Oskar und der Schurkenkönig - Harald Christ - E-Book

Oskar und der Schurkenkönig E-Book

Harald Christ

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Beschreibung

Frau Steinhagen und Oskar finden heraus, dass Susanne und Annika vom ´Einarmigen Bert´ entführt wurden. Bevor noch eine Lösegeldforderung gestellt wird, machen sich die beiden auf, um die zwei Mädchen aus den Fängen des ´Einarmigen Bert´, dem Schurkenkönig, zu befreien. Sie finden tatsächlich den Unterschlupf der ganzen Bande, machen diese unschädlich und befreien Susanne und Annika. Auch andere Gefangene bekommen nun ihre Freiheit zurück. Bert hatte im Laufe der Zeit große Reichtümer angesammelt. Sie sind nun die Beute von Familie Steinhagen. Die Steinhagens wohnen bei der ´Alten Anke´. Der Burgverwalter der Brömserburg verdächtigt die Alte Anke, eine Hexe zu sein. Er nimmt sie gefangen und foltert sie. Doch bevor es zum Schlimmsten kommt wird sie von den Steinhagens befreit. Anke glaubt, dass das Kleine Volk der Familie Steinhagen helfen kann, wieder in ihre Zeit zurückzukehren. Nachdem sich nun alles zum Guten gewendet hatte, kehren sie zur Burg Rheinstein und zu genau der Stelle zurück, an der sie in die Vergangenheit versetzt wurden. Sie wollen die Hilfe des Kleinen Volkes zu erbitten, denn nur sie können mit der Zeit umgehen und Zeitsprünge zaubern. Doch der Friede ist in weite Ferne gerückt, denn eine französische Armee will die Burg Rheinstein erobern. Aus Pflichtbewusstsein verzichten sie schweren Herzens auf eine Heimreise und warnen die Burginsassen. Der Kommandeur der Burg ist ein Prinz, der im Kriegshandwerk sehr unerfahren ist. Wird es den Steinhagens und der Burgbesatzung gelingen, das Heer der Franzosen abzuwehren?

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Seitenzahl: 278

Veröffentlichungsjahr: 2023

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Danksagung

Ein Buch zu schreiben ist nicht einfach. Es braucht eine gehörige Portion Phantasie und Ausdauer. Wenn man dann nicht so recht weiß, wie es weiter gehen könnte, ist es sehr hilfreich, wenn man Freunde hat, die einem bei der Verwirklichung des Buchprojektes behilflich sind.

Verwirklichung – das heißt: Lektorat, Seitenlayout, Schriftsatz usw.

Neben meiner lieben Frau, die mich in allen Belangen unterstützt und mir immer wieder Mut gemacht hat, wenn es mal nicht weiter ging, war da auch immer mein Freund Hans-Ernst Schäfer.

Er beriet mich bei vielen Fragen, brachte die Seiten in Form und setzte den Schriftsatz so, dass das Buchprojekt an eine Druckerei zur Fertigstellung gegeben werden konnte.

Frau Katharina Meurer und ihre Tochter haben ebenfalls das Buch gelesen und standen mir mit Rat und Korrekturen zur Seite.

Die Vier glaubten an mich und mein Werk und ihnen gebührt mein großer Dank.

Inhaltsverzeichnis

Wie alles begann

Kapitel 1: Geisenheim

Kapitel 2: Frösche und Kröten

Kapitel 3: Größenwahn

Kapitel 4: Ein Spion wird entlarvt

Kapitel 5: Winkel

Kapitel 6: Eine Burg wird gestürmt

Kapitel 7: Anke hat eine Vermutung

Kapitel 8: Noch eine neue Hexe

Kapitel 9: Die Franzosen sind da

Epilog

Wie alles begann

Oskar wurde in die 5. Klasse eingeschult und dieser Tag musste in einem Schnellrestaurant natürlich gebührend gefeiert werden. Er verdrückte mehrere Hamburger mit viel Ketchup und Majo. Alles wäre so schön gewesen, wenn da nicht ein Vampir in Oskars Zimmer eingedrungen und ihn fast gänzlich ausgesaugt hätte. Oskars Eltern retteten sein Leben, denn auf ihr Drängen hin aß und trank er Ketchup und Rote-Bete-Saft, bis er fast platzte. Am nächsten Morgen wachte Oskar als Vampir der besonderen Art auf. Er brauchte kein Blut, wie es jeder normale Vampir zum Leben braucht. Er benötigte von nun an Rote-Bete-Saft, Ketchup, Himbeereis und alles, was rot ist. Langsam gewöhnte er sich an sein neues Leben und lernte, mit den besonderen Fähigkeiten eines Vampirs umzugehen. Oskar entdeckte auch seine magischen Fähigkeiten, die jeder Vampir in sich trägt, und probierte sie heimlich aus.

Bald schon merkte er, dass ein Leben als halber Vampir recht abenteuerlich, aber auch sehr gefährlich sein konnte. Doch Friedrich, der Vampir, welcher Oskar gebissen hatte, entpuppte sich im Laufe der Zeit als wahrer Freund der Familie Steinhagen. Mit seiner Hilfe lernte Oskar so nach und nach, sich in seinem neuen Leben als Vampir zurecht zu finden. Dabei stellte sich heraus, dass auch Frau Steinhagen eine magische Begabung in sich trug.

Frau Steinhagen las gerade das ‚Vaterunser‘ aus einem Zauberbuch vor und Friedrich sah das dazugehörige Bild mit einem Kreuz und einer weißen Taube. Das war zu viel für einen echten Vampir.

