Leiten lernen wie Paulus - Neil Cole - E-Book

Leiten lernen wie Paulus E-Book

Neil Cole

0,0

Beschreibung

Welche Lektionen können wir von Paulus, einem der größten Weltveränderer der Geschichte lernen? Welche Lebens- und Leiterschule durchlief er, um am Ende sagen zu können: „Ich habe den guten Kampf gekämpft, ich habe den Lauf vollendet …“ (2 Tim 4,7)? In diesem Buch nimmt uns der erfahrene Coach, Gemeindegründer und Autor Neil Cole mit auf eine Reise. Wir untersuchen das Leben des Apostels Paulus und lernen wertvolle Lektionen darüber, wie Gott in verschiedenen Lebensphasen einen Leiter formt und ihn zum Ziel bringt. Leiten bedeutet dabei, Einfluss zu haben. Jeder ist dazu geboren, jemand zu werden, der Einfluss hat – egal, ob er wie Paulus unerreichten Völkern das Evangelium bringt oder Kinder so erzieht, dass sie unsere Gesellschaft positiv prägen. Paulus ist letztlich nicht nur ein Vorbild für Missionare, Theologen und Gemeindegründer, sondern zuallererst ein Vorbild in der Nachfolge Jesu. Von ihm können wir alle lernen, wie wir unser von Gott gegebenes Ziel erreichen und unseren Lauf vollenden können.

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern

Seitenzahl: 344

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



 

 

NEIL COLE

Leiten lernen wie Paulus

Hineinwachsen in ein Leben, das Kreise zieht

GloryWorld-Medien

 

 

 

 

 

1. Auflage 2016

Die Originalausgabe erschien unter dem Titel „Journeys to Significance“ bei Jossey-Bass, 989 Market Street, San Francisco, CA 94103-1741, USA.

© 2011 by Neil Cole

© der deutschen Ausgabe 2016 GloryWorld-Medien, Xanten, Germany, www.gloryworld.de

Alle Rechte vorbehalten

Bibelzitate sind, falls nicht anders gekennzeichnet, der Elberfelder Bibel, Revidierte Fassung von 1985, entnommen.

Weitere Bibelübersetzungen:GNB: Gute Nachricht Bibel, 2002NGÜ: Lutherbibel, Revidierte Fassung von 1984

Das Buch folgt den Regeln der Deutschen Rechtschreibreform. Die Bibelzitate wurden diesen Rechtschreibregeln angepasst.

Übersetzung: Anja SchäferLektorat/Satz: Manfred MayerCover: Vision C, www.vision-c.deCover-Foto: Fotolia

ISBN (epub): 978-3-95578-408-9

ISBN (Druck): 978-3-95578-308-2

 

 

Inhalt

Vorwort

Danksagungen

Einführung – Das Leben ist eine Reihe von Abenteuerreisen

TEIL 1: ANFÄNGE

1 Mit einer Bestimmung geboren! – Gottes Fingerabdrücke in unseren frühen Jahren

2 Neues Leben – Abrupte Umleitung auf eine gerade Straße

TEIL 2: REIFEN IM DIENST UND IM LEBEN

3 Die erste Reise – „Dafür wurde ich geboren“

4 Die zweite Reise – Lernen kann schmerzhaft sein

TEIL 3: KONVERGENZ UND NACHWIRKUNGEN

5 Die dritte Reise – Konvergenz in Ephesus

6 Die vierte Reise – Alle Wege führen nach Rom187

Schluss: Die letzte Reise – Nach dem Tod Spuren hinterlassen

 

Anhang 1: Eine ungefähre Chronologie der Paulusreisen

Anhang 2: Was lief falsch in der Jerusalemer Gemeinde?

Über den Autor

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Das alte Philippi, in dem Paulus zuerst die Europäer mit dem Evangelium erreichte.

 

 

 

 

 

 

 

 

Für Dana, meine Liebe.Wenn ich innehalte und auf den Verlaufmeiner eigenen Reisen zurückschaue,wird mir eines klar:Du bist zweifellos die zweitbesteEntscheidung meines Lebens.Ich danke pausenlosder allerbesten Entscheidung,dass Er mir die Weisheit gab,an jenem Junimorgen „Ja, ich will“ zu sagen –und für das noch größere Wunder,dich überzeugt zu haben, dasselbe zu tun.Häufig musstest du darauf wartendass ich dich auf unseren Reisen einhole,und ich bin froh und dankbar, dass du bereit bist,sie mit mir gemeinsam zu unternehmen.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Ein Brunnen, der angeblich Paulus’ Familie in Tarsus gehörte

 

 

Vorwort

In kaum mehr als zehn Jahren legte Paulus in vier Provinzen des Römischen Reiches die Grundlage für die Gemeinde: in Galatien, Mazedonien, Achaja und Asien. Vor 47 n. Chr. gab es in diesen Provinzen noch keine einzige Gemeinde, doch im Jahr 57 n. Chr. konnte Paulus praktisch davon ausgehen, dass seine Arbeit dort erledigt war und ausgedehnte Reisen in den fernen Westen planen, ohne Angst haben zu müssen, dass die Gemeinden, die er gegründet hatte, mangels seiner Führung oder Unterstützung in seiner Abwesenheit zugrunde gehen würden.

Roland Allen

Eins aber tue ich: Ich lasse das, was hinter mir liegt, bewusst zurück, konzentriere mich völlig auf das, was vor mir liegt, und laufe mit ganzer Kraft dem Ziel entgegen, um den Siegespreis zu bekommen – den Preis, der in der Teilhabe an der himmlischen Welt besteht, zu der uns Gott durch Jesus Christus berufen hat.

Apostel Paulus (Philipper 3,13-14, NGÜ)

Meinen Weg auf einer Straße ohne Schilder finden

Nach einigen Treffen in Indiana war ich zum Flughafen in Fort Wayne geeilt, nur um festzustellen, dass mein Flug nach Chicago gestrichen worden war. In Chicago sollte ich ein Leiterschaftsseminar halten, aber die Fluggesellschaft hatte den vierzigminütigen Flug aufgrund schlechter Wetterbedingungen abgesagt.

Der Nachthimmel in Fort Wayne war sternenklar. Es war auch nicht kalt. Chicago lag nur rund 300 Kilometer von hier entfernt. Wie konnte es sein, dass es unweit dieses klaren Nachthimmels so extreme Wetterverhältnisse gab?

