Ostfriesenmelodie - Klaus-Peter Wolf - E-Book
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Ostfriesenmelodie E-Book

Klaus-Peter Wolf

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Beschreibung

Wenn Rupert mit der Schwiegermutter… Es war einer dieser Nachmittage mit Erdbeerkuchen und Schlagsahne, einem wunderbar blauen Himmel, einem lauen Lüftchen, der nicht schöner hätte sein können. Wenn da nicht Ruperts nervige Schwiegermutter gewesen wäre, die sich zum Kaffee gleich selbst eingeladen hatte, und wenn es da nicht plötzlich einen fiesen Knall gegeben hätte. Der Knall war schnell erklärt: Aus heiterem Himmel hatte eine Möwe eine Hinterlassenschaft fallen gelassen, die ganz bestimmt nicht auf Ruperts Windschutzscheibe gehörte: ein menschlicher Finger. Und bei Ruperts Nachbarn, einem nervigen Musiklehrer, stand die Verandatür schon seit geraumer Zeit offen. Als Rupert sich dem Haus näherte, ahnte er Schlimmes. Und tatsächlich lag der Lehrer tot neben dem Klavier. Eine Ermittlung der besonderen Art beginnt, denn noch glaubt Rupert fest daran, dass er ohne seine Schwiegermutter ermitteln kann. Kann er nicht!

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Seitenzahl: 77

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Klaus-Peter Wolf

Ostfriesenmelodie

Rupert und die nervige Schwiegermutter

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Inhalt

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1

Rupert wusste gleich, dass mit den neuen Nachbarn etwas nicht stimmte. Aber wenn Ruperts Frau Beate etwas wirklich wollte und er sich dem widersetzte, war es für ihn, als würde er versuchen, einsam am Strand mit einem Stoppschild in der Hand einem Tsunami Einhalt zu gebieten. In diesem Fall war es vielleicht kein Tsunami, sondern nur eine Sturmflut, aber er gab trotzdem auf, bevor er nasse Füße bekam.

Beate hatte sich mal wieder mühelos durchgesetzt.

Auf der Bank gab es keine Zinsen mehr fürs Geld, und die bunte Welt aus den Urlaubsprospekten war, wenn man den Nachrichten glauben durfte, zu einem unsicheren Ort geworden. Seitdem kamen immer mehr Touristen nach Ostfriesland, wo sie sich sicher fühlten. Es gab einen Bauboom. Ganz neue Siedlungen entstanden. Doch was mit hoffnungsvollen Plänen für eine friedliche Zukunft in einem Einfamilienhaus begann, endete oft mit einem Ehedrama, bevor die letzten Kacheln im Bad geklebt waren.

Solche Scheidungshäuser wurden meist billig angeboten. Irgendetwas war immer nicht ganz fertig geworden. Die zur Hälfte geflieste Terrasse. Der nicht mehr verlegte Boden im Wohnzimmer. Die Küche mit dem noch nicht angeschlossenen Herd. Diese verwaisten Wohnungen erzählten viel über die Träume der Paare, die jetzt nicht mehr dort einziehen würden und über den Tag, an dem ihr Glück zerbrach.

An der weißen Raufasertapete zeugte ein eingetrockneter, lang nach unten zerlaufener Rotweinfleck von dem vollen Glas, das Annika Strohmüller nach ihrem untreuen Ehemann geworfen hatte.

Das Haus im Norden von Norden entsprach genau Beates Vorstellungen. Es war für Ruperts Geschmack zu nah am sogenannten Getreideviertel, wo Ann Kathrin Klaasen im Distelkamp wohnte. Er wollte wenigstens nach Dienstschluss so viel Abstand wie möglich zu ihr haben. Außerdem war das Haus aus seiner Sicht eine Spur zu teuer für einen Kripobeamten, der weder Schmiergelder nahm noch am Wochenende in einer Band spielte und damit sein spärliches Gehalt aufbessern konnte.

Neben ihm wohnte ein Musiklehrer. Halbtags unterrichtete er am Ulrichsgymnasium, und um die neue Hütte abzubezahlen, gab er nachmittags Klavierunterricht.

Schön für ihn. Grauenhaft für die Nachbarn.

