Perfect Girl - Mary Hogan - E-Book

Perfect Girl E-Book

Mary Hogan

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Beschreibung

Was ist für dich am schlimmsten? a) Verliebt in den besten Kumpel? b) Eine Neue in der Klasse, die perfekt schön ist? c) Merken, dass der beste Kumpel sich in die Neue verliebt hat? Ruthie hat genau damit zu kämpfen. Und sie muss etwas tun, wenn sie nicht tatenlos zusehen will, wie Jenna ihr Perry wegschnappt. Bloß was? Sie bittet ihre Tante, beruflich Expertin in Mode- und Liebesfragen, um Hilfe. Wer, wenn nicht sie, kann Ruthie in ein «Perfect Girl» verwandeln?

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Mary Hogan

Perfect Girl

Aus dem Englischen von Sabine Bhose

Ihr Verlagsname

Über dieses Buch

Was ist für dich am schlimmsten?

a) Verliebt in den besten Kumpel?

b) Eine Neue in der Klasse, die perfekt schön ist?

c) Merken, dass der beste Kumpel sich in die Neue verliebt hat?

Ruthie hat genau damit zu kämpfen. Und sie muss etwas tun, wenn sie nicht tatenlos zusehen will, wie Jenna ihr Perry wegschnappt. Bloß was? Sie bittet ihre Tante, beruflich Expertin in Mode- und Liebesfragen, um Hilfe. Wer, wenn nicht sie, kann Ruthie in ein «Perfect Girl» verwandeln?

Über Mary Hogan

Mary Hogan studierte in Berkeley und ging dann als Redakteurin und Journalistin nach Los Angeles, wo ihre Artikel in zahlreichen Frauenmagazinen erschienen. Seit ihrem Umzug nach New York schrieb sie außerdem fürs Fernsehen, unter anderem eine Episode für die NBC-Comedyserie «Work it out». Ihr größter Traum war es immer, Schriftstellerin zu werden. Veröffentlicht hat sie bereits eine Reihe Sachbücher – in Zusammenarbeit mit der Psychologin Joy Browne insbesondere zum Thema Beziehungen. Bei rotfuchs sind in der Reihe «Chaos, Küsse, Katastrophen» bereits erschienen: «Ein Pakt, ein Kuss und weiche Knie», «Susanna Shootingstar», «Susanna Starlight» und «Susanna Backstage Queen».

Inhaltsübersicht

Für Bob, auf ...Danksagung1. Kapitel2. Kapitel3. Kapitel4. Kapitel5. Kapitel6. Kapitel7. Kapitel8. Kapitel9. Kapitel10. Kapitel11. Kapitel12. Kapitel13. Kapitel14. Kapitel15. Kapitel16. Kapitel17. Kapitel18. Kapitel19. Kapitel20. Kapitel21. Kapitel22. Kapitel23. Kapitel24. Kapitel25. Kapitel26. Kapitel27. Kapitel28. Kapitel29. Kapitel30. Kapitel31. Kapitel32. Kapitel33. Kapitel

Für Bob, auf immer und ewig

Danksagung

Zutiefsten Dank an die tolle Amanda Maciel, die ehrlich gesagt eher Schreibpartnerin als Lektorin ist. Ohne sie wäre das Buch nicht zu diesem Buch geworden. Meine Liebe und Wertschätzung geht an Laura Langlie, die beste Agentin überhaupt, und an die vielen unglaublichen Frauen New Yorks, denen ich die Figur der Martine zu verdanken habe: Dr. Joy Browne, Joanna Patton, Antonia van der Meer, Carol Tuder, Jo-Ann Robotti, Leslie Monsky, Florence Isaacs, Su Robotti, Karen Walden, Rosemarie Lennon, Susan Kane, Kathy Green, Susan Sommers, Linda Konner und, Ehren-New-Yorkerin, Julie Hogan.

