"Papa, was machen wir heute?" - Christian Linker - E-Book

"Papa, was machen wir heute?" E-Book

Christian Linker

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Beschreibung

Kleine und große Männer unter sich Aus dem Leben eines Vollblut-Papas: Wenn drei Jungs langsam aber sicher zu jungen Männern werden, erlebt man als Vater so Einiges! Die Beziehung zwischen Vater und Sohn ist dabei eine ganz besondere. Bei gemeinsamen Erlebnissen aber auch im Alltag gibt es viel zu lernen und zu entdecken. Abenteuer erlebt man nur bei außergewöhnlicher Outdoor Activity? Weit gefehlt! Mit einem großen und drei kleinen Männern werden neben "klassischen" Vater-Sohn-Aktivitäten, wie Fußball, Angeln, Feuermachen etc., nämlich alltägliche Situationen wie Shopping, Hygiene oder auch der Zahnarztbesuch schnell zu einem besonderen Ereignis. So sind Taktik, Ausdauer und stahlharte Nerven gefragt, wenn Sie sich zum Beispiel mit drei Jungs im Alter von vier bis elf Jahren einer extrem langen Schlange vor der Supermarktkasse nähern. In 50 unterhaltsamen Geschichten von Vater zu Vater finden Sie hier Tipps, Tricks und Anregungen für gemeinsame Zeit allein unter Männern und für eine starke Beziehung zu Ihrem Sohn. Bleibe lustig mit uns - #stayhomereadabook

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Seitenzahl: 216

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JUNGS WERDEN MÄNNER

Natürlich heißen meine drei Söhne nicht Justus, Peter und Bob. Denn einer von ihnen hat einen Paten, der Rechtsanwalt ist. Und um später denkbaren Klagen aus dem Weg zu gehen, wähle ich lieber schon an dieser Stelle die Namen der Drei Fragezeichen als durchaus passende Pseudonyme für meine Jungs. Schließlich weiß man ja nie, und sie werden schneller erwachsen, als man denkt.

Womit wir schon mitten im Thema sind: Aus Jungs werden Männer – schier unausweichlich, in atemberaubendem Tempo und natürlich anhand von Vorbildern. Der eigene Vater steht bei der Auswahl ganz oben auf der Liste. (Bis zum Eintritt in die Pubertät als nachahmungswürdiges Idol, danach vielleicht als abschreckendes Beispiel.) Denn wie Mannsein geht und was einen Mann überhaupt zum Mann macht, das, meine sehr verehrten männlichen Leser, gucken sich Jungs nämlich von ihren Vätern ab.

Als Ina Deter von »neuen Männern« sang, kam ich gerade ins zweite Schuljahr und Helmut Kohl wurde Bundeskanzler. Seither habe ich einige Energie darauf verwendet, meine eigene Männlichkeit irgendwo zwischen Fanschal und Stricksocken, Dosenbier und Ingwertee zu verorten. Mal Feminist, mal Patriarch, mal reflektiert und mal aus dem Bauch raus, war ich jedenfalls mit knapp dreißig Jahren zu dem Schluss gekommen, ich wüsste jetzt, wer ich eigentlich bin und wie ich mich definiere. Oh, welch Irrtum! Denn plötzlich wurde ich Vater eines Sohnes und alles stand infrage.

Denn das ist es, was mit uns Männern passiert, wenn wir Söhne haben: Sie stellen uns und unser So-Sein immer wieder auf den Prüfstand, sie fordern uns heraus und zwingen uns, jeden Tag neu zu erkunden, wie Mannsein gehen könnte. Nicht theoretisch, sondern ganz praktisch. Denn wir können einem Vierjährigen zwar schlecht von Gendertheorien erzählen (können wir natürlich schon, doch die Spätfolgen sind noch unerforscht), aber wir können gemeinsam mit ihm etwas erleben. Wir können uns erleben, als Jungs und Männer.

Und wenn hier von Erlebnis die Rede ist, geht es nicht, jedenfalls nicht nur, um absolute Abenteuerevents. Klar, ich würde Ihnen hier gern von meinem letzten Tandem-Gleitschirmflug mit meinem Siebenjährigen erzählen. Aber erstens wäre es gelogen und zweitens würde Sie diese Schilderung zu neunzig Prozent eh nicht zur Nachahmung einladen. Und außerdem fragen Sie sich selbst: Bei welchem Erlebnis brauchen Sie eher Nerven wie Drahtseile: Beim Paragliding? Oder bei einem gemeinsamen Friseurbesuch mit kleinen Jungs?

