wie jeder andere auch, bist du in die Sklaverei hineingeboren, in ein Gefängnis, das du nicht riechen, nicht anfassen und nicht fühlen kannst. Ein Gefängnis für deinen Geist.“

Morpheus öffnet eine kleine silberne Box, nimmt zwei Pillen heraus und erklärt Neo, dass eine bloße Beschreibung nicht ausreiche. Er müsse es selbst sehen, um zu verstehen. Dann beugt sich Morpheus nach vorne, in jeder Hand eine Pille.

„Das ist deine letzte Chance. Danach gibt es kein Zurück mehr. Wenn du die blaue Pille nimmst, hört die Geschichte auf; du wachst in deinem Bett auf und glaubst, was immer du willst. Wenn du die rote Pille nimmst, bleibst du im Wunderland, und ich zeige dir, wie tief das Kaninchenloch reicht.“

Neo greift langsam, aber entschlossen, nach der roten Pille.

Morpheus sagt ihm plötzlich, er biete ihm nur die Wahrheit an, nicht mehr und nicht weniger. Neo schluckt die rote Pille und das Abenteuer beginnt.

Er wacht auf und findet heraus, dass er sich vorher in einer künstlichen Welt befunden hatte, die „Matrix“ genannt wird. Alles, was er als Wahrheit gekannt hatte, war in Wirklichkeit eine Maske, die die Wahrheit verhüllte und ihn und alle anderen in einer Lüge gefangen halten sollte.

So weit die Handlung aus dem Kinofilm „The Matrix“ von den Wachowski-Brüdern. Darin kommt etwas zum Ausdruck, was ebenfalls wahr ist: Es gibt so etwas wie eine rote Pille, die unsere Augen für eine weitaus lebendigere Realität des Reiches Gottes öffnet. Es ist die Wahrheit des Wortes Gottes, die wir brauchen, um frei zu werden und um die Kraft seines Reiches auf diesem Planeten freisetzen zu können. Die Bibel enthielt schon immer die Wahrheit, aber unser Denken ist durch eine verzerrte Wahrnehmung der geistlichen Realität geblendet. Dieses Buch möchte uns die Augen dafür öffnen, dass wir die Kirche, das Reich Gottes und unsere Rolle in beiden Bereichen klarer und realer erkennen.

Viele Menschen suchen nach mehr. Mit der Gemeinde, wie wir sie heute kennen, sind sie nicht mehr zufrieden. Sie befassen sich mit der Gemeinde, die im Neuen Testament beschrieben wird, und ihre Neugier erwacht. Was sie dort lesen, ist jedoch weit entfernt von dem, was sie jede Woche erleben. Sie hören auch davon, wie schnell sich die Gemeinde in China und Indien derzeit ausbreitet, und das ermutigt sie. Werden auch sie wagen, von mehr zu träumen? „Kann ich dieselbe Kraft erleben?“, fragen sie sich. „Kann Gott auch hier, an diesem Platz, wirken? Wird sich das Reich Gottes auch in einer Gesellschaft wie der amerikanischen, die davon noch gar nichts ahnt, rasant ausbreiten?“ Ja! Ja!

„Dein Reich komme, Dein Wille geschehe, auf Erden wie im Himmel“ (Mt.6,10).

Bevor Neo im Film die rote Pille schluckte, wurde ihm noch eine andere Möglichkeit offen gelassen.

„Stoppt das Auto!“, befiehlt ein Mitglied der eigenartigen Sekte, die ihn entführt hat, um Morpheus zu begegnen. Mit einer Pistole in der Hand dreht die Frau sich nach Neo um und verlangt, dass er sich entweder vollkommen ihrem Plan unterwirft oder aussteigt und weggeht. Er reagiert trotzig. Als er die Autotür öffnet und aussteigen will, hält Trinity, eine hübsche und talentierte Hackerin, ihn auf und sagt ihm, er solle ihr vertrauen. Er fragt sie, weshalb er jemandem trauen solle, den er gerade erst kennengelernt hat.

Sie blickt die dunkle Straße hinunter, während es unaufhörlich regnet, und antwortet: „Weil du bereits dort warst, Neo. Du kennst diese Straße. Du weißt genau, wo sie endet. Und ich weiß, dass du da nicht sein möchtest.“

Neo steigt langsam wieder ins Auto und hat sich unbewusst damit abgefunden, einer roten Pille zu begegnen.

Sieht man sich die herkömmliche Gemeinde in den USA und das, was sie zu bieten hat, an, ist es, als würde man eine alte, durchnässte Straße hinunterstarren. Man hat keine Lust, da weiterzugehen. Noch mehr Visionsbeschreibungen, christliche Konzerte, Predigten oder Entwürfe für größere Gemeindegebäude reichen einfach nicht aus.

Es wird Sie überraschen, was Menschen für Jesus tun, was sie aber nicht für eine Gemeindevision tun. Es gibt etwas Besseres. Muss es geben. Jesus ist nicht dafür gestorben und auferstanden, damit wir bessere Gemeindebriefe oder bequemere Kirchenbänke haben.

Morpheus, der fiktive Prophet aus „Die Matrix“, würde es wohl so formulieren: „Ich sage Ihnen, warum Sie hier sind. Sie sind hier, weil Sie etwas wissen. Was Sie wissen, können Sie nicht erklären, aber Sie können es fühlen. Sie haben es schon Ihr ganzes Leben lang gefühlt: Mit der Kirche stimmt etwas nicht. Sie wissen nicht, was es ist, aber wie ein Splitter in Ihrem Gehirn bringt es Sie zum Wahnsinn. Dieses Gefühl hat Sie zu diesem Buch gebracht. Sie wissen, wovon ich rede.“

Wenn Sie das Buch gelesen haben, möchten Sie womöglich nicht zurück. Durch die Gedanken, die hier vorgestellt werden, wurden andere schon für die normale Kirche ruiniert. Das ist die letzte Warnung!