Seine Haut wurde braun, sie bekam Risse und Friedrich begann langsam zu verkohlen. Frau Steinhagen stoppte diesen Vorgang mit einem Zauberspruch. Doch Friedrich war schon zu schwer verletzt. Da half nur noch frisches Blut. Frau Steinhagen ließ sich von Friedrich beißen und von ihrem Blut trinken. Dadurch rettete sie ihm das Leben.

Als das Leben für Oskar und Frau Steinhagen wegen der Vampire immer gefährlicher wurde, machte Friedrich die beiden mit Frau Eckmann bekannt. Sie war die Oberhexe in Hessen und gehörte dem deutschen Hexenrat an. Nachdem Oskar und Frau Steinhagen sich das Vertrauen von Frau Eckmann verdient hatten, wurden sie in der weitergehenden Hexenkunst unterwiesen.

An Yul war es dann soweit. Oskar und seine Mutter sollten in den Kreis der hessischen Hexen eingeführt werden. Auch Susanne Messmann, Oskars Schulfreundin, und deren Mutter sollten aufgenommen werden. Dafür mussten sie eine Prüfung bestehen. Die Steinhagens bestanden die Prüfung mit Bravour, die Messmanns so gerade eben. Sie wurden angehalten, sich bessere Zauberstäbe zu besorgen.

Durch einen besonderen Spiegel sah Oskar, dass sein Vater und seine Schwester Annika in großer Gefahr waren. Frau Eckmanns Tochter Ines machte mit Oskar einen Sekundensprung und so kamen sie gerade noch rechtzeitig, um Herrn Steinhagen und Annika vor Ansgar und Walter zu beschützen. Walter verglühte in Oskars Sonnenlichtzauber, doch Ansgar konnte fliehen.

Alles schien nun ein gutes Ende gefunden zu haben. Doch Susanne brachte die Probleme auf den Punkt. Ansgar konnte entkommen. Er würde bestimmt Böses planen und sich rächen wollen.

In den Sommerferien machten Familie Steinhagen und Susanne einen Wochenendurlaub auf der Burg Rheinstein. Außer Herrn Steinhagen besaßen inzwischen alle eine kleine Ausstattung an Mittelalterkleidung. Stolz trugen sie ihre Kleider auf der Burg Rheinstein. Am späten Nachmittag wollten sie sich die Burg noch einmal von außen anschauen. Herr Steinhagen blieb in der Burg zurück. Frau Steinhagen und die Kinder standen auf dem Burgweg und schauten sich das Plumpsklo der Burg von außen an, als plötzlich eine braune Wolke erschien und alle einhüllte.

Schutzschirme und Energiestrahlen halfen nichts. Es fühlte sich an, als würden alle einen Sekundensprung machen. Als die braune Wolke verschwunden war, standen sie immer noch auf dem Burgweg unterhalb des Burgtores. Doch alles war irgendwie anders. Auf der Burg brannte kein Licht, es leuchteten nur ein paar Fackeln. Es fuhren keine Schiffe auf dem Rhein, die Straße und die Eisenbahngleise fehlten. Oskar erkundete als Eule die Umgegend und es kam ihm ein schlimmer Verdacht. Es war kein Sekundensprung sondern ein Zeitsprung, der sie in die Vergangenheit katapultiert hatte. Sie waren zwar noch auf der Burg Rheinstein, aber nicht mehr in ihrer normalen Zeit.

Die Abenteuer, welche die Familie Steinhagen nun zu bestehen hatte, führt sie nach Assmannshausen, Rüdesheim und zu weiteren Orten des Rheingaus. In Rüdesheim werden Susanne und Annika entführt. Es sind vier junge Männer, die mit der Entführung etwas zu tun haben könnten. Frau Steinhagen und Oskar statten diesen vier Männern einen Besuch ab.

Geisenheim

„Nun? Wo sind meine Kinder?“ Frau Steinhagen stand drohend über dem Kerl, den Stock hoch erhoben. „Es gibt noch viele Körperteile, die ich dir zerschlagen kann.“

„Der einarmige Bert hat sie“, stöhnte Arnulf. „Bitte schlag mich nicht mehr.“

„Wo wohnt der einarmige Bert?“, fragte Frau Steinhagen.

„In Geisenheim, unterhalb vom Dom, da wo der Blaubach in den Rhein mündet“, keuchte Arnulf schmerzvoll. „Es ist eine einfache, aber ziemlich große Hütte und es sind immer drei oder vier der Innungsleute anwesend.“

„Gut, dann werden wir dort meine Kinder holen“, seufzte Frau Steinhagen und wollte schon gehen.

„Nein, wir gehen noch nicht“, befahl Oskar mit harter Stimme. „Wo ist euer Innungshaus? Wo treffen sich die Bandenmitglieder?“

Oskar zog sein Schwert und drückte es fest gegen Arnulfs bis jetzt unverletzte Schulter.

„Bitte nicht auch noch die andere Schulter“, kreischte Arnulf. „Gegenüber der Mündung des Blaubaches liegt eine kleine Aue, die Schönborner Aue. Auf ihr stehen mehrere Hütten. Dort versammeln sich die Oberhäupter der einzelnen Innungen und treffen ihre Entscheidungen. Der Schurkenkönig, also der einarmige Bert, trifft die letzte Entscheidung, an die sich dann alle halten.“ Dann fiel Arnulf wieder in Ohnmacht.

Frau Steinhagen zitterte am ganzen Leib und setzte sich laut seufzend auf eine Truhe. Leise weinte sie, denn einen Menschen so zu quälen, war sehr schlimm für sie. Oskar kam und legte seine Arme um sie. Auch er weinte leise.