Genau. Und deshalb werden wir uns in diesem Buch neben diversen Anekdoten, Tipps und Ideen rund um Freizeit, Outdoor und Adventure auch immer wieder weit in den gefährlichen Dschungel namens Alltag vorwagen, wo es für Männer und ihre Söhne die wahren Abenteuer zu bestehen gilt. Ich lade Sie ein zu einer Reise durch Bundesligastadien, Jahrmärkte und Zeltlager, an die Ränder der Galaxis und natürlich ins Zentrum der digitalen Welt. Aber Obacht: Wie sagte schon Oliver Kahn? »Wir brauchen Eier!« Wenn Sie also, lieber Leser, Manns genug sind, sich der Herausforderung zu stellen, Ihre Söhne beim Männerwerden hilfreich zu unterstützen, dann folgen Sie mir unauffällig zum 1. Kapitel.

Spielen, Matschen, Fragen stellen

Jungs im Kindergartenalter

Ihr Sohn ist jetzt im Kindergarten? Er ekelt sich plötzlich vor allem, was rosa ist, und findet, dass Mädchen stinken?

Na gut, er beginnt also zu entdecken, dass es Geschlechter gibt – und Rollenzuschreibungen. Sie können ihn in seinem Rosahass bestärken und ihn auf den Weg zum höheren Machotum führen, weil Sie meinen, dass man(n) mit diesem »Genderwahn« endlich Schluss machen muss. Oder Sie können ihm behutsam zeigen, dass Rosa ganz toll ist, ihm Puppen und Puppenkleidchen kaufen und ihm helfen, auch seine weibliche Seite zu finden.

Oooder aber Sie vermitteln ihm, dass er ein Individuum mit ganz eigenen Interessen, Stärken und Vorlieben ist. Sie beobachten und begleiten ihn in seiner Entwicklung und versuchen, sich in ihn einzufühlen. Sie bestärken ihn dort, wo er stark ist, und unterstützen ihn dort, wo er Hilfe braucht. Sie vermitteln ihm das Selbstvertrauen, dass er drauf pfeifen kann, was andere Leute für typisch Jungs oder typisch Mädchen halten. Weil er nämlich selbst bestimmt, was für ihn cool ist und was es für ihn ausmacht, ein Junge zu sein.

Davon mal ganz abgesehen, Jungs in rosa Klamotten sind ja wirklich extrem uncool, oder etwa nicht? Mädchen aber auch ... finde ich.

JUNGS WERDEN WISSENSCHAFTLER

»Na«, frage ich Bob, meinen Vierjährigen, »was habt ihr heute im Kindergarten gemacht?«

»Nichts«, antwortet er standardmäßig.

Diesen Dialog wiederholen wir jeden Nachmittag. Manchmal male ich mir aus, wie siebzig Kinder zwischen eins und sechs Jahren stumm im Kreis auf dem Bauteppich sitzen, in ernstes Schweigen versunken. Wie sie sich von allen überflüssigen Gedanken freimachen und mit buddhistischer Gleichmut von acht bis sechzehn Uhr darauf warten, wieder abgeholt zu werden. Meistens aber ergeben sich im Verlauf des Nachmittags doch noch Gespräche, die zumindest gewisse Schlussfolgerungen zulassen, was wohl Thema gewesen sein mag.

»Papa, ich mach nicht Busfahrer«, lässt mein Sohn ansatzlos verlauten, während ich Äpfel für den Nachmittagssnack schäle. »Ich mach Polizei oder Feuerwehr.«

»Habt ihr also über Berufe gesprochen?«, schließe ich messerscharf.

»Der Papa vom Leon macht Post«, nickt Bob. Mit Antworten auf rhetorische Fragen hält er sich nämlich nicht auf, sondern geht direkt in die Vollen: »Papa, was willst DU eigentlich mal werden?«

»Nun, weißt du, eigentlich habe ich schon einen Beruf.«

Pures Erstaunen.

