Our darkest Lies - Sara Rivers - E-Book

Our darkest Lies E-Book

Sara Rivers

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Beschreibung

Starke Gefühle. Eine zwielichtige Heldin. Zwei Männer, die sie begehren. Eine New-Adult-Dark-Romance der SPIEGEL-Bestsellerautorin  GÜNSTIGER EINFÜHRUNGSPREIS. NUR FÜR KURZE ZEIT! Starke Gefühle. Eine zwielichtige Heldin. Zwei Männer, die sie begehren. Eine New-Adult-Dark-Romance der SPIEGEL-Bestsellerautorin »Man erzählt sich Geschichten über dich, Cheryl Baker. Eine davon besagt, dass du auf Nervenkitzel stehst.« Die junge Studentin Cheryl Baker führt ein gefährliches Doppelleben. Sie wird in die einflussreichen Kreise der Styx eingeladen, einer geheimen Gesellschaft, die Bostons Untergrund bereits seit Jahrzehnten beherrscht. Cheryl soll aufgrund ihrer Talente als allererste Frau seit Gründung der Bruderschaft in ihre Reihen aufgenommen werden und muss dafür eine gefährliche Aufnahmeprüfung bestehen. Dabei gerät sie in einen dunklen Strudel aus Kriminalität, Geheimnissen und der Anziehung zu gleich zwei Männern: dem unnahbaren, attraktiven Kyrill und ihrer ersten großen Liebe Colson. Doch kann sie ihr Netz aus Lügen um die skrupellosen Styx-Mitglieder weben, ohne dabei ihr Herz an sie zu verlieren?

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EPUB

Veröffentlichungsjahr: 2025

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© everlove, ein Imprint der Piper Verlag GmbH 2025

Redaktion: Astrid Töpfner

Konvertierung auf Grundlage eines CSS-Layouts von digital publishing competence (München) mit abavo vlow (Buchloe)

Covergestaltung: ZERO Werbeagentur, München

Covermotiv: Bilder unter Lizenzierung von Shutterstock.com genutzt

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Inhalt

Inhaltsübersicht

Cover & Impressum

Widmung

Prolog

monsters fear what they can’t break

Teil 1

Der erste Faden

Kapitel 1

Cheryl

Kapitel 2

Cheryl

Kapitel 3

Cheryl

Kapitel 4

Cheryl

Kapitel 5

Cheryl

Kapitel 6

Colson

Kapitel 7

Kyrill

Kapitel 8

Cheryl

Kapitel 9

Cheryl

Kapitel 10

Cheryl

Kapitel 11

Cheryl

Kapitel 12

Cheryl

Kapitel 13

Cheryl

Kapitel 14

Cheryl

Teil 2

Tanz der Fäden

Kapitel 15

Cheryl

Kapitel 16

Cheryl

Kapitel 17

Colson

Kapitel 18

Cheryl

Kapitel 19

Colson

Kapitel 20

Cheryl

Kapitel 21

Cheryl

Kapitel 22

Cheryl

Kapitel 23

Kyrill

Kapitel 24

Cheryl

Kapitel 25

Cheryl

Kapitel 26

Colson

Kapitel 27

Cheryl

Teil 3

Im Herzen des Netzes

Kapitel 28

Cheryl

Kapitel 29

Colson

Kapitel 30

Cherry

Kapitel 31

Cheryl

Kapitel 32

Kyrill

Kapitel 33

Colson

Kapitel 34

Cheryl

Kapitel 35

Cheryl

Kapitel 36

Colson

Kapitel 37

Cheryl

Kapitel 38

Kyrill

Kapitel 39

Cheryl

Kapitel 40

Cheryl

Kapitel 41

Kyrill

Kapitel 42

Cheryl

Kapitel 43

Cheryl

Kapitel 44

Kyrill

Teil 4

Der tödliche Biss

Kapitel 45

Cheryl

Kapitel 46

Cheryl

Kapitel 47

Cheryl

Kapitel 48

Cheryl

Kapitel 49

Cheryl

Kapitel 50

Colson

Kapitel 51

Cheryl

Kapitel 52

Cheryl

Kapitel 53

Cheryl

Kapitel 54

Colson

Kapitel 55

Cheryl

Kapitel 56

Kyrill

Kapitel 57

Cheryl

Kapitel 58

Cheryl

Content Note

Buchnavigation

Inhaltsübersicht

Cover

Textanfang

Impressum

Widmung

Die Menschheit wob ihre Lügen um dasgebrochene Herz eines unschuldigen Mädchens, ohne zu merken, dass sie dabei die Wahrheit tief in seine Risse pflanzte.

Jetzt muss sie mit der Ernte leben.

Prolog

monsters fear what they can’t break

Sieben Tage wurde mein Körper an seine Grenzen getrieben, sieben Tage wurde mein Verstand gefickt, nur, damit sie mir jetzt in sieben Minuten den Gnadenstoß verpassen.

Die Panik kriecht in meine Kehle, wird mächtiger mit jedem Schritt ins Ungewisse. Ich kenne mich in diesen Tunneln nicht aus, weiß nicht, wie tief sie führen, wohin sie mich leiten, aber ich muss mich entscheiden.

Jetzt.

Weil Aufgeben keine Option ist, schließe ich die Augen und sammle meine verbliebene Energie, wecke meinen Kampfgeist, der heute Abend zerbrechen wollte, und renne los. Dieses Mal schneller. Es ist mir egal, dass ich auf Glasscherben trete, die knackend unter meinen Füßen zerbrechen. Es ist mir egal, dass Dreck in meine Wunden kriecht.

Ich werde dieses Spiel gewinnen.

Und sie werden es hassen, gegen mich zu verlieren.

Es dauert eine gefühlte Ewigkeit, bis das grelle Licht in den Tunneln wieder angeht. Dort, wo sich bis eben nur Schwärze und Ungewissheit um mich gelegt haben, steht jetzt Colson. Mitten im Gang, direkt vor mir, und sieht mich an wie ein Jäger seine nächste Beute. Ein Rinnsal Blut fließt aus der Wunde, die ich ihm verpasst habe, aber sie scheint ihm rein gar nichts auszumachen. Stattdessen wirkt sein Blick noch entschlossener, als er auf mich zutritt.

»Du hast dich für den falschen Weg entschieden, Cherry«, raunt er, kurz bevor das Licht erneut stirbt.