Die Stadttore von Rüdesheim waren nachts natürlich geschlossen. Leise schlichen sich Frau Steinhagen und Oskar an der Stadtmauer in Richtung der Weinberge entlang.

„Warum gehen wir hier entlang?“, fragte Oskar.

„Ich denke mal, dass am Rhein immer etwas los ist“, antwortete Frau Steinhagen. „Die vielen Schiffe und Boote, die Matrosen und Handwerker, die da arbeiten, sie schlafen bestimmt nicht alle. Wir müssen es hier versuchen, wo nicht so viel los ist.“

„Schau mal, der Mond wird gleich von den Wolken überdeckt, da könnten wir doch einfach so über die Mauer schweben“, meinte Oskar. „In der Dunkelheit sieht uns doch keiner. Da vorne ist schon das nächste Stadttor. Da können wir auch nicht durch.“

„Stimmt“, nickte Frau Steinhagen und zeigte in den Himmel. „Los, es ist so weit.“

Schnell schwebten Oskar und Frau Steinhagen über die Mauer und weiter zu einigen Büschen hin. Dort verbargen sie sich erst einmal und beobachteten die Stadt. Nichts regte sich. Sie waren also unbemerkt über die Mauer gekommen.

„Wir müssen noch weiter von der Mauer weg“, sagte Frau Steinhagen. Sie raffte ihren Rock zusammen und schlich gebückt weiter durch die Büsche, Oskar huschte schnell hinterher. Nach einiger Zeit schaute sich Frau Steinhagen um. „Ich denke, das genügt.“

Die Stadt war in der dunklen Nacht kaum noch zu erkennen. „Gib mir all deine Sachen“, sagte Frau Steinhagen. „Es ist besser, wenn du als Eule voran fliegst. Ich folge dir mit den ganzen Sachen. Ich schwebe so tief wie möglich und bleibe immer dicht über den Weinbergen. Ich denke, je höher ich fliege, umso eher könnte ich entdeckt werden. Wenn du jemanden siehst, kommst du sofort zurück und warnst mich. Wenn mich jemand fliegen sieht, es wäre nicht auszudenken.“

Oskar legte wortlos Stock, Schwert, Messer und den Wasserschlauch ab. Dann umarmte er kurz seine Mutter und verwandelte sich in eine Eule. Mit einer Armbewegung hexte Frau Steinhagen Oskars Sachen vom Boden empor direkt in ihre Hand. „Wir können“, sagte sie leise und wartete, bis die Eule in der Luft war.

Die Oskar-Eule drehte eine Runde über den Büschen und flog dann langsam über die Weinberge in Richtung Geisenheim. Frau Steinhagen erhob sich und schwebte knapp über den Weinbergen hinter der Eule her. Vorsichtig umflog sie höhere Büsche und Bäume. Als sich Frau Steinhagen an die niedrige Flughöhe gewöhnt hatte, erhöhte sie das Tempo. Leise kicherte sie vor sich hin. Es machte ihr wirklich Spaß, so niedrig zu fliegen, und dabei in schnellen Kurven den Büschen und Bäumen auszuweichen. Ja, es war sehr schön und auch sehr spannend, so schnell und in engen Kurven durch die Luft zu flitzen. Fast vergaß sie, warum Oskar und sie unterwegs waren. Schnell rief sie sich zur Ordnung, aber sie flog jetzt noch schneller. Es dauerte keine zehn Minuten, als die Oskar-Eule vor ihr auftauchte. Frau Steinhagen wurde langsamer und einen Augenblick später landete die Eule auf einer Wegkreuzung. Frau Steinhagen landete neben ihr.

Schnell verwandelte sich die Oskar-Eule wieder in Oskar. „Stell dir vor, in Geisenheim gibt es keine Stadtmauer“, berichtete Oskar voller Freude. „Wir können also ohne Problem in die Stadt hinein. Wir müssen nur unbemerkt zu Berts Hütte gelangen.“

„Ich denke, der hat bestimmt Wächter vor seiner Behausung“, überlegte Frau Steinhagen. „Daran erkennen wir bestimmt gleich seine Hütte. Am besten wird es sein, wenn wir erst einmal unsichtbar die Lage erkunden. Solange sie uns nicht sehen, ist alles gut.“

„Aber sie sehen in der Luft schwebende Stöcke“, meinte Oskar und kicherte leise. „Vielleicht gehen wir ganz normal in die Stadt, ohne irgendwelche Heimlichtuerei. Da fallen wir am wenigsten auf. Oder die Leute sehen uns und denken sich nichts Großartiges dabei. Wir könnten aber auch fragen, wo das nächste Hotel ist. Dann schöpft keiner Verdacht.“

„Das heißt in dieser Zeit unter einfachen Leuten Herberge“, sagte Frau Steinhagen lächelnd. „Ich weiß nicht, ob es schon Hotels gab. Aber Herbergen gab es schon immer. Ich denke, wir machen es so, wie du sagst.“

Also nahm Oskar sein Schwert, den Stock und den Wassersack in Empfang und dann machten sich beide auf den Weg. Schon ein paar Minuten später kamen sie an den ersten Hütten vorbei. Sie gingen weiter und erst auf dem Marktplatz sahen sie einige dunkle Gestalten herumlungern. Aus der Erinnerung heraus ging Frau Steinhagen nach links eine Gasse entlang. Kurz darauf standen sie vor dem Geisenheimer Dom.

„Hmm, irgendwie scheint mir der Dom viel kleiner zu sein als ich ihn kenne“, meinte sie nachdenklich.