Rupert sah die langbeinigen Gymnasiastinnen gerne durch den Bauschutt über das Brett in den Neubau balancieren, aber wenn das Geklimper losging, war es nur noch zum Haare raufen. Besonders schlimm wurde es, wenn der Herr Musiklehrer Gesangsunterricht gab. Er klimperte dann selbst auf dem Klavier herum und einige untalentierte Kastratenstimmen versuchten verzweifelt, Töne zu treffen.

»Immer noch besser als Schlagzeugunterricht«, kommentierte Beate, die ja immer auf der Suche nach dem Positiven im Leben war und empfahl ihrem Mann, doch auch Nachhilfestunden zu geben.

»Nachhilfestunden?! Ja, verdammt, in was denn? Wie man ein Verhör richtig führt? Wie man einen Verdächtigen weichkocht? Wie man einen Betrüger austrickst?«

Sie stellte sich das so einfach vor. Nein, sein Können war nicht wirklich gefragt.

Beate hatte ihm den Hauskauf und den Umzug schmackhaft gemacht. Dorthin käme ihre Mutter Edeltraut dann nicht täglich zu Besuch, weil es für sie zu weit sei und die Benutzung der öffentlichen Verkehrsmittel viel zu kompliziert.

Mehr Distanz zu seiner Schwiegermutter! Das stellte Rupert sich großartig vor. Dafür nahm er sogar diese Katzenmusik von gegenüber in Kauf. Gab es eigentlich ein Gesetz mit dem Wortlaut: Bei Klavierunterricht hat grundsätzlich die Terrassentür sperrangelweit offen zu stehen?

Jedenfalls war er von Beate hereingelegt worden. Statt mehr Ruhe vor seiner nervigen Schwiegermutter zu bekommen, musste er sie jetzt fast täglich in Hage abholen und mit in sein neues Zuhause nehmen. Auto fahren konnte sie wegen ihrer schlechten Augen nicht mehr. Um ein Taxi zu nehmen, war sie zu geizig. Sie selbst nannte ihren Geiz Sparsamkeit, und die Chance, mit Rupert allein im Auto zu sitzen, um ihm regelmäßig eine Standpauke zu halten, ließ sie sich nicht entgehen.

Sie prügelte geradezu mit Lebensweisheiten auf ihn ein. Ihre nörgelige Stimme zog ihn dabei mindestens genauso runter wie ihre nervige Leier, was ein richtiger Mann an seiner Stelle tun würde.

In ihren Augen hatte er zwei linke Hände, war stinkend faul und strohdumm. Sie schwärmte immer wieder von einem von Oertzen, der einmal um die Hand ihrer Tochter angehalten hatte. Das sei ein Kerl aus Samt und Seide gewesen. Gute Manieren. Adlige Herkunft. Wohlhabend und gebildet. Aber ihre Beate musste ja ausgerechnet auf ihn reinfallen: Rupert!

Sie sprach seinen Namen aus, als müsse sie eine eklige, verdorbene Speise ausspucken, und sie verzog dabei jedes Mal angewidert den Mund.

Rupert hatte diesen von Oertzen googeln wollen und war dabei auf einen Song von Hildegard Knef gestoßen: Er hieß nicht von Oertzen. Ein Lied über einen Hochstapler, der sich am Ende erschoss.

Jetzt ließ Rupert die Stimme der Knef jedes Mal erklingen, wenn er seine Schwiegermutter mit dem Auto abholte. Das Lied war wie eine scharfe Waffe. Es brachte die alte Dame zum Schweigen. Vibrierend vor Wut saß sie auch heute wieder angeschnallt auf dem Beifahrersitz neben ihm, während er laut mitgrölte:

Er sprach von Familie

und blauem Blut

er war ein Ganove

und das nicht mal gut

Es hatte drei Einbrüche in der neuen Siedlung gegeben. Selbst das setzte seine Schwiegermutter gegen ihn ein: »Rund um euch herum brechen sie ein. Nur bei euch nicht. Kein Wunder. Wer steigt schon in so eine Bruchbude ein, vor der ein alter Opel parkt?«

»Bruchbude? Das ist ein Neubau!«, verteidigte Rupert sich.

