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Maria de Wismar

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Beschreibung

Paul handelt von einem alten Mann in einem Heim in Mecklenburg. Er ist an Demenz erkrankt. Zugleich beschäftigt ihn ein dunkles Geheimnis, dessen Aufklärung durch seine Vergesslichkeit erschwert wird. Anna lebt auch in dem Heim. Sie glaubt nicht mehr an die Liebe. Ob sie sich irrt? Neu überarbeitet und herausgegeben von Michael Pick.

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Veröffentlichungsjahr: 2025

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Paul
Maria de Wismar
Copyright © 2025 Michael Pick
All rights reservedThe characters and events portrayed in this book are fictitious. Any similarity to real persons, living or dead, is coincidental and not intended by the author.No part of this book may be reproduced, or stored in a retrieval system, or transmitted in any form or by any means, electronic, mechanical, photocopying, recording, or otherwise, without express written permission of the publisher.CopyrightMichael PickImkenrade 15g23898 [email protected]
Paul
Maria de Wismar
Die Bank am Rand der Welt
Ein blasser Himmel hing über den Wiesen wie ein Tuch, das lange nicht mehr glatt gestrichen worden war. Am Horizont schwang der Ton der Ostsee — ein kühles, gleichmütiges Rauschen, mehr wie eine Erinnerung denn wie Wasser.
Paul saß auf der Bank. Seine Hände ruhten schwer auf einem Stock, als hätten sie vergessen, dass sie einmal kräftiger gewesen waren. Die Sonne machte sich rar und den Tag blieb farblos. Aber er war ruhig, friedlich gar.
In der Ferne, wo das Gras endete, konnte man die Salzwiesen ahnen. Möwen zogen darüber ihre Kreise, ohne Hast, als wüssten sie um die Langsamkeit der Welt an diesem Ort.
Hinter Paul knirschte der Kies. Er hörte es, ohne sich umzudrehen.
„Du wieder.“ Die Stimme war ruhig. Nicht überrascht, nicht enttäuscht, einfach da. Wie der Himmel, wie das Meer.
Er drehte sich langsam. Anna stand dort. Ihr Blick war offen, aber fern. Die Art von Blick, den Menschen haben, wenn sie sich die Nähe anderer Menschen vom Leib halten wollen, ohne unhöflich zu wirken.
„Ich dachte, du wärst in Schweden,“ sagte sie.
Paul zuckte mit den Schultern. „Vielleicht bin ich es noch.“
Eine Möwe schrie, fast empört. Der schwache Wind fing sich in ihren Schwingen und seufzte.
Anna blieb stehen, die Hände auf den Griff des Rollators gelegt, und sah Paul eine Weile schweigend beim Sitzen zu. Der Wind hob eine Strähne ihres Haares, legte sie sanft wieder zurück. Paul blinzelte in die Weite.
„Es wird Regen geben,“ sagte Anna.
„Er hat mich nicht gefragt.“
Sie drehte sich um, ging den Kiesweg zurück, als gehöre er ihr. Paul sah ihr nach, bis der Wind die letzte Bewegung ihrer Schritte auslöschte.
Das Meer rauschte gleichmäßig weiter, wie eine alte Uhr, die keine Eile mehr kennt.
Der Geschmack von Salz
Am nächsten Morgen roch die Luft nach feuchtem Holz. Es war ein Regen gefallen, der sich keine Mühe gegeben hatte, die Welt neu zu erfinden. Nur das Nötigste hatte er getan: die Wege benetzt, die Dächer dunkler gemacht, die Fensterscheiben mit mattem Schimmer belegt.
Paul saß wieder auf der Bank. Dieselbe Bank, die für ihn in diesen Tagen der einzige Ort war, an dem die Zeit nicht ständig ihre Richtung wechselte. Im Haus verlor sich die Welt leicht; draußen hielt sie wenigstens noch ein wenig Form.
Ein Stück Kuchen lag auf der kleinen Papptellerkante auf seinem Schoß. Der Kuchen war trocken. Er hatte ihn in der Cafeteria geholt, ein Stück Apfel, doch die Äpfel waren schon so lange auf Wanderschaft durch den Ofen gewesen, dass von ihnen nur die Ahnung geblieben war.
Anna kam später als sonst.
Sie ging an ihm vorbei, ohne zu grüßen, setzte sich auf die zweite Bank, ein paar Meter weiter, so als gäbe es ein ungeschriebenes Gesetz, das die Entfernung genau vorschrieb.
Paul aß langsam, Stück für Stück, als könne er so den Tag verlängern.
„Du verpasst den Regen“, sagte er schließlich in ihre Richtung, ohne sie anzusehen.
Anna antwortete nicht. Der Wind griff leise nach ihrem Mantel, zog an einem Knopf, ließ wieder los. Möwen riefen irgendwo hinter den Gebäuden, ihr Ruf hallte über die leeren Wege.
„Ich habe früher Schiffe gebaut.“