Ich war wütend. Ich vermutete, die Verantwortlichen der Fluggesellschaft würden die wahren Gründe, warum der Flug gestrichen worden war, verschweigen. Die dunkle Seite in mir war sich sicher, dass es lediglich nicht genügend Passagiere gab, als dass sich der Flug gerechnet hätte, und dass sie das Wetter als Ausrede vorschoben, um ihn abzusagen. Manchmal kann ich wirklich zynisch werden. Mir blieb keine andere Wahl, als mir für die vierstündige Fahrt ein Auto zu leihen. Es war schon fast acht Uhr abends, und mein Seminar sollte am nächsten Morgen um neun Uhr beginnen.

Ich kam auf der Mautstraße von Fort Wayne nach Chicago zügig und ohne Zwischenfälle voran. Ich fühlte mich in allen meinen Mutmaßungen bestärkt. Gegen Mitternacht erreichte ich die Stadtgrenze von Chicago. Als ich mit meiner Frau telefonierte, begann es gerade zu schneien. Ich erzählte ihr, der Schnee sei bezaubernd und keineswegs so heftig, dass ganze Flüge ausfallen müssten. Aber als ich weiter in die Stadt hineinfuhr, wirbelten die Flocken dicht durch die Luft, und der Wind wehte so stark vom Lake Michigan her, dass sie horizontal verweht wurden, statt senkrecht zu fallen. Auch die Temperatur war dramatisch gefallen. Es war so kalt, dass der Schnee, der vom See hereinblies, an sämtlichen Straßenschildern hängen blieb, weil sie gefroren waren. Ich hatte keine Ahnung mehr, wo ich war oder wo ich hinfuhr. Langsam bereute ich meinen Argwohn und musste sehr bald Buße tun für meine Wut und meinen Zynismus. Gott hatte wegen meiner negativen Einstellung ein ernstes Wörtchen mit mir zu reden!

Derweil war ich buchstäblich schneeblind. In dieser großen, unbekannten Stadt sollte ich nun ohne jegliche Straßenführung oder Beschilderung meine Zieladresse finden! Ich konnte zwar von meinem Auto aus telefonieren, aber Navigationsgeräte gehörten damals noch nicht zur Standardausstattung eines Mietwagens. Meine genaue Wegbeschreibung zum Hotel hätte ebenso gut Omas Rezept für Schoko-Erdnuss-Kekse sein können. Und ich war scheinbar der einzige Reisende, der sich in dieser schneebedeckten Welt auf dem vierspurigen Highway verfahren hatte. Ich fühlte mich, als wäre ich in einer Folge von „The Twilight Zone“ gefangen – ohne jedes Schild, das mich darauf hingewiesen hätte! Die einzige Person, der ich begegnete, war der Beamte im Mauthäuschen, der mir entweder nicht helfen konnte oder nicht wollte. Offenbar vermochte er nur noch unwillig vor sich hinzugrummeln.

Ich fuhr von der Straße auf einen Parkplatz, um nachzudenken, zu beten – und gegen das Dach des Mietwagens zu trommeln und dabei laut zu schreien. Es war nun nach ein Uhr nachts, und ich hätte nur ungern um diese Uhrzeit jemanden in Chicago angerufen. Wie hätte ich ihm auch erklären sollen, wo genau ich mich gerade befand?

Ich hatte zwar keinen Menschen, der mir weiterhelfen konnte, aber immerhin konnte ich ja mit Gott reden, der immer den richtigen Weg kennt. Nachdem ich mich ausgiebig bei ihm beschwert hatte, bat ich ihn schließlich, mir aus der Situation herauszuhelfen.

Da kam mir eine Idee. Ich fuhr zu einem Mini-Markt, der rund um die Uhr geöffnet hatte, und bat um eine Straßenkarte. Was half mir eine Karte, wenn ich die Straßenschilder nicht lesen konnte, werden Sie sich vielleicht fragen. Aber um einen Weg zu finden, muss man erst einmal herausfinden, wo man sich gerade befindet. Es hilft, zu wissen, wie sehr man sich verfahren hat! Daher bat ich den Verkäufer, mir auf der Karte zu zeigen, wo ich mich befand.

Als Nächstes ermittelte ich auf der Karte die Adresse, die ich suchte. Es ist wichtig, sein Ziel zu kennen. Wo will ich wirklich hin? Das vielbemühte Sprichwort stimmt noch immer: Wer auf nichts zielt, trifft auch nichts.

Dann sah ich mir die Karte eingehend an und zählte ab, wie viele Highwayausfahrten und Straßen ich zu passieren hatte, bevor ich jeweils abbiegen musste. Ich notierte mir Orientierungspunkte, anhand derer ich erkennen konnte, ob ich mich auf dem richtigen Weg befand. Dies war ein verzweifelter, aber durchaus erfolgversprechender Versuch, und ich war fest entschlossen, ihn anzugehen – es sei denn, Gott schenkte mir noch einen anderen Plan.

Als ich zu meinem Auto lief, sah ich, dass der Fahrer einer Limousine gerade fertig getankt hatte. So überragend und kreativ mein eigener Plan auch war, mein himmlischer Vater schenkte mir einen noch besseren. Ich sprach diesen Meister der Straßen von Chicago an und fragte ihn, ob er mich zu meinem Hotel führen könne – in der Annahme, dass er den Weg auswendig kannte und keine Schilder brauchte. Er willigte ein. Ich fuhr im Dunkeln ohne Schilder hinter jemandem her, der den Weg schon gefahren war – und überprüfte den Verlauf anhand der Orientierungspunkte, die ich mir auf der Karte eingeprägt hatte. Ich war viereinhalb Stunden durch das ländliche Indiana gefahren und brauchte jetzt noch einmal zwei Stunden, um mein Ziel in Chicago schließlich doch noch zu erreichen. Nie zuvor hatte ein Holiday Inn-Hotel so einladend gewirkt!

Wir sehen jeden Tag Straßenschilder und nehmen sie für selbstverständlich hin – bis mal keine in Sichtweite sind. Das Leben hält normalerweise keine beleuchtete Beschilderung für uns bereit, anhand derer wir wissen, wo wir abbiegen müssen und woran wir uns orientieren können. Darum brauchen wir eine gute Karte, auf der die Orientierungspunkte eingezeichnet sind – und im besten Fall einen erfahrenen Führer.

Als eine solche Straßenkarte mit Orientierungshilfen für die Fahrt ist dieses Buch gedacht. Und der Apostel Paulus ist der alte Hase, der den Weg schon vor uns gegangen ist und ihn uns bis zur Ziellinie zeigen kann. Wie Paulus sind auch wir dazu berufen, unseren Platz in den vor uns liegenden Reisen unseres Lebens zu finden und den Entschluss zu fassen, dass wir nur zufrieden sein werden, wenn wir am Ende unsere Berufung erreicht haben. Ich hoffe, in diesem Buch einige unverkennbare Orientierungspunkte aufzuzeigen, wie man sich zu einem Leiter entwickeln kann, der seinen Lauf erfolgreich beendet.