1. Kapitel

Sie kommt zehn Minuten nach dem Klingeln in die Klasse geschlendert. Zwanzig Köpfe drehen sich zu ihr um. Vierzig Augen sehen zu, wie sie mit ihren perfekten braunen Beinen, ihrem perfekten blauen Haltertop und ihrem perfekt schwingenden Pony zum Lehrerpult schreitet.

Mr Roland langweilt uns schon jetzt. Kreidestaub fliegt durch die Luft, während er die sechs Hauptorgane der Vereinten Nationen an die Tafel schreibt. Sein kurzärmeliges weißes Hemd ist so dünn, dass man seinen behaarten Rücken durchschimmern sieht.

«… die Generalversammlung, der Sicherheitsrat …», leiert seine näselnde Stimme.

«Mit ihr würde ich mich generell auch ganz gern versammeln», sagt einer der Jungs und nickt mit dem Kopf in Richtung der Neuen.

Die ganze Klasse fängt an zu grölen. Na ja, zumindest die Jungs.

«Oje», entfährt es Mr Roland, der sich zur Klasse umdreht, «wen haben wir denn hier?»

Sie reicht ihm wortlos einen Zettel.

Ich starre zu ihr hinüber und zwirbele eine meiner roten Haarsträhnen um meinen Finger.

«Setzen Sie sich», bittet sie unser Lehrer. Und die Neue schreitet gemächlich nach hinten, ohne rot zu werden, obwohl die ganze Klasse jede Bewegung mitverfolgt. Insbesondere Perry. Mein Perry.

«Hört mal, das ist Jenna Wilson», stellt sie Mr Roland vor. Die Jungs nicken und grinsen. Die Mädels verziehen ihre Gesichter zu einem steifen Lächeln. Jenna setzt sich und sieht nach vorn. Ich stelle fest, dass sowohl ihre Finger- als auch ihre Zehennägel perfekt französisch manikürt sind. Ich verstecke meine zackeligen Fingernägel in meiner Handfläche und sehe ebenfalls nach vorn.

«… der Wirtschafts- und Sozialrat, der Internationale Gerichtshof …»

Mr Roland dreht sich wieder zur Tafel und schwafelt weiter. Das geht nun schon das ganze Halbjahr so. Meine Ohren hören hin, aber meine Gedanken sind bei dem neuen Girl. Dem perfekten Girl, das nun zwischen mir und Perry Gould sitzt. Ich spüre förmlich, wie er sie mustert. Mein Herz rutscht mir in die Hose. Warum ausgerechnet jetzt?

2. Kapitel

«ENTE.»

Dies war das erste Wort, das er zu mir sagte. Zumindest das erste, an das ich mich erinnere. Ich bin mir bis heute nicht sicher, ob er mich damit meinte oder den gelben Plastikgegenstand, der über den Maschendrahtzaun zwischen unseren Gärten geflogen kam. Wer weiß? Was ich allerdings genau weiß: Seit diesem ersten Wort sind Perry Gould und ich Freunde. Wahrscheinlich sogar beste Freunde. Aber sagt es bitte nicht meiner anderen besten Freundin weiter, Celeste.

Perry wohnt immer noch auf der Fifth Street in Odessa, im Staat Delaware. Ich lebe immer noch auf der Sixth. Seit ich denken kann, sind wir geographisch miteinander verbunden. Und jetzt hoffe ich sehr auf eine anatomische Verbindung.

«Ente», wiederholte ich damals als kleines Mädchen und watschelte zu ihr hinüber, um sie aufzuheben.

Perrys Mom sonnte sich im Liegestuhl neben dem Planschbecken. Meine Mutter kniete vor einem Beet und pflanzte Kräuter in unserem Gemüsegarten.

Mrs Gould rief eine Entschuldigung über den Zaun und fragte: «Möchtest du rüberkommen und planschen, Ruthie?»