Er sagte es, als wäre es ein Satz, der aus seinem Inneren aufgetaucht war, ganz ohne Zusammenhang, wie ein Stein, den der Wellengang an den Strand spült.
Anna schob die Hände tiefer in ihre Jackentaschen.
„Ich habe früher jemandem mein Herz geschenkt,“ murmelte sie nach einer Weile. „War auch nicht von Dauer.“
Der Satz blieb eine Weile im Raum, schwer wie die feuchte Luft.
Paul drehte das Kuchengabelchen zwischen den Fingern.
„Vielleicht wird das bei mir diesmal auch nichts.“
Ein kurzer Laut, kaum hörbar, rutschte über Annas Lippen. Es hätte ein Lachen sein können. Oder nur ein Atemzug. Beides war möglich.
Dann stand sie auf. Langsam. Als müsse sie für jeden Schritt eine kleine Rechnung bezahlen. Ein “Was?” lag ihr auf der Zunge. Sie schluckte es. Kein Intermezzo.
„Mach dir nichts vor, Paul. Eine alte Welt ist nicht für neue Geschichten gebaut.“
Sie ging den Weg zurück, Schritt für Schritt, ohne Eile.
Paul blieb sitzen, betrachtete die dunklen Wolken, die aus der Richtung der Ostsee heranzogen. Der Geschmack von Salz lag in der Luft. Auch von nahendem Regen. Und darunter etwas anderes, schwer Greifbares, das in seinem Inneren nagte — wie der Name eines Liedes, den man nicht mehr findet. Einfach vergessen.
Der Mann, der sich verliert
Es war an einem Tag, an dem die Sonne die Hecken golden zeichnete, doch Paul spürte es nicht. Die Wärme auf seinem Gesicht war bloß ein Schatten vergangener Jahre, keine echte Erinnerung.
Er saß im Aufenthaltsraum. Auf dem Fernseher lief ein Quiz, die Farben blinkten, aber niemand achtete auf die Fragen. Neben ihm drehte Herr Krüger unablässig den Ehering an seinem knochigen Finger, als wolle er den Moment festhalten, in dem seine Frau den Raum betrat. Doch sie kam nicht. Sie kam nie.
Paul starrte auf die Tasse Tee vor sich. Die Tasse war voll, der Tee längst kalt. Ein Pflegehelfer — Tom, ein junger Kerl mit halblangem Haar und einem T-Shirt, auf dem ein verblasstes „Baltic Surf Festival“ prangte — ging an ihm vorbei.
„Möchtest du was anderes trinken, Paul?“ fragte er.
Paul blinzelte, als müsste er erst den Satz entschlüsseln. Dann schüttelte er langsam den Kopf.
„Ich warte auf das Schiff,“ murmelte er.
Tom zuckte leicht, als überlege er, ob er nachfragen sollte. Er tat es nicht.
Später — als die Sonne tiefer sank und die Schatten sich an die Wände klammerten — saß Paul wieder auf seiner Bank. Der Wind war schwächer als sonst, das Meer schien den Atem anzuhalten.
Anna kam vorbei. Ohne Rollator, nur den Mantel leicht geöffnet, als trotze sie dem Frühling. Sie blieb stehen.
„Du wartest.“
Es war kein Vorwurf, eher eine nüchterne Feststellung. Ein wenig ernüchternd.
„Ich warte immer,“ sagte Paul, ohne aufzusehen.
Sie setzte sich neben ihn. Zum ersten Mal so dicht, dass er den Duft ihres Parfums roch: etwas Blumiges, unterlegt von einem Hauch Puder, fast altmodisch, trotzdem jung.
„Weißt du, wo du bist?“ fragte sie nach einer Weile.
Paul lächelte schwach.
„Manchmal. Manchmal auch nicht.“
Er tippte sich leicht gegen die Schläfe.
„Hier drinnen zieht oft Nebel auf. Genau wie auf dem Meer.“
Anna schwieg. Der Wind spielte wieder mit ihrem Haar. Eine Möwe schrie vom Dach der Cafeteria herab, als wolle sie beide aus ihren Gedanken reißen.
„Ich habe einen Mann gehabt,“ sagte Anna leise. „Er war anders, als du. Du bist ... zu freundlich.“
Paul sah sie an, so klar, wie er es selten tat.
„Ist das ein Fehler?“
Anna stand auf.
„Allerdings.“
Sie ging. Der Wind drehte. Paul blieb noch eine Weile sitzen.
Die Ostsee flimmerte in der Ferne. Für einen Moment schien es ihm, als läge ein Boot am Horizont. Ein Schiff, auf das er schon lange wartete.
Doch als er blinzelte, war es verschwunden.
Der Tag, an dem Paul verschwand
Der Tag war hell. Zu hell, für April, zu hell für den Frühling. Die Sonne lag wie blankes Blech auf den Wegen, die Vögel sangen zu früh, als wüssten sie etwas, das den Menschen entgangen war. Vielleicht war die Zeit verschoben.
Paul hatte an diesem Morgen kaum gesprochen. Tom, der Pfleger, hatte ihm den Pullover gereicht, den mit den dunkelblauen Streifen, doch Paul hatte ihn achtlos liegen lassen.
Stattdessen war er einfach gegangen. Ohne Plan, ohne Ziel. Der Wind stärkte seinen Rücken und gab ihm das Gefühl, dass etwas auf ihn wartete.
---ENDE DER LESEPROBE---