Damit möchte ich keinesfalls den Eindruck erwecken, ich hätte alle in diesem Buch beschriebenen Reisen selbst schon durchlebt. Ich hoffe es nicht – ich bin zu jung zum Sterben! Aber die einzigen, die diese Autorität hätten und darüber schreiben könnten, wie man den Lauf tadellos vollendet, haben die Erde bereits hinter sich gelassen. Somit ist es an uns, die wir noch hier sind, einige Ideen beizusteuern. Wie Paulus kann ich sagen, dass ich noch immer mit ganzer Kraft dem Ziel entgegenjage; und wie Paulus weiß ich, worum es geht: bis zum Ende durchzuhalten und mit jedem Schritt der Reise Jesus ähnlicher zu werden. Ich bin nicht Paulus, aber ich habe lange genug gelebt, genug gesehen und genug gelesen, um meine Einsichten niederzuschreiben, obwohl ich manche der späteren Kapitel noch vor mir habe.

Dieses Buch unterscheidet sich von ähnlichen Büchern darin, dass es Paulus’ Leben nicht nur historisch analysiert und daraus missionale1 Erkenntnisse und theologische Schlussfolgerungen zieht, sondern es enthält strategische missionale Lektionen, die Ihnen helfen können, wirkungsvoller zu werden. Vor allem aber richtet es den Blick auf die „Leiterschaftsschule“, durch die Paulus gegangen ist. Er ist nicht nur ein Vorbild für Missionare, Theologinnen und Gemeindegründer. Er ist uns zuallererst ein Vorbild in der Nachfolge Jesu, der uns den Weg zeigt, den wir alle gehen müssen, um unser Ziel zu erreichen. Wir alle können ihn nachahmen, wie er Jesus nachfolgt.

Jeder, der im Reich Gottes Verantwortung trägt, erlebt Zeiten, in denen er klare Führung schmerzlich vermisst und die gewohnten Methoden nicht mehr greifen. Wie verhalten wir uns im Schneechaos? Aufgeben, Ausreden finden, die Schuld auf andere schieben, fluchen, in trügerischer Hoffnung und mit Vollgas in die falsche Richtung rasen – all das wäre nicht ratsam. Wir müssen in der Lage sein, uns davon abhängig zu machen, dass Gott kreative Lösungen hat, die uns an das langersehnte Ziel bringen.

Wenn bei Ihnen gerade nichts mehr weitergeht und sie Ihren Zielen scheinbar nicht näherkommen, finden Sie hier ein paar wichtige Verhaltensregeln, die mir in jenem Schneesturm klar wurden; vielleicht helfen sie auch Ihnen auf Ihrem Weg, sich als Leiter weiterzuentwickeln:

1. Halten Sie inne und atmen Sie kurz durch.

2. Orientieren Sie sich: Wo befinden Sie sich gerade?

3. Finden Sie heraus, wie weit Sie schon gekommen sind (oder auch nicht).

4. Fragen Sie Gott, welche Ziele er mit Ihnen vorhat, und bitten Sie ihn darum, Sie von Ihrem jetzigen Stand aus Schritt für Schritt dahin zu führen.

5. Folgen Sie mutig seiner Führung, egal, was es Sie kostet.

Dass wir unser Lebensziel erreichen, geschieht nicht gegen Ende unseres Lebens, sondern wir entscheiden uns jeden Tag dafür. Wir erreichen das Ziel nicht zufällig und aus Versehen. Entscheiden Sie sich jetzt, Ihr Ziel erreichen zu wollen oder zumindest es um jeden Preis zu versuchen. Das bedeutet es letztlich, sein Leben zu vollenden.

 

1 Dass eine Person oder Gemeinde „missional“ ist, bedeutet zum einen, dass Mission das Grundwesen der Person bzw. Gemeinde darstellt, nicht eine Eigenschaft von vielen (wie z. B. missionarisch). Zum anderen liegt der Akzent darauf, dass man „in die Welt“ hinausgeht bzw. sich in sie hineinbegibt und dortbleibt (im Unterschied dazu, dass man versucht, Menschen durch ein attraktives Angebot anzulocken).

Danksagungen

Im Sommer 1994 habe ich zwei großartige Bücher gelesen: Parallel dazu las ich die gesamte Apostelgeschichte. Das erste Buch war Missionary Methods: Saint Paul’s or Ours, das erstmals 1912 erschienen ist und von dem ehemaligen anglikanischen Missionar Roland Allen (1868–1947) stammt.1 Ich stehe in seiner Schuld und wage nur mit großer Bescheidenheit und Vorsicht einem Thema etwas hinzuzufügen, das von einem Forscher seines Kalibers so hervorragend behandelt worden ist. Sein Werk ist umfassend. Ich möchte fast sagen, sein Buch war seiner Zeit voraus, aber die Weisheit darin ist zeitlos und global anwendbar. Wenn Ihnen Missionsarbeit auf dem Herzen liegt, lesen Sie Roland Allens Bücher; Sie werden nicht enttäuscht sein.

Das zweite Buch war The Making of a Leader von J. Robert Clinton.2 Dr. Clinton hat sein Leben und seine Arbeit den Wegen und Prozessen der Entwicklung von Leitern gewidmet. Seine Erkenntnisse bilden einen Großteil des Rahmens für dieses Buch. Ich bedauere, dass ich nie das Vorrecht hatte, Dr. Clinton persönlich zu treffen oder eine seiner Vorlesungen zu besuchen. Aber durch seine Bücher, besonders durch jenes, das ich 1994 las, war er trotzdem mein Lehrer. Ich stehe tief in seiner Schuld für die vielen Jahre harter Arbeit, in denen er das Leben und Wirken von mehr als tausend christlichen Leitern untersucht hat, die bis zum Schluss vorbildhaft gelebt haben.3 Er ist auf diesem Gebiet gewissermaßen ein Pionier-Kartograph, indem er uns vorausging, die Landschaft vermaß und markierte und Orientierungspunkte identifizierte. Schließlich zeichnete er die ersten Skizzen für die Karten, die später zum Standard wurden und an denen wir uns alle orientieren. Jeder kann sich im hinteren Teil seiner Bibel die Karten von Paulus’ Reisen ansehen. Aber die Karte dieses Buches folgt den Linien, die dieser fähige Gelehrte gewissenhaft vorzeichnete und ist in keiner Bibelausgabe zu finden.