Keuchend drehe ich um, renne in die entgegengesetzte Richtung, aber auch hier wird mir der Weg versperrt. Kyrill befindet sich vor, Colson hinter mir. Ihre Nähe vernebelt mir die Sinne, kriecht in mich und sorgt dafür, dass ich vergesse, was ich hier eigentlich tue. Wie ich in diese Sackgasse geraten konnte, obwohl doch ich diejenige sein wollte, die die Fäden spinnt. Die ihre Opfer in ihr Netz lockt und erbarmungslos zuschnappt, wenn der richtige Zeitpunkt gekommen ist. Aber das ist das Problem, wenn du dich auf Monster einlässt, die deinem eigenen so ähnlich sind: Die Schlacht wird blutig.

Als das Licht das nächste Mal angeht, sehe ich geradewegs in Kyrills Augen. Kaltes Nachtblau schimmert in ihnen, während er einen bedrohlichen Schritt auf mich zukommt. In seiner rechten Hand befindet sich eine Glock, und auch wenn ich nicht glaube, dass er mich töten würde, weiß ich, dass er bereit ist, mir damit wehzutun. Weil sie testen wollen, wie viel Gewalt es braucht, ehe ich einknicke.

»Du blutest ja«, murmelt er zufrieden und seine Lippen streifen dabei meine geschundenen Hände, während der kalte Lauf der Waffe meine Rippen nachzeichnet. »Willst du etwa schon aufgeben?«

Mein Atem geht schneller, mein Magen verkrampft sich. Jedoch nicht länger vor Angst, sondern vor … Erregung? Weil ich zwischen den beiden Männern eingekesselt bin, die mich seit Wochen nachts in meinen Träumen heimsuchen, die meine Gedanken bevölkern und meine Gefühle sezieren, um mich an den Stellen zu treffen, die am meisten wehtun. Die Wunden, die niemals heilen werden, egal, wie gut ich mich auch um sie kümmere, wie gut ich sie verstecke. Es ist, als hätten sie eine Landkarte, die sie ohne Umwege zu meiner Schwachstelle führt. Und diese Schwachstelle ist meine Faszination für sie.

»Hast du es immer noch nicht verstanden?«, wispere ich. »Ich gebe niemals auf, Arschloch!«

Dann bricht wieder die Dunkelheit über uns ein und ich nutze den Augenblick, um Kyrill mit einem Griff die Glock zu entreißen. Ihn zu entwaffnen ist viel zu einfach, und ich frage mich, ob er es mir absichtlich leicht machen will oder Colsons Training langsam Früchte trägt.

Keuchend taumle ich zurück, direkt in Colsons Arme, und richte den Lauf der Waffe ins Schwarz vor mir, dorthin, wo ich Kyrill vermute. Colson packt mich, zieht mich an sich, lässt mich nicht entkommen, wird zu meinem Gefängnis aus Muskeln und Tinte.

Überall sind sie, sie, sie.

Und dazwischen ich.

Bewaffnet und mit Schmetterlingen im Bauch, die niemals hätten schlüpfen dürfen und dennoch wild mit ihren schwarzen Flügeln schlagen. Bis eben wusste ich nicht, wovor ich eigentlich fliehe, aber jetzt wird es mir klar. Ich fühle es. Ich fliehe vor meiner eigenen Lust, vor diesem tiefen Abgrund in mir, den ich in meinem ganzen Leben nie derart intensiv wahrgenommen habe wie in diesem Augenblick.

Mein Sturz, er wird allumfassend sein.

Er wird mich zerschmettern.

Und am Ende, wenn ich am Boden zwischen diesen beiden Männern aufschlage, könnte er mich töten.

»Würdest du ihn erschießen, Cherry?«, fragt Colson dicht hinter mir, seine Hände auf meinen Hüften, seine Stimme so nah an meinem Ohr, dass es mich an unsere Verbundenheit auf der Gala erinnert. »Würdest du sein Leben nehmen, um deines zu retten?«

»Ich würde keine Sekunde zögern«, knurre ich und lege meinen Finger provokant an den Abzug. Kyrills Antwort besteht aus einem tiefen Lachen, das heißkalt über meine Wirbelsäule rieselt.

»Glaubst du diesen Bullshit wirklich?«, will Kyrill wissen, und als er noch einen Schritt auf mich zukommt, drückt sich seine Brust gegen den Lauf der Glock. »Denn ich glaube, dass da Gefühle in dir entstanden sind, denen du nicht gewachsen bist.«

Sie spielen mit mir, ziehen Fäden wie Puppenspieler, behandeln mich wie ihre kleine Marionette. Genau wie meine Mutter es dreizehn Jahre lang getan hat. Dieses Mal bleibt das Licht aus, und ich höre eine Uhr in mir ticken, eine Uhr, die sagt, dass meine Zeit gleich abgelaufen ist.

Colson fixiert mich von hinten mit seinem Griff, während ich meinen Finger noch fester um den Abzug lege. Ich reize den Spielraum der Waffe aus, taste mich vor, nur um in letzter Sekunde meinen Arm nach rechts zu reißen und einen Schuss abzufeuern. Die Kugel verliert sich in der Dunkelheit des Tunnels, während ich mich aus Colsons Griff befreie und lossprinte.

Das Wissen darüber, für wenige Augenblicke Kyrills Leben in meiner Hand gehalten zu haben, beflügelt mich, lässt mich noch schneller rennen. Ein Grinsen kündigt sich auf meinen Lippen an, als ich etwas später endlich ein Licht am Ende des Tunnels sehe. Flackernde goldgelbe Flammen, die gruselige Muster an die unterirdischen Wände malen und regelrecht meinen Namen schreien.

Diese Flammen, sie müssen das Ziel sein, und ich werde es erreichen, bevor sie mich erreichen können. Und dann? Dann werde ich dieses verdammte Spiel ein für alle Mal umdrehen. Ich werde meine Opfer erst in mein Bett locken, um ihnen im Anschluss den tödlichen Biss zu verpassen.

Für sie werde ich zur Schwarzen Witwe.

Teil 1

Der erste Faden

Kapitel 1

Cheryl

Einige Wochen zuvorHauptquartier der Bulls

»Ich sage die Wahrheit, wirklich!«

Schon seit fünfzehn Minuten höre ich mir diese Leier an und langsam wird mir langweilig. Mein Daumen streicht über die frisch geschärfte Klinge meines Butterflys. Wenn der Kerl nicht bald aufhört, mir die Ohren vollzuheulen, muss ich ihm wohl oder übel die Zunge herausschneiden. Gedankenversunken fahre ich mit der Spitze über die Lebenslinie in meiner Hand, dann klappe ich mein Messer zu, schiebe es in die Seite meines Stiefels und stoße mich von der verschlossenen Tür des Kellers ab.