Überall auf der Welt nehmen Menschen die rote Pille und kehren nicht zurück. Die Kirche, wie Sie sie kennen, wird sich ändern. Jetzt ist der Moment gekommen, in der Sie sich entscheiden müssen. Dies ist Ihre rote Pille.

Das Kaninchenloch wartet. Das Abenteuer soll beginnen.

 

Einführung

Man hat das Christentum hinter Kirchenmauern begraben und mit den Fesseln des Dogmatismus festgezurrt.

Lasst es wieder los, damit es in unsere Mitte kommt und uns Freiheit, Gleichheit und Liebe lehrt.

Minna Canth

Schon seit vielen Jahren gehe ich immer seltener in die Kirche, weil ich dort so wenig von dem finde, nach dem ich mich sehne. Die Gegenwart Gottes zu spüren – danach verlangt es mich.

Frederick Buechner

„Houston, wir haben ein Problem.“

Dieses historische Understatement gab am 14. April 1970 Kommandant James A. Lovell von sich, als er an Bord der Apollo 13 Hunderte Meilen von der Erde entfernt ziellos in einer kleinen Metallkapsel im All umhertrieb. Etwas war völlig schiefgelaufen. Der Sauerstoff und die Triebkraft reichten nicht mehr aus, um sicher nach Hause gelangen zu können, sodass die Crew der Apollo 13 und das Expertenteam der NASA in Houston vor einer großen Herausforderung standen. Ron Howard dokumentierte diese kritische Episode in dramatischer Weise in dem Film „Apollo 13“, deren Ausgang entweder in einer schrecklichen Tragödie enden oder zu einem großen Erfolg für die NASA führen konnte. Dieser Hilferuf aus dem All führte dazu, dass kreative Lösungen für ein komplexes Problem gesucht wurden.

Die Gemeinde kann heute etwas Ähnliches sagen: „Himmel, wir haben ein Problem.“

Die Worte in diesem Buch sind wahrscheinlich nicht unbedingt das, was Sie hören wollen, so wie auch Houston den Hilferuf nicht hören wollte. Aber wenn wir nicht bereit sind, uns unseren Problemen zu stellen, werden wir unseren Weg nie korrigieren können. Aus Liebe zu Jesus und seiner Kirche, seiner Braut, habe ich dieses Buch geschrieben.

Meinungsforscher berichten, eine große Anzahl von Nichtchristen habe zwar Interesse an Jesus, jedoch nicht daran, in die Kirche zu gehen. Es gibt einen Autoaufkleber, auf dem steht: „Ich liebe Jesus; es sind die Christen, die ich nicht ausstehen kann.“

Bevor Mel Gibsons „Die Passion Christi“ in den Kinos erschien, konnte ich diesen Film in einem speziellen Treffen gemeinsam mit mehreren Tausend Pastoren ansehen. Die gängige Meinung bei diesem Treffen war, dass dieser Film zu einem großen Erfolg werden und viele Menschen zurück in die Kirchen bringen würde. Es gab für diesen Zweck schon Predigten für Suchende, die aus dem Internet heruntergeladen werden konnten. Buntes Werbematerial wurde gedruckt, um die Massen in unsere Gottesdienste zu locken. Ganze Kinos wurden gemietet, um den Film in eigenen Veranstaltungen zu zeigen, weil man meinte, die Menschen, die man eingeladen hatte, würden Christen und dann auch selbstverständlich Kirchgänger werden.

Zur großen Überraschung aller wurden sogar mehr Tickets als erwartet verkauft, und weltweit spielte der Film über 600 Millionen Dollar ein. Aber vielleicht noch überraschender ist, dass sich dies nicht positiv auf die Zahl der Gemeindemitglieder ausgewirkt hat.

Das zeigt uns, dass viele Menschen die Botschaft von Jesus zwar hören wollen und auch daran glauben, aber mit der Kirche als Institution, wie wir sie derzeit haben, nichts zu tun haben wollen. Das sollte für uns alle eine klare Warnung sein. Wir haben ein Problem.

Offensichtlich sind die Leute an Jesus interessiert, aber mit seiner Frau (die Kirche ist die Braut Christi) wollen sie keine Zeit verbringen. Leider haben wir die Botschaft des Evangeliums so verkürzt, dass sie untrennbar mit der Institution Kirche verbunden ist. Selbst wenn sie nur etwas über Jesus hören wollen, sagen wir den Leuten, sie müssten die bittere Pille „Kirche“ schlucken. Die meisten sterben jedoch lieber an der Krankheit, als diese „Medizin“ zu schlucken.

Die Ortsgemeinde ist inzwischen so unattraktiv geworden, dass sie viele, selbst unter den überzeugten Christen, gänzlich ablehnen. In seinem Buch „The Present Future: Six Questions for the Church“ (Die gegenwärtige Zukunft: Sechs Fragen an die Kirche) macht Reggie McNeal die alarmierende Beobachtung: „Eine wachsende Zahl von Menschen verlässt die institutionelle Kirche aus einem neuen Grund. Sie gehen nicht, weil sie ihren Glauben verloren haben, sondern um ihren Glauben zu bewahren.“1 Das sind harte Worte. Könnte es sein, dass die „verkirchlichte Kultur“ geistlich gesehen toxisch ist? Wir haben ein Problem.

Die Zahl der Gottesdienstbesucher ist allerdings kein Barometer dafür, wie es um die Christenheit steht. Letztendlich sollte das Evangelium doch eine Transformation bzw. Veränderung bewirken. Es reicht nicht aus, unsere Kirchen zu füllen; wir müssen unsere Welt verändern. Wenn die Kirche wirklich effektiv ist, sollte sich die Gesellschaft und Kultur verändern. Geht die Kirche auf die Menschen zu und werden diese durch die gute Nachricht des Reiches Gottes verändert? Wo dies geschieht, wird die Anzahl der Christen sicherlich steigen. Das Reich Gottes dreht sich aber nicht darum, dass wir einmal in der Woche den Gottesdienstraum füllen. Wir tun Jesus unrecht, wenn wir sein Leben und sein Wirken auf so traurige Statistiken wie Besucher- oder Mitgliederzahlen reduzieren.

