Ovid. 100 Seiten - Melanie Möller - E-Book

Ovid. 100 Seiten E-Book

Melanie Möller

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Beschreibung

Man kommt nicht um ihn herum. Welches Museum, welches Schloss wir auch betreten: irgendwo hängt immer ein Gemälde, das die Stoffe illustriert, denen er in seinen "Metamorphosen" die prägende Gestalt gegeben hat, ob es nun der Mythos von Daedalus und Ikarus ist oder die amourösen Abenteuer des alten Schwerenöters Jupiter. Generationen von Lateinschülern haben sich durch seine brillanten Hexameter gequält, nur um später – mit etwas mehr Begeisterung – seine Liebeslehren zu verschlingen.Dating-Coach, Frauenversteher, Geschichtenerzähler: Melanie Möller porträtiert den Dichter Ovid und verortet ihn in seiner Zeit. Sie stellt seine Werke vor und zeigt, wie sie später rezipiert wurden. Und sie versucht Antworten auf bis heute diskutierte Fragen, darunter: Hatte Ovid wirklich etwas mit der Affäre der Augustus-Enkelin Julia zu tun – und musste deshalb in die Verbannung gehen? Und hat er dort, im Exil am Schwarzen Meer, wirklich seine Zeit mit dem Schreiben von Lehrbüchern über das Angeln zugebracht?

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Seitenzahl: 116

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Melanie Möller

Ovid. 100 Seiten

Reclam

Für mehr Informationen zur 100-Seiten-Reihe:

www.reclam.de/100Seiten

 

2016 Philipp Reclam jun. GmbH & Co. KG, Siemensstraße 32, 71254 Ditzingen

Covergestaltung: zero-media.net

Coverabbildung: FinePic®

Infografiken: Infographics Group GmbH

Gesamtherstellung: Philipp Reclam jun. Verlag GmbH, Siemensstraße 32, 71254 Ditzingen

Made in Germany 2017

RECLAM ist eine eingetragene Marke der Philipp Reclam jun. GmbH & Co. KG, Stuttgart

ISBN 978-3-15-961147-1

ISBN der Buchausgabe 978-3-15-020426-9

www.reclam.de

Inhalt

Einführung: Ovid und EuropaLebensgeschichten: Wer ist Naso?Dichter liebt Frau? Die AmoresWie man (nicht) lieben soll: Liebeskunst und Gegengifte (Ars amatoria, Remedia amoris)Ovid, der Frauenversteher: Die HeroidesWenn die Kunst zum Mythos wird: Die MetamorphosenWeltgestaltung als Zeitverwaltung: Die FastiOvids »letzte Welt«: Die ExilelegienZum Schluss: Ein Magier der ModerneLektüretippsBildnachweisZum AutorÜber dieses BuchLeseprobe aus Asterix. 100 Seiten

Einführung: Ovid und Europa

»Die europäische Phantasie ist ein weitgehend auf Ovid zentriertes Beziehungsgeflecht« (Hans Blumenberg, Arbeit am Mythos, S. 383).

In jüngster Zeit wird wieder viel über die gemeinsamen Grundlagen Europas diskutiert. Aus vorwiegend politischen oder ökonomischen Motivationen wird Europa als Einheit beschworen, die gegen ›den Rest der Welt‹ in Stellung gebracht werden soll. Nicht erst die nach Europa strebenden Flüchtlingskohorten des noch jungen 21. Jahrhunderts weisen den Kontinent als Sehnsuchtsort für freiheitsliebende Geister, aufstrebende Intellektuelle oder schlicht wirtschaftliche Not leidende Menschen aus. Demgegenüber formiert sich eine globalgeschichtlich orientierte Kritik an jedem Verdacht auf Eurozentrismus. Aus welcher ideologischen Perspektive man sich dem Phänomen auch annähert: Was unter Europa verstanden wird, bleibt oftmals im Unklaren. Eine geographisch oder ökonomisch gedachte Einheit? Ein historisch gewachsenes Gefüge? Welches könnten die Rahmendaten solcher Vermessungen sein?