Die Zielperson liegt in der Mitte auf unserem Gästebett – einer unbequemen Pritsche aus Holz – und beginnt unruhig auf ihr hin und her zu rutschen, je näher ich komme. Der Typ hat Angst vor mir, und für diesen Status musste ich mir in den letzten Jahren mehr als einmal die Hände dreckig machen. Ich habe mir diesen Respekt hart erarbeitet, also koste ich ihn auch bis auf den letzten Tropfen aus. Ob die Tropfen aus Blut oder Tränen bestehen, spielt dabei keine Rolle.

»Ich schwöre, ich habe nichts getan, Alter!«, stößt er hektisch aus.

»Erstens, mein Süßer …« Sekunden später habe ich mich rittlings auf ihn gesetzt, woraufhin er die blutunterlaufenen Augen weitet und den Atem anhält. »… sollte man so wirklich nicht mit einer Lady sprechen, findest du nicht?«

Provokant beuge ich mich über ihn, um ihm einen Blick in meinen Ausschnitt zu gewähren, der sich heute wirklich sehen lassen kann. Dieses weiße Kleidchen lässt mich wie einen Engel aussehen, aber gleich wird er kapieren, dass in meiner Seele der personifizierte Teufel sein Unwesen treibt. Der Wurm macht sich jetzt schon ins Hemd, und dabei haben wir doch gerade erst angefangen, miteinander zu spielen. Da soll mir noch mal jemand sagen, dass Frauen das schwache Geschlecht seien. Die Schwäche oder Stärke eines Menschen hat rein gar nichts mit der Verteilung seiner Chromosomen zu tun.

»Und zweitens: Hat dir deine Mama nicht beigebracht, dass es falsch ist, zu lügen?«

Für eine Millisekunde schiebt sich das Gesicht meiner Mutter in mein Sichtfeld, aber ich blinzle es so schnell wie möglich weg. Ich bin bei der Arbeit, also muss ich meinen Fokus wahren.

Mit dem Zeigefinger stupse ich gegen seine Nase, die an den Rändern ganz wund und verkrustet ist. Sicherlich zieht sich der Typ schon zum Frühstück die ersten Lines rein, was mir an sich nicht egaler sein könnte, solange er dafür nicht das Kokain benutzt, das er für die Bulls verticken sollte.

»Wir haben eine sehr strikte Drogenpolitik und die soll nicht durch eine Made wie dich untergraben werden, Jimmy. Ich wusste schon nach unserer ersten Begegnung, dass du nichts taugst. Wir hassen Lügner, und weißt du, was wir noch mehr hassen? Dass der Erlös von fünf Kilo Koks in der Kasse fehlt. Du verstehst also, wo unser kleines Problem liegt?«

Das Kokain ist von so guter Qualität, dass wir hier nicht nur von fünftausend Dollar reden, sondern von einer Summe im sechsstelligen Bereich und somit von mehr Kohle, als dieser Kerl je besessen hat. Geschweige denn besitzen wird.

»Hör zu …«

»Na, na, na«, unterbreche ich ihn und lege meinen Zeigefinger auf seine rissigen, von Pigmentflecken übersäten Lippen. »Mach dir gar nicht die Mühe, mich weiterhin anzulügen. Ich kann deine Unehrlichkeit riechen.«

Als ich mich ihm noch etwas nähere und mein Gesicht über seinem schwebt, schlägt mir sein fauliger Atem, gemischt mit einer Note ängstlichem Schweiß, entgegen.

»Wo sind die Drogen, Jimmy-Bimmy? Hast du sie selbst einbehalten, um deine armen Schleimhäute damit zu malträtieren? Versteckst du sie zu Hause unter dem Bettchen deiner Baby Born, mit der du jeden Abend vor dem Schlafengehen spielst?«

Er schluckt und bringt ein eiliges »Nein« hervor. Weil es mir Spaß macht, ein bisschen mit unseren Gästen zu spielen, presse ich mein Becken etwas fester auf seinen Schritt. Ich bin die Katze, er meine Maus, und meine Krallen sind schärfer denn je. Es dauert genau fünf Sekunden, bis sein Schwanz unter seiner schwarzen Jeans zu zucken beginnt, direkt an meinem dünnen, weißen String.

Ihm entflieht ein Stöhnen, das ein bisschen wie ein Würgen klingt, während ich mein Becken weiterhin auf ihm kreisen und ihn dabei nicht aus den Augen lasse. Blickkontakt ist mir noch nie schwergefallen, ganz im Gegensatz zu den meisten Menschen, denen ich in meinem Leben begegnet bin. Und dabei hat es etwas unfassbar Intimes an sich, tief in die Augen eines anderen Lebewesens zu schauen.

»O-okay, w-wow«, stottert er überrumpelt. Seine Pupillen haben sich im Licht der grellen Glühbirne über uns zu schwarzen Stecknadelköpfen zusammengezogen. »M-man erzählt sich in unseren K-Kreisen viel über d-dich. Du bist echt ein besonderes M-Mädchen, was?«

Innerhalb von Sekunden erstarre ich zu Eis, an dem sich dieser Typ gleich die Kehle aufschlitzen wird, wenn er noch ein falsches Wort von sich gibt. Mein Blut beginnt in meinen Ohren zu rauschen. Es ist nur eine hohle Phrase, aber sie sorgt dafür, dass in mir ein absoluter Alarmzustand ausbricht. Als hätte Jimmy einen Knopf in meinem toten Herzen gedrückt, den ich jahrelang vorsorglich zugemauert hatte.

Ganz intuitiv finden meine Finger den Weg zu meinem rechten Stiefel, dann entfaltet sich der rabenschwarze Schmetterling in meiner Hand.

Er ist bereit, zu fliegen.

Direkt in dein Fleisch hinein.

»Das waren die letzten Worte meiner Mutter, bevor sie mich wie einen Hund in der Gosse zurückgelassen hat. Und weißt du, Jimmy, ausnahmsweise hat sie die Wahrheit gesagt. Ich bin wirklich besonders.«

Nach diesem kleinen Exkurs in meine Vergangenheit ramme ich ihm die Klinge seitlich in die Leiste, wohl darauf bedacht, nicht seine Harnblase zu perforieren. Er soll nicht sterben, er soll nur lernen, dass ich diejenige bin, die die Spielregeln aufstellt.

Kapitel 2

Cheryl

»Und? Hast du jetzt Schmetterlinge im Bauch, Jimmy?«

Sein Ächzen ist wie Musik in meinen Ohren, als die Klinge noch etwas tiefer in sein Fleisch eindringt und das Blut warm aus der frischen Wunde sickert.