Inwieweit die Kirche einen Einfluss hat, sieht man in der Gesellschaft – auf den Straßen, nicht in den Kirchenbänken.

Die USA stehen nicht alleine da, was diesen Niedergang der Gemeinde angeht. Überall auf der Welt, wo die Kirche dem westlichen, institutionellen Muster folgt, nimmt ihr Einfluss ab.

Unlängst war ich in Japan und sprach in einer Kirche vor hauptsächlich jungen Japanern. Meine Frau und ich waren die einzigen Weißen in dem Gebäude, vielleicht sogar in der gesamten Stadt. Ich erwähnte, dass in Japan weniger als ein Prozent der Bevölkerung Kirchenmitglieder sind. Seufzend nickten sie alle und zeigten damit, dass sie angesichts dieser Realität müde geworden waren. Ich sagte dann, dass ich vor einigen Monaten schon einmal bei ihnen gewesen war und dass damals die Prozentzahl ebenso niedrig war. Nichts hatte sich geändert. „Was ist los mit euch?“, fragte ich. Sie lachten, als wäre die Erwartung, dass sich etwas ändern könnte, lächerlich.

Ich fuhr fort und erzählte ihnen, ich sei auch schon vor drei Jahren in Japan gewesen, und auch damals seien weniger als ein Prozent Kirchenmitglieder gewesen. Dieses Mal lachten sie nicht. Dann sagte ich ihnen, dies sei auch schon zehn Jahre vorher so gewesen und fragte sie: „Wisst ihr, wie hoch der Anteil der Christen vor hundert Jahren war?“ Sie waren den Tränen nahe, als ich meine eigene Frage beantwortete: „Ebenfalls weniger als ein Prozent!“ Nach einer Pause sagte ich: „Da stimmt etwas nicht, wie wir hier in Japan Kirche praktizieren.“ (An dieser Stelle sei bemerkt, dass wir aus dem Westen es waren, die ihnen beigebracht haben, wie die Kirche funktioniert.

Damit Japan verändert wird, muss Jesus den Leuten etwas Neues und Wirkungsvolles geben. Dasselbe gilt für uns im Westen. Nicht die Ortsgemeinde wird die Welt verändern, sondern Jesus. Der Gottesdienstbesuch am Sonntag verändert das Leben der Menschen nicht. Nur Jesus in ihren Herzen ist der, der diese Veränderung hervorrufen kann.

Die westliche Kirche hat so viel von dem aufgegeben, was sie sein soll, dass sie für die Verlorenen bedeutungslos geworden ist. Christliche Organisationen, wie Bibelschulen, Missionsgesellschaften, seelsorgerliche Beratungsstellen und Evangelisationswerke sind entstanden und haben inzwischen einen Großteil der Arbeit übernommen, für die Gott eigentlich die Gemeinde berufen hatte. Die Kirche erwartet, dass andere evangelisieren, Führungskräfte heranbilden und soziale Dienste tun. Menschen mit ernsten Problemen schicken wir zu den Psychologen.

Wenn man Nichtchristen fragt, wozu die Ortsgemeinde wichtig ist, dann fallen ihnen meist nur zwei Dinge ein: Man heiratet dort und man wird dort beerdigt. Viele von ihnen versuchen mit aller Macht, beides zu vermeiden. Ist es das, wofür Jesus gelitten hat und gestorben ist? Ist dies das Beste, was wir mit der Kraft der Auferstehung anfangen können? Wir haben ein Problem!

Unternimmt die Ortsgemeinde dann schon einmal den Versuch einer Evangelisation, ist es meist nicht mehr als ein „Kommt doch alle mal vorbei“. Im Prinzip schmeißt die Kirche eine Art Party und erwartet, dass die Menschen zu ihr kommen. Unter der Devise „Wie können wir die Leute außerhalb der Kirche erreichen?“ verbringen wir viel Zeit damit, neue Wege zu finden, wie wir die heilige Stunde am Sonntag so relevant für Suchende machen können, dass sie auch kommen wollen. Es gibt unzählige Bücher, Seminare, CDs, Zeitschriften und Internetseiten zu dem Thema, wie wir die Gottesdienste so interessant machen können, dass die Verlorenen ebenfalls unseren Jesus wollen. Glauben wir wirklich, dass wir sie damit so beeindrucken können, dass sie in die Kirche eintreten wollen? Ist das Ziel, dass sie in die Kirche kommen, hinreichend?

Wie weit gehen wir, um Menschen in unsere „Gottesdienst-Show“ zu bekommen? Wie viele Kompromisse gehen wir ein, um die Besucherzahlen zu erhöhen? Der extremste Fall, von dem ich gehört habe, hat sich im Nordwesten der USA zugetragen. Dort warb eine Kirche damit, es mit Geld zu belohnen, wenn jemand mindestens einen Monat lang jeden Sonntag in den Gottesdienst käme. Sie bezahlten die Leute dafür, dass sie in ihren Gottesdienst kamen! Dieses Beispiel ist nicht gerade einfallsreich, aber fällt uns tatsächlich nichts Besseres ein, als Besucher mit unserer professionellen Musik, unseren Predigten und Vorführungen zu „kaufen“? Ich denke, wir haben mit der ganzen „Sucherfreundlichkeit“ den Bogen überspannt. Wir haben ein Problem!

Warum müssen Menschen sonntags früh aufstehen, sich fein anziehen, um zu einem Ort zu fahren, wo sie sich in Reihen hinsetzen und den restlichen Morgen auf den Hinterkopf ihres Vordermannes gucken müssen, während jemand, den sie nicht kennen, ihnen das neueste Rezept auftischt, wie man in drei Schritten zu einem besseres Leben kommt? Soll diese Erfahrung wirklich ihr Leben für immer verändern?