An den Systemstellen der Debatten taucht wie ein Schemen am Horizont der sogenannte europäische Geist auf: Von Europa als intellektuellem Zentrum gehen ohne Zweifel ungezählte Impulse aus. Die humanistisch gebildeten Europanostalgiker können auf ein kanonisch gewordenes Ensemble von Denkern verweisen. Rasch wandert der geistesgeschichtlich geschulte Blick zurück in die Frühzeiten der europäischen Kultur: Vor allem im Rahmen der Griechenland-Krisengespräche wird gerne an Solon und Perikles, an Platon und Aristoteles (um nur einige zu nennen) als Begründer der europäischen Kultur und Archegeten der Demokratie erinnert. Griechische Philosophie, römisches Recht und christliche Religion gelten seit je als Konstanten der ›europäischen Idee‹. Zu den Denkern gesellen sich die Werke der Dichter: Deren europäische Wurzeln sind allerdings immer wieder bezweifelt worden. Homer sollte jüngst als kilikischer Kastrat enttarnt werden (R. Schrott), und einer der mythischen Gründerheroen Roms, Aeneas, ist bekanntlich aus dem kleinasiatischen Troja in den Westen geflohen, was der »Vater des Abendlandes«, Vergil, in seinem Nationalepos, der Aeneis, nicht verschweigt, aber doch in Richtung eines ›uritalischen‹ Ursprungs korrigiert.

Dass an Europas kulturellen Wurzeln eine schwierige Gemengelage aus west-östlichen Einflüssen anzutreffen ist, wird kaum jemand ernsthaft bestreiten können. Nur wer mit naiven Ursprungsvisionen an die Sache herangeht, wird Enttäuschungen aushalten müssen. Besonders lehrreich ist hier der Blick in die römische Literatur, denn diese stand immer schon im Verdacht des Epigonalen, Nachgemachten, Sekundären: Ihre Lektüre vor allem ermöglicht es uns, den facettenreichen genetischen code der europäischen Kultur zu verstehen. Für mich ist es ganz erstaunlich, dass der Name Ovid in solchen Europa-Debatten selten genannt wird – irrt Hans Blumenberg doch keineswegs mit seiner eingangs zitierten, gewiss zugespitzten Einschätzung. Aus dem reichen Material der einander überlagernden Geisteswelten hat Ovid ein ästhetisches Zeichensystem geschaffen, das ihn zur Schlüsselfigur des alten und neuen Europa macht. Die Adaptionen der überkommenen mythischen Stoffe, wie er sie (nicht nur) in seinem wohl berühmtesten Werk, den Metamorphosen, präsentiert, spielen dabei die zentrale Rolle. Die antiken Mythen beflügeln die Phantasie der Kultur- und Medienwelt bis heute, besonders der Film- und Fernsehindustrie. Der antike Mythos ist sozusagen selbst zum Mythos geworden; zugleich haben seine Themen in den Köpfen der nicht nur europäischen Zeitgenossen eine sehr konkrete Gestalt angenommen. Diese Gestalt ist fast immer durch die Ovidische Version eines Mythos geprägt.

Europa und der Stier (antike Vase aus Unteritalien)

Ein prägnantes Beispiel sei vorangestellt – das der Namenspatronin des Kontinents, der hübschen Prinzessin Europa. Als Tochter des Phoenix begegnet uns Europa schon in Homers Ilias und in einer Erzählung des Moschos (2. Jh. v. Chr.). In Ovids Fassung (Metamorphosen2,833–875) liegt der Fokus auf der Formschönheit des Stieres, in dessen Gestalt sich der lüsterne Jupiter der Königstochter nähert. Seine Hörner könnte man für »handgemacht« (manu facta) halten, sie strahlen heller als Edelstein (perlucida): Schon hier wird klar, dass Kunst und Wirklichkeit in einer komplexen Beziehung stehen und leicht zu verwechseln sind. Diesem kunstschönen Stier gelingt es rasch, Europas Vertrauen zu gewinnen, ja sie legt alsbald Hand an ihn, um ihn zu streicheln, zu füttern und mit einer Blumengirlande seine Hörner zu umwinden: Sie scheint ihn für echt zu halten, würdigt ihn mit dem Blumenschmuck aber doch auch als ästhetisches Objekt. Dabei verliert sie die von ihm ausgehende Gefahr aus den Augen, setzt sich auf seinen Rücken – und schon eilt er, so kennen wir Jupiter, mit seiner Beute davon.