Natürlich wollte ich das. Aber die Stirn meiner Mutter legte sich sofort in Sorgenfalten, da sie an die Bakterien im Planschbecken dachte und an die Gefahr zu ertrinken …

«Ich werde sie nicht aus den Augen lassen, Fay», beruhigte sie Mrs Gould.

Also ließ mich meine Mutter zögerlich hinübergehen. «Ich hole schnell ihren Badeanzug und die Sonnenmilch», erklärte sie, während sie sich stöhnend aufrichtete.

Aber als sie wieder nach draußen kam, war ich schon auf der anderen Seite des Zaunes und planschte in meiner Unterhose mit Perry in seinem Becken. Das war unser erstes Date. Perry sah mich oben ohne, als das noch gar nichts bedeutete. Wir spielten miteinander, lange bevor das Leben jede Berührung verkomplizierte.

«Was glaubst du, wofür es steht?», fragt mich Celeste nach unserem Politikkurs. «Jennifer?»

«Wäre das nicht eher Jenny und nicht Jenna?», stelle ich als Gegenfrage.

«Heißt die Tochter des früheren Präsidenten Bush nicht Jenna?», mischt sich meine zweitbeste Freundin Frankie ein. Ihr richtiger Name ist Frances. Eigentlich steht er ihr viel besser, denn sie ist schüchtern, rundlich und eher jemand, der anderen folgt. Nicht so wie Celeste, die in jeder Situation die Führung übernimmt, egal, wen sie dabei über den Haufen rennt.

Celeste würde es natürlich nie zugeben, aber sie ist in ihrem tiefsten Inneren schon ein bisschen wie Frances. Und ich, ich habe etwas von beiden, weshalb wir uns wahrscheinlich so gut verstehen. Jedenfalls meistens.

«Ich dachte, die heißt Barbara», meint Celeste, «nach ihrer Großmutter.»

«Das ist doch die andere», werfe ich ein. «Die sind beide nach ihren Großmüttern benannt. Weshalb ich eine Zwei in dem Test über die Verfassung bekommen habe. Mein Gehirn ist voll mit unnützem Blödsinn über Zwillinge.»

«O Gott, ich hoffe, sie ist kein Zwilling!», entfährt es Celeste.

«Das hoffe ich auch», stimme ich seufzend zu.

«Und ich erst», fügt Frankie hinzu.

Wir überqueren stumm den Rasen zu unserem Mittagspausen-Stammplatz. Ich mache, dass ich in den Schatten komme. Das Letzte, was ich jetzt gebrauchen kann, ist eine neue Sommersprosse. Meine langen roten Haare kräuseln sich in der feuchten Nachmittagsluft. Celeste lässt sich mitten im Sonnenlicht nieder, dreht ihr glattes schwarzes Haar zu einem Knoten und reckt ihr Gesicht der Sonne entgegen. Frankie rollt ihre enge Caprihose hoch übers Knie und kickt sich die Flip-Flops von den Füßen. Dabei fällt mir auf, dass sie vergessen hat, den Selbstbräuner bis auf die Füße zu verteilen. Ich weiß, dass meine Freundinnen genau das denken, was mir durch den Kopf geht, während wir unser Mittagessen auspacken: Ist das erste Jahr am College nicht schwer genug ohne eine Neue in der Klasse? Und dann auch noch ein perfektes Girl?

«Außerdem», fährt Celeste mit geschlossenen Augen fort, «wer kommt zum Ende des Schuljahres in eine neue Schule?»

«Genau», pflichtet Frankie ihr bei. «Wer?»

«Vielleicht sind ihre Eltern auf der Flucht?», frage ich.

«Delawares Superkriminelle», lacht Celeste.

«Vielleicht prangen ihre Fotos ja auf einem Fahndungsplakat in der Polizeiwache?», spekuliert Frankie.