»Echt?«

»Ja, wusstest du das nicht?«

»Aber du gehst doch nie zur Arbeit.«

»Oh, doch«, beharre ich. »Ich gehe in mein Arbeitszimmer. Jeden Morgen, wenn du im Kindergarten bist. Und da schreibe ich meine Bücher. Das weißt du doch.«

»Ja, aber ich meine ja nicht das Bücherschreiben. Ich meine einen richtigen Beruf. So Bauarbeiter. Oder Lokführer. Oder Müllabfuhr.«

»Später vielleicht. Und du wirst also Polizist. Oder Feuerwehrmann.«

Gegenfrage: »Kann man als Polizei oder Feuerwehr eigentlich Exremente machen?«

»Glaube ich nicht. Experimente machen wohl eher Wissenschaftler.«

»Dann will ich lieber Wissenschafter werden«, meint er. »Können wir jetzt gleich ein Exrement machen?«

Hm. Na gut. Machen wir also ein Experiment (die klangliche Nähe zu »Exkrement« kommt nicht von ungefähr). Für Bob heißt das, möglichst viele verschiedene Substanzen in einem Gefäß zusammenzurühren, mit einem Deckel zu verschließen, kräftig zu schütteln und dann in einem unkontrollierbaren Strahl über sämtliche Badezimmerfliesen zu verteilen.

Sohn matscht, Vater mailt …

Wie wichtig es ist, dass Kinder explorieren, das heißt ihre Umgebung selbstständig erkunden und dabei mit unterschiedlichen Materialien umgehen und ihre Fantasie ausleben, steht ja in jedem Ratgeber. (Hier deshalb nicht.) Gegen »Experimente« kann also nichts einzuwenden sein, dachte ich unbedarft, bevor ich einschlägige Erfahrungen mit dem Thema gemacht hatte. Zudem fand ich es beim ersten Mal ganz praktisch: Gab dem Kind etwas Wasser, einen Malkasten zum Färben des Wassers und ein paar abgelaufene Backzutaten aus der hintersten Ecke des Küchenschranks und sah es für die nächste halbe Stunde nicht mehr. Bob hantierte mit seinen Chemikalien in der Badewanne. Zwischendurch hörte ich ihn in der Küche klappern. Ja, gleich würde ich mal schauen, was er treibt, doch solange er sich prima allein beschäftigte, wollte ich nur ganz kurz mal eben meine Mails checken. Okay … Mails checken und zwei neue schreiben. Ja, ist ja gut, ich gebe zu, es waren sieben. Okay, okay, ich hab auch noch rasch die Fahrtkostenabrechnung meiner letzten Lesereise gemacht. Und auf Facebook rumgehangen und nur ganz schnell noch eben …

»Papa, komm mal gucken«, krähte der Sohn aus dem Bad, auf dass ich sein Exrement bewundern möge.

Diesmal bin ich mit von der Partie!

Das Ergebnis war ein Meilenstein an Erkenntnisgewinn: Bob hatte die Versuchsanordnung um Ketchup und Senf, verschiedene Teesorten, Zahncreme, Haargel und manch anderes ergänzt, das er in Badezimmerschränkchen und -schubladen gefunden hatte.

Meine persönliche Bilanz am Ende des Nachmittags waren der Verlust eines Dekanters (er ähnelt optisch dem Erlenmeyerkolben, aber wir bekamen ihn nie wieder sauber …) und meines Aftershaves. Dafür hatte der so entstandene Mix immerhin nicht nur eine herrlich spinatdurchfallgrünbraune Färbung, sondern auch einen feinherben Duft von Cool Water und extrateurem Fairtrade-Espressopulver. Mit einem Hauch von Curry. Ferner stand noch eine fertige Fahrtkostenabrechnung auf meiner Habenseite.

Trotzdem beschließe ich diesmal, als mein Sohn mich wieder zur Materialausgabe für ein neues »Exrement« bittet, höchstselbst im Labor anwesend zu sein. Denn es geht ja nicht nur darum, auf einen maßvolleren Umgang mit Vor- und Hausrat zu achten. Sondern vor allem darum, einfach ein bisschen Qualitytime mit dem Sohn zu verbringen, anstatt für mich selbst noch eine weitere halbe Stunde am Schreibtisch herauszuschinden. »In die Beziehung zu investieren«, wie meine Liebste es ausdrücken würde.

Also ab ins Bad, wo wir erst mal schauen, wie Backpulver auf Orangensaft und Sprudelwasser reagiert. Oder Hefe auf warmes Wasser. Mit Speisestärke und Sprudelwasser formen wir einen schönen dicken Klumpen, der in der offenen Hand aufploppt, bevor er sich den Naturgesetzen beugt und als zäher Schleim zwischen den Fingern zerläuft. »Zauberglibber«, freut sich Bob und geht sofort vom Prototypen zur Massenproduktion über. »Das ist soooo eklig.« Ich denke, er meint das als positive Rückmeldung zum Verlauf unserer Forschungen. Als Nächstes möchte er noch Zahncreme mit Sandkastensand mischen, aber ich bin der Meinung, das sei Quatsch und wir sollten lieber diese Sache mit Backpulver und Essig in einer Flasche und einem Luftballon darüber ausprobieren. Oder eine Teebeutelrakete zünden! (Bei Gelegenheit mal googeln!) Das Ergebnis wäre bestimmt viel spannender. Und wenn der Sohn jetzt beleidigt ist, dann soll er meinethalben den Laborkittel an den Nagel hängen und sich zum Fernseher trollen. Ich kann das hier nämlich auch alleine durchziehen. Schließlich haben wir eine Mission! Ein Projekt ist ein Projekt ist ein Projekt. Und bevor es nicht vorbei ist, ist es nicht vorbei.

