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Das Buch »Ortsbesichtigung« stellt ein Sammelsurium schräger Typen in verschiedenen Lebensbereichen vor. Wie unter einem Vergrößerungsglas erscheinen ihre Schwächen und Stärken, ihr Versagen, ihre Neigung zum Betrug, ihre sexuellen Abartigkeiten, ihre Verlassenheit und Einsamkeit. Einige suchen beharrlich nach dem Sinn des Lebens, andere wieder lassen sich bewusst in den moralischen Morast fallen. Allen gemeinsam aber ist ihr Zweifel an Gott, den Ideologien und ihre existentielle Ratlosigkeit in einer fragwürdig gewordenen Welt.
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Seitenzahl: 38
Veröffentlichungsjahr: 2020
Hans Drawe
Ortsbesichtigung
FamilienchronikHochhaustexteKneipentextePorträts
Copyright: © 2020 Hans Drawe
Umschlag & Satz: Erik Kinting
www.buchlektorat.net
Verlag und Druck:
tredition GmbH
Halenreie 40-44
22359 Hamburg
978-3-347-12481-3 (Paperback)
978-3-347-12482-0 (Hardcover)
978-3-347-12483-7 (e-Book)
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Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:
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Hans Drawe
absolvierte das Literaturinstitut Johannes R. Becher in Leipzig. Er schrieb mehrere Film- und Fernsehdrehbücher (ZDF, NDR, hr), den Roman Kopfstand (Hoffmann & Campe), Griebnitzsee und Die Verführung bei Tredition. Neben dem Lyrikband Seelengesichter Lyrik für Anthologien und Auswahl 66, Verlag Neues Leben.
Er schrieb außerdem Hörspiele für verschiedene Sender der ARD und mehrere Theaterstücke, die in Berlin, Ingolstadt, Halle und Düsseldorf aufgeführt wurden.
Von 1968 bis 1970 arbeitete er als Dramaturg bei der DEFA Kurzfilm.
1970 Flucht über die Mauer.
Dann Außenlektor beim ZDF; Rundfunkmoderator beim hr.
Von 1978 – 2005 Hörspielregisseur beim hr.
Deutscher Hörbuchpreis; Hörbuch des Jahres 2000; Preis der Bayrischen Theatertage für das Stück Der Englische Pass; Bundesfilmförderungspreis für das Drehbuch Ein Mädchen aus zweiterHand.
Inhalt
Familienchronik
Mein Großvater
Mein Onkel Kurt
Tante Helga
Mein Vater
Meine Mutter
Meine Schwester
Mein Onkel Anton
Mein Onkel Friedrich
Manchmal hab' ich Angst
Hochhaustexte
Frau Schmidt
Kirpacz
Über mir
Der Kinderschlafsackvertreter
Binder
Frau Anton
Avola
Die Frau des Hausverwalters
Bingler
Peters
Der Richter
Hollmann
Frau Fahr
Der Mercedesvertreter
Sackers
Im Fahrstuhl
Kneipentexte
Die Frau vom Kneiper
Die Frau vom Kneiper II
Sissi
Hopp
Der Alte
Karl, der Pianist
Der Chemiestudent
Onkel Schorsch
Die alte Frau
Der Buchhalter
Angelo
Frau Liebich
Der Automarder
Der Generaldirektor
Der idealistische Vertreter
Die Frau des Bauunternehmers
Der Käseverkäufer
Fredy
Der Apotheker
In die Kneipe kamen zwei
Der Maulwurf
Porträts
Der Kaninchenzüchter
Fritzens Frau
Der Drücker
Franz Karg
Schwarzeder
Der Lokalredakteur
Der Masseur
Jogybär
Krogmann
Li Lichting
Der Metzgersohn
Der Mann von der Rennbahn
Adam, der Korbflechter
Familienchronik
Mein Großvater
Mein Großvater war Braumeister
und meistens besoffen.
Wenn er sich zusätzlich zu seinem Urlaub
Urlaub verschaffen wollte,
hackte er sich ein Glied
eines seiner Finger ab.
So hat er innerhalb von vierzehn Jahren
die Finger seiner linken Hand eingebüßt.
»Aber die Tage, wo ich meine Finger für
geopfert habe, hab' ich ganz bewusst gelebt,
weil ich ja gewusst hab' wofür«,
sagte mein Großvater.
Mein Onkel Kurt
Mein Onkel Kurt ist Ingenieur.
Jetzt betreibt er einen Waschsalon.
Onkel Kurt wäscht für Daimler-Benz, die Post
und Privatkunden.
Onkel Kurt hat Schultern wie ehemals Mister Atlas.
Er war Panzerleutnant und hat ein Glasauge.
Zu meinem Sohn sagt er,
dass er für Fußball keine Eintrittskarten brauche,
da er sein Glasauge durch jede Ritze
halten könne
und somit alle sähe.
Doch mein Sohn glaubt ihm nicht so recht.
Zu mir sagt Onkel Kurt,
dass ihn die Wäscherei anstinke,
und er lieber ein Büro für Probleme aufmachen würde.
Denn jedes Problem ist lösbar, meint er.
Tante Helga
Tante Helga heiratete kurz nach dem Krieg Larry,
einen Amerikaner.
Der Ami schaffte alles ran, was wir brauchten.
Mir schenkte er zu Weihnachten eine elektrische Eisenbahn,
mit der er selbst so lange spielte, bis sie zu Bruch ging.
Im Sommer fuhren wir mit seinem weißen offenen
Amischlitten
quer durch Deutschland,
und Tante Helga hatte mehrere »Männeraffären«.
Zwei Jahre später schrie sie Onkel Larry
unter dem Weihnachtsbaum an:
»Ich hab' mich nur mit dir eingelassen,
weil wir was zu fressen brauchten.
Ich habe mich für die Familie geopfert.« –
Larry lachte:
»Sie will mir heimzahlen, dass ich als Ami alles hatte,
was sie brauchte«, sagte er.
»Ich habe ihren Stolz verletzt.«
Griff nach seiner Flinte
und schoss Tante Helga in die Stirn.
Mein Vater
Mein Vater ist ein Elfeinhalbender.
Er bekommt keine Kriegerpension.
Er hätte den Krieg ein halbes Jahr lang
weiterführen müssen,
um eine Vaterlandsrente zu bekommen.
Mein Vater hat fürs Vaterland
ein Bein und einen Arm geopfert.
Er ist Elfeinhalbender
und liebt das Vaterland jetzt nicht mehr.
Meine Mutter
Auch meine Mutter glaubt nicht mehr ans Vaterland.
Meine Mutter glaubt nur noch an ihre Kinder.
Sie hat meinen Vater immer mit Blumen
an den Frontzug gebracht.
Meine Mutter war auch mal eine junge Frau,
die ans Vaterland geglaubt hat. –
Meine Mutter ist für mich ein Geschichtsbuch.
Meine Schwester
Meine Schwester schreibt mir,
dass ein Mann über sie gekommen ist,
bei dem sie Glück empfunden hat,