So trete ich beim Schreiben dieses Buches in große Fußstapfen. Die einschneidenden Erkenntnisse aus meiner Lektüre im Sommer 1994 gruben sich tief in mein Denken ein und ließen mich nicht mehr los. Damals entdeckte ich den einfachen Rahmen für dieses Buch. Aber ich hätte es nicht schreiben können, ohne vorher selbst einige der bewährten Pfade zu beschreiten, die vor mir lagen. Aus diesem Grund dauerte der Entstehungsprozess 16 Jahre – Jahre, in denen ich noch mehr Bücher gelesen, Menschen beobachtet, über der Apostelgeschichte und den Paulusbriefen gebrütet und vor allem viele Wahrheiten darin aus erster Hand erlebt habe. Die Zahl der Bücher über den Apostel Paulus scheint fast endlos zu sein, und ich habe sehr von der hervorragenden Forschung profitiert, die meiner eigenen vorausgegangen ist.

Großen Dank schulde ich auch Bob Logan, der mir geholfen hat, diese Gedanken weiterzuentwickeln und zu publizieren. Bob war eine Schlüsselperson auf meinem Lebensweg, und nach der Begegnung mit ihm nahm mein Leben eine Wende, die ich nie bedauert habe. In vielerlei Hinsicht ähnelte sein Einfluss dem von Barnabas auf Paulus: Bob hat mich von der Ersatzbank geholt und ins Spiel geschickt.

Meine Cheflektorin bei Jossey Bass, Sheryl Fullerton, hat mir schon bei drei Büchern geholfen, aber keines hat ihr Können und ihre Einsatzbereitschaft in solchem Umfang erfordert wie dieses. Es ist mir nicht entgangen, wie viel Arbeit sie in dieses Buch gesteckt hat, und so schulde ich auch ihr große Dankbarkeit.

Ebenfalls dankbar bin ich Chris Grant und meinen guten Freunden vom „Leadership Network“: für ihre wertvolle Hilfe, um dieses und andere Projekte zur Veröffentlichung zu bringen.

Außerdem verdienen Dr. Traver Dougherty und Dr. Randall Smith, zwei meiner Freunde, Dank. Sie haben das Manuskript eingehend geprüft und mir viele hilfreiche Korrekturen und Hinweise gegeben. Auch waren mir die Anmerkungen von Dr. Ian Scott eine große Hilfe.

Es war etwas ganz Besonderes, aber ganz und gar kein Zufall, dass mich mein Dienst in den drei Jahren vor dem Schreiben dieses Buches an fast alle Orte geführt hat, die Paulus in seinem Leben bereist hat. Ich möchte denen danken, die sozusagen mit mir über die gleichen Felsen gewandert sind, über die auch Paulus gegangen ist. Ihr wart Barnabas (Carol David), Silas (Dezi Baker und Wolf Simson) und Timotheus (Heather und Erin Cole) für mich, und ich liebe euch.

Meinen Dank möchte ich auch den Leuten des „Forest Home Christian Conference Center“ aussprechen, die mir einen abgelegenen Ort zur Verfügung gestellt haben, an dem ich dieses Projekt vollenden konnte. 1978 beschritt ich als junger Student auf eben jenem Campingplatz allein und im Dunkeln meinen eigenen „Weg nach Damaskus“. Der Schnee knirschte unter jedem meiner Schritte. Ich hatte keine Taschenlampe dabei, konnte den Weg aber gut genug erkennen. Als ich durch die dunklen Silhouetten hoher Pinien nach oben sah, blickte ich in den endlosen, von einem Heer zahlloser Sterne beleuchteten Himmel. Dann und wann zog eine Sternschnuppe ihre Bahn, fast so, als wolle der Himmel mir zuzwinkern. Zum ersten Mal hörte ich, wie mich vom Himmel her Gottes Stimme rief. Ich begriff, dass es einen Gott gibt, der mich liebt, der in Jesus als Menschensohn zu uns gekommen ist und dem ich einmal Rechenschaft über mein Leben geben muss. Ein Jahr später folgte ich seinem Ruf. Wie passend, dass es mich 30 Jahre später an den Ort zurückzog, an dem meine geistliche Reise begonnen hatte und an dem ich nun darüber nachdenken konnte, weshalb Gott uns alle auf eine solche Reise führt.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Laodicea, wo während der dritten Reise des Paulus eine Gemeinde begonnen wurde

 

 

1 Roland Allen, Missionary Methods: St. Paul’s or Ours, World Dominion Press, London 1953.

2 J. Robert Clinton, Der Werdegang eines Leiters. Lektionen und Stufen in der Entwicklung zur Leiterschaft, profibooks, Oberägeri 2006.

3 Als er The Making of a Leader schrieb,hatte Dr. Clinton 700 Führungspersonen durchleuchtet, und seither hat er noch mehrere Hundert weitere untersucht.

Einführung: Das Leben ist eine Reihe von Abenteuerreisen

Erinnert euch immer wieder an die, die einst die Verantwortung für eure Gemeinde trugen und euch die Botschaft Gottes verkündeten. Haltet euch vor Augen, wie sie Gott bis ans Ende ihres Lebens vertrauten, und nehmt euch ihren Glauben zum Vorbild. Denn Jesus Christus ist immer derselbe – gestern, heute und in alle Ewigkeit.

Hebräer 13,7-8 NGÜ

Folgt meinem Beispiel, so wie ich dem Beispiel folge, das Christus uns gegeben hat.

Apostel Paulus (1. Korinther 11,1, NGÜ)

Mein Bruder ist nicht einmal ein Jahr jünger als ich. Als ich in der Mittelstufe war, fuhren wir mit meiner Mutter auf eine Safari nach Ostafrika – ein Abenteuer, von dem die meisten Jungs nur träumen können. Langeweile kam auf der gesamten Reise keine Minute auf, und wir konnten aus nächster Nähe alle möglichen Tiere auf freier Wildbahn beobachten.

Zuerst fuhren wir in ein Hotel, das mit Stelzen über eine Wasserstelle gebaut war und „Treetops“ (Baumkronen) hieß. Die Tiere liefen meilenweit, um aus diesem Wasserloch zu trinken, und wir Touristen konnten sie dann von oben aus in ihrer natürlichen Umgebung beobachten. Natürlich waren wir nicht die Ersten, die diesen Ausblick genossen: Meerkatzen und Paviane lebten schon lange in den Baumkronen, bevor die ersten Touristen in diesem Hotel übernachteten. Als wir nachmittags eincheckten, wurden wir gebeten, unsere Fenster stets geschlossen zu halten, damit diese neugierigen Waldbewohner nicht unsere Sachen klauten, während wir schliefen. Die Affen waren im „Treetops“ so heimisch, dass sie sich unter die Gäste mischten und sich manchmal auch glänzende Gegenstände wie Kameras oder Brillen aus den Taschen angelten. Ich lernte schnell, dass diese Tiere keineswegs zahm waren, nur weil sie sich bei den Menschen wohlfühlten.