„Waren da nicht auch zwei große Türme?“, fragte Oskar. „Ich meine der Dom ist auch kürzer. Das ist aber komisch.“

„Daran kannst du dich noch erinnern?“, staunte Frau Steinhagen. „Du warst damals erst sechs Jahre, als wir den Dom besichtigt haben.“

„Mag sein“, sagte Oskar und zuckte wieder einmal wie Friedrich mit den Schultern. „Ich fand den Geisenheimer Dom so richtig toll und habe mir einiges behalten.“

„Schau, was bei uns überhaupt nicht geht, ist jetzt wahrscheinlich normal“, meinte Frau Steinhagen. „Da gibt es alte Hütten, größere Häuser und vor allem gibt es eine Menge Bettler, die vor den Stufen des Domes herumlungern. Komm, wie suchen das Haus vom einarmigen Bert. Es soll ja direkt am Blaubach liegen, da, wo er in den Rhein mündet.“

„Da müssen wir aber nach rechts runtergehen“, meinte Oskar. „Schau mal da vorne? Da geht wohl eine Gasse in Richtung Rhein.“

„Was Arnulf sagte, verstehe ich nicht ganz“, meinte Oskar dann. „Er sagte, das Innungshaus und einige Hütten wären auf der Schönborner Aue. Direkt da, wo der Blaubach in den Rhein mündet. Soweit ich mich an den Unterricht in der Schule erinnern kann, gibt es oberhalb von Geisenheim eine große Aue. Dann kommt, glaube ich, erst vor Rüdesheim wieder eine große Aue. Was die Schönborner Aue wohl sein mag? Vielleicht ist es mit den Inseln so, wie mit dem Dom. Vielleicht ist es eine Insel, die es hier gibt, aber nicht mehr bei uns. Keine Ahnung, wie Inseln verschwinden können.“

„Ich glaube, ich habe da mal was von einem alten Flussbett gelesen, dass sie freigebaggert haben. Aber egal“, sagte Frau Steinhagen kurz entschlossen. „Wir gehen jetzt zu dieser Gasse und dann in Richtung Rhein.“

Als wären sie normale Geisenheimer Bürger, schritten die beiden zu der Gasse hin. Es war ein ziemlich breiter Weg und anfangs war der Grund des Weges noch richtig festgetreten. Dann aber wurde der Weg immer schmaler, die Häuser immer kleiner und von links kam ein recht breiter Bach geflossen. Von jetzt an gab es nur noch auf der rechten Seite einige Hütten und der Weg war nun auch ziemlich aufgeweicht. Dann blieb Oskar plötzlich stehen.

„Da vorne sehe ich eine größere Hütte mit einem Mann davor“, flüsterte Oskar leise. „In der Hütte brennt Licht.“

„Ich sehe ein kleines Licht leuchten“, sagte Frau Steinhagen. „Mehr nicht. Ich glaube, ich sollte mal zum Optiker gehen, wenn wir wieder zurück sind.“

„Vielleicht hat Anke ja eine Idee, wie wir wieder in unsere Zeit kommen könnten“, überlegte Oskar. „Wir müssen sie unbedingt fragen, wenn wir wieder in Rüdesheim sind. Da, eben kommt ein anderer Mann aus der Hütte. Die beiden reden miteinander. Jetzt geht der eine in die Hütte und der andere Mann bleibt draußen.“

„Das sind bestimmt Wächter“, meinte Frau Steinhagen. „Komm, wir gehen langsam weiter. Wenn ich den Mann sehe, gehe ich allein weiter. Er wird bei einer Frau, die alleine zur Hütte kommt, keinen Verdacht schöpfen.“

„Und wenn er dir was antun will?“, fragte Oskar.

„Er will mir ganz bestimmt etwas tun“, nickte Frau Steinhagen.

„Dann gehe lieber ich zur Hütte“, sagte Oskar. „Hier, nimm meine Waffen. Bei einem Kind schöpft er wahrscheinlich überhaupt keinen Verdacht. Ich haue ihm kräftig in den Magen und auf den Kopf. Danach kannst du kommen.“

„Wenn ich deine Waffen habe, kannst du dich auch unsichtbar machen“, schmunzelte Frau Steinhagen. „Du haust ihn einfach um und er wird nie sagen können, wieso er bewusstlos im Gras lag.“

„Ja, so machen wir es“, kicherte Oskar. „Der wird sich fragen, ob er verrückt ist. Ich bin dann mal weg.“

Oskar verschwand vor Frau Steinhagens Augen. Eine Weile geschah überhaupt nichts, dann brach der Wächter unversehens zusammen und Oskar wurde wieder sichtbar. Frau Steinhagen schwebte schnell zu Oskar heran und gab ihm Schwert und Stock. Dann huschten sie zu den Fenstern und horchten, was drinnen gesprochen wurde. Es waren wohl drei Männer im Raum, zwei konnten sie durch einen Spalt zwischen Ledergehänge und Fensterrahmen sehen. Den dritten Mann konnten sie nur hören. Das musste der einarmige Bert sein, denn die beiden Männer in ihrem Blickfeld hatten noch beide Arme. Sie sprachen über mehrere Raubzüge, die in den nächsten Nächten stattfinden sollten. Dann schimpfte der, den sie nicht sehen konnten, über mehrere Männer, die seiner Meinung nach falsche Abgaben zahlten.

Frau Steinhagen gab Oskar ein Zeichen. Vorsichtig schlichen sie zum nächsten Fenster. Jetzt konnten sie den Gaunerkönig sehen. Er war recht gut gekleidet, aber irgendetwas stimmte nicht mit seiner Kleidung. Sie war etwas anders als die Kleidung der Leute, die sie bis jetzt gesehen hatten.