Eine Missionarsfamilie, die in einer der gefährlichsten Gegenden der Welt organische Gemeinden gründet, machte einmal Heimaturlaub in den USA. An ihrem ersten Sonntag besuchten sie eine große Baptistengemeinde, von der sie unterstützt werden. Da der Missionar an diesem Tag im Gottesdienst sprechen sollte, kamen sie schon früh in ihren besten Kleidern an. Seine Frau saß mit den beiden Kindern in der ersten Reihe. Sie sahen beim Soundcheck und Stimmen der Instrumente zu. Das älteste Kind fragte: „Mama, wird es gleich eine Show geben?“ Die Kinder hatten Gemeinde bisher nur als familiäre Atmosphäre in Privathäusern und Wohnungen erlebt. Diese Art von Gemeinde erschien ihnen absolut fremd. Ich bin davon überzeugt, dass die meisten von uns mit unserer Art, Gemeinde zu leben, viel zu sehr vertraut sind, als dass wir noch erkennen könnten, wie seltsam unsere Bräuche eigentlich sind.

Es erstaunt mich, wie viel Energie und Ressourcen (Zeit, Geld, Menschen) für eine einzige Stunde in der Woche verbraucht werden. Wir haben Kirche in eine religiöse, sonntägliche Show verwandelt. Nach der Show gehen wir dann alle wieder nach Hause, bis die Kirche eine Woche später zur selben Zeit und am selben Ort neu beginnt. Ist das wirklich die Braut Jesu?

Laut Missionsbefehl ist es unsere Aufgabe, „in alle Welt zu gehen“, aber wir haben das Ganze umgedreht: „Kommt her und hört unsere Botschaft!“

Wir erwarten, dass die Leute in die Kirche kommen, um zu Jesus zu kommen, aber die Menschen in der Welt wollen mit der Kirche nichts zu tun haben. Wir sind von unserem religiösen Club so eingenommen, dass wir denken, diejenigen, die nicht in die Kirche gehen, seien diejenigen, die keine Beziehung zu Jesus haben. Als würde es ausreichen, dass jemand sonntags eine Stunde im Gebäude sitzt, um zu sagen, er sei Christ. Aber unsere Errettung hängt nicht davon ab, was wir sonntags tun und ob unser Name im Mitgliederverzeichnis auftaucht. Natürlich ist uns das lehrmäßig klar, aber trotzdem teilen wir die Bevölkerung in Kirchgänger und Nicht-Kirchgänger ein, als würde alles davon abhängen, dass sie Teil unserer Organisation sind. Kein Wunder ist unsere Botschaft so verworren. Wir haben unseren Hauptauftrag vergessen und denken, die Menschen müssten so wie wir werden statt wie Jesus.

Anstatt Menschen in die Kirche zu bringen, damit wir sie dann zu Jesus bringen, sollten wir doch besser Jesus zu den Menschen bringen, dorthin, wo sie sich aufhalten und leben. Dann erleben wir möglicherweise, dass daraus eine neue Art von Kirche entsteht, eine Kirche, die ihre Mitte mehr im Leben und am Arbeitsplatz hat, wo die Botschaft wirklich einen Unterschied machen sollte. Was wird geschehen, wenn wir den Samen des Reiches Gottes dort aussäen, wo sich das Leben abspielt und wo die Gesellschaft geformt wird. Ist es nicht genau das, was Jesus für seine Kirche beabsichtigt hat?

Wie wäre es, wenn Gemeinden auf organische Weise entstünden, wie kleine geistliche Familien, aus dem Boden der Verlorenheit geboren, weil hier der Same Gottes ausgesät wurde? Diese Gemeinden könnten sich reproduzieren, wie es alle lebendigen und organischen Dinge tun.

Wir haben erlebt, dass sich solche Gemeinden in Restaurants, Büros, in Privathäusern und -wohnungen, an Hochschulen, Schulen oder Stränden trafen. Andere hatten ihre Treffen in Bars, Kaffeehäusern, Parks oder Schließfachräumen. Eines unserer Gemeinde-Netzwerke hat sich zum Ziel gesetzt, dass es in Las Vegas für jeden Einwohner eine Gemeinde gibt, die er zu Fuß erreichen kann.“ Ein anderes proklamiert: „Jeder Christ ist ein Gemeindegründer, jedes Haus und jede Wohnung ist eine Gemeinde, und jedes Gemeindegebäude ist ein Trainingscenter.“ Das ist eine völlig neue Art, die Gemeinde Jesu zu sehen, und genau das passiert heute überall in der westlichen Welt. Ich glaube, dass dies eine ansteckende Bewegung ist, die mit den vielen Menschen in Kontakt kommt, die sich von der herkömmlichen Kirche gelöst haben, aber auf der Suche nach Jesus sind. Wir müssen Jesus in das Leben der Menschen bringen, und dies muss im Rahmen von Beziehungen geschehen.

In der Zeitschrift eines bestimmten Gemeindeverbands fand ich einmal einen Artikel, in dem die Evangelisationsmethode einer örtlichen Gemeinde herausgestellt wurde. Zur Weihnachtszeit hatten sie ihren Chor in ein großes Einkaufszentrum geschickt, um dort durch Weihnachtslieder die Botschaft Jesu zu verkünden. Dies wurde als erfolgreiche Aktion dargestellt, obwohl sie niemand angesprochen, zu keinem eine Beziehung hergestellt hatten. Keiner der Besucher des Einkaufszentrums konnte diesen kirchlich-religiösen Menschen in den fremdartigen Roben eine Frage stellen. Sie hörten lediglich Lieder, mit denen sie ohnehin schon über die Lautsprecher berieselt wurden. Wie eine Flugbegleiterin vor jedem Abflug verkündete auch der Chor lebenswichtige Informationen, die aber von kaum jemand beachtet wurden. Und trotzdem waren die Mitglieder dieser Gemeinde davon überzeugt, dass sie eine großartige Arbeit für Gott geleistet hatten. Mann, wir haben wirklich ein Problem!