Am nächsten Morgen saß ich auf der obersten Ebene und sah, wie ein grauer Pavian neben mir in die Tasche einer Frau griff und ihre Kamera herausholte. Er stand so dicht bei mir, dass ich ihn anfassen konnte – und war dumm genug, es auch zu tun. Ich fasste ihn nur kurz am Schwanz, da schnellte das Tier blitzartig herum und schrie mich mit weit aufgerissenem Maul an. Ich sah Zähne, die länger waren als mein Mathekurs in der zweiten Stunde und klüger als meine Klassenkameradin Rachel Cohen (die unseren Notendurchschnitt deutlich verbesserte). Erschrocken ließ ich den Affenschwanz los. Der Pavian nahm die Kamera und lief davon. Im Nachhinein wundert es mich, dass er nicht auch noch ein Foto von meinem dummen Gesicht schoss, um den Rest seiner Truppe zum Lachen zu bringen.

Vom „Treetops“ aus fuhren wir zum Amboselli Wildreservat. Als unser Reiseführer von meiner Begegnung mit dem Primaten hörte, beschloss er, mir einen Streich zu spielen. Er erzählte mir, die Rhesusaffen an unserem nächsten Halt seien sehr gutmütig zu den Touristen. Als ich einen Affen sah und mich ihm näherte, kreischte er laut. Ich trat einen Schritt zurück, und als er meine Furcht erkannte, fasste er Mut und kam näher auf mich zu. Ehe ich mich versah, fielen um mich herum kreischende Affen vom Himmel. Offensichtlich hatten sie alle in dem Baum über mir gesessen und mein Bammel hatte sie umso dreister werden lassen. Verfolgt von einer Bande behaarter Raufbolde, nahm ich die Beine in die Hand und lief um mein Leben. An diesem Abend hatte ich keinen großen Hunger und beschloss, in unserem Bungalow zu bleiben, während meine Mutter und mein Bruder hoch zur Lodge zum Abendessen gingen. Als es Zeit für den Nachtisch war, erholte ich mich auf wundersame Weise und bekam Hunger. Also machte ich mich im Dunkeln von unserem Bungalow auf zur Lodge. Auf dem Weg kam mir irgendetwas ungewöhnlich vor, aber da hier alles irgendwie ungewöhnlich war, dachte ich mir nichts weiter dabei. Abends grasten normalerweise ein oder zwei Zebras oder Antilopen auf der Wiese, aber diesmal sah ich keine. Die Lichter im Speiseraum leuchteten, und ich konnte innen die Leute erkennen – allerdings saß niemand am Tisch. Alle standen an den Fenstern und blickten heraus – zu mir! Und sie gestikulierten wild. Manche schienen mir bedeuten zu wollen, in meinen Bungalow zurückzukehren, andere wollten, dass ich mich beeilte und schnell zu ihnen hereinkam. Ich hatte keine Ahnung, was hier vor sich ging, aber ich beeilte mich sicherheitshalber. Drinnen erfuhr ich, dass draußen eine Leopardin durchs Unterholz strich und mir aufgelauert hatte. Dankenswerterweise hatten die Scharfschützen ihre Gewehre auf sie gerichtet, für den Fall, dass sie ebenfalls Lust auf Nachtisch verspürte. Ich erinnere mich noch, dass ich mich fragte, wie viele meiner Schulkameraden sich wohl damit rühmen konnten, dass ihnen in den Sommerferien ein Leopard aufgelauert hatte.

In den paar Wochen unserer Reise sah ich Geparden, Löwen, Giraffen, Elefanten und Gnuherden. Wir wurden in unserem Landrover von Nashörnern verfolgt und ein Stier grunzte mir ziemlich beunruhigend nach. Ich versuchte, 30 Zentimeter lange Eidechsen in Schlössern zu fangen (vgl. Spr 30,28) und wurde von mehr Mücken gestochen, als Stephen King in einem Horrorfilm eingesetzt hätte.

An unserem letzten Stopp beobachtete ich, wie mein Bruder einen großen bunten Vogel fütterte, der aussah, als hätte er einen Irokesenschnitt aus Federn. Es war ein Kronenkranich, der in der Hotellobby lebte, wo die Touristen für ein paar Münzen Futter für ihn kaufen konnten. Das traute ich mir auch zu. Aber mittlerweile hatte sich mein Ruf offenbar im gesamten Tierreich verbreitet. Als ich mich dem wunderschönen Vogel näherte, krächzte er mir bedrohlich entgegen und kam mit seinem langen Hals und scharfen Schnabel auf mich zu. Erschrocken wich ich ein paar Schritte zurück, woraufhin er mir immer näherkam. Meine Mutter musste daraufhin zusehen, wie ich von einem großen knallbunten Vogel mit langen Beinen und gebogenem Hals durch die Lobby getrieben wurde.

Ich erzähle diese Geschichte von meiner Reise nach Afrika so ausführlich, weil sie eine Lektion über den Sinn des Lebens enthält. Mein Bruder und ich waren ähnlich alt und stammten aus derselben Familie. Aber während ich nach Hause fuhr und mich glücklich schätzen konnte, noch alle Finger und eine Menge Erzählstoff zu haben, hatte mein Bruder den größten Teil der Reise damit verbracht, einen Roman über Abenteuer in Afrika zu lesen! Wir hatten beide viel Spaß gehabt, aber nur einer von uns hatte zu Hause eine Menge zu erzählen (und ich habe es offenbar noch immer). Es gibt zwei Arten von Menschen auf der Welt: die einen lieben das Abenteuer und die anderen bevorzugen es, über die Abenteuer der anderen zu lesen. Ich habe schon vor langer Zeit beschlossen, dass ich nicht zu Letzteren gehören will. Ich möchte lieber ein Leben führen, über das andere lesen wollen. Ich möchte das Leben eines Glaubens, der in die Vollen geht und alles riskiert und davon überzeugt ist, dass Gott real ist und mich durchtragen wird. Ich möchte ein Leben führen, das immer bedeutsamer wird – oder zumindest bei meinem Bemühen sterben.

Über das Leiten1

Ich glaube, dass wir geistliche Führungspersönlichkeiten brauchen, die ein Leben voller Abenteuer führen und mit jeder neuen Reise an Bedeutung gewinnen. Im Klartext: Wir brauchen Menschen, die bereit sind, jeden Tag alles Jesus zu unterstellen. Punkt. Menschen, die bereit sind, ein Risiko einzugehen, weil Jesus zuvor schon alles für sie gegeben hat, sind das Rohmaterial, aus dem Gott Leute formen kann, die die Welt verändern. Leiterschaft beginnt nicht mit einer Ausbildung, einer klaren geistlichen Gabe oder einer mitreißenden Persönlichkeit. Der Weg zu einer immer größeren Bedeutung beginnt mit der bloßen Bereitschaft, den Status quo aufzugeben und den ersten Glaubensschritt ins Abenteuer zu wagen. Dieselbe Bereitschaft wird Sie bei jedem Schritt Ihres Weges nach vorne bringen. Sie ist das wichtigste Fundament für die Entwicklung eines Leiters.