„Schau mal die Schuhe“, flüsterte Oskar leise. „Hatten Ansgar und Walter nicht solche Schnallenschuhe an?“

„Stimmt“, nickt Frau Steinhagen. „Die Schuhe stammen nicht aus der Zeit, in der wir jetzt sind. Wo er die nur her hat?“

Der einarmige Bert stand jetzt auf und griff hinter sich. Langsam holte er einen künstlichen Arm hervor.

„Der hat ja doch zwei Arme“, staunte Frau Steinhagen. „Schau nur, er lässt sich die Prothese von den beiden Männern umschnallen.“

Oskar sah, dass der künstliche Arm leicht angewinkelt war. Da, wo die Hand sein sollte, war ein gefährlicher Haken befestigt.

Jetzt nahm Bert einen Federhut von der Bank und setzte ihn auf. „Kommt, wir wollen jetzt rüber auf die Insel und uns mit den beiden Mädchen beschäftigen“, befahl Bert. „Bisher waren sie ziemlich verstockt und Schläge haben auch nichts genützt.

Die haben sie wie ein Mann weggesteckt. Man sieht noch nicht mal blaue Flecke. Wir werden sie jetzt noch härter anpacken.“

Wieder gab Frau Steinhagen Oskar ein Zeichen und beide schlichen schnell hinter die Hütte. Schon kamen die drei Männer aus der Hütte heraus und gingen schnellen Schrittes den Weg entlang. Kaum waren die drei außer Sicht, schlichen sich Frau Steinhagen und Oskar in die Hütte.

„Lumos“, befahl Frau Steinhagen und sofort tanzte ein heller Lichtkegel auf ihrer Fingerspitze. Auch Oskar hexte sich einen Lichtkegel.

„Beeilen wir uns, damit Annika und Susanne nicht noch länger leiden müssen“, sagte Frau Steinhagen. „Aber erst wollen wir uns kurz in dieser Hütte umsehen. Also mir kommt dieser Bert sehr komisch vor.“

„Schau nur, in dieser Kiste ist eine ganze Menge Geld drin“, rief Oskar. „Das ist bestimmt Diebesgut.“

„Was, da ist Geld drinnen?“, staunte Frau Steinhagen. „Mach sofort dein Licht aus. Sie werden das Geld bestimmt nicht unbewacht lassen.“

Kaum hatten sie das Licht gelöscht und aus einem der Fenster geschaut, sahen sie auch schon einen der drei Männer zurückkommen. Unwirsch öffnete er die Haustür und trat ein. Schnell hatte er eine kleine Laterne, die auf dem Tisch stand, entzündet. Als er sich aufrichtete, sah er sofort Frau Steinhagen und Oskar.

„Du bist wohl die blöde Mutter und du der eingebildete Bruder dieser beiden Zicken“, lachte er hämisch. „Die Mädchen haben uns schon mit eurem Erscheinen gedroht und wir haben euch erwartet. Kommt raus, Jungs, und schnappt sie euch.“

Aus dem Nachbarraum kamen mehrere düstere Gestalten und umringten Frau Steinhagen und Oskar. Beide zückten ihre Schwerter.

„So leicht bekommt ihr uns nicht“, rief Frau Steinhagen zornig. „Ihr werdet alle sterben, wenn ihr uns nicht in Ruhe lasst. Verschwindet auf der Stelle.“

„Ich bin Konrad“, sagte der Mann, der die anderen aus dem Nebenraum gerufen hatte. „Mich wollten schon einige töten, aber keiner hat es bisher geschafft.“

Dabei lachte er schallend und zog ebenfalls sein Schwert. „Zieht blank und macht sie alle“, schrie er hasserfüllt. „Sie werden diesen Raum nicht mehr lebend verlassen.“

„Mama, schau mal seine Zähne“, rief Oskar. „Der ist ja ein Vampir.“

„Lumos solem“, rief Frau Steinhagen geistesgegenwärtig. Sofort wurde der ganze Raum von Sonnenlicht hell erleuchtet. Außer Konrad verglühten noch zwei weitere Vampire laut schreiend im hellen Sonnenlicht.

„Das ist ja eine echte Hexe“, rief einer der übrig gebliebenen Halunken. „Lasst uns schnell verschwinden. Dagegen kommen wir nicht an.“

„Rigescere“, rief Frau Steinhagen und zeigte auf die Banditen. Die Schurken erstarrten bewegungslos in der Position, in der sie sich gerade befanden.

„Mensch, das ist ja wie in der Bibel“, staunte Oskar. „Da war das doch. Oder?“

„Ja, das war in der Geschichte von Sodom und Gomorra, als Frau Lot sich entgegen Gottes Gebot umdrehte und zur Stadt zurück schaute“, nickte Frau Steinhagen. „Aber Frau Lot erstarrte zu einer richtigen Salzsäule. Die da sind nur einfach stocksteif.“

„Ja und was machen wir jetzt mit ihnen?“, fragte Oskar. „Die können doch nicht ewig so stehen bleiben.“

„Wir schauen jetzt erst einmal, was es hier sonst noch gibt, verschließen die Truhe und fliegen dann zu dieser Insel hinüber“, beschloss Frau Steinhagen.

Schnell durchsuchten sie die große Hütte, fanden aber außer Waffen und Werkzeug nichts weiter. Frau Steinhagen verschloss die Truhe mit einem Zauberspruch. „Vester oblivisci ego“, befahl sie dann und zeigte wieder auf die Halunken. „Mobilitas recuperare.“

Die Halunken bekamen augenblicklich ihre Beweglichkeit zurück. „Was mache ich denn hier?“, staunte einer. „Wer seid ihr eigentlich?“, fragte ein anderer. „He, habe ich euch schon einmal gesehen?“, meinte ein dritter.