»Fuck, spinnst du jetzt völlig? Ich habe dir die Wahrheit gesagt! Ich habe keine Ahnung, w-wo die verdammten Drogen sind, sie w-wurden mir geklaut! Ich schwöre! Scheiße, tut das weh!«

»Bullshit«, knurre ich. Vor der Kellertür höre ich entschlossene Schritte. Ich forme meine Finger zu einer Pistole und tippe mir damit gegen das Ohrläppchen. »Oh, oh. Dein Geschrei hat wohl den Boss angelockt. Jetzt gibt es Ärger im Paradies und dabei hatten wir doch gerade so viel Spaß zusammen.«

Kane reißt die Tür auf, und als sein Blick auf uns fällt, huscht erst Zorn, dann Belustigung über seine sonst so steinharte Miene. Wie ich hier leicht bekleidet auf Jimmy hocke und er sich unter mir vor Schmerz windet, muss ein witziges Bild abgeben.

»Will ich wissen, wieso dein geliebtes Messer in ihm steckt? Du solltest doch nur deine Geheimwaffe anwenden.«

»Er hat einen wunden Punkt in mir getroffen.«

Den wundesten Punkt, den ich je hatte.

Das Geräusch, das entsteht, als ich das Messer aus seinem Fleisch ziehe, ist befriedigend und widerwärtig zugleich. Leichtfüßig springe ich von Jimmy hinunter und wische die Klinge des Messers am weißen Stoff meines Kleides ab. Ich hätte ahnen können, dass dieses Verhör blutig endet, aber ich liebe meine helle Kleidung zu sehr, um sie aus praktischen Gründen gegen dunkle Klamotten einzutauschen. Dann schiebe ich mein Butterfly zurück in meinen Stiefel.

»Gute Nachrichten: Unser Jimmy hier hat die Drogen nicht im Alleingang verscherbelt, um uns hinterrücks die Kunden zu stehlen.«

»Okay.« Kane verschränkt die breiten Arme vor der Brust, wobei die protzigen Muskeln unter seinem marineblauen Shirt zucken, und wartet auf mehr Informationen. »Was hat er sonst damit gemacht?«

»Sich selbst durchs Näschen gezogen.«

»Das stimmt gar nicht! Fuck!« Jimmy windet sich, aber da er an die Liege gefesselt ist, kann er nicht aufspringen. Sein Blut tropft mittlerweile auf den Betonboden des Kellers, gesellt sich zu den alten rostroten Flecken seiner Vorgänger.

Ich will gar nicht wissen, wie viele Menschen hier unten schon ihr Leben lassen mussten. Der Unterschlupf der Bulls ist bis in den letzten Winkel von Blut durchtränkt. Seit zwei Jahren bin ich ein Teil von ihnen, auch wenn ich mich immer als selbstständig bezeichne. Unter der Führung eines anderen Menschen zu arbeiten, liegt mir ebenso wenig wie ein langweiliger Nine-to-five-Job. Ich bin hier das Mädchen für alles, lösche Brände an allen Ecken. Und davon gibt es in Bostons Untergrund viele.

»Der Knilch soll sich einfach mal so hunderttausend Dollar durch die Nase gezogen haben?«

Mit federnden Schritten bin ich bei Kane angelangt. »Natürlich hat er sich nicht alles durchs Näschen gezogen. Der Rest befindet sich noch in seiner Wohnung.«

»Das hat er dir einfach so gesagt?« Fragend hebt er eine Braue.

»Habe ich nicht!«, krächzt Jimmy noch immer unter höllischen Schmerzen.

»Das musste er mir nicht sagen. Du weißt doch, dass ich Gedanken lesen kann.« Quasi. Schon als kleines Mädchen fiel es mir unsagbar leicht, die Lügen meiner Mitmenschen zu entlarven. Das, was ich heute als Segen bezeichnen würde, weil es mich davor bewahrt, den falschen Menschen mein Vertrauen zu schenken, war früher ein Fluch. Denn als Mom in jener Nacht sagte, dass sie zu mir zurückkommen wird, habe ich die Lüge in ihren Tränen glitzern sehen. Und sie trotzdem gehen lassen.

»Verrätst du mir irgendwann deine kleinen Tricks?« Kanes Schmunzeln ist ansteckend. Er ist ein gut aussehender Mann Anfang fünfzig mit dunkelblauen Augen und einem heißen Dreitagebart, dem ziemlich viele Frauen zu Füßen liegen. Aber zwischen uns war es nie so. Ich sehe ihn nicht auf diese Weise und er hat auch noch nie probiert, bei mir zu landen. Seine Leiste dankt es ihm.

»Ein Magier verrät auch nie seine Tricks.« Ein Zwinkern unterstreicht meine Worte. Jimmy war leicht zu knacken, und dabei hatte ich mir schon erhofft, dass es ein wenig schwieriger werden würde, seine Lügen zu durchschauen. Ich liebe gute Herausforderungen und unser Jimmy hier war vom Schwierigkeitsgrad Typ Grundschulhausaufgabe. Als ich ihn fragte, ob er das Zeug für seinen Eigengebrauch zu Hause bunkert, hat er zwar laut »Nein« geschrien, aber seine Gestik hat seiner Antwort widersprochen. Anstatt den Kopf zu schütteln hat er genickt. Sehr subtil, kaum sichtbar, aber ich habe es wahrgenommen. Selbst den besten Lügnern verrutscht manchmal die Maske, und Jimmy war grottenschlecht darin, seine überhaupt aufzusetzen.

»Du solltest ein paar Leute in seine Bude in Roxbury schicken, um den Stoff zu holen. Auch wenn seine Nase wie die von Rudolph The Red Nosed Reindeer leuchtet, müsste das meiste noch da sein.«

Wieder lächelt Kane, weil er meinen Humor schon immer erfrischend fand. Mein Blick wandert zu Jimmy, der dank des Blutverlusts schon ganz bleich im Gesicht geworden ist. Die Lache unter der Pritsche wird von Sekunde zu Sekunde größer, und wenn nicht bald jemand nach ihm sieht, steht es kritisch um ihn.

»Der Typ hat den Tod nicht verdient, aber er hatte es verdient, dass man ihm eine kleine Abreibung verpasst. Was hiermit erledigt ist.« Mit erhobenem Kinn gehe ich an Kane vorbei und öffne die schwere Kellertür. Staub wirbelt auf und kitzelt in meiner Nase.