Wir Väter kennen diesen Konflikt ja auch vom Eisenbahnaufbauen, Laternebasteln oder Fahrradschlauchflicken – wir wollen Ergebnisse sehen, sonst bliebe ein schales Gefühl des Unvollendeten, ja sogar des Scheiterns zurück.

Vater und Sohn KINDERN IST DER OUTPUT NICHT SO WICHTIG

Beim Experimentieren mit Papa geht es dem Vierjährigen nicht um Output und messbare Erfolge, sondern um den Augenblick an sich, um das Hier und Jetzt. Vielleicht denken Sie daran, bevor Sie sich komplizierte Versuchsanordnungen überlegen, um Ihren Sohn zu beeindrucken. Gerade bei Kindergartenkindern ist weniger oft mehr. Diese Überlegung soll Sie natürlich nicht davon abhalten, eine Teebeutelrakete zu zünden. Dazu einfach einen Teebeutel entleeren, wie eine Röhre auf eine nicht brennbare Unterlage stellen und am oberen Rand anzünden.

Die Faszination dunkler Abgründe

Also keine Rakete, kein Luftballon, sondern nur ein paar zähe Klumpen, die ins Waschbecken platschen.

»Warum holst du die Bröckchen wieder raus?«, fragt mein Sohn ernsthaft interessiert.

»Ich möchte nicht, dass die ganze Pampe im Abfluss landet«, sage ich. »Sonst könnte der verstopfen.«

»Oh, nein«, ruft er, »ein paar sind schon drin!«

»Nicht so schlimm«, winke ich ab, »die waren ganz klein, die flutschen so durch.«

»Aber was, wenn die nicht durchflutschen?«, fragt Bob. Er versucht offenbar, meine Ängste ernst zu nehmen. »Dann bleiben die hängen. Dann ist es doch verstopft.«

»Nein, die waren ganz klein.«

Ganz klein?, denkt sich der Sohn. Da kenn ich doch was. Also stemmt er sich auf seinem Kinderstuhl hoch übers Waschbecken, holt eine Pinzette aus dem Schränkchen und zieht den Stopfen aus dem Abfluss. Darunter gähnt der gierige Schlund des Siphons, jederzeit bereit, alles von weniger als drei Zentimetern Durchmesser zu verschlingen und in seinen glitschigen Eingeweiden jahrhundertelang zu verdauen wie der Sarlacc auf Tatooine. Und bevor ich eingreifen kann, fällt die Pinzette mit einem beinahe höhnischen Pling-Pling ins Waschbecken, um im Abfluss zu verschwinden. So endet unser heutiges »Exrement« doch noch mit einer kleinen Überraschung. Und darauf kommt es beim Experimentieren ja an.

JUNGS GESTALTEN FLUSSLANDSCHAFTEN

Im Frühsommer kann die Bourgogne ganz zauberhaft sein. Jetzt gerade ist sie es aber leider nicht. Finsterste Wolken lasten bleischwer auf den Weinbergen ringsum, der Regen rauscht unablässig hernieder und die Stimmung in unserem winzigen Chalet (das bei Sonnenschein ein herrliches Feriendomizil ist, weil man nur zum Schlafen, Kochen oder Duschen drinnen ist und sich ansonsten draußen aufhält) kippt allmählich ins Gewaltbereite. Beinahe fühle ich mich retraumatisiert.

Die Situation hier erinnert mich an die Zeit, in der ich noch anders lebte und arbeitete, in der ich an vielen Abenden und Wochenenden nicht zu Hause war und meine Liebste sich nahezu allein um unsere gemeinsamen Kinder kümmerte. In dieser klassischen Rollenaufteilung kommt es oft dazu, dass man(n) der Frau die Initiative überlässt. Mochte ich auch im Job ein kreativer Kopf, Motivator, Antreiber sein, der seinen Mitarbeitenden ständig neue Ziele steckte und nie um Ideen und Lösungen verlegen war – in der Familie verhielt ich mich passiv und wartete ab. Als sei meine Frau hier die Vorgesetzte, die Inhaberin unseres Familienbetriebes und ich ein freier Mitarbeiter, der dann und wann vorbeischaut und kleinere Hilfsjobs übernimmt. Es ist eine Falle, in die Paare häufig tappen, wenn das erste Kind kommt. Vielleicht kennen Sie das.

