Susanna Shootingstar - Mary Hogan - E-Book

Susanna Shootingstar E-Book

Mary Hogan

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Beschreibung

Susanna kann ihr Glück kaum fassen: Sie hat einen Praktikumsplatz beim angesagten New Yorker Magazin «Scene» ergattert! Endlich kann sie zeigen, dass in ihr eine große zukünftige Starreporterin steckt. Doch die Wirklichkeit sieht anders aus: Susannas Aufgaben bestehen nämlich bloß darin, für die gesamte Redaktion Kaffee zu holen und die Launen ihrer Chefin zu ertragen. So hat sie sich das schillernde Reporterleben nun wirklich nicht vorgestellt. Doch dann hat Susanna eine großartige Idee – und kann endlich zeigen, was in ihr steckt.

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Seitenzahl: 259

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Mary Hogan

Susanna Shootingstar

Aus dem Englischen von Sabine Bhose

Ihr Verlagsname

Über dieses Buch

Susanna kann ihr Glück kaum fassen: Sie hat einen Praktikumsplatz beim angesagten New Yorker Magazin «Scene» ergattert! Endlich kann sie zeigen, dass in ihr eine große zukünftige Starreporterin steckt. Doch die Wirklichkeit sieht anders aus: Susannas Aufgaben bestehen nämlich bloß darin, für die gesamte Redaktion Kaffee zu holen und die Launen ihrer Chefin zu ertragen. So hat sie sich das schillernde Reporterleben nun wirklich nicht vorgestellt.

 

Doch dann hat Susanna eine großartige Idee – und kann endlich zeigen, was in ihr steckt.

Über Mary Hogan

Mary Hogan studierte in Berkeley und ging dann als Redakteurin und Journalistin nach Los Angeles, wo ihre Artikel in zahlreichen Frauenmagazinen erschienen.

Mit ihrem Umzug nach New York schrieb sie außerdem fürs Fernsehen, unter anderem eine Episode für die NBC-Comedyserie «Work it out».

Ihr größter Traum war es immer, Schriftstellerin zu werden. Nach einer Sachbuchreihe und «Ein Pakt, ein Kuss und weiche Knie» war «Susanna Shootingstar» ihr zweites Jugendbuch in der Reihe «Chaos, Küsse, Katastrophen».

Inhaltsübersicht

Für BobDanksagungEinsZweiDreiVierFünfSechsSiebenAchtNeunZehnElfZwölfDreizehnVierzehnFünfzehnSechzehnSiebzehnAchtzehnNeunzehnZwanzigEinundzwanzigZweiundzwanzigDreiundzwanzigVierundzwanzigFünfundzwanzigSechsundzwanzigSiebenundzwanzigAchtundzwanzigNeunundzwanzigDreißigEinunddreißigZweiunddreißigDreiunddreißigVierunddreißigFünfunddreißigSechsunddreißigSiebenunddreißigAchtunddreißigNeununddreißigVierzigEinundvierzigZweiundvierzigDreiundvierzigVierundvierzigFünfundvierzigSechsundvierzigSiebenundvierzigAchtundvierzigNeunundvierzigFünfzig

Für Bob

Danksagung

Ewigen Dank an Ingrid Selberg, die mir sofort das Gefühl gab, am richtigen Ort zu sein; an Joanna Moult für ihre Kreativität und Fürsorge; an Venetia Gosling, die mich in die richtige Richtung wies; an Elisa Offord, mit der man ebenso gut ausgehen wie arbeiten kann; an Annette Green für die schwere Arbeit, die sie meinetwegen hatte; und an Laura Langlie für ihre Unterstützung, ihr Talent und ihre Unermüdlichkeit.

Eins

Ich bin der größte Glückspilz auf der ganzen Welt. Wer hätte je gedacht, dass ich, Susanna Barringer, geborene New Yorkerin, süchtig nach der Welt der Promis, im zweiten Jahr an der High School, eher eine Rosanne Barr als eine Reese Witherspoon, einen heiß begehrten Sommerjob bei der Zeitschrift Scene einsacken würde? Die Chancen standen eins zu einer Trillion. Höchstens. Aber hier bin ich. Der erste Tag meines neuen Lebens. Meines echten Lebens. Vergessen dieses Scheinleben von Schule und Hausaufgaben sowie der ständige Kampf mit dem Pickel, der jeden Monat wie der Vesuv an meinem Kinn ausbricht.

«Außerirdische sind mitten unter uns.» Ein Penner in verdreckten braunen Klamotten umkreist mich, während ich auf den Bus Richtung Midtown warte. Er lallt: «Vielleicht bin ich einer, vielleicht bist du einer.»

Ich halte zustimmend meinen Daumen hoch und versuche, die Luft anzuhalten. Sein Körpergeruch ist so extrem, dass man ein neues Wort dafür erfinden müsste – vielleicht was außerirdisch Klingendes wie Xoestryuuil, das nur Marsmännchen verstehen. Also wirklich, der Typ stinkt dermaßen, dass er bestimmt wieder zurück auf die Erde geschmissen würde, falls Außerirdische ihn entführten. In einem Ufo gibt’s ja keine Fenster. Die würden den Gestank nie wieder los.