Am Ziel der Reise, auf Kreta, legt er seine Maskerade ab. Über eine mögliche Reaktion der Europa erfahren wir zunächst nichts weiter – bis zum 6. Buch: Dort ist sie in den Wettkampf der Arachne mit Minerva thematisch ›hineingewoben‹; die Spinnerin stellt auf ihrem Wettbewerbsbeitrag eine Art Kommentar zu ausgewählten (vornehmlich erotischen) Mythen der Metamorphosen dar, darunter auch die Angst der Europa auf dem Rücken des enteilenden Stieres. Dabei entschuldigt Arachne zugleich Europas ›Rezeptionsfehler‹, indem sie – durch ihre Darstellung im Kunstwerk, also performativ – bestätigt, dass der Stier täuschend echt aussah. Im 8. Buch lesen wir, dass Europa dem Jupiter infolge der unausgesprochenen Vergewaltigung den unseligen König Minos von Kreta geboren hat, dessen Frau Pasiphae ihn wiederum mit einem feschen Stier betrügt. Die Suche des Bruders Cadmus nach seiner Schwester Europa im direkten Anschluss an das Geschehen am Anfang von Buch 3 bleibt indes erfolglos, Europa bleibt verschwunden. Der unsichtbare Kontinent? Ihre direkten Referenten verliert Europa jedenfalls, um in anderen Mythologemen ästhetisch aufzugehen. Europa ist zum Teil der Kunstwelt der Weberin Arachne und des thebanischen Mythenzyklus geworden; als Kontinent taucht sie eher beiläufig im 5. Buch auf. Diese komplexe Vertextung auf mehreren Ebenen kann als charakteristisch für Ovids Erzähltechnik angesehen werden: Hier ist nichts einfach.

Es liegt nun gut 2000 Jahre zurück, dass Ovid von der Bildfläche verschwunden ist. Seit über 2000 Jahren zieht er uns in seinen unwiderstehlichen Bann, prägt das Geschehen in Literatur und Kunst – Anlass genug, sein Werk unter die Lupe zu nehmen und nach seiner konkreten Bedeutung für die Ästhetik des ätherischen Gebildes Europa zu fragen. Das will dieses Büchlein auf 100 Seiten leisten.

Lebensgeschichten: Wer ist Naso?

Publius Ovidius Naso kann als Proteus unter den Dichtern der klassischen lateinischen Literatur bezeichnet werden. Wie kein zweiter versteht er es, sich biographisch motivierten Zugriffen auf sein außerliterarisches Selbst zu entziehen; zu diesem Zwecke bedient er sich in seinen Texten verschiedener personae, d. h. Masken. Mit diesen personae bekleidet, präsentiert er uns unterschiedliche Facetten seiner literarischen Persönlichkeit. Das äußert sich zum einen in formalästhetischer Hinsicht, indem Ovid eine Vielzahl von Gattungen bedient; doch auch auf inhaltlicher Ebene tritt uns der maskierte Dichter in den unterschiedlichsten Rollen entgegen. Was wir über Ovid zu wissen meinen, beziehen wir fast ausschließlich aus seinen Texten. Ovid adressiert sich in diesen selbst mit seinem Beinamen Naso, die »Nase«; das ist sicher nicht nur den Zwängen des Versmaßes geschuldet, sondern zeigt auch an, dass er ein distanziertes Verhältnis zu sich selbst hat.

»Sulmo ist meine Vaterstadt, überaus reich an kalten Gewässern; sie liegt neunmal zehntausend Schritt von der Stadt [= Rom] entfernt« (Tristie4,10,3–4).

Sogar seine Autobiographie im 4. Buch der Tristien(s. hier) steht im Zeichen dieser Verfremdungsstrategie. Auch stellt er sich ausdrücklich in die Tradition des Catull und der von diesem gestifteten sog. lex Catulli (»Gesetz Catulls«): Dieses Gesetz, das Catull im 16. Gedicht seiner Sammlung formuliert, besteht auf der strikten Trennung von Kunst und Leben. Ein Ich wird sich demzufolge in einem Text überhaupt nicht »authentisch« zum Ausdruck bringen (vgl. Ovid, Tristie3,2 und 2,353–356). Seine dezidierte Eigenregie in der Selbstdarstellung hat mir den Autor Ovid besonders nahe gebracht: Wer will schon ernsthaft, dass ihm in der Literatur naive Erlebnisberichte vorgeführt werden? Umso leichter lässt sich Ovids Leben in kunstvolle Romanform gießen, wie Christoph Ransmayrs Letzte Welt eindrucksvoll demonstriert – sie imitiert den Kunstgriff Ovids, Leben und Werk des Dichters in raffinierter Weise verschmelzen zu lassen.