Wenn wir diese Welt für Jesus gewinnen wollen, müssen wir uns wohl oder übel in die Raucherecken setzen, denn dort finden wir die verlorenen Menschen. Aber wenn wir verlangen, dass sie ihre Zigarette ausmachen, um die Botschaft zu hören, werden sie nur an eines denken, nämlich: „Wann kann ich wieder eine rauchen?“

Der Kern unserer Botschaft ist doch, dass Gott von uns nicht erwartet, dass wir zu ihm in den Himmel kommen. Er kam zu uns. Er lebte sein Leben zu unseren Bedingungen und auf unserem Terrain. Er inkarnierte sich. Dies ist ein theologischer Begriff und bedeutet so viel wie, dass er „im Fleisch“ oder in „in einem menschlichen Körper“ war. Wenn ich mir Chili „con carne“ bestelle, bestelle ich Chili mit Fleisch, mit Substanz. Jesus war der inkarnierte Gott. Er war die Wahrheit im menschlichen Körper, sodass jeder sie sehen konnte. Er „… wurde Fleisch … und wir haben seine Herrlichkeit angeschaut, eine Herrlichkeit als eines Eingeborenen vom Vater, voller Gnade und Wahrheit“ (Joh 1,14).

Die Lieder des Chores hatten genau dies zum Inhalt, aber die Menschenmassen gingen einfach daran vorbei, ohne auch nur darüber nachzudenken. Als Jesus kam, trug er weder eine bunte Robe, noch blieb er distanziert, noch sang er den Leuten Lieder vor. Er kam genau wie wir nackt durch den Geburtskanal. Jemand musste seine Windel wechseln, und für eine gewisse Zeit konnte er sich wie alle anderen Menschen seit Adam und Eva nur durch Schreien verständigen. Er war arm und lebte unter uns. Er machte seine Hände schmutzig und diente den Menschen. Schließlich, nach seinem Leben, seinem Tod und seiner Auferstehung kam er irgendwann im 20. Jahrhundert auch zu mir. Wir müssen ihn auch heute zu den verlorenen Menschen kommen lassen.

Jesus ist immer noch inkarniert: Jetzt sind wir seine Füße, seine Hände, seine Augen und sein Mund. Wir sind der Leib Christi. Wir sind sein Tempel, und der Heilige Geist wohnt in unserem Fleisch (vgl. 1 Kor 6,19). Wir sind nicht die Gottheit, aber die Gottheit wohnt in uns, und ich finde, dass diese Wahrheit eine Realität ist, die unser Leben so dramatisch verändert, dass andere dies bemerken sollten.

Sir Walter Moberly schrieb 1949 das Buch The Crisis in the University (Die Krise in der Universität). Er hatte festgestellt, dass Evangelikale es nicht schafften, die Hochschulen mit dem Evangelium zu durchdringen. Für alle, die vorgeben, Jesus nachzufolgen, haben seine Worte von damals auch heute noch Biss: „Wenn auch nur ein Zehntel von dem, was ihr glaubt, wahr ist, dann solltet ihr zehnmal begeisterter sein.“2 Das sind die Worte eines Nichtchristen, der unsere Predigten gehört und unser Verhalten studiert hatte. Es tut weh, weil es wahr ist. Wir müssen anfangen, das Wort Jesu und den Geist Gottes so reichlich in uns wohnen zu lassen, dass seine göttliche Gegenwart spürbar ist. Das ist es, wofür Jesus gestorben ist.

Der Theologe Lesslie Newbigin sagt ganz richtig: „Die Kirche ist in die Welt gesandt, um das fortzuführen, wofür Jesus gekommen ist, und zwar in der Kraft desselben Heiligen Geistes Menschen mit Gott zu versöhnen“3 (vgl. Joh 20,19-23).

Dieses Buch ist ein Aufruf, zu unseren Wurzeln zurückzukehren. Die Gemeinde soll lebendig, organisch und im Fleisch sein. Sie soll dort hervorkommen, wo sie am meisten gebraucht wird. Die Kirche soll fruchtbar sein, sich multiplizieren und die Erde füllen, wie es Jesus beabsichtigte, als er dafür bezahlte.

Im Film „Apollo 13“ kam ein engagiertes Team hingegebener Leute bei der NASA zusammen, um ein schwieriges Problem zu lösen. Unter Ausnutzung einfacher Komponenten, die schon an Bord der Raumkapsel waren, fanden sie eine kreative Lösung, um die Astronauten zurück zur Erde zu bringen. Was sich schnell zum größten bisher dagewesenen Problem der NASA entwickelt hatte, wurde stattdessen ihr heldenhaftester Moment. Was wäre passiert, wenn die beteiligten Leute geleugnet hätten, dass es ein Problem gab? Wenn wir das Problem nicht erkennen, fehlt die kreative Energie, um Lösungen zu finden.

Der Anfang einer jeder großen Errungenschaft ist, dass ein Problem erkannt wird. Zusammen mit einem klaren Ziel und kreativer Energie kann durch diese Erkenntnis viel erreicht werden. Gott hat uns bereits alles gegeben, was wir brauchen. Wir müssen nur die einfachen Dinge in einem neuen Licht betrachten. Es gibt Lösungen, die auf der Hand liegen, wenn wir nur unsere Augen und Ohren für das öffnen, was der Heilige Geist den Gemeinden mitteilen will. Gott schweigt nicht; er hat sich nicht zurückgezogen, sondern er ist aktiv beteiligt und motiviert. „Bittet und ihr werdet empfangen“ (vgl. Mt 7,7).