Der Albtraum aller Eltern: Wenn vor dem Frühstück schon alles fertig gespielt ist

Der allergrößte Albtraum waren für mich verregnete Wochenenden. Mit dem Kind mal zwei Stunden auf den Spielplatz zu gehen, damit die Liebste wenigstens kurz durchatmen kann, forderte mich schon bei gutem Wetter heraus. Wenn aber draußen endzeitliche Stürme tobten und drinnen meine Frau mit Blick auf unseren (damals noch einzigen) Sohn sagte: »Vielleicht kannst du ja mal mit ihm nach draußen gehen, damit er ein bisschen Bewegung und frische Luft bekommt«, war das mein blanker Horror.

Natürlich gibt es tausend tolle Sachen zum Drinnenmachen. Aber irgendein unerforschtes physikalisches Phänomen sorgt dafür, dass freie Zeit mit Kindern bei Regenwetter ungefähr achtmal langsamer vergeht als bei Sonnenschein. Bei Sonnenschein heißt es einfach Handtuch, Badehose, Snacks und ab an den See, schon ist der Abend da. Bei Regen haben wir längst Bilder gemalt, leere Klorollen verbastelt, neunzehn Runden Memory gespielt und Die Sendung mit der Maus geguckt, bevor noch überhaupt der Bäcker aufmacht und wir Brötchen fürs Frühstück kaufen gehen. Sie finden, ich übertreibe? Nein, finden Sie nicht.

»Wetterfeste Kleidung« ist relativ

Zurück in die Bourgogne, wo uns der Regen aufs Häuschen trommelt, als säße Lars Ulrich mit seinen Drumsticks auf dem Dach, während wir fünf uns gegenseitig ganz mächtig auf die Nerven gehen.

Jetzt ist Initiative gefragt. Inzwischen bin ich ja kein passives Aushilfselternteil mehr, sondern der selbstbewusste Vater meiner Söhne, der nie um Ideen und Lösungen verlegen ist. Weil sie simpel sind. Nämlich: Regenkleidung an und raus!

Wobei es Auslegungssache ist, was man unter dem Begriff »wetterfeste Kleidung« versteht. Klar, Bob verfügt über Regenjacke, Matschhose und Gummistiefel, aber ich hätte auch keine Lust, das alles anzuziehen. Manchmal sieht man Kinder bewegungsunfähig im Regen stehen mit seltsam abgewinkelten Armen wie Astronauten in ihren Raumanzügen und nachher ist trotzdem Wasser in den Stiefeln. Okay, die Kleiderwahl hängt natürlich von den Temperaturen ab. In unserem Fall regnet es zwar wie im Monsun, dafür ist es aber auch genauso warm (fast). Also reichen uns Badelatschen, Shorts und T-Shirt – und schon stürzen wir uns raus ins Vergnügen.

Spaß und Spiel HAUPTSACHE RAUS!

Egal wie, egal wo: Kinder müssen raus. Der gute alte Spruch, demzufolge es kein schlechtes Wetter, sondern bloß die falsche Kleidung gebe, ist natürlich Bullshit! Es gibt definitiv schlechtes Wetter! Es gibt mieses und böses und vollkommen grauenhaftes, hassenswertes Wetter. Aber wahr ist auch, dass es uns immer guttut, wenn wir uns trotzdem kurz ins Freie begeben. Gerade an grauen Regentagen, wo einem die Decke auf den Kopf zu fallen droht, kann schon eine halbe Stunde draußen wahre Wunder wirken. Waren wir vorher noch kurz davor, uns zu schweren Gewaltdelikten hinreißen zu lassen (und zwar beide Seiten, sowohl Erwachsene wie Kinder), sind hinterher alle aufgeräumt und heiter (ebenfalls beide Seiten), nippen am heißen Kakao und schauen entspannt den nassen Klamotten auf dem Treppengeländer beim Abtropfen zu.

Vor dem Grundstück führt ein breiter Feldweg vorbei. Bob und ich rüsten uns mit allerlei Sandkastengerät und betrachten die urtümliche Flusslandschaft aus reißenden Bächen und Stromschnellen, Mäandern und Nebenarmen, Seen und Dämmen, die sich auf dem Weg erstreckt.