«Wenn der Mond im siebten Haus steht und Jupiter auf Mars zugeht», faselt er. Das kommt mir irgendwie bekannt vor. «Wird Friede die Planeten lenken», brüllt seine Stinkigkeit in die Gegend. Ehrlich gesagt, sein Atem könnte gut ein Tictac vertragen, oder vielleicht eher hundert. Ich überlege gerade, ob ich ihm eine Packung rüberwerfen soll, als es mir plötzlich wieder einfällt:Das ist von einem Song. Meine Eltern singen das ständig. Und Sternewerden Liebeschenken. Ist von irgend so einem megaalten Musical über Haare. Obwohl meine Eltern zu jung sind, um echte Hippies gewesen zu sein, halten sie sich trotzdem irgendwie für ehemalige Blumenkinder. Was wirklich ein Witz ist, denn mein Vater arbeitet in einem gerichtsmedizinischen Labor, und meine Mutter ist in der Buchhaltung bei Bloomingdale’s.

«Wacht auf, Leute! Wir sind in New York City! Kornkreise sind ein alter Hut! Außerirdische sind schon längst hier, auf unseren Straßen. Seht euch nur um!»

Ich schaue kurz nach links und sehe drei Damen von der Upper East Side mit ihren Wangenimplantaten und aufgeplusterten Kollagenlippen und denke, na ja, vielleicht hat er Recht. Dann blinzele ich die Straße runter und frage mich, wann um alles in der Welt der Bus endlich kommt.

Es ist Montagmorgen, acht Uhr dreißig, und Manhattan ist voller genervter Gesichter … und natürlich voller Spinner, die das Cityleben erst so richtig interessant machen. Es ist jetzt schon dermaßen heiß, dass ich das Gefühl habe, meine Füße sinken in den Asphalt. Meine Kopfhaut schwitzt. Die Rinnsteine stinken nach verfaulten Orangen. Und trotzdem kann ich einfach nicht aufhören zu grinsen. Selbst neben dem Typen, der seit der Steinzeit nicht mehr geduscht hat. Ich kann der Versuchung nicht widerstehen und sage es laut vor mich hin: «Praktikantin bei Scene.» Ihr wisst schon, ein Klon der Zeitschrift People. Die Wörter zergehen mir wie Butter auf der Zunge. Sie schmecken unglaublich süß. Ich werde direkt für die Chefredakteurin Nell Wickham arbeiten, die als Genie im Verlagswesen gilt.

Ich sehe es schon vor mir: Ich werde einen Bleistift hinter meinem Ohr tragen, Notizen in Redaktionsmeetings machen und die unglaublichsten News über Angelina, Jude, Paris oder Johnny rausfinden. Ein Teen-Knüller. Ich werde den Kids liefern, was sie wirklich wissen wollen. Zum Beispiel: Wer hat Lindsay Lohan gesagt, dass sie abnehmen muss? Oder: Rennen die Stars vor einer großen Liebesszene zurück in die Garderobe und putzen sich die Zähne? Und wenn nicht, wer hat den stinkigsten Atem in Hollywood?

Klar, ich weiß schon, ich werde nur Assistentin sein und muss die Drecksarbeit machen, wie alle anderen Assistenten auch. Trotzdem frage ich mich, ob ich wohl meine eigenen Visitenkarten bekomme?

«Die Augen», warnt mich Mister Stinkbombe auf der Straße, «man sieht es an den Augen, ob jemand ein Außerirdischer ist. Riesige Pupillen.»

Ich schaue in die andere Richtung. Man kann in New York einfach nicht vorsichtig genug sein, und ich habe keine Ahnung, ob meine Pupillen groß oder klein sind.

Endlich kommt der Bus, und ich entkomme dem Gestank und der Hitze. Der herrlich kühle Schwall der Klimaanlage umhüllt mich. Auf dem Weg zu meinem Sitz atme ich das Parfüm einer Frau ein und denke: ‹Ah, der süße Duft des Erfolgs!›

 

Keiner kann so recht glauben, dass ich mir diesen megacoolen Ferienjob an Land gezogen habe. Meine Eltern nicht und auch nicht meine beste Freundin Amelia. Die einzigen Jobs, die ich bisher hatte, waren Babysitting für meine Brüder oder mit dem Hund meiner Nachbarin Gassi gehen, als sie sich mal ihr Bein gebrochen hatte.

Wie das alles so gekommen ist, war absolut Schicksal. Ich war noch frisch im ersten Jahr an der High School, als ich mal mitten in der Nacht nicht schlafen konnte. Ich war gerade in der Phase, die jeder Teen früher oder später durchmacht, in der man alles infrage stellt: Wann werde ich jemals in meinem Leben Algebra brauchen? Wozu reiße ich mir ein Bein aus, diesen ganzen unnützen Kram zu lernen? Mein Dad ist Wissenschaftler, und noch nicht mal er benutzt Algebra … Ich war auf der Suche nach dem tieferen Sinn der Hausaufgaben und kam einfach nicht dahinter.