Ovid-Statue in Tomis, dem heutigen Constanţa / Rumänien (Ettore Ferrari, 1887)

»Beinahe noch ein Knabe, wurde mir eine Gattin zugeführt, die weder würdig noch hilfreich war; sie war auch nur für sehr kurze Zeit meine Frau. Auf sie folgte eine Gemahlin, die, obwohl sie sich nichts zu schulden kommen ließ, doch keine gesicherte Zukunft in meinem Bett hatte. Die letzte jedoch, die bis in die späten Jahre mit mir zusammenblieb, die hat es erduldet, die Frau eines Verbannten zu sein« (Tristie4,10,69–74).

Unter diesen Prämissen muss sich die folgende knappe Skizze der historischen Situation des Autors Ovid auf einige wenige gesicherte Daten beschränken. Geboren wurde Ovid am 20. März 43 v. Chr. im mittelitalischen Sulmo (Abruzzen) als Sohn einer gut situierten, landadligen Familie. Wie er ausgesehen hat, wissen wir nicht; weder gibt es realitätsnahe Porträts noch einschlägige Kommentare von ihm selbst oder seinen Zeitgenossen. Der »Privatmensch« Ovid ist für uns nicht zu fassen: Wenn spätere Autoren wie Seneca oder Quintilian seine Charakterschwäche oder Fehlerliebe tadeln, dann ist das mit Vorsicht zu genießen (s. hier). Von Ovid selbst erfahren wir, dass er dreimal verheiratet war und eine Tochter aus der zweiten (daher zwei Enkel) sowie eine Stieftochter aus der dritten Ehe hatte; über Namen und Zeiten ist nichts bekannt. Sein ein Jahr älterer Bruder scheint ihm nahegestanden zu haben, doch ist dieser bereits im Alter von 20 Jahren verstorben (24 v. Chr.). Sein familiärer Hintergrund ermöglichte Ovid bei seiner Übersiedlung nach Rom nicht nur einen raschen Einstieg in die politische Karriere – er schlägt nach einem Studium der Jura bei führenden Rhetorikern (Arellius Fuscus, Porcius Latro) die Senatorenlaufbahn ein –, sondern auch eine weitgehende finanzielle Unabhängigkeit, so dass er sich bereits im Alter von 20 Jahren wieder aus der Politik zurückziehen und als ein Privatier existieren konnte, der sich ganz seinem im kulturellen Leben der Hauptstadt verankerten Künstlerdasein widmet, bereichert um gelegentliche Bildungsreisen (ca. 25–15 v. Chr.). So findet das augusteische Ideal eines kreativen Müßiggangs (otium) in Ovid einen vorbildlichen Repräsentanten. Im römischen Kulturbetrieb knüpfte Ovid rasch Kontakte zu den bedeutendsten Schriftstellern (u. a. Properz, Horaz), und bald schon genoss er die Förderung durch den Mäzen Marcus Valerius Messalla Corvinus. Seine früh erworbenen rhetorischen und juristischen Kenntnisse waren seiner künstlerischen Entwicklung und Karriere äußerst förderlich; so kann der ältere Seneca sogar Ovids Reden als »Gedichte in Prosa« preisen.

»Meine Tochter, die fruchtbare, machte mich schon früh zweimal zum Großvater, jedoch nicht vom selben Gatten« (Tristie4,10,75–76).

»Gerade einmal 20 Jahre alt war mein Bruder, als er starb, und ich fing an, einen Teil von mir zu vermissen« (Tristie 4,10,31–32).

»Aus eigenem Antrieb fügte das Gedicht sich ins passende Metrum, und was ich zu schreiben versuchte, wurde zum Vers« (Tristie 4,10,25–26).