Zum Thema Führung und Leiterschaft sind heute viele Bücher erhältlich. In Online-Shops findet man unter dem Stichwort Führung zehntausende Suchergebnisse, und die Zahl scheint mit jedem Tag zu steigen. Es klingt fast albern, auch nur einen weiteren Gedanken zu diesem Thema zu veröffentlichen. Ich selbst habe dieses Thema schon in drei Büchern untersucht.2 Ist Leiten wirklich so schwierig?

Führung zu definieren ist im Grunde nicht schwer. Es lässt sich sogar in einem Wort auf den Punkt bringen: Einfluss. Aber jemanden zu finden, der gut führt, ist ganz und gar nicht leicht.

Viele definieren Führung als die Fähigkeit, andere zu motivieren das zu tun, was man von ihnen will. Das ist Einfluss, weshalb es wohl auch eine Form von Führung ist – allerdings eine egozentrische und manipulative. Selbst wenn wir uns vorgaukeln, nur das Beste für die im Sinn zu haben, die wir manipulieren, ist es im besten Fall beleidigend und im schlimmsten Fall Betrug. Wir behandeln sie, als seien sie Kinder, die nicht in der Lage sind, sinnvolle Entscheidungen zu treffen. Zudem befähigen wir sie nicht, sich eigenständig weiterzuentwickeln und wiederum andere zu führen.

Nicht der leitet am besten, dem die meisten folgen, sondern der andere fördert und in ihre Berufung freisetzt. Am besten lässt sich der Einfluss eines Mitarbeiters daran messen, wie viel zurückbleibt, wenn er nicht mehr da ist. Das lässt sich allerdings nicht in einem Einführungsseminar über Führung lernen. Eine solche Reife entwickelt sich, wenn jemand viele Schwierigkeiten, Rückschläge und vermeintliche Niederlagen durchsteht. Vielleicht ist das der Grund, weshalb heute so wenige Leiter ihre Leute wirklich zurüsten und freisetzen, sondern sie lieber in Gemeindeformen pressen, die schöne Gottesdienste und Veranstaltungen versprechen. Ich frage mich, ob unsere Leiter vielleicht die Lektionen selbst gar nicht durchkämpft haben, die nötig sind, um solche Leiter zu werden, die ihren Lauf vollenden, und stattdessen einfach nur ihre eigenen Vorstellungen und Ideen verfolgen und damit hausieren gehen. Statt neuer Führungspersonen bringen sie eine steigende Zahl von Konsumenten hervor, die nur noch fragen: „Was bringt mir das?“

Warum noch ein Buch über Paulus und Leiterschaft?

Wodurch sticht dieses Buch aus den Tausenden anderen zum Thema Führung hervor? Es gibt viele Veröffentlichungen darüber, wie man andere dazu bringt, einem dabei zu helfen, seine eigenen Ziele zu erreichen. Zu denen gehört dieses Buch nicht. Es gibt auch viele Bücher darüber, wie man andere zu Leitern macht. Manche davon gehen davon aus, dass Leiter „gemacht“ werden, andere behaupten, man werde als Leiter geboren. In diesem Buch vertrete ich keine dieser Thesen, sondern möchte aufzeigen, dass sowohl das eine wie das andere zutrifft: Jeder ist dazu geboren, jemand zu werden, der Einfluss hat – egal, ob das bedeutet, wie Paulus unerreichten Völkern das Evangelium zu bringen oder Kinder so zu erziehen, dass sie unsere Gesellschaft positiv prägen.

Wieder eine andere Sorte von Führungsliteratur untersucht, welche Charaktermerkmale nötig sind, um ein guter Leiter zu sein. Auch dazu gehört dieses Buch nicht. Dann gibt es unzählige Bücher, die darlegen, welche Persönlichkeitstypen und Kompetenzen erfolgreiche Leiter typischerweise kennzeichnen. Hierzu gehört mein Buch ebenfalls nicht. In manchen Büchern werden die Strategien und Methoden untersucht, die erfolgreiche Führungspersonen anwenden, und dieses Buch gehört streng genommen auch nicht zu dieser Kategorie, obwohl sich einiges davon darin wiederfindet. Zudem gibt es eine Menge Biographien über Leiter. Aber es finden sich nur sehr wenige Bücher, die beschreiben, wie Gott einen Leiter im Lauf seines Lebens formt. Dieses Buch ist quasi eine Mischung aus den beiden letzten Kategorien. Ich glaube, was dieses Buch einzigartig macht, ist sein Blick auf die Hauptfigur, auf den Apostel Paulus, und dass es aufzeigt, dass sein Weg zu immer größerer Bedeutung ein ganz gewöhnlicher war, der uns allen offensteht.

Die eigentliche Kunst liegt darin, inmitten schwieriger Herausforderungen erfolgreich zu leiten. Nur selten kommt es vor, dass jemand sein Leben lang leitet und an Bedeutung gewinnt, sodass er seine volle Berufung erreicht und ein Vermächtnis von starken Leitern hinterlässt, welche die Arbeit weiterführen. Dieses Buch hat zum Ziel herauszufinden, wie Gott solche Leiter formt. Und es gibt wohl kaum ein besseres Beispiel für einen Leiter, der die Welt veränderte und den Lauf tadellos vollendete, als den Apostel Paulus.

Vor 2000 Jahren rief Paulus uns zu: „Folgt meinem Beispiel, so wie ich dem Beispiel folge, das Christus uns gegeben hat.“ Diese Verantwortung nimmt sich dieses Buch zu Herzen und zeigt, dass auch Sie in Ihrem Leben eine immer größere Bedeutung und Wirksamkeit erlangen können, wenn Sie beständig dem Weg folgen, der zu Christus führt und den Paulus als Erster mit seinem Leben vorgezeichnet hat. In diesem Buch werden wir uns die Entwicklung der Führungsqualitäten des Apostels anschauen und entdecken, auf welche Weise er zu jemandem wurde, den Gott gebrauchen konnte, um die Welt für immer zu verändern.