Ich brauchte unbedingt eine Antwort. Also stellte ich den Fernseher an. «Sie haben die Macht, genau das mit Ihrem Leben zu machen, was Sie wollen.» Ich hatte einen Infokanal erwischt, und ein Typ mit einem riesigen Kopf redete auf mich ein. Er hatte ein Mikrophon-Headset auf. Seine Zähne waren derart weiß, dass sie mein dunkles Zimmer erleuchteten.

«Man muss nur auf seine Seele hören und sich vom Universum leiten lassen.»

«Genau», erwiderte ich laut, «was interessiert das Universum Algebra?»

Ich wurde ganz still und hörte auf meine Seele. Zuerst war es ziemlich schwer, zuzuhören, während der Fernseher noch lief. Zumal sich die Stimme meiner Biologielehrerin auch noch dazwischendrängelte und mich ermahnte, den Unterschied zwischen Meiose und Mitose auswendig zu lernen, damit ich am nächsten Tag den Biotest bestehe. (Auch reine Zeitverschwendung! Als ob meine Zellen aufhören würden, sich zu teilen, wenn ich durchfalle!) Aber nachdem ich beides ausgeblendet hatte, passierte etwas Unglaubliches. Ich könnte schwören, dass ich eine piepsige Stimme sagen hörte (komischerweise in einer unangemessen hohen Tonlage für das gesamte Universum), dass ich dazu bestimmt sei, die Geheimnisse der Stars aufzudecken. Ungelogen! Klar, es ist schon etwas oberflächlich, zur Klatschtante berufen zu sein, aber wo steht geschrieben, dass das Universum nicht auch mal oberflächlich sein kann? Mir steht es nicht zu, die kosmische Ordnung anzuzweifeln.

Die nackte Wahrheit ist, dass mich das Showbusiness schon immer übermäßig fasziniert hat. Ich sage übermäßig, weil mir schon klar ist, dass die meisten Kids mit meinem Notendurchschnitt mehr über Zellteilung wissen als zum Beispiel darüber, dass Cameron Diaz obszön hohe Telefonrechnungen hat, weil sie ständig mit ihren Kumpels am Handy hängt. Ich weiß auch, dass meine Freundin Amelia mich für verrückt hält, weil ich einen wiederkehrenden Traum habe, in dem ich mit Tom Welling in Smallville lebe. Wenn ich wieder aufwache – in diesem einen köstlichen Moment zwischen nicht mehr schlafen und noch nicht wach sein –, könnte ich schwören, Superman neben mir schnarchen zu hören.

Meine Eltern sind entsetzt. Für meinen Dad ist ein wissenschaftliches Fachblatt Unterhaltungslektüre. Als er mich einmal dabei beobachtet hat, wie ich eine Sendung über Promis im Fernsehen geguckt habe, meinte er zu mir: «Du weißt schon, dass du wahrscheinlich gerade die Nervenfasern deines Corpus callosum schädigst?»

«Häh?»

«Sag ich doch!»

Und Mom fragte mich kürzlich im Supermarkt: «Wie kann es die Leute bloß immer noch interessieren, dass Gwyneth Paltrow ihre Tochter Apple genannt hat?», als sie eine Schlagzeile auf dem Cover einer Frauenzeitschrift las.

«Aus dem gleichen Grund, aus dem wir es immer noch nicht fassen können, dass Jermaine Jackson seinen Sohn Jermajesty genannt hat, Demi Moore ihre Tochter Rumer und Toni Braxton offensichtlich dachte, ihr Sohn sei eine Jeans, als sie ihn Denim getauft hat», habe ich entrüstet geantwortet.

Ich sehe immer noch den entsetzten Gesichtsausdruck meiner Mutter vor mir. Es ist der gleiche Ausdruck, den sie hatte, als sie eine Ausgabe der Zeitschrift Star unter meinem Bett fand. Die meisten Eltern hätten sich nicht so aufgeregt, wenn sie einen Beutel Hasch entdeckt hätten.

Um mal mein gesamtes psychologisches Fernsehwissen anzuwenden, würde ich sagen, dass dies einer der Gründe für meine Sucht nach allem Promitratsch ist. Verbotene Früchte. Als ich klein war, durfte ich nie Kabelfernsehen gucken oder irgendwas lesen, was nicht «den Horizont erweitert». (Ich hatte nicht mal meinen eigenen Fernseher, als ich schon über zehn war!)

Ein weiterer Grund geht wohl etwas tiefer als die Psychoshows im Vormittagsprogramm und hat eher was mit Freud, dem Psychoanalytiker, zu tun. Ich war ziemlich lange Einzelkind. Meine drei Brüder – Evan, Henry und Sam – kamen zur Welt, als ich schon vierzehn war. (Kann man sich das vorstellen: Meine Eltern haben mich gleich mit Drillingen entthront?!) Bevor die Drillis da waren, habe ich ziemlich viel Zeit allein verbracht, wenn ich nicht gerade mit meiner Freundin Mel unterwegs war. Stars waren wahrscheinlich meine Version von Freunden. Freunde, die perfekt aussehen und deren Probleme in knapp 22 Minuten oder noch schneller gelöst werden. Vielleicht wollte ich so sein wie sie, weil ich pummelig war mit unbändigen Locken und dachte, dass ich mich wahrscheinlich nie auch nur ein bisschen normal fühlen würde.