Neue Welten entstehen vor uns

Mit dem Gestaltungseifer schöpfungsmächtiger Weltenbauer stürzen wir uns darauf, leiten um, stauen auf, lassen ab, modellieren die Landschaft nach unserem Willen. Wir messen uns mit den Elementen, sind mal Sieger, mal Verlierer im Kampf mit den Wassermassen. Wir werfen Wälle auf und reißen Mauern ein, bessern manche Dämme aus, andere lassen wir bersten. Ich bin selbst überrascht von der kindlichen Freude, die mich ergriffen hat. Obwohl sich das alles hier auf dem kleinen Abschnitt eines versifften Feldweges abspielt, kommt es mir vor, als hätten wir einen Kosmos für uns.

Jetzt matschen wir zu viert

Zwischendurch blicke ich über die Wiese hinweg zu unserem Chalet. Dort drücken die großen Brüder ihre Nasen an die Scheiben. Vermutlich ringen sie mit sich, ob sie nicht zu alt und zu cool dazu sind, um mitzumachen. Ich winke mit meinem Sandkastenschäufelchen, schon stürmen sie aus dem Haus. So graben, schaufeln, matschen wir zu viert. Dann schwärmen die Jungs aus, um eine kleine Flotte zusammenzustellen. Stückchen von Baumrinde und Blätter vom Kirschlorbeer halten als Schiffe her, werden mit kleinen Steinchen vom Wegesrand beschwert und gehen auf große Fahrt. So beginnt ein wildes Miniaturrafting, in dessen Verlauf wir alle uns dermaßen bespritzen und durchnässen, als seien wir selber durch die reißenden Fluten gepaddelt. Doch da ebben die Wasserströme plötzlich ab. Nur kleine Rinnsale kommen noch den Weg zu uns herab und schließlich versiegen auch die. Ohne, dass wir es bemerkt haben, hat der Regen aufgehört, und die Sonne blinzelt hervor.

Schade.

(Fast.)

JUNGS BRATEN DINOSAURIER

Nachdem wir uns in den ersten beiden Geschichten bereits ausführlich dem Matschen (indoor und outdoor) gewidmet haben, drängt sich das folgende Thema im Grunde förmlich von alleine auf.

Vermutlich macht es allen Kindern im Kindergartenalter Spaß, ab und zu beim Kochen zu helfen. Sie mögen nicht nur schnippeln, rühren und kneten, sondern bieten sich auch mit großem Engagement als Vorkoster an. Insbesondere bei Speisen, die noch roh sind; vom Kuchenteig bis zum Hackfleisch. Wenn sich im Haus verführerische Düfte verbreiten, tauchen die meisten von ihnen früher oder später in der Küche auf und fragen höflich, ob und wo sie mitmachen können, um sich dann brav in die Küchenhierarchie einzuordnen.

Nicht so mein jüngster Sohn Bob. Sobald er irgendetwas in der Küche klappern hört, ist er sofort zur Stelle, schiebt seinen Tripp-Trapp-Stuhl vor die Arbeitsplatte, klettert hoch und übernimmt das Kommando.

Kleiner Gruß aus der Küche

»Ich schneide die Möhren«, lässt er mich wissen. »Wo sind die Möhren? Wo ist mein Messer?«

»Heute gibt es keine Möhren«, erwidere ich. »Du kannst den Salat waschen.«

»Ich schneide die Möhren«, beharrt Bob. Er geht stets davon aus, dass eine Behauptung zwangsläufig zur Tatsache wird, wenn man sie nur lange genug wiederholt. Und wie so oft, liegt er damit goldrichtig.

»Okay«, seufze ich, hole Möhren aus dem Kühlschrank und schäle sie rasch. »Dann können wir als Vorspeise ein paar Möhren knabbern.« Kleiner Gruß aus der Küche.

Ich suche für Bob »sein« Messer und »sein« Schneidebrett heraus. Das Brett ist aus Holz und beeindruckt durch einige kunstvoll hineingeschnitzte Strichmännchen. Bobs persönliches Küchenmesser ist noch scharf genug, um Gemüse zu schneiden, aber auch schon so stumpf, dass lebensgefährliche Verletzungen eher unwahrscheinlich sind. Trotzdem empfiehlt es sich (sowieso in einer gut sortierten Küche), spezielle Fingerpflaster in Reichweite zu haben. (Zwar hat Bob sich noch nie geschnitten, ich aber schon häufiger. Und zwar mit dem richtig scharfen Messer. Jedes Mal eine Riesensauerei.)