Beim Lesen dieses Buches werden Sie vielleicht überrascht sein, wie einfach und naheliegend die Lösungen sind. Das Buch ist praktisch gehalten; es geht aber nicht um ein bestimmtes Gemeindemodell, sondern darum, wie die Wahrheit, die wir in der Bibel finden, heute Fleisch werden kann. Wenn Sie tiefgehende, komplexe und methodisch ausgeklügelte Antworten suchen nach dem Schema „Wie mache ich …?“, werden Sie enttäuscht werden. Die Antworten finden wir nicht in unseren Modellen, Methoden und menschlichen Systemen, sondern in der Wahrheit des Wortes Gottes und indem wir vom Heiligen Geist erfüllt und geführt werden. Ich hoffe, dass dieses Buch Sie wachrüttelt, sodass Sie die alte, vertraute Stimme wieder hören – die leise, säuselnde Stimme des Geistes –, die uns aufruft, neu und wieder mit ihm zu gehen. Alles, was komplizierter ist, ist nur zum Scheitern verurteilt.

Himmel, wir haben ein Problem. Zeige uns die Lösung und öffne unsere Herzen, damit wir sie empfangen können.

 

 

1 McNeil, R., The Present Future Church, Jossey-Bass, San Francisco 2003, S. 4.

2 Moberly, Sir W., The Crisis in the University, SCM Press, London 1953.

3 Newbigin, L., The Gospel in an Pluralistic Society, Eerdmans, Grand Rapids, Mich. 1989, S. 230.

TEIL 1: WURZELN DER ORGANISCHEN GEMEINDE

In der Schule mussten wir in Biologie einen Frosch sezieren. Einige der Mädchen waren ein wenig angeekelt, aber diese Übung half uns, das Tier von innen her zu verstehen. Bevor wir die potentielle Dynamik beschreiben, die in der Kirche schlummert, müssen wir sie zuerst analysieren und untersuchen, wie sie funktioniert.

Teil 1 verschafft uns eine Grundlage, um die Gemeinde verstehen zu können. Wir beschäftigen uns damit, welche Sicht Jesus selbst von der Gemeinde hat. Wir definieren die Gemeinde und lernen kennen, was sie so besonders macht. Wir beschäftigen uns auch mit einer wahren Geschichte über eine Reise in ein Königreich, das mit einem Samen, dem kleinsten aller Samen, beginnt und dann immer weiter wächst, um in kürzester Zeit Einfluss auf die Welt zu nehmen.

 

Kapitel 1: Reite mit mir hinaus!

Wann hört die Kirche endlich mit ihren kläglichen und nichtssagenden Träumen auf, „in der Welt etwas bewirken“ zu wollen, und fängt stattdessen an, Gottes Träume zu träumen, wie sie die Welt verändern kann? Vermag die Kirche diese postmoderne Zukunft zu erfinden und zu verhindern, zu erlösen und neu zu träumen?

Leonard Sweet („Soul Tsunami“)

Nichts ist dem unmöglich, der nicht auf die Vernunft hört.

John Belushi (in dem Film „Animal House“)

In dem Film „Der Herr der Ringe“ schafft Peter Jackson eine wunderschöne Darstellung von Tolkiens Welt der Mittelerde. Mittelerde ist ein fiktiver Ort voller Zauberer, Elfen, Zwergen, Drachen, Orks und Kobolden. Es gibt dort auch die Hobbits, einfache, sehr kleine Landbewohner. Sauron, der finstere Herrscher des Bösen in dieser Welt, schuf vor etlichen Jahrhunderten einen Ring der Macht, der einen großen Teil seines bösen Einflusses enthält. Dieser Ring ging verloren, gelangt aber schließlich irgendwie in den Besitz eines Hobbits namens Frodo Baggins. „Der Herr der Ringe“ ist die epische Geschichte einer kleinen, verschworenen Gruppe von Wesen aus den freien Völkern der Mittelerde, die mit einer riesigen Anzahl von Feinden und überwältigenden Schwierigkeiten konfrontiert ist. Sie brechen auf, um diesen Ring der Macht und somit auch Saurons wachsenden Einfluss zu zerstören.

Im zweiten Film, „Die zwei Türme“, verbünden sich die Guten mit dem Volk Rohan, das durch seine Reiter und schnellen und mutigen Pferde weltberühmt ist. Sie stoßen auf die Vorhut einer bösen Armee von Kobolden, die die gesamte Menschheit zerstören will.

Irgendwann trifft die Gruppe der Ringzerstörer im Thronraum von Theoden ein, dem König von Rohan. Als der König die Gefahr erkennt, muss er schwierige Entscheidungen treffen. Man rät ihm, „hinauszureiten und sie zu treffen“, aber er sorgt sich um das Wohlergehen seines Volkes. Krieg ist schrecklich und bringt große Verluste mit sich. In der Vergangenheit hatten sie immer Sicherheit in der Burg „Helm’s Deep“ gefunden. Mit seinem Hirtenherzen und seinem Wunsch, die Menschen, für die er die Verantwortung trägt, zu beschützen, verkündet er: „Ich werde mit meinen Leuten keinen offenen Krieg riskieren.“ Aragorn, ein Krieger mit dem wahren Herzen eines Königs, antwortet darauf: „Der offene Krieg steht dir bevor, ob du ihn riskieren willst oder nicht.“

Diese Worte sind auch heute noch wahr. Wir stehen einer bösen Macht gegenüber, die auf dem Vormarsch ist und die Welt zerstören will. Unser Feind, Satan, rückt vor und macht täglich Boden gut. Christliche Leiter wie Theoden befinden sich in einer ähnlichen Krise und müssen Entscheidungen zum Wohl ihrer Leute treffen.

Theoden entscheidet sich für die Festung Helm’s Deep, die sich als Illusion der Sicherheit herausstellt. Nach dieser Entscheidung zeigt der Film, wie die Menschen dem Bösen gegenüber immer mehr an Boden verlieren. In der Festung wiegen sich die Menschen zunächst in Sicherheit, aber die Mauern werden durchbrochen und sie müssen weiter in den Bergfried zurückweichen. Schließlich erobern die Feinde die gesamte Festung bis auf einen kleinen Raum mit verbarrikadierter Tür.