Da erscheint sie plötzlich am anderen Ende der Rasenfläche. Sie kommt direkt auf uns zu. Ihre langen braunen Haare wippen mit jedem Schritt nach links und rechts. Ihre Beinmuskeln ziehen sich zusammen, während sie den Hügel herunterkommt. Sie ist schon jetzt von den Halb-Populären vereinnahmt worden. Zwei Mädels vom Soccer-Team machen mit ihr eine Tour durch die Schule. Mein Puls wird schneller, als sie auf uns zu kommen, aber sie gehen an unserem Baum vorbei, ohne uns überhaupt wahrzunehmen. Nicht, dass wir so aussehen, als ob es uns etwas ausmachte. Celeste blickt kurz zu ihr hinüber und schließt dann ihre Augen wieder. Frankie beißt herzhaft in ihr Erdnussbutter-Sandwich. Und ich, ich spiele mit meinem Haar und tue so, als ob ich ihre Grübchen nicht gesehen hätte oder wie sich ihre Augen so niedlich zusammenziehen, wenn sie lacht. Wenigstens ist sie nicht blond, kommt mir in den Sinn. Immerhin: ein klitzekleiner Silberstreif am Horizont.

«Hey.»

Mein Herz flimmert, als ich eine bekannte Stimme hinter mir höre.

«Hey, Perry», antworte ich und werfe meine Haare lässig über die Schulter, während ich mich zu ihm umdrehe.

Perry nickt mir zu, aber ich sehe, wie seine Augen zu ihr hinüberwandern. Zu meinem Entsetzen sieht sie ihn direkt an und lächelt. Mist. Jetzt hat er auch noch ihre tiefen Grübchen gesehen.

Celeste öffnet ein Auge und höhnt: «Wenn das nicht P. Nerdy in seinen Gangstahöschen ist.»

«Nur noch Nerdy», verbessert sie Frankie. «Er hat das P. untern Tisch fallenlassen.»

«Meine Güte, Leute!» Ich starre meine Freundinnen böse an. Dann blinzele ich und sehe zu dem Jungen auf, hinter dem ich auf unerklärliche Weise total her bin. Der einzige Junge, der mich je oben ohne gesehen hat und alle meine Geheimnisse kennt. Perry zuckt mit dem Kopf im Rhythmus zur Musik in seinem Ohr. Er trägt ein gigantisches weißes T-Shirt und eine riesige Jeans, die am Saum ausgefranst ist. Sein Outfit ist zugegebenermaßen etwas lahm. Insbesondere die Wollmütze, da wir über dreißig Grad haben. Aber Perry lässt nichts unversucht, um nicht wie der Naturwissenschaftsstreber auszusehen, der er nun mal ist – selbst wenn er sich deshalb wie ein Rapper verkleiden muss.

«Das nimmt dir keiner ab», habe ich ihn mindestens schon eine Million Mal gewarnt. Perry sieht sogar schlau aus, wenn er morgens auf seinen Cornflakes kaut. Er will mal Astronaut werden. Der Astronomie-Kurs an der Liberty High wurde eigens für ihn und die anderen Hirnprotze zusammengestellt, die dem Unterrichtsstoff der 10. Klasse so meilenweit voraus sind, dass es nicht mehr lustig ist. Perrys perfektes Urlaubsziel wäre ein Flug zu einer Weltraumstation. Also wirklich!

In der Schule tut er allerdings so, als wäre er ein Junge aus der «Hood», der keinen sagenhaften Notendurchschnitt aufzuweisen hat. Bisher dachte ich, er hätte seinen Verstand verloren. Aber seit kurzem habe ich eher das Gefühl, dass ich meinen verliere, wenn ich ihn nur sehe.

«Du störst», verkündet Celeste und schaut Perry hochnäsig an. «Pass auf, dass du nicht über deine Clownshosen stolperst, wenn du gehst.»

«Versuch du lieber, dein Alter nicht mit deinem IQ zu verwechseln», schießt Perry zurück. Dann nickt er mir wieder zu und stapft mit seinem Zuhältergang von dannen.