»Wohin willst du, Cheryl? Es gibt da noch ein paar Dinge, die du heute Nacht für mich erledigen musst.«

Jetzt drehe ich mich doch zu ihm um. »Geht nicht. Eine Freundin aus der Uni feiert, dass sie ihre letzte Prüfung bestanden hat, und um nichts in der Welt verpasse ich Gratisalkohol, gepaart mit einem Blick über unsere schlafende Scheißstadt. Zieh es mir von den Überstunden ab.«

Kane verengt die Augen, sieht mich an wie ein Vater, der gleich seine Tochter maßregeln will. Hat er immer noch nicht verstanden, dass so niemand mit mir umgeht? Die Zeit, in der ich mir mein Leben habe vorschreiben lassen, hat vor zehn Jahren in der Gosse dieser Stadt ein jähes Ende genommen. Als ich realisiert habe, dass meine Mutter nicht wiederkommen wird.

»Was mache ich nur mit dir, Baker?«

»Da das Geld vom Koks doch nicht ganz verloren ist, könntest du mir eine kleine Gehaltserhöhung verpassen«, schlage ich ihm vor und schenke ihm mein süßestes Lächeln. Eines, das ich in den letzten zehn Jahren perfektioniert habe, um mein Image als braves Mädchen wenigstens tagsüber am Bunker Hill Community College wahren zu können. Es ist ein Drahtseilakt, meine beiden Leben unter einen Hut zu bekommen, aber ich war schon immer eine Überlebenskünstlerin. Es gibt wohl doch Dinge, für die ich meiner Mutter dankbar sein kann.

Ein tiefes Knurren entwischt Kane, das mir keine Angst macht. Wenn man wie ich erst in einer beschissenen Pflegefamilie und anschließend jahrelang auf der Straße gelebt hat, wird Angst irgendwann zu deinem besten Freund. Eines Tages habe ich sie nicht mehr gespürt. Vielleicht ist das so, wenn alles, was einem bedeutungsvoll erschien, plötzlich fort ist. Wenn die Frau, die dich unter Schmerzen aus ihrem Leib gepresst und in diese düstere Welt gesetzt hat, für immer im Nebel deiner Erinnerungen verschwunden ist.

»Nun mach schon, dass du auf diese Party verschwindest. Und zieh dich vorher um. Du siehst aus, als hättest du gerade deine erste Periode bekommen.«

Sein Blick klebt an meinem Schritt, meiner folgt ihm. Kane hat recht. Mein schneeweißes Kleid, das mir bis zur Mitte meiner Oberschenkel reicht, ist genau auf Höhe meines Schambeins von Blutflecken übersät. Irgendwie kunstvoll.

»Erstens: Ich trage meine Periode mit Stolz, weil sie meine Schöpferkraft symbolisiert. Und zweitens …« Ich zupfe an dem leichten Stoff, der meine trainierten Beine umspielt. »Rot steht mir, findest du nicht?«

Kapitel 3

Cheryl

Der Boston Apex wurde erst vor einem Jahr fertiggestellt und ragt seitdem wie ein Turm aus Glas in den rabenschwarzen Himmel, den Sternen entgegen, die man über Boston fast nie zu Gesicht bekommt.

Ich hasse es, mir von anderen Menschen sagen zu lassen, was ich anzuziehen habe, weshalb ich am liebsten wirklich mein weißes Kleid für die Party anbehalten hätte. Letztlich habe ich mich doch dagegen entschieden. Nicht, weil Kane es mir befohlen hat, sondern weil in diesem monströsen Wolkenkratzer keine wilde Untergrundparty stattfindet, sondern Izzy, meine Mitstudentin im Pre-Forensic-Programm, ihre bestandene Prüfung feiern will.

Ihre Spürnase hätte innerhalb von Sekunden erkannt, dass die roten Flecken auf dem weißen Stoff von Blut stammen, und dieses Risiko kann ich nicht eingehen, auch wenn es mich wirklich gereizt hätte.

Ich führe das Leben zweier völlig unterschiedlicher Frauen. Während mein wahres Ich zu einer Party lediglich sein Messer und böse Gedanken als Gastgeschenk mitbringen würde, hat sich mein braves Ich für eine Flasche Billigschampus und Pralinen von der Tankstelle entschieden. Mit beidem bewaffnet stehe ich jetzt in diesem architektonischen Glaspenis und nehme den Aufzug in die oberste Etage.

Izzy kommt aus einer sehr wohlhabenden Familie, weshalb ich sie schon an unserem ersten gemeinsamen Unitag gefragt habe, wieso sie ausgerechnet an einem Community College Vorkurse absolviert, statt direkt an eine Elite-Uni zu gehen. Reiche Schnösel gehören für mich nach Harvard oder Stanford, aber Izzy hat darauf bestanden, ihren eigenen Weg zu gehen, und zwar ohne eine regelmäßige Finanzspritze ihrer Eltern. Mir soll es recht sein, denn ich mag sie wirklich gern. Und manchmal, ganz selten, stelle ich mir die Frage, ob sie mich auch noch mögen würde, wenn sie wüsste, in welche Frau ich mich verwandle, wenn die Nacht über Boston hereinbricht. Wenn ich ihr sagen würde, dass ich ganz genau weiß, wie sehr sie diesen ganzen Prunk und den Reichtum hasst, in den sie geboren wurde. Das Gold in Izzys Augen verrät ihre Sehnsucht nach ein bisschen Nervenkitzel jeden Tag, und wer könnte sie besser in diese Welt entführen als ich?

Im Fahrstuhl werfe ich einen letzten Blick in den Spiegel, um zu prüfen, ob beim Duschen auch der letzte Fleck Finsternis von mir gespült wurde. Meine erdbeerblonden Locken trage ich geglättet, sodass sie mir bis zum Bauchnabel reichen, der von einer schneeweißen Bluse verdeckt ist. Dazu habe ich mich für eine cremefarbene Jeans und braune Stiefel entschieden, die den Braves-Mädchen-Look komplettieren. Niemand würde auch nur im Traum daran denken, dass ich vor einer Stunde noch breitbeinig auf Jimmy gesessen, meine Mitte an seinem Schritt gerieben und ihm anschließend mein Messer in die Leiste gerammt habe.

Der Fahrstuhl kommt geschmeidig zum Stehen, und mit dem Öffnen der Türen lasse ich mein wahres Ich im Aufzug zurück.

Sobald ich Izzys Apartment in der obersten Etage betrete, kommt sie mir auch schon freudestrahlend entgegen.

»Du hast es ja echt noch geschafft, Honey!« Wild reißt sie mich in ihre Arme, als hätten wir uns nicht erst heute Vormittag in der Toxikologie-Vorlesung gesehen.

»Dachtest du, ich würde mir deine Party entgehen lassen? Geschweige denn diese Bude?« Mein Blick schweift über den Luxus, der allein im Eingangsbereich herrscht und mir sauer aufstößt. Überall hängen sicher arschteure Gemälde, stehen kunstvolle Dekorationen, und der Boden besteht aus schwarzem Marmor. Damit erinnert er mich leider viel zu sehr an das Casino, in dem ich meine Mutter ans Geld verloren habe.