Als der Rammbock gegen die letzte Tür schlägt, die die Menschen von ihrer Vernichtung trennt, ruft der König hilflos: „Was kann ein Mensch gegen diesen ruchlosen Hass unternehmen?“ Aragorn gibt dem König denselben Rat wie zuvor: „Reite mit mir hinaus!“

Mit dem Rücken zur Wand und ohne Hoffnung, gegen eine zehntausendköpfige Armee siegen zu können, erscheint dieser Vorschlag lediglich als Möglichkeit, noch einen ehrenhaften Tod zu sterben. Theoden erwidert: „Ja, für den Tod und die Ehre!“ Aber Aragorn korrigiert ihn: „Für dein Volk!“ Theoden antwortet voller Leidenschaft: „Lass dies die Stunde sein, in der wir gemeinsam unsere Schwerter ziehen!“ Sie steigen auf ihre Pferde und greifen den Feind frontal an. So werden sie doch noch zu den echten Kriegern, die sie schon immer hätten sein sollen. Sie stürzen sich waghalsig und mutig in den Kampf, was den Feind überraschenderweise verunsichert, sodass er schließlich zurückweicht. In diesem Moment trifft Verstärkung ein, und am Ende ist die Schlacht gewonnen. Das Böse wird in die Flucht geschlagen, und der Sieg gehört den mutigen Helden, die wider alle Umstände dem Feind entgegengetreten waren.

Dies ist ein Gleichnis für unsere heutigen Gemeinden. Trotz guter Absicht wohlmeinender Leiter ist die Kirche in eine defensive Haltung zurückgefallen und sucht Zuflucht in ihren eigenen Festungen von Gebäuden und Programmen, „christlichen“ Geschäften, Schulen und Diensten. In dem Versuch, der Bedrohung auszuweichen, die wir eigentlich hätten vereiteln sollen, haben wir immer mehr an Boden verloren, bis wir nun nicht weiter zurückweichen können und vom Bösen umgeben sind. Heute sieht man uns als unfähige und ängstliche Gruppe an, die sich vor der Welt und der Realität, die uns umgibt, versteckt. Wir haben zugelassen, dass der Feind die Kultur und die Gesellschaft übernimmt, und beschweren uns darüber aus der Sicherheit unserer so genannten christlichen Festungen heraus.

Wer ist Jesus für Sie?

Aber so hat sich Jesus die Kirche nicht vorgestellt. Zweimal sprach er direkt von der „Kirche“ bzw. „Gemeinde“. Das erste Mal erwähnte er sie, als er mit seinen Jüngern unterwegs nach Cäsarea Philippi war (vgl. Mt 16,13-20). Jesus führte mit den Jüngern einen unangekündigten Test durch. Lehrer haben gute Gründe für solche Tests: Diese zeigen ganz deutlich auf, wie es um das Wissen der Schüler wirklich steht.

Die erste Testfrage war einfach: „Was sagen die Leute, wer ich bin?“ Das machte den Jüngern Spaß, alle wollten sich beteiligen und jeder hatte seine eigene Theorie. Es ist immer einfach, über die Fehler der anderen zu reden. Was die Jünger aber nicht merkten, war, dass dies nur eine Aufwärmfrage war.

Die zweite Frage war dann die eigentliche Prüfung – die wichtigste Frage, die man jemals beantworten kann. Jesus fragte: „Ihr aber, was sagt ihr, wer ich bin?“ Die Bibel erwähnt das zwar nicht, aber ich kann mir gut vorstellen, dass es plötzlich äußerst still geworden ist. Ich kann mir auch vorstellen, dass die Blicke, die gerade noch so voller Enthusiasmus waren, sich nun langsam zu Boden senkten. Diese Frage ist wesentlich schwerer zu beantworten, weil es eine persönliche Frage ist. Beantworten wir sie falsch, sind wir es, die im Unrecht sind. Diese eine Frage möchten wir auf keinen Fall falsch beantworten, denn daran hängt schließlich die ganze Ewigkeit.

Das Gewicht dieser Frage erzeugte eine starke Spannung. Ich stelle mir vor, dass die Jünger langsam ihre Köpfe zu Petrus hindrehten, in der Hoffnung, er würde, wie schon so oft, das Wort übernehmen und für sie in die Bresche springen. Petrus fand die Stille wahrscheinlich unangenehm und war bereit, den Kopf hinzuhalten. In einem einzigartigen Moment erhob er kühn und voller Kraft seine Stimme und sagte: „Du bist der Christus, der Sohn des lebendigen Gottes!“

Wahrscheinlich lächelte Jesus daraufhin, und die Anspannung verflog sogleich. Petrus war wohl ein wenig stolz auf sich (später musste er gedemütigt werden). Jesus sprach dann einen Segen über Petrus aus, der sowohl dessen Leben als auch das unsrige für immer berühren sollte: „Du bist gesegnet, Simon, Sohn Jonas, weil du im Test geschummelt hast!“ (meine Umschreibung). „Du hast die Antwort nämlich von einem anderen bekommen. Fleisch und Blut haben dir dies nicht offenbart, sondern mein Vater im Himmel.“ Letztendlich betrügen wir ja alle den Tod und das Gericht, da wir alle unsere Antwort von Gott und seinem Sohn bekommen. Es gibt keinen anderen Weg. Wir alle brauchen Hilfe vom Himmel, wenn wir Jesus kennenlernen wollen. Wir schaffen es nicht mit Hilfe eines hohen IQ oder indem wir die richtigen Bücher durcharbeiten. Weder die Intelligenz noch die Familienherkunft noch die Nationalität bringen uns in den Himmel; es ist die Gnade Gottes. Nur wenn wir seine Hilfe annehmen, können wir Jesus wirklich kennenlernen.