«Bis später», rufe ich ihm hinterher und zucke zusammen, weil es so verdammt bemüht klingt.

Ich drehe mich sauer zu Celeste um: «Wieso musst du eigentlich immer so gemein zu ihm sein?»

«Er ist gemein zu mir.»

«Du warst zuerst gemein.»

«Was, sind wir jetzt etwa im Kindergarten? Wen kümmert schon Perry? Schließlich ist er nicht dein Freund, Ruthie. Es ist ja nicht so, als ob ich ihn gut finden müsste.»

Ich muss schlucken: «Er ist mein Freund.»

«Ja, dein Mitleidsfreund. Nur, weil ihr als Kleinkinder zusammen gespielt habt, musst du ja jetzt nicht immer noch mit ihm befreundet sein.»

Was soll ich darauf antworten? Ich traue mich nicht, meiner besten Freundin zu sagen, dass ich mich ganz offiziell in Perry Gould verliebt habe. Sie kann ja nicht in seine Poetenseele sehen, wie ich es plötzlich kann. Und wenn ich Frankie von meiner neuen Liebe für Perry erzählen würde, würde sie es sofort Celeste weitersagen. Und deshalb wird Frankie immer meine zweitbeste Freundin bleiben.

Keine der beiden würde verstehen, was letzten Freitag passiert ist. Insbesondere, weil ich es ja selbst noch nicht einmal verstehe.

3. Kapitel

Es war wunderschön warm. Eine dieser typischen Sommernächte, die einen ganz verrückt machen, weil beinahe Ferien sind, aber die Prüfungen noch vor einem liegen. Man kann es kaum abwarten, endlich frei zu sein, aber man kann sich nicht gehenlassen. Noch nicht.

«Schau dir das an», forderte Perry mich auf.

Wir befanden uns – wie immer – auf Perrys Flachdach und verbrachten die Zeit miteinander. Perry beobachtete die Sterne durch das Monsterteleskop, für das seine Mutter zwei Jahre lang gespart hatte. Es stand auf einem Tripod und war auf den schwarzen Nachthimmel gerichtet. Und ich, ich dachte darüber nach, wie das ganze Leben von einem Zufall gesteuert werden kann. Also zum Beispiel, wo du lebst. Und die Tatsache, dass ein völlig unnormales Leben dein Leben sein muss, weil du nichts anderes abbekommen hast.

«Ruthie, das musst du dir ansehen», bat mich Perry nochmal.

«Hoffentlich lohnt es sich», erwiderte ich. Für mich sind Sterne reine Zeitverschwendung. Es sei denn, sie leuchten am Firmament von Hollywood wie Orlando Bloom. Ich bückte mich und spähte mit einem Auge durch das Teleskop.

«Siehst du es?», fragte mich Perry aufgeregt.

«Ich sehe einen weißen Punkt.»

«Das st er!» Er rückte näher. «Wega! Der hellste Stern im Sommerdreieck.»

Ich sah nochmal hin und zuckte mit den Schultern.

«Siehst du Epsilon Lyrae direkt daneben?», wollte er wissen. «Siehst du’s?»

Was, jetzt sollte ich mir gleich zwei Punkte auf einmal ansehen? Ich richtete mich auf und sah Perry an: «Fragst du dich auch manchmal, wie dein Leben wohl wäre, wenn du in Alaska oder New York leben würdest?»

«Das ist ein Doppelstern, Ruthie», antwortete er. «Den kann man nicht immer sehen.»

«Genau das meine ich doch! Wie soll man selbst sehen können, wer man wirklich ist, wenn man das Leben eines anderen Menschen führt?»

Perry verdrehte seine Augen. Ich hatte diese Diskussion schön öfter angefangen.

Wir haben nämlich beide eine mütterliche Schlinge um den Hals: Wir sind beide Einzelkinder und vaterlos. Perrys Vater verließ seine Familie für eine Shiatsu-Masseuse aus Denver, als Perry zwei Jahre alt war. Und mein Vater … na ja, den gab es nie. Mom suchte mich aus, wie man sich Bettlaken im Kaufhaus auswählt.