Ersten Ruhm erwirbt sich der aufstrebende Autor mit der drei Bücher umfassenden Edition der »Liebesgedichte« (Amores). Schon in diesem Werk zeigt sich die besondere Kunst des Ovid, Tradition und Innovation miteinander zu verbinden, bekannte Themen mit neuen Inhalten oder Formen zu mischen. Diese Technik stellt eine Konstante der Dichtkunst Ovids dar; von ihr lässt er auch dann nicht ab, als er sein römisches Umfeld verlassen und ins Exil ziehen muss. Im Jahr 8 nach Chr. soll Ovid auf Geheiß des Augustus nach Tomis am Schwarzen Meer (das heutige rumänische Constanţa) verbannt worden sein, wo er bis an sein Lebensende im Jahr 17 (oder wenig später) verblieben zu sein scheint. Das Exil wurde offenbar weder von Augustus noch von dessen Nachfolger Tiberius aufgehoben. Es muss sich bei der Verbannung aber um die mildere Form der sog. relegatio (»Verweisung«) gehandelt haben, die es dem Autor ermöglichte, sein Vermögen sowie sein römisches Bürgerrecht zu behalten. Unter diesen Bedingungen war es ihm gestattet, seine Werke weiterhin auch in der Hauptstadt, Rom, verbreiten zu lassen (Näheres zum Exil s. hier).

Ovids Dichtung: Rhythmus und Vers

Versmaß nennt man den Wechsel von unbetonten und betonten (bzw. langen und kurzen) Silben.

Sechs aneinandergereihte Daktylen (– v v) oder Spondeen (– –) bilden einen Hexameter (das Versmaß des Epos und des Lehrgedichts – bei Ovid z. B. in den Metamorphosen verwendet). Ein Beispiel:

 

Ín nova fért / animús / mutátas / dícere fórmas

– ∨ ∨ – / ∨ ∨ – / – – – / – ∨ ∨ – –

 

Beim elegischen Distichon, das Ovid z. B. in den Amores verwendet, wechselt ein Hexameter mit einem Pentameter ab. Ein Beispiel aus den Amores (1,1):

 

Árma graví / numeró / violéntaque / bélla parábam

– ∨ ∨ – / ∨ ∨ – / ∨∨ – ∨ ∨ / – ∨ ∨ – ∨

 

édere, máteriá // cónveniénte modís.

– ∨ ∨ – ∨∨–// – ∨ ∨ – ∨ ∨ –

 

Daher: Liest man Ovids Texte nur in Übersetzung, entgeht einem die Klangkunst des Originals!

Die Konsistenz seines Werkes spiegelt sich in dem Nahverhältnis seines elegischen Erstlings, der Amores, zu den Tristienals einer seiner letzten Gedichtsammlungen im elegischen Versmaß: Der ursprüngliche amator exclusus, der von seiner Geliebten »ausgeschlossene Liebhaber«, wird in der Exildichtung zum poeta exclusus, zum verbannten Dichter, dem die Möglichkeit der Rückkehr nach Rom gleichsam wie durch eine verriegelte Tür verschlossen bleibt. Die künstlerische Einheit kompensiert den möglichen Bruch in der historischen Biographie. Auch das im Exil entstandene ›Spätwerk‹ hat also seinen festen Platz im künstlerischen Gesamtwerk.

Eine besondere Art der Fortsetzung erotischer Thematik stellt die didaktisch ausgerichtete Ars amatoria(»Liebeskunst«) dar. Den ersten beiden Büchern, die erotische Ratschläge für Männer enthalten, folgt ein drittes, für die weibliche Leserschaft konzipiertes. Als Ergänzung sind die Remedia amoris (»Heilmittel gegen die Liebe«) entstanden, eine kritische Auseinandersetzung mit der in Teilen skeptischen Reaktion des Publikums auf die »Liebeskunst«. Von den ebenfalls in diesen Themenkomplex gehörenden Medicamina faciei feminaeae, einem Lehrgedicht über weibliche Schönheitsmittel, hat sich immerhin der Anfang erhalten. Zwischen 2 und 8 n. Chr. entsteht schließlich Ovids berühmtes, die Gattungskonventionen überschreitendes Epos, die Metamorphosen, ein mythologischer Reigen aus Verwandlungssagen in 15