»Mi casa es tu casa«, sagt sie halb beschämt. Scheinbar hält sie es dann doch nicht ganz ohne finanzielle Hilfe ihrer Eltern aus, denn dieses Apartment schreit nach Luxus. »Fühl dich wie zu Hause.«

Ich sage ihr nicht, dass ich mich in diesem Luxus niemals zu Hause fühlen könnte.

»Glückwunsch zur bestandenen Prüfung. Ich wusste, dass du es rocken wirst!«

»Mir ging echt der Arsch auf Grundeis. Ich war mir zu hundert Prozent sicher, dass ich es nicht packe.«

»Lass mich raten: Du hast ein A bekommen?«

Sie zuckt unschuldig mit den Schultern. »Only God knows.« God ist ein Codewort für Dr. Godwin Montgomery, unseren Professor für Cyberkriminalität, der A: alles weiß, was es auf dieser Welt zu wissen gibt, und B: verflucht heiß ist. Izzy hat einen Crush auf God, seit er zum ersten Mal mit seiner sexy Dozentenstimme ihren Namen aufgerufen hat. Mehr als einmal hat sie versucht, ihn zu bezirzen, aber God wahrt bisher seine Professionalität und dafür zolle ich ihm eine Menge Respekt. Mit ihren seidenschwarzen Wellen, den vollen herzförmigen Lippen und den riesigen Kulleraugen würde selbst ich sie nicht von der Bettkante stoßen.

»Du weißt schon, dass niemand solche Leute leiden kann, oder? Leute, die sich die ganze Zeit über ihre schlechte Leistung beschweren und dann Bestnoten bekommen?«, necke ich sie, woraufhin Izzy mir ihre Zunge zeigt.

»Schon klar, Honey. Als wärst du von einem anderen Kaliber.« Sie reißt mir den Schampus aus der Hand und hält ihn wie eine Trophäe in die Höhe. »Und jetzt lass uns endlich anstoßen. Ich bin für diese Uhrzeit definitiv noch zu nüchtern.«

Gemeinsam stürzen wir uns in die Menge. Wie viele Leute hat Izzy bitte eingeladen? Ein paar Gesichter kenne ich aus unseren Kursen, der Rest ist mir vollkommen fremd. Nach vier Tequila-Runden ist mein Hirn in einen angenehmen Nebel getaucht, und es wird mir von Sekunde zu Sekunde egaler, ob jemand in diesem todschicken Apartment mein wahres Ich durchblitzen sehen könnte. Ganz egal wird es mir jedoch nie sein.

Vor der gigantischen Fensterfront, die einem den perfekten Blick über Boston bei Nacht beschert, hat Izzy eine kleine Tanzfläche errichtet, auf der ich jetzt stehe und mit zwei Typen flirte, die Typ Golden Retriever sind und somit gar nicht in mein Beuteschema passen. Ich stehe auf die bösen Jungs, weil nur sie mir geben können, was ich wirklich will: eine Herausforderung. Nichts liebe ich mehr, als vermeintlichen Bad Boys zu zeigen, dass sie im Vergleich zu mir immer noch handzahme Bunnys sind.

Als mein Handy in der Hosentasche vibriert, fische ich es heraus und finde eine Nachricht von einem ebensolchen Bunny vor. Sean. An sich ist es nicht ungewöhnlich, dass er mir nach Mitternacht schreibt, was jedoch ungewöhnlich ist, ist der Inhalt seiner Nachricht.

Bist du schon auf der Party deiner Freundin? Ich hab einen Zugang zum Dach gefunden und hätte Lust, es mit dir einzuweihen.

What. The. Fuck?

Ja, Sean und ich schlafen hin und wieder miteinander, und ja, ich habe sicher nichts gegen einen Fick mit Blick auf die Stadt einzuwenden, was mich schockiert, ist die Tatsache, dass Sean hier ist. Wir vögeln alle paar Wochen in seinem dreckigen Mustang, seit ich ihn in einer Bar kennengelernt habe, in der ich einen Job für die Bulls erledigen musste. Ergo: Sean gehört nicht in mein braves Leben, er gehört gemeinsam mit mir auf die dunkle Seite der Stadt.

»Entschuldigt mich, Jungs. Ich muss mal kurz für kleine Prinzessinnen.«

Ich spüre förmlich, wie mir die Goldies mit ihren treuen braunen Augen hinterhersehen, während ich mich durch das Apartment schlängle und heimlich verschwinde. Ich muss Sean heute Nacht einen Korb geben und ihm eintrichtern, dass er nicht einfach hier aufkreuzen und meine Tarnung gefährden kann. Beim Verlassen des Fahrstuhls ist mir direkt die Leiter aufgefallen, die zum Dach führt. Ich klettere hinauf und stoße scheißwütend die Luke auf, bereit, ihm sämtliche Beleidigungen an den Kopf zu werfen, die ich kenne.

Frischer Nachtwind schlägt mir entgegen, sobald ich mich aufs Dach gekämpft habe und es erfolglos nach Sean scanne. Sekunden später werde ich unsanft von hinten gepackt.

»Shit, Sean. Du hast mich zu Tode erschreckt!« Ich winde mich in seinen Armen, die sich nicht nach seinen Armen anfühlen, weil sie viel zu trainiert sind. Sean ist körperlich eher Typ Salzstange, und diese Wucht, mit der er mich gerade festhält, passt nicht zu ihm. Eine Gänsehaut der besten Sorte wandert über meine Arme.

»Du wirst dir deinen Tod noch herbeisehnen, Cheryl Baker.«

Fuck, was?

Diese Stimme gehört nicht Sean. Diese Muskeln gehören nicht Sean. Dieser Duft nach viel zu teurem Parfüm gehört definitiv nicht Sean. Was mich zu der Frage bringt, wer, zur Hölle, mich gerade mitten in der Nacht auf dem Dach eines Wolkenkratzers überwältigen will.

Kapitel 4

Cheryl

Das einzig logische Gefühl in einer Situation wie meiner wäre wohl Angst. Das anfänglich ausgeschüttete Adrenalin in meinem Körper müsste langsam von Cortisol ersetzt werden, mein Herz müsste schneller schlagen und mein Blutdruck in die Höhe schießen, weil ich ganz offensichtlich in mächtigen Schwierigkeiten stecke. Meine Pupillen müssten sich weiten und die Zeit sich zähflüssig anfühlen.