Nach den Möhren kommt dann endlich der Salat.

»Aber nur, wenn ich auch drehen darf.«

»Klar darfst du drehen.«

Damit meint mein Sohn die Salatschleuder. Mit großer Inbrunst schleudert er, täte das am liebsten stundenlang. Ich habe gelernt, dass Kind plus Salatschleuder eine ungefährliche Mischung ist, solange man eine Hand auf dem Deckel hat. Außer natürlich, Sie wollen ohnehin demnächst neu tapezieren.

Musste das Huhn wirklich für so was sterben?

Unterdessen hab ich da schon mal was vorbereitet. (So sagt man doch in Kochshows?) Konkret sind das Mehl, Ei und Brösel zum Panieren, denn heute gibt es Chicken Nuggets. Auf vielfachen Wunsch sämtlicher Söhne.

»Was schneidest du da?«

»Hähnchenbrustfilet.«

»Du hast doch gesagt, wir machen Nuggets.«

»In der Tat. Und woraus bestehen wohl die Nuggets?«

»Aus Nuggetskruste.«

»Aha. Und was ist in der Kruste drin?«

Kurzes, von Stirnkräuseln unterstütztes Nachdenken, dann die Antwort: »Gebackene Nuggetspampe.«

Alltag und Familienleben GESCHMACK ZUM ANFASSEN

Wie werden aus Kartoffeln Pommes frites? Wie sehen Tomaten von innen aus? Wie schmeckt Spinat, der nicht aus dem Eisfach kommt? Riechen und Probieren, Anfassen und (im wörtlichen Sinn) Begreifen sind wichtig, damit Kinder die Vielfalt von Lebensmitteln kennenlernen. Dabei geht es nicht in erster Linie darum, immer nur gesund zu kochen; es geht einfach um die Vielfalt an und für sich. Immer mehr Kinder gehen immer früher ganztägig in die Kita, wo das Essen meist vom Caterer kommt. Wer sich allzu sehr daran gewöhnt, mag irgendwann schlicht keine selbst gemachte Bolognese mit frischen Kräutern mehr – die schmeckt dann einfach zu komisch. Auch zu Hause muss es oft schnell gehen, da sind Fertiggerichte das Mittel der Wahl. Umso schöner ist es, gemeinsam zu kochen und Dinge auszuprobieren, wenn doch mal Zeit vorhanden ist.

Ich mag aber nur Pampe!

»Ja, bei McDingsbums vielleicht. Da macht man sie aus Formfleisch. Aber hier nicht.«

Hier werden sie nämlich aus dem Fleisch ehemals glücklicher, freilaufender Hühner vom Biobauernhof geschnitten. (Jedenfalls meistens.) Ich fahre im Bewusstsein meiner vorbildlich-öko-fair-gesunden Zubereitung fort, kleine mundgerechte Nuggetstückchen aus dem Fleisch zu schneiden, während Bob mir missbilligend über die Schulter blickt.

»Die mag ich nicht«, urteilt er schließlich. »Ich mag nur das andere. Ich mag nur Pampe. Das Frommfleisch.«

»Formfleisch.«

»Formfleisch. Und außerdem will ich Dinos. Dinonuggets. Kennst du die? Die kommen im Fernsehen.«

Sehr häufig ist »Fernsehen« für Bob ein Synonym zu »Werbung«. Er schaut Werbung einfach für sein Leben gern. Und wenn die Werbepause zu Ende ist, zappt er manchmal sogar die Kindersendungen weg, um auf einem anderen Kanal weiter Werbung ansehen zu können. Deshalb hat er natürlich auch jederzeit gute Verbrauchertipps für seine Eltern zur Hand. Mit welchem Waschmittel die hartnäckigsten Flecken rausgehen oder auf welchem Online-Nachhilfe-Portal wir seine Brüder mal dringend anmelden sollten … Oder, dass knusprige Chicken Nuggets in Dinoform einfach köstlich sind. Beziehungsweise zumindest so aussehen.

»Mag sein«, brumme ich, »aber hier gibt’s die eben nicht.«

»Na gut«, brummt Bob zurück.