Meine kleinen Brüder sind soooo süß, und ich hab sie soooo lieb.

Aber mal ehrlich: Wenn man sich gerade mit der Pubertät rumschlägt, ist ein Baby in der Wohnung schon schlimm genug. Aber gleich drei? Ihr habt im ganzen Leben noch nicht so viel Kinderkacke gesehen. Meine Eltern halten den ganzen Tag die Feuchttücher gezückt. Jetzt, wo meine Brüder richtig in die Windeln machen, haben meine Eltern überhaupt keine Zeit mehr für mich.

Seit ich im reifen Alter von fünfzehn bin, bemühe ich mich um innere Gelassenheit. Und das, obwohl ich in einem Irrenhaus lebe. Ich versuche, meinen Brüdern die Rotznasen mit buddhistischem Gleichmut abzuwischen. Ich lerne, meine Fehler zu akzeptieren. Ich sage meinen Oberschenkeln jeden Morgen, dass es in Ordnung ist, dass sie sich oben berühren. Ich begrüße meine fusseligen Haare mit einem unverwüstlichen «Hallihallo». Und dieses ganze ‹Normalsein› – na ja, ich muss keine Gerichtsmedizinerin sein, um zu wissen, dass es einfach nicht in meiner DNA steckt. Also kann ich es auch einfach akzeptieren.

So richtig gut funktioniert das Ganze allerdings nicht. Aber ich bin mir sicher, jeder Fernsehpsychologe würde mir sagen, dass es sich auf jeden Fall lohnt, es auch weiterhin zu versuchen. Insbesondere seitdem ich Vorbild für meine Brüder bin. Nur würde er es auf eine Art sagen, die das Publikum zum Kichern brächte.

Am Morgen nach meiner Seelenbefragung hatte ich immer noch den Rat des Fernsehpsychos im Kopf. Direkt nach meinem Biotest (ich bekam eine Zwei statt einer Eins, weil ich den Schritt vergessen hatte, bei dem die Gameten, also die Keimzellen, produziert werden!) beschloss ich, auch meine Oberflächlichkeit zu akzeptieren und meiner universellen Glückseligkeit zu folgen. Ich setzte einen Brief auf, tippte ihn in den Computer der Schulbücherei, machte einen Ausdruck und schickte eine Kopie an jede Promizeitschrift in New York.

«Sehr geehrte Bla, blabla … ich heiße Susanna Barringer, blablabla … Ich würde diesen Sommer gern ein Praktikum bei Ihrer Zeitschrift absolvieren, blablabla …»

Dann wartete ich. Ich war mir so sicher, das Universum würde schon alles lenken, dass ich mein Handy sogar mit ins Badezimmer nahm, um sicherzugehen, keinen Anruf zu verpassen. Nach einer Woche fing ich an, meine Mails hundertmal am Tag zu checken. Nach zwei Wochen sprintete ich jeden Tag nach der Schule nach Hause, um den Briefkasten zu durchwühlen. Nach einem Monat Grabesstille hörte ich auf, blöde Fernsehshows mit Typen zu gucken, auf deren Riesenbirne kein Hut passt.

Das war ungefähr die Zeit, in der ich erkannte, dass ich in meiner eigenen Doku-Soap mitspielte und mein Traum unerreichbar bleiben würde. Zwischen meinem Stadtviertel im Meatpacking District und den Bürogebäuden der New Yorker Verlage in Midtown lag nur eine kurze Bus- oder U-Bahn-Fahrt, aber sie waren trotzdem Lichtjahre entfernt. Wie war ich bloß darauf gekommen, dass ich mir ein Praktikum angeln könnte, während ich noch zur Schule ging? Bei einer überregionalen Zeitschrift, wohlgemerkt! Hatte ich meine Seele vielleicht völlig falsch verstanden? Sollte es etwa mein Schicksal sein, in einer Wäscherei zu arbeiten, anstatt die schmutzige Wäsche der Stars an die Öffentlichkeit zu zerren?

Mir stellten sich eindeutig ein paar (tausend) Hindernisse in den Weg. Aber ehrlich gesagt, machte mich das nur noch entschlossener. Hey, ich bin geborene New Yorkerin! Aufgeben passt auf gar keinen Fall zu meinem Stammbaum. Negative Prognosen sind einfach so … negativ. Warum sollte man sich davon runterziehen lassen? Eins war mir klar: Meine einzige Chance, erfolgreich zu sein, war, mich abzuheben, anders zu sein, quer zu denken. Und komischerweise brachte mich genau dieser Gedankengang auf die zündende Idee, mit der ich mir schließlich den Job bei Scene angelte.

Wie gesagt, pures Schicksal.

Zwei

Es waren plötzlich nur noch drei Wochen bis zu den Sommerferien. Meine Briefe hatten alle nichts gebracht. Die reichen Kids in der Schule planten ihre Ferien in den Hamptons oder in Jersery am Strand. Alle anderen, ich inklusive, versuchten dagegen, nicht auf den Straßen New Yorks zu braten. Oder noch schlimmer, bei McDonald’s über der Frittiergrube eine Fett-Gesichtspackung abzubekommen.