Nichts davon passiert, weil ich schlicht und einfach keine Angst verspüre, selbst dann nicht, als mich der Typ über das Dach schleift.

Sein Griff in meinem Haar ist fest, und ich bin mir sicher, dass er mir mehr als eine Wurzel bei diesem Manöver herausreißt. Ich greife absichtlich nicht nach meinem Messer, weil ich es mir nicht zu leicht machen will.

Meine Mutter hat mir die Liebe zum Spielen in die Venen injiziert und das hat sich seit damals nicht geändert. Nur die Spiele sind jetzt andere, die Einsätze sind höher.

Meine Augen gewöhnen sich nur langsam an die Dunkelheit, und mir entflieht ein Ächzen, als meine Kniekehlen gegen etwas Hartes stoßen. Sekunden später sitze ich auf einem Stuhl mitten auf dem Scheißwolkenkratzer. Wie, zum Teufel, ist dieses Teil auf das Dach gekommen? In welchem schlechten Blockbuster bin ich gelandet?

Ich suche nach dem Gesicht meines Angreifers, doch bevor ich einen Blick auf ihn erhaschen kann, hat er meine Arme von hinten gepackt und blitzschnell den ersten mit einem rauen Seil an die Armlehne gefesselt. Noch immer trete ich nicht um mich, sage nichts, lasse den Typen einfach machen, was er mit mir vorhat. Sobald er auch meinen zweiten Arm befestigt hat, tritt er endlich um mich herum und sieht von oben auf mich herab.

Langsam lasse ich meinen Blick über ihn schweifen, angefangen bei den schwarzen Boots, über die dunkle Jeans, hoch zu dem Hoodie, der ebenfalls rabenschwarz ist. Damit ist der Wichser das genaue Gegenteil von mir in meiner hellen Kleidung. Wir sind konträr wie Tag und Nacht.

Wortlos geht er vor mir in die Hocke, reißt mein rechtes, dann mein linkes Bein grob nach vorn und fesselt beide an den Stuhlbeinen. Der Typ ist auf jeden Fall fingerfertig. Keine Ahnung, wann ich das letzte Mal jemanden gesehen habe, der so gut im Fesseln war wie er. Schade, dass er mir dieses Talent nicht auf nettere Weise präsentiert.

»Findest du es nicht unhöflich, dich nicht vorzustellen, bevor wir miteinander spielen?«, frage ich ihn mit zur Seite geneigtem Kopf. Zu gern würde ich sein ganzes Gesicht sehen, aber das schwarze Halstuch verdeckt seinen Mund und damit den wohl interessantesten Teil an ihm. An den Augen eines Menschen erkenne ich Lügner, aber es sind ihre Münder, die die Lügen überhaupt erst in die Welt tragen. Zu gern würde ich wissen, ob der Typ lächelt, während er das Seil noch etwas strammer zurrt und Schmerz durch meinen Knöchel zieht wie ein Blitz.

»Ausgerechnet das brennt dir am meisten unter den Nägeln? Die Frage nach meinem Namen?«

Herr im Himmel. Ich habe seine Stimme zwar gerade schon gehört, aber ich war zu abgelenkt von seinem Überraschungsangriff, um wirklich auf ihren Klang zu achten. Und der ist verflucht heiß. Eine nette Abwechslung zu der Kälte, die hier oben herrscht und mir wie ein Poltergeist im Nacken sitzt.

»Nicht die Frage, was ich mit dir vorhabe?«

Ich sehe von seinem Gesicht nur die Augen, und auch wenn es ziemlich dunkel hier oben ist, erkenne ich durch das Licht des gegenüberliegenden Prudential Tower, dass sie wirklich nett anzuschauen sind.

»Ich bin mir sicher, dass ich es ohnehin gleich erfahren werde.« Noch immer verspüre ich keinerlei Angst, und das scheint dem Typen in der Hacker-Kluft zu gefallen. An seiner rechten Hand befindet sich ein mattschwarzer Siegelring, aber ich kann das Muster darauf nicht erkennen.

»O Gott, Baby?«

Sean. Stimmt ja. Er war derjenige, der mich auf dieses Dach gelockt hat und dem ich eigentlich den Arsch dafür aufreißen wollte, ohne meine Erlaubnis in mein Braves-Mädchen-Leben eingedrungen zu sein. Links von mir tritt er aus dem Schatten. Er ist nicht allein. Hinter ihm steht ein weiterer Typ im Hoodie, der ihn am Kragen packt und seine Bewegungen kontrolliert wie ein Puppenspieler. Auch sein Gesicht ist zur Hälfte von schwarzem Stoff verhüllt. Langsam frage ich mich, in welchem Zirkus wir uns hier eigentlich befinden und wann diese trostlose Vorstellung endlich ihr Ende nimmt.

So aufregend dieses kleine Spiel anfangs auch gewesen sein mag, will ich jetzt wissen, was für eine Show das sein soll. Es wäre gewiss nicht das erste Mal, dass ich von irgendwelchen Feinden der Bulls überwältigt werde, um Kane im Anschluss eine Botschaft zu überbringen, aber das hier fühlt sich anders an. Hier geht es nicht um Kane, hier geht es um mich.

»Was soll der Scheiß, Sean?«, blaffe ich ihn an.

»Es tut mir leid, Baby. Ich wollte nicht, dass das passiert. Sie haben mir keine Wahl gelassen, und ich wusste nicht, was ich tun soll!« Der Typ neben ihm verpasst ihm mit der Knarre in seiner Hand einen Schlag gegen die Schläfe, woraufhin seine Beine einknicken. Bevor er zu Boden gehen kann, wird er schon wieder am Kragen seiner Jacke auf die Füße gezogen.

»Soll ich dir jetzt Taschentücher bringen?«, knurre ich in seine Richtung und erhalte dafür einen Pfiff von dem Kerl vor mir. »Freu dich nicht zu früh, Wichser, ihr seid auch noch dran. Was seid ihr für Clowns? Macht hier einen auf dicke Hose und traut euch nicht einmal, eure Gesichter zu zeigen?«

»Du hast echt ein loses Mundwerk für jemanden, der nur wenige Meter davon entfernt ist, als Blutlache auf dem Asphalt zu enden.«

Noch immer klingt der Arsch amüsiert, aber ich höre hinter seinem verdeckten Lächeln etwas ganz anderes heraus: Er ist angepisst. Gut so. Ich treibe ihn liebend gern in den Wahnsinn, das ist schließlich meine Königsdisziplin.