Sie spottete: »Ja. Alles das Billigste vom Billigen. Guck dir mal die Türen von deinem Nachbarn an und dann deine. Dann weißt du, warum die richtigen Profis bei denen einbrechen und nicht bei euch.«

Rupert stöhnte. »Ja, heißt das jetzt, ich soll mir andere Türen kaufen, damit endlich auch bei mir eingebrochen wird, oder was?«

Sie winkte ab, als sei er eh zu blöd, das alles zu verstehen. »Es ist der ganze Eindruck. Man sieht schon von außen, dass drinnen nichts zu holen ist.«

Er parkte den Wagen vor dem mit Sandsäcken und Bauschutt zugemüllten Carport, auf der noch nicht gepflasterten Einfahrt, zwischen einem Berg Kies und ein paar aufgestapelten Paletten, an denen Plastikfetzen im Wind flatterten wie Fahnen.

Jetzt kam das immer gleiche Ritual. Sie blieb sitzen und starrte stur geradeaus, als sei sie es gewöhnt, dass ihr Fahrer herbeieilte, um ihr die Tür zu öffnen. Einmal hatte er sich wirklich dazu hinreißen lassen, es zu tun. Er war jetzt sauer auf sich selbst deswegen. Nie wieder würde er in so eine Falle tappen. Richtig machen konnte er es sowieso nicht. Wie denn auch – ohne roten Teppich? Alleine dass die Gräfin über festgestampften Lehmboden gehen musste, beleidigte doch schon ihre zarten Füße. Von ihren kostbaren Gesundheitsschuhen ganz zu schweigen.

Er knallte die Fahrertür extra heftig zu. Edeltraut zuckte zusammen, stöhnte und guckte hochnäsig geradeaus. Sie würdigte ihn keines Blickes.

Sie musste schon zusehen, wie sie aus dem Auto kam. Er würde ihr jedenfalls nicht die Tür öffnen. Sollte sie sich doch einen anderen Dummen suchen, dachte er.

Diesmal aber blieb sie stur sitzen. Er kannte das. Diese Frau konnte so beleidigt gucken, dass sich die halbe Stadt schuldig fühlte und der Rest aus Angst vor ihrer Wut floh. Er nicht! Er hatte die Faxen dicke.

Auf dem Dach des Carports landete eine fette Möwe, die mindestens so böse hinter Rupert herguckte wie seine Schwiegermutter. Die Möwe hatte etwas im Schnabel. Es sah aus wie eine Nürnberger Rostbratwurst.

Eine zweite Möwe näherte sich im Sturzflug. Die Tiere kämpften kreischend um die Beute.

Rupert stolzierte, ohne sich nach ihnen umzudrehen, zur Haustür. Beate öffnete, bevor er den Schlüssel im Schloss hatte. Sie trug einen Sari in Regenbogenfarben und war barfuß. Die frisch gewaschenen Haare umflatterten ihr Gesicht.

Rupert schloss die Augen und spitzte die Lippen, Er erwartete einen Kuss.

Stattdessen sagte Beate streng: »Was ist denn mit Mutter?«

Rupert öffnete enttäuscht die Augen. »Na, was wohl? Die Gräfin erwartet, dass ihre Hofschranzen herbeieilen und die Kutsche öffnen.«

Beate hinderte ihn bewusst daran, die Wohnung zu betreten. Er versuchte, mit einem Schritt seitlich an ihr vorbei ins Haus zu huschen, doch sie war schneller und versperrte ihm den Weg.

»Meinetwegen kann sie darin sitzen bleiben, bis sie grün und schwarz wird. Ich bin nicht ihr Scheiß-Butler.«

Beate wollte hin. Rupert hielt sie auf.

»Bitte. Sie ist meine Mutter!«

»Ja, aber sie ist nicht behindert. Sie kann alleine aussteigen.«

In dem Moment kreischte die alte Dame los. Ihr Schreien war so herzzerreißend, dass Rupert und Beate gleichzeitig losstürmten.

Rupert kannte Zornes- und Wutausbrüche seiner Schwiegermutter zur Genüge. Sie war für ihn eine Art spießiger, cholerischer Racheengel. Sie konnte verdammt laut und unangenehm werden. Sie hatte ihn oft angebrüllt. Doch jetzt schrie sie anders. Da klang etwas mit, das er von ihr nicht kannte: Angst.

Etwas dickflüssiges Rotes rann zwischen den toten Insekten über die Windschutzscheibe. Inzwischen stritten sich drei Möwen auf dem Autodach und dem Kühler mit heftigen Flügelschlägen. Federn flogen durch die Luft.