„Ihr seid nur rein zufällig in unsere Hütte gekommen“, meinte Frau Steinhagen freundlich. „Ich weiß auch nicht, wer ihr seid. Ich denke, ihr geht morgen zum Bürgermeister und fragt nach, ob er Arbeit für euch hat. Jetzt verlasst bitte meine Hütte.“

„Oh, Verzeihung, werte Dame“, sagte einer. „Wir gehen schon. Kommt Jungs, bevor es Ärger gibt. Wir können draußen überlegen, was mit uns los ist.“ Mit etwas unsicheren Schritten verließ er die Hütte, die anderen folgten ihm sogleich. Aus ihren Bemerkungen konnte man schließen, dass sie völlig ratlos waren, wie sie in die Hütte gekommen waren.

„Mensch, Mama, sie haben tatsächlich alles vergessen“, staunte Oskar. „Ich muss unbedingt besser Latein lernen.“

„So, komm, es wird Zeit, wir müssen uns beeilen“, sagte Frau Steinhagen. „Bert und der andere sind bestimmt schon auf der Insel angelangt, von der er gesprochen hat.“

Schnell verließen Oskar und Frau Steinhagen die Hütte. Frau Steinhagen verschloss Türen und Fenster mit einem Hexenspruch. „Ist jemand in der Nähe?“, fragte sie.

Oskar schaute sich genau um. Trotz seiner guten Eulenaugen konnte er niemanden entdecken. Er schaute sich auch nach Raben, Krähen und Elstern um, die vielleicht in der Nähe auf irgendwelchen Ästen hocken könnten. Doch er fand nichts. „Alles klar, keine Beobachter weit und breit. Wir können los“, meldete Oskar.

Sofort erhob sich Frau Steinhagen und flog vorsichtig den Weg entlang. Oskar flog direkt hinter ihr. Der Blaubach wurde noch breiter, war schon fast ein kleiner Fluss. Dann mündete er in den Rhein. In etwa dreißig Meter Entfernung konnte man als dunkeln Schatten eine kleine Insel erkennen. Frau Steinhagen flog nun in rasendem Tempo zur Insel hinüber und landete auf dem schmalen Uferstreifen. Sekunden später landete auch Oskar.

„Schnell, du musst als Eule erkunden, wo die Hütten sind“, meinte Frau Steinhagen leise. „Da vorne ist ein kleiner Bootssteg. Bert und sein Kumpan sind schon ausgestiegen. Aber sei vorsichtig, wahrscheinlich ist zumindest Bert auch ein Vampir. Er hat Seemannskleidung an, die es so nur im tiefen Mittelalter gab. Wir sind jetzt in einer späteren Zeit. Ich schwebe jetzt einfach gerade aus zur Mitte der Insel hin. Du wirst mich schnell finden. Verschwinde jetzt.“

Sofort verwandelte sich Oskar in eine Eule und flog los. Schnell hatte er den einarmigen Bert und seinen Gehilfen entdeckt. Sie gingen einen Weg entlang, der tatsächlich ins Innere der Schönborner Aue führte. Dort standen einige Hütten. Bert rief laut nach einem Kunibert und nach einem Ewald. Ein Mann trat aus einer Hütte heraus. Licht schien aus dem Inneren der Hütte.

„Kunibert und die anderen sind noch drinnen, sie passen auf die Mädchen auf“, sagte der Mann.

„Mach das Boot richtig fest“, befahl der einarmige Bert. „Es wäre zu dumm, wenn es abgetrieben würde.“

„Warum habt ihr es nicht selbst fest gemacht?“, fragte Ewald aufsässig. „Ich bin nicht euer Lakai.“

„Höre ich da etwa einen Widerspruch, Ewald?“, fragte Bert. „Willst du dich mir widersetzen? Das würde ich mir an deiner Stelle zweimal überlegen.“

„Ich erkenne dich als unseren Anführer an. Ich habe aber etwas gegen deine willkürlichen Befehle für Dinge, die du auch selbst tun könntest“, grollte Ewald. „Mach deinen Kram selbst, ich bin nicht dein Sklave.“

Ohne ein weiteres Wort zu verlieren, stürzte sich Bert auf Ewald. Oskar, der längst auf einem Ast in der Nähe saß, sah mit Schrecken, wie sich Bert auf Ewald stürzte, diesen packte und tatsächlich aussaugte. Voller Schauder hörte Oskar Ewalds Stöhnen, und Berts schmatzendes Saugen. Dann ließ Bert von Ewald ab.

„Warte noch einen Augenblick, bis sich die Wunden geschlossen haben“, befahl Bert seinem Begleiter. „Dann kannst du Ewald in den Rhein werfen.“

„Du hättest mir auch was übrig lassen können“, maulte Berts Kumpan.

„Nicht schlimm“, lachte Bert. „Wir nehmen uns jetzt gleich die beiden Mädchen vor. Du kannst dir aussuchen, welche du beißen willst.“

„Ich nehme die große, da ist mehr Blut drinnen“, kicherte Berts Begleiter boshaft. „Die Kleine teilen wir uns dann, du hast ja schon gefrühstückt.“

„Na gut, machen wir es so“, nickte Bert. „Aber bitte langsam aussaugen, damit sie noch unsere Fragen beantworten können.“

Die Oskar-Eule flog schleunigst seiner Mutter entgegen. Frau Steinhagen war schon fast bei den Hütten angelangt.