»Ich habe mich schon gefragt, wieso unser Boss so besessen von dir ist. Langsam dämmert es mir.«

»Euer Boss? Bei euch Möchtegern-Bösewichten kann das wohl nur Gargamel sein.«

Ich bin mir zu eintausend Prozent sicher, dass ich dem Typen vor mir noch nie begegnet bin, und dafür muss ich sein Gesicht nicht gesehen haben.

»Wir müssen anscheinend zu anderen Maßnahmen greifen, um dich zu zähmen.« Mit einem Satz ist er hinter mir und zerrt mich mitsamt Stuhl über das Dach. Sekunden später taucht er wieder vor mir auf, platziert seinen Fuß unter der Querstrebe zwischen den Stuhlbeinen und hebt das Teil – und somit mich – an. Mein Atem gerät kurz ins Stocken, als ich checke, was er mit mir vorhat. Ich muss mich nicht umdrehen, um zu sehen, dass es hinter mir zweihundert Meter in die Tiefe geht.

Kapitel 5

Cheryl

Der Stuhl steht nur noch auf den Hinterbeinen, während die Lehne über den Rand des Daches ragt und der Wind schärfer in meinen Nacken bläst. Er flüstert mir zu, dass mein Ende gekommen ist, aber es gibt ein Problem an der Sache: Ich bin eine Frau für Neuanfänge. Sie bestimmen mein Leben seit zehn Jahren, und ohne sie hätte ich es niemals in die Position geschafft, in der ich mich jetzt befinde. Mein Ende ist definitiv noch nicht gekommen.

Sean habe ich längst ausgeblendet, meine ganze Aufmerksamkeit liegt auf dem Mann vor mir, der gerade mit meinem Leben spielt, als wäre ich ein armer Bauer auf seinem Schachbrett. Er wird noch früh genug erfahren, dass ich mich nur mit der Rolle der Königin zufriedengebe.

»Können wir jetzt ein ordentliches Gespräch miteinander führen oder ist es dir lieber, wenn ich meinen Fuß wegziehe und die Schwerkraft ihren Job machen lasse?«

»Ehrlich gesagt, ist mir alles lieber als Small Talk mit dir.«

Ich kann sein Lachen nicht sehen, aber hören, und Hass beschreibt nicht ansatzweise meine Gefühlslage dazu. Wieso zeigt er mir sein Gesicht nicht endlich? Was soll dieses alberne Versteckspiel?

»Ich schätze, man bekommt das Mädchen aus der Gosse, aber die Gosse nicht aus dem Mädchen.«

Auch wenn ich mich mit Händen und Füßen dagegen wehre, dringt seine Beleidigung tief in mich ein. Was hat Sean ihnen alles über mich erzählt?

»Ich frage dich noch einmal«, hauche ich, jetzt doch minimal außer Atem, weil dieser Stuhl jeden Augenblick nach hinten kippen könnte. Der Tod zieht mich bereits nach unten und der freie Fall breitet seine Flügel für mich aus. »Wer seid ihr und was wollt ihr von mir?«

»Kein Grund, so kratzbürstig zu sein. Wir sind hier, um dir einen Job anzubieten.«

»Dann solltet ihr wirklich dringend am Konzept eurer Vorstellungsgespräche arbeiten. Ihr habt mir nicht einmal ein Glas Wasser angeboten. Und ein paar Kekse wären auch nicht schlecht, denn ich bin echt am Verhungern.«

Vielleicht bilde ich es mir nur ein, aber ich könnte schwören, dass dem Arschloch aus der zweiten Reihe ein tiefes Lachen entfährt.

»Willst du dir nicht wenigstens anhören, um welchen Job es sich handelt, bevor du eine Entscheidung triffst, die du später vielleicht bereust?«

»Wirke ich auf dich wie jemand, der seine Entscheidungen bereut? Außerdem wird euch die Made da drüben sicher gesagt haben, dass ich so nicht arbeite.«

»Ich erinnere mich. Du nennst dich selbstständig, richtig?«

»Hundert Punkte für Hufflepuff«, sage ich honigsüß.

Ihm entflieht ein überheblicher Laut. »Du bist der Fußabtreter für irgendwelche Junkies und Ex-Knackis. Mit deinen Talenten könntest du so viel mehr haben, ist dir das wirklich nicht bewusst?«

»Sind wir dann fertig? Mir wird nämlich echt langweilig.«

Im Hintergrund höre ich Sean wimmern. Leider ist sein Geheule wie ein ekelhafter Tinnitus. Nicht zu ignorieren und nur zu unterbinden, indem ich mir eine Kugel durch den Frontallappen jage.

»Ob wir fertig sind? Wir lernen uns doch gerade erst kennen, Little Stray.« Kleiner Streuner? Langsam zerrt der Typ etwas zu stark an meinem ohnehin sehr fest gespannten Geduldsfaden.

»Seltsamer Kosenamen und noch seltsameres erstes Date, findest du nicht? Normalerweise bringen mir die Typen Rosen und Pralinen mit.«

»Ich bin kein Typ für Dates. Und definitiv kein Typ für Rosen und Pralinen.«

Was du nicht sagst.

Er hebt meinen Stuhl noch etwas weiter an, sodass ich instinktiv die Augen schließe und mich auf den Fall vorbereite. Eher sterbe ich, als diesen Männern weiter eine Bühne für ihre kleine Show zu bieten.

»Vielleicht sollten wir ihrem Vater mal einen kleinen Besuch abstatten. Wie hieß er noch gleich?« Er scheint angestrengt nachzudenken. »Ah, Francis, richtig?«

»Wenn ihr ihm auch nur ein Haar krümmt, töte ich euch!«, fahre ich ihn an, und langsam setzt die Reaktion ein, die in meiner Lage angebracht ist: Panik. Wenn jemand Francis ins Spiel bringt, brennen bei mir die Sicherungen durch. Er ist zwar nicht wirklich mein Erzeuger, aber das, was einem Vater am nächsten kommt. Ohne ihn wäre ich vielleicht gar nicht mehr am Leben, weshalb ich alles dafür tue, so lange wie möglich für seines zu sorgen.

»Es tut mir so leid, Cheryl. Ich musste ihnen von Francis erzählen.« Sean klingt, als würde er jeden Augenblick in die Ohnmacht sinken. Von mir aus kann er das gerne überspringen und direkt ins Koma fallen, denn ich bin so was von durch mit ihm.

»Was sagst du? Sollen wir ihn mundtot machen, oder willst du es selbst erledigen? Dafür, dass er uns einen sehr ausführlichen Steckbrief von dir gegeben hat?«

Dieser mysteriöse Typ steht wie ein dunkler Berg aus Muskeln vor mir und nimmt mir somit die Sicht auf seinen stillen Komplizen, der Sean noch immer in der Mangel hat.