«Ich hätte gern grüne, damit sie mit meiner Bettdecke harmonieren. Und achten Sie darauf, dass Sie die richtige Größe bestellen, denn sie müssen auf das Bett passen, das ich schon habe.»

Meine Mutter entschied sich für meine roten Haare und blauen Augen, damit ich ihr ähnlich sähe. Sie suchte sich einen Mann mit Universitätsabschluss aus, weil sie nie die Chance dazu gehabt hatte. Wie sie sagt, gibt es eine Herzschwäche auf der Seite meiner väterlichen Gene, aber es liegt angeblich voll im Durchschnitt.

Durchschnitt! Wie sollte ich jemals durchschnittlich sein, wenn mein Vater bloß Sperma in einer Spritze war?

«Kein Kind wurde sehnlicher herbeigewünscht als du», erklärte Mom. Sie musste es zweimal in einer teuren Fruchtbarkeitsklinik in Wilmington versuchen, bevor es klappte. «Warum hätte ich mir sonst so viel Mühe gemacht?»

Meine Mutter lebt schon von Geburt an im winzigen Odessa in Delaware. Bevölkerung: 286. Vor meiner Geburt (Bevölkerung: 285) arbeitete meine Mom im einzigen Restaurant der Stadt.

«Ich kannte alle und jeden», erklärte sie. «Niemand interessierte sich für mich.»

Meine Frage ist die: Wenn Mom noch etwas länger gewartet hätte, wäre dann vielleicht eines Tages ein Fremder in Taylor’s Diner hineinspaziert? Jemand, der sie nicht sein ganzes Leben lang kannte und sich in sie verliebt hätte? War ein normaler Dad nur ein Spezialfrühstück entfernt gewesen?

Perry kennt das auch. Dieses Sprudeln. Wie Mineralwasser in den Adern. Ständig wird man daran erinnert, dass man nicht so ist wie alle anderen. Natürlich fühlt man sich nicht immer außen vor, aber doch oft genug, um ein normales Leben unerreichbar erscheinen zu lassen.

Ich bin nicht naiv. Ich weiß natürlich, dass niemand völlig normal ist. Selbst wenn Leute durchschnittlich aussehen und sich ganz gewöhnlich verhalten, sind sie es oft tief in ihrem Innersten nicht. Aber sie haben ganz bestimmt Momente, in denen sie sich normal fühlen können. Wenn sie eine Karte zum Vatertag kaufen, ohne darüber nachzudenken, wenn ihre Väter ihnen das Fahrradfahren beibringen oder sie zum Altar führen. Es gibt Familiengeschichten und -fotos und Weihnachten mit Bergen von zerrissenem Geschenkpapier. Sie müssen keine Angst haben, dass ihre Mütter ohne sie verkümmern und sterben würden. Und gerade diese Momente machen eine Familie aus. Wenn man keinen Vater hat, weiß man natürlich nicht genau, was man vermisst. Aber man spürt, dass etwas Wichtiges im Leben fehlt.

Meistens versuche ich, diese Gedanken zu unterdrücken. Denn sie stressen mich ziemlich. Hat sich meine Mutter je gefragt, was ihre Entscheidung für mich bedeuten würde? Hat sie nie darüber nachgedacht, dass ein Mädchen eine Vaterfigur braucht, damit es Jungs verstehen lernt?

«Wenn du genau hinschaust, Ruthie, kannst du was ganz Besonderes sehen», unterbrach Perry meine Gedanken letzten Freitag auf seinem Dach. «Die beiden Sterne der Epsilon Lyrae sind auch Doppelsterne.»

Während ich durch das Teleskop spähte, spürte ich seinen Atem auf meinem Rücken und Hals und seine warme Hand auf meiner Schulter.