Um was es mir wirklich geht, ist Jesu Verständnis von seiner Gemeinde in Vers 18. Zunächst möchte ich den Kontext darlegen, damit wir verstehen, wie Jesus vorging. Wenn wir darüber sprechen wollen, was die Gemeinde wirklich ausmacht, müssen wir an dieser Stelle ansetzen. Alles über die Gemeinde beginnt und endet mit der einen Frage: Wer ist Jesus für dich? Jesu Aussage über die Gemeinde steht in einem Zusammenhang, der damit beginnt, dass Gottes Gnade die Identität Jesu offenbart, und sie endet mit Jesu Werk am Kreuz und seiner unfassbaren Auferstehung drei Tage später (vgl. Mt 16,21). Selbst wenn wir alles andere richtig machen, sind wir nicht wirklich die Gemeinde, wenn wir diese wichtige Frage auslassen. Gemeinde beginnt mit Jesus: wer er ist und was er getan hat. Alles dreht sich um Jesus, und wenn wir mit der Zeit andere Dinge in den Mittelpunkt stellen, entspricht die Gemeinde nicht mehr dem, wie Jesus sie gemeint hat.

Bevor wir über Gemeindegründung und -wachstum reden, müssen wir uns also mit der Frage auseinandersetzen: „Wer ist Jesus für mich?“ Auch wir müssen die Antwort von unserem Vater im Himmel erhalten und nicht durch ein Buch oder ein Seminar. Die Gemeinde ist geistlich. Mit ihr ist ein Geheimnis und eine Offenbarung verbunden.

Wenn wir auf die Frage antworten, dass Jesus der König der Könige ist, dann wird unsere Gemeinde genau das reflektieren. Hat Jesus alle Macht im Himmel und auf Erden und ist immer gegenwärtig, dann wird die Gemeinde anders sein. Ist Jesus aber fügsam, passiv und gleichgültig, dann wird es unsere Gemeinde ebenfalls sein.

Ich denke, eines unserer Probleme ist, dass wir vergessen, uns diese Frage zu stellen, wenn wir neue Gemeinden gründen wollen. Die Folge sind schwache Gemeinden. Wir reden mehr über unseren Stil und das Modell unserer Gemeinde als über den Herrn der Herren, der in ihr regiert. Wir erklären den Leuten, weshalb unsere Gemeinde anders oder besser ist als andere Gemeinden vor Ort und hoffen, dass die Menschen uns dann attraktiv finden; stattdessen sind sie gar nicht interessiert. Nur wenn wir zu unserer ersten Liebe zurückkehren und auf Jesus ausgerichtet sind, werden sich viele angezogen fühlen. Sie werden gedrungen sein, Jesus zu gewinnen, statt einen religiösen Gottesdienst zu besuchen.

Die Gemeinde, die Jesus vor Augen hatte

Jesus sagte weiter: „Aber auch ich sage dir: Du bist Petrus, und auf diesem Felsen werde ich meine Gemeinde bauen, und des Hades Pforten werden sie nicht überwältigen“ (Mt 16,18). In einem einzigen Satz sagt Jesus mehr darüber aus, wie die Gemeinde sein soll, als unzählige Theologen in ihren Büchern, die ganze Bibliotheken füllen. Ich möchte Ihnen fünf Dinge aufzeigen, die Sie über die Gemeinde, die den Vorstellungen Jesu entspricht, erkennen sollten.

1. Jesus baut die Gemeinde

Es gibt viele Bücher, Kassetten, Seminare und CDs, die uns helfen sollen, die Gemeinde zu bauen; aber wenn wir die Gemeinde bauen, ist es nicht die Gemeinde. Jesus hat nicht gesagt: „Auf diesen Felsen werdet ihr meine Gemeinde bauen.“ Jesus und nur Jesus baut die Gemeinde. Wenn wir eine Gemeinde bauen, die auf einer charismatischen Persönlichkeit, einer innovativen Methodik oder sonst etwas basiert, dann haben wir eine Gemeinde, die von minderer Qualität ist als die, die Jesus bauen würde.

2. Die Gemeinde gehört Jesus

Jesus hat die Gemeinde mit seinem eigenen Blut erworben (vgl. Apg 20,28). Er hat nicht versprochen, dass er unsere Gemeinde bauen wird. Die Gemeinde gehört Jesus. Er baut seine Gemeinde.

Es gibt eine Geschichte über einen Bauunternehmer, der in einem kleinen Ort in Europa Häuser baute. Die meisten Häuser baute er für die Menschen in dem Dorf. Er war ein begabter Zimmermann. Leider konnte er sich nie selbst so ein Haus leisten. Eines Tages kam der reichste Einwohner zu ihm und bat ihn darum, ein Haus zu bauen. Er sagte: „Ich möchte, dass du das beste und schönste Haus baust, das dir möglich ist. Kosten spielen keine Rolle. Ich muss jetzt verreisen, und wenn ich wieder da bin, soll das Haus fertig sein.“

Der Unternehmer nahm den Auftrag an und begann mit der Arbeit. Währenddessen kam ihm jedoch ein Gedanke: „Dieser wohlhabende Mann hat schon einige Häuser. Ich habe keines. Ich werde minderwertige Materialien nehmen, schnell arbeiten, zusehen, dass es gut aussieht, und nehme ihm dann die volle Summe ab. So kann ich das gesparte Geld einstecken und mir selbst ein Haus bauen. Es wird kein großes Haus sein, aber es wird mir gehören.“ Genauso tat er es auch.

Als der reiche Mann zurückkehrte, wollte er sein Haus besichtigen. Er war sehr beeindruckt. Von weitem sah es wunderschön aus. Dann ging er zu dem korrupten Unternehmer und sagte: „Das Haus sieht ja toll aus! Ich bin so froh, dass du keine Kosten gescheut hast, denn ich will das Haus einem guten Freund schenken, der so ein Haus wirklich verdient.“ Und damit gab er dem Unternehmer den Schlüssel und sagte: „Hier ist dein neues Zuhause, mein Freund.“ Der Unternehmer nahm den Schlüssel für sein neues Haus dankbar an, aber sein Herz wurde schwer, als er erkannte, was er getan hatte.