Manche meinen, die Kirche habe Paulus zulasten von Jesus überbetont. Und vielleicht steckt in diesem Vorwurf auch tatsächlich ein wahrer Kern. Ich kann verstehen, warum die Kirche in den Jahrhunderten ihrer Geschichte von Paulus so fasziniert war – er ist ganz real der Vater der nichtjüdischen Gemeinde. Auch nach fast 2000 Jahren gilt er noch immer als „Heidenapostel“. Während Jesus das Wort Gemeinde überhaupt nur zweimal erwähnt, formuliert Paulus deutlich, um was es bei Gemeinde eigentlich gehen soll. Im Wesentlichen soll sich die Gemeinde um Jesus drehen. Die Kirche ist auf Paulus fokussiert, aber er würde sagen: „Ich habe mich entschlossen, einen zu kennen: Jesus Christus und ihn als Gekreuzigten“ (vgl. 1 Kor 2,2). Er verweist uns immer wieder auf den wahren Anfänger und Vollender unseres Glaubens – auf Jesus.

Und deshalb bin ich der Meinung: Um Paulus zu verstehen, muss man zuerst seinen Messias verstehen und lieben. Meine Bücher Organische Gemeinde und Organisch leiten konzentrieren sich in erster Linie auf Jesus und seine Lehre in Bezug auf sein Reich.3 Das ist der Hintergrund, vor dem ich jetzt die Apostelgeschichte und die Paulusbriefe aufschlage, um herauszufinden, was nötig ist, um einen Leiter zu formen, der die Welt auf den Kopf stellen und den Angriffen des Bösen widerstehen kann, um am Ende seinen Lauf zu vollenden. In gewisser Weise baut dieses Buch auf meinen vorherigen Veröffentlichungen auf und konkretisiert sie weiter, um darzulegen, wie die Nachfolge Christi für jemanden aussehen kann, der bereit ist, dem Herrn alles zu unterstellen.

Manche Theologen haben Paulus’ Methoden untersucht und daraus Strategien abgeleitet. Darunter gibt es hervorragende Veröffentlichungen, die zu großen Teilen mit meiner eigenen Sicht übereinstimmen. Eckhard Schnabels Buch Paul the Missionary: Realities, Strategies and Methods und sein umfangreiches Werk Urchristliche Mission sind wertvolle Ergänzungen neueren Datums im Hinblick auf Paulus’ Strategien und die frühkirchliche Ausbreitung. Auch der Kommentar zur Apostelgeschichte von F. F. Bruce und sein Buch Paul: Apostle of the Heart Set Free sind exzellent und legen noch immer die Messlatte für alle weiteren Werke sehr hoch. Der Biograph John Pollock hat es mit seinem Buch Der Apostel: Leben und Werk des Paulus von Tarsus außerordentlich gut geschafft, Fakten aus dem Neuen Testament mit geographischen, topographischen, historischen, kulturellen und archäologischen Daten zusammenzubringen. Seine Erzählung über das Leben des Paulus ist spannend und aufschlussreich. Ich empfehle diese und die anderen in der Fußnote aufgeführten Bücher ausdrücklich.4

Über Paulus, den Lernenden

Ich habe es mir zur Lebensaufgabe gemacht, die explosionsartige Ausbreitung der Christusnachfolger, wie sie in der Apostelgeschichte beschrieben wird, zu verstehen. Ich habe die Apostelgeschichte in den letzten zwanzig Jahren mindestens hundertmal gelesen und dabei einige Aspekte der sich entfaltenden Führungsqualitäten von Paulus entdeckt, die ich in keinem anderen Buch über sein Leben gefunden habe. Die meisten beschreiben Paulus als Lehrer anderer, der er natürlich auch tatsächlich war. Aber mir ist aufgegangen, dass er vor allem deshalb ein so guter Lehrer war, weil er zunächst einmal ein eifriger Lernender war.

In diesem Buch wird untersucht, welche Lektionen Paulus lernen musste, um ein besserer Leiter zu werden, und will damit aufzeigen, wie wir alle bessere Lernende werden können. In den meisten Büchern über Paulus’ Missionsmethoden wird alles, was er getan hat, zusammen betrachtet und daraus seine Strategie abgeleitet. Aber wir werden uns ansehen, wie Paulus sich weiterentwickelte und so mit jeder Reise effektiver wurde. Manchmal gab Paulus im Laufe seines Lernprozesses gewisse Strategien auch wieder auf und schlug neue Wege ein, die sich als effektiver erwiesen. Sein gesamtes Wirken auf eine einzige Strategie zu reduzieren, ist beinahe eine Beleidigung für Paulus, den Lernenden, und für den Herrn, der sein Lehrer war.

Ich fürchte, viele von uns haben Bibelabschnitte über Führungspersönlichkeiten wie Paulus (und Petrus oder Maria, wenn Sie katholisch sind) durch eine Brille betrachtet, die solchen Helden keinerlei Fehler zugesteht. Wenn wir uns anschauen, wie sie gehandelt haben, setzen wir fast abergläubisch ihre Unfehlbarkeit voraus. Ich glaube nicht, dass der Apostel eine solche blinde Bewunderung gutheißen würde. Sie ist ja ihm gegenüber nicht einmal fair, denn wenn wir ihn auf diese Weise lobhudeln, berauben wir ihn seiner Menschlichkeit und er verliert eine seiner größten Stärken: die Fähigkeit sich weiterzuentwickeln, zu lernen und zu reifen. Lassen wir diese Aspekte von Paulus unter den Tisch fallen, ist er nicht länger ein Vorbild für uns, dem wir folgen können.

Wenn es um Helden in der Bibel geht, gibt es zwei mögliche Betrachtungsweisen: Wir können sie für außergewöhnliche, überragende Persönlichkeiten halten oder für ganz gewöhnliche Menschen mit einem außergewöhnlichen Herrn und Heiland. Wer seine eigene mangelnde Bedeutsamkeit entschuldigen möchte, zieht natürlich die erste Betrachtungsweise vor. Ich dagegen glaube aus tiefstem Herzen, dass die Geschichten, die in der Bibel zwischen Inhaltsverzeichnis und Sacherklärungen stehen, uns inspirieren sollen, ein besseres und fruchtbareres Leben zu führen. Wenn wir uns die Hauptpersonen dieser Geschichten als zu weit weg von unserem Alltag vorstellen, kommen wir nicht einmal auf den Gedanken, ihrem Beispiel zu folgen. Darum habe ich versucht, Paulus’ Menschlichkeit und Schwächen zu verstehen und ihn nicht zu einem Superhelden mit unerreichbaren Fähigkeiten hochzustilisieren.