„Schnell, Mama, wir müssen uns beeilen“, rief Oskar, als er wieder seine menschliche Gestalt angenommen hatte. „Auch Bert und der andere sind Vampire. Sie wollen Susanne und Annika langsam aussaugen, damit sie noch Berts Fragen beantworten können.“

„Na, jetzt aber schnell“, knurrte Frau Steinhagen und flog in schnellem Tempo zu den Hütten. Oskar sauste flugs hinterher.

„Die zweite von rechts“, rief Oskar und flitzte zu der Hütte hin.

„Lumos solem“, hörten sie in diesem Moment Susannes Stimme. Mehrere schmerzvolle Männerstimmen durchdrangen die Dunkelheit.

Frau Steinhagen und Oskar stürmten in die große Hütte und sahen gerade noch, wie Bert und zwei weitere Männer verkohlten. Drei andere Männer standen schreckerstarrt dabei, waren zu keiner Bewegung fähig.

„Rigescere“, rief Frau Steinhagen geistesgegenwärtig und sofort erstarrten die Männer mitten in ihrer Bewegung.

„Mama“, rief Annika. Man hörte ihrer Stimme an, dass sie grenzenlos erleichtert war. „Endlich bist du da.“

„Oskar, das hat aber wirklich sehr lange gedauert“, schimpfte Susanne. „Ein Mann sollte sich sehr viel mehr Mühe geben, damit seine Zukünftige gerettet wird.“

Annika und Susanne lagen jede auf einer Pritsche. Ihre Arme und Beine waren an das Holzgestell der Pritschen gefesselt. Beide sahen ziemlich blass aus.

„Ach Kinder, es tut mir so unsagbar leid“, rief Frau Steinhagen voller Erleichterung. „Geht es euch gut? Habt ihr Hunger? Wollt ihr etwas trinken? Haben sie euch gut behandelt? Was können wir für euch tun?“

„Mama, jetzt krieg dich mal wieder ein“, lachte Oskar. „Es kann ihnen nicht besonders schlecht gehen, wenn Susanne sofort anfängt zu meckern, als wir hier rein kamen. Ich denke, wir sollten sie erst einmal losbinden und uns hier umschauen. Dann sehen wir weiter.“

„Wir haben nach den Schlägen gleich ‚Dolor relaxare‘ gedacht und sofort ließen die Schmerzen nach“, berichtete Annika, während Oskar ihre Fesseln löste. „Wir haben nicht gezaubert, um uns nicht zu verraten. Wir wussten ja nicht, was ihr unternehmen würdet.“

„Uhh, das tut aber weh“, stöhnte Susanne leise. „Da, wo wir gefesselt waren, bitzelt es fürchterlich.“

„Dolor relaxare“, sagte Frau Steinhagen und zeigte mit ihrem Zauberstab auf Susanne und Annika. „Das ist das aufgestaute Blut, was jetzt wieder gut fließen kann.“

„Ah, das tut gut“, seufzte Annika. „Sie haben uns geschlagen“, erzählte Annika weiter und kuschelte sich in die Arme ihrer Mutter. „Wir sollten ihnen verraten, wer wir sind. Sie wollten sich rächen, weil ihr mit den vier Halunken aus Rüdesheim so hart umgesprungen seid.“

„Erst als dieser Bert so hämisch lachte und dabei seine Fangzähne ausfuhr, haben wir bemerkt, dass einige Halunken hier echte Vampire sind“, erzählte Annika. „Ich war wir erstarrt, aber Susanne hexte Sonnenlicht und so verglühten die Vampire. Es war schrecklich. Aber dann kamt ja ihr.“

„Ja, dieser Bert sah so schrecklich aus mit seinen langen Reißzähnen“, sagte Susanne. „Ich habe genau gesehen, dass er uns beißen und ermorden wollte.“ Dann weinte sie bitterlich.

Oskar war ganz erschrocken, weil Susanne so sehr weinte, doch dann nahm er sie in die Arme und tröstete sie. Wie ein kleines Mädchen wiegte er sie hin und her.

„Es war so schrecklich, als dieser Bert und die beiden anderen Männer vor unseren Augen verkohlten“, schluchzte sie. „Wie sie vor Schmerzen schrien.“

„Ich verstehe euch so gut“, sagte Oskar. „Ich habe auch schon drei Vampire verkohlt und zwei zerplatzen lassen. Es war wirklich schrecklich. Friedrich hat mich aber daran erinnert, dass sie Annika, mich und auch meine Eltern töten wollten. So wie diese Vampire hier euch töten wollten. Das hat mir ein wenig geholfen. Jetzt bin ich so ziemlich darüber hinweg.“

Susanne sagte nichts, aber sie fühlte sich in Oskars Armen sichtlich wohl. Fest lehnte sie sich an ihn und ließ sich wie ein kleines Mädchen trösten.

„Ich hatte aber auch nicht viel Zeit, über diese Dinge zu hadern“, erzählte Oskar weiter. „Es kam ja immer wieder irgendein neuer Aufreger dazu.“

„Es tut gut, wenn du mich so fest hältst“, lächelte Susanne. Oskar wurde ganz rot und ließ Susanne los. „Ach schade“, schmollte sie.

„Die haben uns zweimal losgemacht, damit wir mal raus durften“, rief Annika. „Ich muss jetzt aber wieder ganz dringend aufs Klo.“

„Na, dann geh mal raus und hinter die Büsche“, lachte Frau Steinhagen. „Ein Klo gibt es hier bestimmt nicht.“

„Ich gehe gleich mit“, grinste Susanne. „Es ist wirklich dringend.“

Schnell rannten die beiden Mädchen hinaus.