Falls mein neuester Plan – fünfzig Prozent Eingebung, fünfzig Prozent Verzweiflung – nicht funktionieren würde, war ich geliefert.

Und so hab ich es gemacht: An einem Nachtmittag bin ich nach der Schule mit dem Bus nach Chinatown gefahren. Zwischen den Touri-Massen in der Canal Street fand ich einen kleinen Laden, der lauter Krimskrams verkaufte, und erstand eine winzige Schatulle mit dazugehörigem Vorhängeschloss inklusive Schlüssel. Dann sprang ich in den Bus nach Hause. Ich war so glücklich über mein phantastisches Fundstück, dass ich gleich einen Brief an Nell Wickham, die Chefredakteurin meiner Lieblingszeitschrift Scene, verfasste. Ich faltete den Zettel zu einem Miniquadrat und steckte ihn in die Schatulle. Der erste Satz lautete: «Ich habe gehört, es soll sehr schwer sein, in Zeitschriftenredaktionen reinzukommen.»

Amelia fand den Satz sehr unelegant, aber es ging ja schließlich um die Schatulle. Also ließ ich es so.

Ich schrieb noch dazu, dass ich mit einem silbernen Diktaphon im Mund geboren wurde und dass es mein Schicksal sei, Stars zu interviewen. Ich gestand, mir nichts sehnlicher zu wünschen, als auf dem roten Teppich zu stehen und zu rufen: «Welchen Designer tragen Sie?» Ich stellte die kühne Vermutung auf, dass Joan Rivers wahrscheinlich meine wahre Mutter sei und ich mit ihrer Tochter Melissa bei der Geburt vertauscht wurde. Dann schloss ich den Zettel in die Schatulle ein. Mit meinem Geld vom Babysitten schickte ich die Schatulle per Kurier an Scene. Am nächsten Tag lieferte ich den Schlüssel nach.

Den hatte ich zuvor an ein langes weißes Band gehängt und draufgeschrieben: «Sie haben die Macht, mein Potenzial zu entschlüsseln. Falls Sie mir einen Ferienjob geben, Ms. Wickham, werde ich alles geben, um eine klasse Story aufzuspüren.»

Amelia fand, dass alles ein bisschen zu viel des Guten sei. «Würdest du dich zum Beispiel für eine Story in irgendeinem Promi-Mülleimer verstecken?»

«Vielleicht», erwiderte ich.

«Auch, wenn Hundekacke drin ist?»

Ich verdrehte die Augen und erklärte ihr, dass sie den Sinn der Aktion nicht kapiert hatte.

«Es geht doch nur darum, Aufmerksamkeit zu erregen. Nell Wickham stellt mich bestimmt nicht ein, nur weil ich sie lieb darum bitte.»

Die Woche war noch nicht ganz vorbei, als mich Nell Wickhams Assistentin anrief, um ein Vorstellungsgespräch zu vereinbaren. Ich war total von den Socken. Ich konnte kaum warten, bis ich aufgelegt hatte, um wie eine Irre zu brüllen. Ich meine, man stelle sich das mal vor! Unfassbar, ich war auf dem besten Weg zu meiner Karriere als Top-Journalistin. Vielen Dank, liebes Universum, vielen Dank, Kabelfernsehen, macht Platz, Joan und Melissa Rivers.

Mom erlaubte mir sogar, ihren Angestelltenrabatt bei Bloomingdale’s zu nutzen, um mir ein neues Outfit für das Interview zu kaufen. Der ganze Samstag ging für den perfekten Look drauf: ein geblümtes Baumwollkleid und eine lindgrüne Tasche im Stil von Kate Spade. Dazu meine rosafarbenen Fake-J.-P.-Tod-Lacklederschuhe. Ich schmierte mir sogar Selbstbräuner auf meine weißen Beine.

Der Montag kroch so langsam dahin wie Ketchup, der einfach nicht aus der Flasche kommen will. In der Schule hörte ich jede einzelne Sekunde vorbeiticken. Mein Vorstellungsgespräch war für vier Uhr vereinbart. Damit mein Outfit so frisch wie möglich blieb, hatte ich es in einer Kleiderhülle mit in die Schule gebracht. Ich hatte nämlich auf gar keinen Fall genug Zeit, nach Hause zu rennen und mich umzuziehen, schließlich musste ich innerhalb von 45 Minuten da sein. Also schleppte ich alles den ganzen Tag mit mir herum. Als es endlich läutete, flitzte ich in die Toiletten und riss mir meine verschwitzten Klamotten vom Leib. Amelia bewachte die Tür.

«Hast du an dein Deo gedacht?»

«Ja.»

«Zahnpasta?»

«Ja.»

«Talkumpuder?»

«Talkumpuder?»

«Ja, du weißt schon, damit du überall trocken bleibst.»