Wir alle können dieselben Lektionen lernen wie Paulus und so unsere Bedeutsamkeit als Leiter vergrößern. Am Ende wird keiner von uns Paulus sein. Hoffentlich werden wir genau wie Paulus die Menschen sein, die Jesus sich wünscht und deren Bedeutsamkeit immer weiter zunimmt. Wir alle können dort, wohin Gott uns beruft, Wege zunehmender Wirksamkeit beschreiten. Dann werden wir sehen, dass Paulus’ Entwicklung als Leiter ganz und gar nicht außergewöhnlich war. Dagegen war es tatsächlich ungewöhnlich, wie schnell er an Reife zunahm und welch intensive Lektionen er durchlebte, weshalb der Grad seiner Wirksamkeit beispiellos bleibt. Nichtsdestotrotz sind die Prozesse, die Paulus durchlief, für alle Leiter ähnlich.

Im Hebräerbrief werden wir herausgefordert, das Leben der einflussreichen Personen, die uns vorausgegangen sind, zu bedenken und uns ein Beispiel an ihrem Glauben zu nehmen. In diesem Kontext schreibt der Autor die folgenden Worte, die wir leider so oft in einem anderen Zusammenhang hören: „Jesus Christus ist immer derselbe – gestern, heute und in alle Ewigkeit“ (Hebr 13,8). Die Wendung „in alle Ewigkeit“ bedeutet „unendlich“. Nicht die Menschen, deren Geschichte im Alten Testament erzählt wird, waren außergewöhnlich, sondern Jesus, der Unendliche, der in ihnen wirkte, machte ihr Leben außergewöhnlich und erwähnenswert. Über alle Zeitalter hinweg hat Jesus sich nicht verändert. Die Welt ist in einem so schlimmen Zustand, wie sie immer war. Alles, was wir in dieser Gleichung brauchen, ist eine Null, die bereit ist, zum nächsten Helden zu werden. Nichts anderes war Paulus: eine Null mit der Bereitschaft, sich mit dem Unendlichen zusammenzutun. Sind Sie bereit?

Lebensreisen

Viele betrachten das Leben als Reise, und dieser Vergleich stimmt in vielerlei Hinsicht auch. Ich glaube allerdings, dass unser Leben nicht nur aus einer einzigen Reise besteht, sondern aus vielen, die durch immer neue Landschaften führen und voll aufregender Abenteuer und lehrreicher Lektionen sind. In diesem Buch werde ich darlegen, wie unsere Lebensreisen dazu dienen, dass wir immer einflussreicher werden, wenn wir uns entscheiden, entschlossen voranzugehen.

Letzteres bedeutet nicht, ewig im Kreis zu gehen, ohne je die entsprechenden Lektionen zu lernen. Wer in einem solchen Muster verharrt, wird unterwegs den verschiedensten Namen und Gesichtern begegnen, muss aber unter immer größerem Druck immer wieder dieselbe Lektion lernen, bis er endlich versteht, was Gott ihm beibringen wollte. Wir werden einfach nicht wirkungsvoller, wenn wir nicht lernen, was Gott uns über uns selbst beibringen will.

Aus seinen Untersuchungen von über 1000 christlichen Führungspersonen, hat J. Robert Clinton im Laufe seines Lebens sechs mögliche Wachstumsphasen entwickelt, durch die Gott eine Person führt, um sie im Laufe ihres Lebens zu einem Leiter zu formen. In diesem Buch habe ich diesen Entwicklungsprozess auf Paulus angewendet. Die Zeitleiste zeigt Paulus’ Entwicklung in Clintons Stufenmodell.

Natürlich wissen wir alle, dass das Leben nicht schön ordentlich nach festgelegten Phasen mit feierlichen Abschlusszeremonien verläuft, die unser Vorankommen markieren und uns bereit machen für die nächste Etappe. Das wäre zwar schön, aber ich würde doch dazu raten, lieber nicht darauf zu warten. Diese Entwicklungsphasen sind eine Verallgemeinerung und können sich mitunter auch kreuzen. Zwischen zwei Phasen können auch Schranken auftreten, die Abschnitte umfassen, in denen man das Gefühl hat, das Leben stagniere und sei festgefahren. Diese Entwicklungsstufen lassen sich erst im Rückblick gut erkennen, müssen aber in blindem Vorangehen bewältigt werden. Nicht alle Stufen sind jedem von uns garantiert; tatsächlich erleben nur wenige wirklich alle davon.

 

 

 

 

Wenn ich irgendwo über dieses Thema referiere, versuchen meine Zuhörer meist sofort, sich innerhalb der Lebensreisen einzuordnen. Wir überschätzen dabei gern unseren derzeitigen Stand, weshalb ich meist den Tipp gebe: „Wenn Sie glauben, sich einordnen zu können, gehen Sie mindestens eine Phase zurück und beginnen Sie von dort.“

Wenn das zu ernüchternd klingt, erinnere ich gerne an ein paar Wahrheiten: Erstens werden wir im Lauf der Zeit nicht geistlicher, sondern einfach reifer. Zweitens sind die Reisen, die ich in diesem Buch beschreibe, keineswegs jedem garantiert. (Genaugenommen werden nur Wenige die vierte Reise in diesem Buch überhaupt antreten.) Und drittens kann es durchaus von Vorteil sein, noch nicht so weit fortgeschritten zu sein, wie wir auf den ersten Blick meinen: Es könnte einfach bedeuten, dass wir noch länger zu leben haben. Wir sollten also nicht zu sehr darauf bedacht sein, schnell das Ende unserer Lebensentwicklung zu erreichen.

Die Herangehensweise dieses Buches

Jedes Kapitel in diesem Buch beginnt damit, dass eine Phase in Paulus’ Entwicklung als Leiter betrachtet wird. Im zweiten Teil wird anhand der Lektion, die er in dieser Phase gelernt hat, die Entwicklungsphase beschrieben, die jeder Leiter so oder ähnlich durchlebt. Wir werden uns ansehen, wie Gott Führungspersonen in jeder ihrer Wachstumsstufen formt. Es ist mir wichtig darauf hinzuweisen, dass nicht alle von mir beschriebenen Aspekte der Leiterschaftsentwicklung auf Paulus zutreffen (und sie sind auch nicht für alle anderen Leiter gleich wichtig). Manche Eigenschaften, die ich erwähne, finden sich bei Paulus nicht, sind aber weit verbreitet. Es geht hier nicht um feste Schemata, sondern um generelle Beobachtungen. Wo Parallelen zu Paulus’ Entwicklung bestehen, bemühe ich mich so gut ich kann, darauf hinzuweisen. Sie werden feststellen, dass einiges auf Ihren eigenen Weg zutrifft, anderes dagegen nicht – das ist ganz normal. Jeder von uns ist einzigartig und muss seinen eigenen Weg gehen, aber es gibt einige Gemeinsamkeiten, aus denen wir lernen können.