«Epsilon ist ein doppelter Doppelstern. Siehst du es? Kannst du alle vier finden? Sie sind einfach unglaublich. Das musst du dir anschauen.»

Ich suchte, und plötzlich kamen tatsächlich vier Punkte in meinen Fokus. «Oh!»

«Siehst du sie?»

Perrys Stirn lehnte leicht gegen meinen Hinterkopf. Es fühlte sich völlig normal an und doch irgendwie ganz neu.

«Ja, ich sehe sie.»

«Sind sie nicht unglaublich?», wollte er wissen

«Das sind sie.» Und zum ersten Mal meinte ich es wirklich.

«Ist dir klar, dass du dir gerade eine unglaubliche Nuklearreaktion ansiehst, die durch Gravitationskräfte zusammengehalten wird?»

Das war mir nicht klar.

«Astronaut bedeutet Weltallmatrose», erklärte er mir fast verträumt. «Das will ich mal werden – ein Weltallmatrose.»

Wir wurden beide still und stellten uns vor, wie Perry als klitzekleiner Punkt durch das Weltall segeln und die Erde wie ein winziger Wasserball aussehen würde.

Mir wurde etwas schwindelig, als ich nicht mehr angestrengt durch das Teleskop starrte. Dann blickte ich auf Perrys Gesicht. Es kam mir vor, als hätte ich ihn noch nie zuvor richtig gesehen. Mir blieb die Luft weg. Sein Kiefer war kantig. Seine braunen Sommersprossen konnte man kaum erkennen. Waren seine Wimpern schon immer so lang und schön geschwungen? Er trug Koteletten, jedenfalls andeutungsweise. Und er hatte einen niedlichen krummen Zahn. Wieso hatte ich jemals gedacht, dass das albern aussah? Und war er schon immer so groß? Ganz unvermittelt fiel mir auf, dass Perry in sein Gesicht und seinen Körper hineingewachsen war. Es passte plötzlich alles. Er sah … zum Anbeißen aus. Es kostete mich echte Kraft, ihn nicht anzufassen, um sicherzugehen, dass er keine Halluzination war.

Und in diesem Augenblick passierte es: Peng! Es lag an der Wärme, die von seiner Brust aufstieg, am Geruch von frischem Gras, der von ihm ausging, daran, dass wir allein waren – nur wir beide – auf dem kleinen Dach, mitten im unendlichen Universum. Nur wir vaterlosen Weltallmatrosen, die von Gravitationskräften zusammengehalten wurden. So überraschend wie eine Sternschnuppe, die plötzlich vom Himmel fällt, so überraschend verliebte ich mich in meinen (fast) besten Freund.

«In manchen Nächten kann man den Ring Nebula sehen», erklärte mir Perry. «Aber jetzt nicht. Es ist noch zu früh.»

Falsch! Es war zu spät. Ich war in seinem Orbit schwerelos. Ich würde Perry nie mehr als meinen Kumpel sehen können. Ich wusste es, meine Knie wussten es.

Wenn mir doch nur etwas einfiele, um es Perry wissenzulassen. Bevor jemand – wie zum Beispiel das neue Girl, das perfekte Girl – meinen zukünftigen Freund (bitte, bitte, lieber Gott!) in die französisch manikürten Finger bekommt.

4. Kapitel

Moms Füße liegen auf unserem alten hölzernen Couchtisch. Ihre lilafarbenen Velourshosen dehnen sich über ihre Oberschenkel. Sie trägt ihre Hausschuhe, die sie ihre «Drinnenschuhe» nennt, und strickt eine Babydecke aus gelber Wolle.

«Hast du deine Hausaufgaben fertig?», fragt sie mich.

«Ich bin gerade erst durch die Tür gekommen, Mom», maule ich, «gib mir eine Chance.»

Sie sieht mich von der Seite an.

«Möchtest du Fischstäbchen? Ich genehmige mir einen kleinen Snack.»