Ich verdrehte die Augen.«Kannst du mal den Reißverschluss zumachen?» Während Mel mein Kleid schloss, putzte ich mir die Zähne und wusch mein Gesicht mit kaltem Wasser. Ich tupfte es mit Papiertüchern trocken und trug eine dünne Schicht getönte Tagescreme auf, die ich mir in der Drogerie gekauft hatte. Dann noch Lipgloss, Rouge, Lidschatten und Wimperntusche. Ich bürstete meine Haare und steckte sie mit einem rosafarbenen Haarclip hoch. Dann stieg ich barfüßig in meine Halbschuhe und streifte die neue grüne Tasche über meinen Arm.

«Fabelhaft», lobte ich mein Spiegelbild.

Mel umarmte mich und meinte: «Du siehst aus wie ein Frühlingsgarten.»

Als ich allerdings in Midtown aus der U-Bahn stieg, sah ich eher aus wie ein verwelkter Frühlingssalat. Ich wünschte mir, ich hätte tatsächlich Talkumpuder benutzt. Zwar sind die einzelnen Waggons der U-Bahn klimatisiert (meistens jedenfalls), die Bahnsteige aber sind die reinste Sauna. Und auf der Straße gibt’s dann ein Dampfbad. Trotzdem war es einfach aufregend, meinem Schicksal entgegenzuschreiten. Selbst wenn sich meine nackten Füße in den Lederimitatschuhen ziemlich matschig anfühlten.

In Midtown Manhattan schlägt das Herz des Verlagswesens. Man kann die frisch gedruckten Seiten förmlich auf der Straße riechen. Alle spurten im Eiltempo an einem vorüber, das Handy fest ans Ohr gepresst. Man hat das Gefühl, es geht um Mega-Geldgeschäfte. Es sei denn, sie tragen die New Yorker Touri-Uniform: übergroße T-Shirts in winzig kleine Shorts gestopft, die hoch auf der Taille sitzen. Dazu dicke Ledersandalen mit Socken. Um solche muss man einfach zielstrebig herumnavigieren. Und genau das tat ich, als ich die polierte Bronze-Drehtür vor mir sah, die in die Lobby von Scene führte.

«Ich habe einen Termin bei Nell Wickham», sagte ich am Empfang und pustete meinen verschwitzten Pony aus dem Gesicht.

Die Eingangshalle im Erdgeschoss war mit dunklem Holz ausgekleidet. Der Fußboden war aus waldgrünem Granit. Glücklicherweise lief die Klimaanlage auf Hochtouren.

«Ausweis bitte», sagte der uniformierte Typ hinterm Empfangstresen.

Nachdem ich ihm meinen Schülerausweis vorgezeigt hatte, rief er jemanden per Telefon an, sagte meinen Namen und legte wieder auf.

«Siebzehnter Stock», informierte er mich.

Mein Herz begann zu rasen. Ich war tatsächlich auf dem Weg nach oben.

Drei

Am Tag, an dem sich meine Vorbestimmung endlich erfüllte, fand ich heraus, dass 17 Stockwerke die ideale Zeitspanne bieten, um Schweiß zu trocknen. Als der Aufzug mit einem leichten Zischen aufging, fühlte ich mich erfrischt, aber auch hin und her gerissen zwischen Euphorie und Panik. Meine Knie zitterten, als ich den Empfang betrat.

Das Erste, was mir auffiel, war das Wort Scene, dessen gold glimmernde Buchstaben sich von der glänzenden Mahagoniwand abhoben. Ich war so aufgewühlt, dass ich fast angefangen hätte zu heulen. Es sah ein bisschen aus wie in einem Wartezimmer beim Arzt. Allerdings saßen keine Patienten auf dem braunledernen Edelsofa. Die einzige Person in der Vorhalle war eine umwerfend aussehende Empfangsdame, die hinter einer dunklen Holztheke saß. An ihrer Wange bog sich ein Britney-Mikrophon. Sie hob ihre perfekt gezupften Augenbrauen in meine Richtung, als ob sie sagen wollte: «Kann ich helfen?»

«Ich bin Susanna Barringer.» Ich versuchte krampfhaft, das Zittern in meiner Stimme zu kontrollieren.

Sie sah an mir herunter, verzog ihr Gesicht und antwortete: «Ja und?»

Mein Lächeln starb auf meinen Lippen. «Ich habe einen Termin bei Nell Wickham. Ein Vorstellungsgespräch», fügte ich noch hinzu. Sie sollte schon wissen, dass ich nicht nur irgendwer war.

Gelangweilt drückte die Empfangsdame einen Knopf auf ihrem Telefon mit dem Radiergummi ihres Bleistiftes. «Nells Vorstellungsgespräch ist hier», ließ sie jemanden am anderen Ende wissen. Dann drückte sie auf einen anderen Telefonknopf und auf einen Knopf an ihrer Theke. Ich hörte ein Surren.

«Carmen holt dich ab.» Dem Surren folgend, ging ich mit klopfendem Herzen zur Tür, die in die heiligen Hallen von Scene führte.

«Danke schö …» Die gut aussehende Empfangsdame hatte sich schon wieder weggedreht. Mir war’s egal. Ich war auf dem Weg ins Märchenland.