„Puh, da kamen wir ja gerade noch zur rechten Zeit“, sagte Oskar. „Wer hätte gedacht, dass es hier so viele Vampire gibt. Hier ist wohl die Rheingauer Vampirzentrale.“

„Ja, das wundert mich auch“, sagte Frau Steinhagen nachdenklich. „Die haben sich aber gut getarnt. Da ist doch noch der eine, der zurück zum Boot ging.“

„Ich flieg schnell los“, rief Oskar. „Den hole ich mir, bevor er noch etwas Schlimmes anstellen kann.“ Schnell war er aus dem Haus und flog zum Bootssteg. Der Kerl hatte gerade das Boot festgemacht und erhob sich, als er von Oskar entdeckt wurde.

„Du bist wie Bert ein Vampir“, sagte Oskar.

„Das ist aber auch das letzte, was du in deinem Leben herausfinden konntest“, knurrte der Vampir und stürzte sich zähnefletschend auf Oskar.

„Lumos solem“, rief Oskar und zeigte auf den Vampir. Der verkohlte sofort laut schreiend im hellen Sonnenlicht.

Wenig später kam Oskar wieder in der Hütte. „Den Vampir gibt es nicht mehr“, sagte er und grinste. „Gegen mich kommt eben keiner an.“

„Jetzt werde nur nicht überheblich“, ermahnte Frau Steinhagen ihren Sohn. „Komm, jetzt untersuchen wir diese Hütte. Nachher auch noch die anderen. Wer weiß, was wir da alles finden.“

„Dieses Mal gehe ich nach oben und du nach unten“, meinte Oskar. „Jetzt darfst du mal vertrocknete Hände oder etwas anderes finden.“

Langsam kletterte er die schmale Leiter zum Obergeschoss hinauf. Es war aber nur ein kleiner Dachboden, der mit Stroh und Heu gefüllt war. Auch Frau Steinhagen fand nichts weiter. Anscheinend war die Hütte nicht unterkellert.

„Ich könnte mir denken, dass keine der Hütten hier unterkellert ist“, überlegte Oskar. „Wahrscheinlich wegen dem Rhein. Die Keller würden bestimmt volllaufen.“

Auch in den anderen Hütten fanden sie nichts weiter. Also beschlossen sie, wieder nach Geisenheim zurück zu gehen.

„Vester oblivisci ego“, befahl sie dann und zeigte wieder auf die Halunken. „Mobilitas recuperare.“

Im Nu konnten sich die Kerle wieder bewegen und auch wieder sprechen. Sie wunderten sich, was sie hier auf dieser kleinen Rheinaue verloren hatten. Sie hatten, wie die Männer in Berts Hütte, ihr Gedächtnis verloren.

Während sie in den anderen Hütten noch nach brauchbaren Gegenständen suchten, setzten sich Frau Steinhagen und die drei Kinder in das Boot und ruderten nach Geisenheim zurück. Dann gingen sie schnell in Berts große Hütte. Die Männer, die dort auf Frau Steinhagen und Oskar gewartet hatten, waren inzwischen verschwunden. Natürlich hatten sie versucht, in die Hütte zu kommen. Man sah es an den Spuren an der Holztür und an den Fenstern. Sie hatten ja das Geld in der Truhe gesehen. Doch waren die Hütte und die Truhe durch Frau Steinhagens Hexenspruch gesichert und konnten erst geöffnet werden, wenn der entsprechende Hexenspruch gesagt wurde.

Frösche und Kröten

„Wir durchsuchen diese Hütte noch einmal gründlich“, meinte Frau Steinhagen, als sie im Haus waren. „Wenn der einarmige Bert der Gaunerkönig war, dann gibt es hier bestimmt einiges zu entdecken. Eigentlich ist diese Hütte ja schon ein richtiges Haus, so groß wie sie ist. Hier im Erdgeschoss stehen nur ein paar Tische, Bänke und diese Truhe herum. Also schauen wir nach, was es oben noch gibt. Hier drüben sehe ich eine große Klappe im Boden. Wer geht in den Keller?“ Frau Steinhagen schaute sich um. „Keiner? Gut, dann gehe ich da runter.“

„Ich untersuche die beiden anderen Räume hier und die Mädchen können es sich im Obergeschoss gemütlich machen“, grinste Oskar.

„Wieso wir?“, maulte Susanne. „Du kannst doch auch nach oben gehen.“

„Ja, geh du mal da hoch“, nickte Annika. „Wer weiß, was sich da oben alles verbirgt.“

Oskar zuckte mit den Schultern. „Wenn die Prinzessinnen meinen, gehe ich halt nach oben. Das ist auch viel spannender als hier im Erdgeschoss.“

Langsam stieg Oskar die schmale Treppe zum nächsten Geschoss empor. Wie er gleich sah, war es nur ein großer Speicherraum. Aber er war sehr sauber und in einer geraden Reihe standen mehrere Truhen und Kisten. Auf den Deckeln waren Zettel befestigt. Auf allen waren Ortsnamen geschrieben. Geisenheim, Rüdesheim, Aulhausen, Eibingen, Assmannshausen, Marienthal und Winkel.

„Acra pandere“, befahl Oskar, denn er erinnerte sich an die durch Zaubersprüche gesicherten Kisten in Walters Gruft. Alle Truhen und Kisten leuchteten auf, blieben aber verschlossen. Sie waren also auch durch einen Zauberspruch gesichert.

„Acra pandere“, befahl Oskar sehr konzentriert und zeigte mit seinem Zauberstab auf jede einzelne der Truhen und Kisten. Jetzt öffneten sie sich eine nach der anderen.

Nacheinander schaute Oskar vorsichtig in die Truhen hinein. Überall war Geld darin und eine Auflistung, wer wieviel Geld bekommen sollte. Er schätzte, dass da wohl mehr als dreißig Namen geschrieben waren.