«Große Güte, nein.»

«Kannst du mir dann bitte noch eins bringen? Sie stehen im Ofen.»

Ich sehe sie aufgebracht an: «Hast du hier etwa den ganzen Tag gesessen und darauf gewartet, dass deine Dienstbotin nach Hause kommt?»

Mom schiebt sich ihre Brille auf ihren Kopf. «Du bist zwanzig Minuten zu spät, Ruthie. Du weißt doch, wie sehr ich mir Sorgen mache, wenn du bummelst.»

Ich stöhne auf und schmeiße meinen Rucksack auf den anderen Ohrensessel, der zu dem gehört, auf dem meine Mutter sitzt. Allerdings passen die beiden nicht mehr zusammen, seit meine Mutter versucht hat, sie selbst zu beziehen. Sie gab auf, nachdem der erste aussah, als ob er sich den Stoff von einem wesentlich kleineren Sessel geliehen hätte. In unserem Haus passt gar nichts zusammen – nicht das rostbraune Sofa mit der olivgrünen und türkisfarbenen Decke im Zackenmuster (die Wolle dafür war reduziert), nicht der «neutrale» Läufer, der schon lange seinen neutralen Status verloren hat, nicht der Tellerstapel vom Flohmarkt in unserem Küchenschrank, der aussieht wie ein Pfannkuchenhaufen, der kurz vorm Umkippen steht. Nicht einmal die Vorhänge: einer ist aus einem verblichenen Rosenstoff genäht und der andere aus Karostoff.

«Hast du auch manchmal das Gefühl, dass du derart in deinem Leben feststeckst, als ob dich Treibsand direkt in die Hölle saugt?», frage ich sie.

Mom blinzelt mich an. Ihre rot-grauen Locken explodieren von ihrem Kopf wie rostige Sprungfedern. Mein Herz rast. Könnte es tatsächlich sein, dass ich kurz davor bin, meiner Mutter mein Herz auszuschütten und ein tiefschürfendes Gespräch mit ihr zu führen?

«Vergiss die Remouladensoße nicht», entgegnet sie nur.

Ich stöhne noch lauter, schnappe mir meinen Rucksack und brülle: «Das ist die Hölle!» Dann stampfe ich aus dem Wohnzimmer die Treppe hinauf in mein Zimmer.

Wie soll ich bloß mit meinen vierzehn Jahren der Existenz einer Zwölfjährigen entkommen, das perfekte Girl von Perry Gould fernhalten und ihn dazu bringen, in mir nicht nur einen Kumpel zu sehen, wenn mein einziges Vorbild Geld damit verdient, Babydecken zu stricken und wahrscheinlich noch nie im Leben Sex gehabt hat?! Die Frau, die mir den Weg in das Erwachsenwerden erleichtern soll, denkt, dass Hunger ein Signal der Natur ist, wie groß der eigene Körper zu sein hat. Sie findet, dass man lügt, wenn man sich seine Haare färbt, und dass Make-up nur auf Clownsgesichter gehört. Außerdem ist sie davon überzeugt, dass Popkultur Gift für den Verstand ist. Wir haben noch nicht einmal Kabelfernsehen! Ich muss mir MTV bei Celeste ansehen. Mein Computer hat noch ein Dial-up-Modem. Da könnten wir gleich Amish sein!

Sie kann sich ihre Remouladensoße selbst holen.

Auf meinem Weg nach oben komme ich an Mr Arthur vorbei, dem steinalten Untermieter, der die dritte Etage unseres baufälligen Hauses bewohnt.

«Irgendetwas riecht lecker», erklärt er.

«So ein Scheiß, Scheiß, Scheiß», quäke ich mit jeder neuen Stufe.

«Ach, das ist Mais? Ich dachte, es riecht nach Fisch.» Er hat mich mal wieder nicht richtig verstanden.

«Weißt du, als ich noch ein Junge war …»

Ich stöhne laut auf.