Der Unterschied zwischen dem ruhigen Empfang und der Redaktionsarena war ungefähr so, wie bei der coolsten Party der Welt wieder ausgeladen zu werden und die Band dann höchstpersönlich kennen zu lernen. Ich hatte das Gefühl, ich war gleich mitten auf die Tanzfläche marschiert. Superdürre Frauen ganz in Schwarz huschten an mir vorbei. Typen mit wuscheligen Haaren und gerade genug Bartstoppeln riefen spannende Dinge wie «Impressum», «Korrekturseiten» und «Vierfarb-Doppelseiten». Klickende Computertastaturen klangen wie tausend winzige Stepptänzer. Telefonhörer waren zwischen Schultern und Wangen eingeklemmt, und Handys zwitscherten in hundert verschiedenen Klingeltönen. Alle plapperten durcheinander.

«Was hast du gesagt? Ich kann dich nicht richtig hören.»

«Thalia, bring mir den Lopez-Aktenordner!»

«Wer hat den Tee gekocht? Der schmeckt grässlich.»

«Wenn Ashtons Leute anrufen, bitte sofort zu mir durchstellen.»

Ich befand mich in einem riesigen Raum, der mit lauter Schreibtischen und grauen Tweed-Raumteilern vollgestellt war. Eingangskörbe quollen über von Papier. Es roch nach Haargel. Es war ebenso aufregend wie furchterregend.

«Susanna?»

Eine Frau ungefähr im Alter meiner Mom kam auf mich zu. Ihre schwarzen Haare waren zu einem ordentlichen Pferdeschwanz gebunden, und sie trug roten Lippenstift. Sie hatte eine Durchschnittsfigur und ein mokkafarbenes Kleid an.

«Ich bin Carmen», sagte sie freundlich, «Nells Chefsekretärin.» Sie streckte mir ihre Hand entgegen. Ich schüttelte sie. «Du fühlst dich bestimmt so, als wärst du auf dem Mars gelandet, stimmt’s?! Es kann schon erst mal etwas einschüchternd wirken. Aber mach dir keine Sorgen, du wirst dich bestimmt wohl fühlen.»

Sie hatte meine Gedanken gelesen, ich mochte sie auf Anhieb.

«Astrid musst du einfach ignorieren», riet Carmen, «die knurrt, weil sie Hunger hat. Ist dir aufgefallen, wie winzig ihre Taille ist?»

Jetzt konnte ich wieder lächeln. Obwohl mein Herz immer noch wie wild schlug, hatte Carmen mich doch entspannt. Wie ich ihr nun durch den Bienenstock von Redaktion folgte, fühlte ich, wie meine Schultern relaxten, mein Herz langsamer schlug und mein Deo endlich nicht mehr Schwerstarbeit leisten musste.

«Nell?» Carmen steckte ihren Kopf durch die Tür des großen Büros am anderen Ende des Raumes. «Susanna Barringer ist hier für das Sonderpraktikum.»

Sonderpraktikum? Ich strahlte. Eine dunkle Stimme mit englischem Akzent antwortete: «Schick sie rein.»

Carmen machte eine Art Glücksrad-Bewegung mit ihrem Arm und flüsterte: «Viel Glück.» Ich rauschte in Nell Wickhams Büro mit hoch erhobenem Kopf.

«Setz dich», befahl Nell, ohne von ihrer Lektüre aufzusehen.

Ich setzte mich.

Alles in Nell Wickhams Büro war entweder hellweiß oder aus Glas – selbst Nell trug einen milchweißen Anzug. Das Sofa, die Kissen, die Stühle, die Vorhänge, der Teppich, alles war schneeweiß. Auf keinen Fall ein Zimmer, in dem man seine Tage zum ersten Mal bekommen möchte, dachte ich.

Nell sah toll aus. Sie hatte weiche, blonde Haare, die sanft auf ihre Schultern fielen, glatte, weiße Haut, eine kleine Stupsnase und die schönsten Klamotten, die ich je gesehen habe. Ihr englischer Akzent ließ sie besonders elegant wirken. So, wie sie «Setz dich» gesagt hatte. Bei einer Amerikanerin wäre ich mir wie ein Hund vorgekommen.

«Deine Schatullen-Idee war sehr clever», befand sie und sah endlich auf.

«Nun, ich …»

«Mir gefällt clever.»

«Grinsend erwiderte ich: «Ich versuche mein Best …»

«Aber nicht zu clever, wenn du weißt, was ich meine.»

Ich hatte keinen Schimmer.

«Ja, natürlich», log ich, «zu clever ist am schlimmsten.»

Dann fragte sie mich aus heiterem Himmel: «Wo hast du bisher so gearbeitet?» Ich musste schlucken.

«Nirgendwo an sich», antwortete ich, in der Annahme, dass Babysitten und Mit-Hunden-Gassi-Gehen im Lebenslauf für meine Karriere eher hinderlich denn nützlich wären.

«An sich?»

«Ich gehe noch zur Schule.»

«Oh.»

Huch, hatte ich etwa vergessen, dieses kleine Detail zu erwähnen? Nell sah aus, als würde sie eine Zitronenscheibe lutschen. Ich hatte nicht gelogen, aber hervorgehoben hatte ich es natürlich auch nicht gerade. Vielleicht hatte sie mein Witz, als Baby mit Melissa Rivers vertauscht worden zu sein, auf die falsche Spur gebracht, denn die ist ja selbst schon Mutter.