Was denn – kein Fußaufstampfen, Zetern und Beschimpfen? Seltsam. Trotzdem oder gerade deswegen wird plötzlich mein Ehrgeiz gepackt. Dinonuggets – ich meine, hey, ist nicht der T-Rex mit den heutigen Hühnern verwandt? Hab ich mal irgendwo gelesen. Rein erdgeschichtlich gesehen ist das schon eine witzige Idee, mithilfe knuspriger Nuggets eine kulinarische Brücke vom Anthropozän in die Obere Kreidezeit zu schlagen. Und hatten wir nicht letzte Weihnachten Kekse mit Dinoumriss gebacken? Die Ausstechformen müssen irgendwo sein. Tatsächlich finde ich sie in einer Schublade.

Bob ist natürlich sofort Feuer und Flamme. Wir drücken also die Dinoform ins Hähnchenbrustfilet und – tadaaa … nichts passiert.

»Du musst fester drücken, Papa!«

»Ich drück, so fest ich kann.«

Und zermatsche dabei bloß die Fleischfasern. Ausstechen ist nicht. Stattdessen versuche ich nun, mit dem Messer um die Form herumzuschneiden. Aber die Struktur des Filets widersetzt sich erfolgreich solch tumben Modellierungsversuchen. Am Ende liegt ein zerschundenes Stück Hähnchenbrust vor uns, das man nur mit reichlich Panade noch halbwegs kaschieren kann.

»So sieht aber kein Dino aus«, stellt Bob sachlich fest.

»Nee«, stimme ich zerknirscht zu.

Sellerie ist die Rettung

Vielleicht wäre Formfleisch die bessere Option, um diese Challenge zu bestehen. Aber wie stellt man so was her? Ich werfe doch jetzt nicht das Filet in den Mixer! Da kommt mir plötzlich meine Liebste in den Sinn. Ihres Zeichens Ex-Vegetarierin. Bevor mit der ersten Schwangerschaft wie aus dem Nichts eine gewisse Fleischeslust über sie gekommen war, hatte sie ihre Gäste zum Beispiel mit köstlichen Sellerieschnitzeln zu verwöhnen gewusst. Die, richtig gewürzt, paniert und gebraten, wirklich ungeheuer gut schmecken. Und praktischerweise haben wir im hinterletzten Kühlschrankwinkel noch einen Knollensellerie. Ich schneide zwei Scheiben davon ab und lasse sie fünf Minuten in kochendem Salzwasser vorgaren (wie mir meine freundliche Smartphone-Sprachassistentin auf Anfrage empfiehlt). Und siehe da, nun lassen sich daraus wundervolle kleine fleischfressende Dinos ausstechen. Panieren, braten, fertig.

Das Panieren übernimmt dann wieder Bob. Natürlich paniert er nicht nur die Nuggets, sondern auch die Arbeitsplatte, die Wand und sein T-Shirt. Aber das musste eh in die Wäsche.

Bob und ich haben indes viel länger gebraucht, als ursprünglich geplant und seine Brüder schieben schon mächtig Kohldampf. Als wir dann endlich servieren, gibt es zweierlei Nuggets – die einen sind eher eckig, die anderen haben die Form von Dinos. Letztere schmecken allen am besten. Natürlich verraten Bob und ich mit keinem Ton, woraus sie bestehen.

JUNGS BESIEGEN »DAS WÄIDA«

Kennen Sie »Das Wäida«? Natürlich kennen Sie »Das Wäida«. Vermutlich kommen Sie bloß gerade nicht darauf. Jedenfalls ist »Das Wäida« eine zentrale Figur in jedem – ja, in wirklich jedem – möglichen Spiel, mit dem kleine Jungs sich die Zeit vertreiben. Deshalb werden wir ihm auch in den folgenden Kapiteln immer wieder mal begegnen.

Wer noch dabei ist, sich seine Muttersprache mit Wortschatz und Grammatik anzueignen, ist doch froh, die bestimmten Artikel der/die/das an passender Stelle verwenden zu können. Wie soll man bitte schön darauf kommen, dass es sich in diesem speziellen Fall gar nicht um einen Artikel handelt, sondern um einen gängigen Titel für Sith-Lords? Jedenfalls vor langer Zeit in einer weit, weit entfernten Galaxis. Wer große Brüder hat, wächst vermutlich ganz unweigerlich in das von George Lucas erschaffene und von unzähligen anderen Köpfen weitergesponnene Star-Wars-Universum hinein, ohne überhaupt zu begreifen, dass es sich dabei um mehr handelt als eine bloße Merchandising-Maschine für Games und Legofiguren, Sammelkarten und Bettwäsche.

»Sag mal, Papa, stimmt es eigentlich«, fragte mich mein mittlerer Sohn einstmals, »dass es von Star Wars auch Filme gibt?«

You name it.

Der Böse ist immer »Das Wäida«