«Ich bin den ganzen Sommer über frei», fügte ich halbclever hinzu.

«Ich verstehe», antwortete sie und seufzte, ziemlich lange. Gefolgt von absoluter Stille, die sich so lange hinzog, dass ich schon dachte, ich sei plötzlich taub geworden. Jetzt war ich wirklich komplett nass geschwitzt. Ich fühlte förmlich, wie ich in mich zusammensank. Offensichtlich war ich völlig falsch angezogen. Das Baumwollkleid, das in Bloomingdale’s so schick ausgesehen hatte, passte überhaupt nicht in die Scene-Redaktion. Ich sah aus wie eine der Olsen-Zwillinge, bevor sie erwachsen und sexy wurden. Und lange bevor sie aufgehört haben zu essen. Und ein rosa Haarclip? Was hatte ich mir nur dabei gedacht?

«Du könntest perfekt sein», sagte Nell endlich.

Perfekt? Mein Gesicht hellte sich auf.

«Wir planen, eine Teenversion von Scene auf den Markt zu bringen, und ich brauche jemanden, der als eine Art Fenster zu den jungen Erwachsenen für mich arbeitet», erklärte Nell.

«Ich bin genau richtig», platzte ich heraus, «ein Fenster, komplett durchsichtig.»

Nell zog eine Augenbraue hoch und musterte mich. «Ich suche jemanden, der durchschnittlich ist, niemanden von einer Elite-Uni.»

«Ich bin auf einer staatlichen Schule», flötete ich, «Yale würde mich auslachen, wenn ich mich bewerben würde, Harvard würde umfallen. Ich bin noch nicht mal gut in Sport!»

Nell schlug ihre langen Beine unter ihrem Glasschreibtisch übereinander: «Es passiert so schnell, dass man den Kontakt zu durchschnittlichen Menschen verliert, wenn man so ist wie, na, eben wie ich.»

Mann, war ich plötzlich froh, dass ich das geblümte Baumwollkleid trug! Ich schob meine Füße unterm Stuhl hervor, damit sie meine Tod’s-Imitate sehen konnte. Plötzlich war ich sogar dankbar, dass der Selbstbräuner ein bisschen fleckig geworden war.

«Du würdest direkt für mich arbeiten, Susan.»

«Ich heiße Susanna.» Dann fügte ich hinzu: «Für Sie zu arbeiten, wäre echt cool», um ihr einen Blick durchs Fenster auf einen durchschnittlichen, normalen Teenager zu gewähren.

«Es ist allerdings nur ein Ferienpraktikum», warnte Nell.

«Phantastisch.»

«Kannst du morgen anfangen?»

«Ah …, die Ferien fangen erst in zwei Wochen an», antwortete ich und schluckte.

«Gut, dann sehe ich dich in zwei Wochen.»

«Echt?»

Nell nickte und vertiefte sich schnurstracks wieder in ihre Lektüre auf dem Schreibtisch. Ich konnte ihre Füße unter dem Glasschreibtisch sehen. Die Spitzen ihrer weißen Schuhe hätten jeden Ballon platzen lassen können.

«Vielen Dank, Ms. Wickham», stotterte ich total verdattert.

«Meine Güte, Susan, nenn mich Nell.»

Vier

Hier bin ich nun also. Der erste Tag meines vorbestimmten Lebens.

In den letzten zwei Wochen habe ich wie besessen darüber nachgedacht, was ich heute anziehen sollte. Schwarz, damit ich so aussehe wie alle anderen in der Scene-Redaktion? Oder Weiß wie meine Chefin? Oder die normalen Klamotten eines normalen Teenagers, damit Nell einen Einblick ins wahre Leben bekommt? Schließlich habe ich mich dazu entschlossen, genau das zu tragen, was ich bereits im Schrank habe. Nicht zuletzt deshalb, weil ich feststellen musste, dass man bei einem Praktikum keinen Cent verdient und dass der Rabatt meiner Mom bei Bloomingdale’s nicht mehr zur Verfügung steht, weil es «lächerlich ist, von Kindern zu erwarten, sich wie Erwachsene zu kleiden».

Während mich der Aufzug zur Scene-Redaktion nach oben befördert, glätte ich meinen khakifarbenen Rock und das orangefarbene T-Shirt, beides vor ein paar Monaten bei Gap gekauft. Was könnte mehr «durchschnittlicher Teen» sein als Gap?

«Guten Morgen, Astrid», grüße ich, als ich auf den Empfang im 17. Stock zugehe.

«Man spricht es Ah-strid aus», erwidert sie schnippisch.

«Ah, alles klar.»

Ich stelle eine Papiertüte auf die Theke.

«Ich habe Ihnen einen Blaubeer-Muffin mitgebracht.»

Sie öffnet die Tüte und lugt rein. «Fünfhundertsiebzig.»

«Nö, einen Dollar fünfzig. Habe ich unten gekauft.»

«Kalorien!» Ah-strid sieht aus, als ob sie gleich Feuer spucken würde. «Nimm das von meinem Tisch.»

Schnell nehme ich die Tüte runter.

«’tschuldigung», stammle ich.

Astrid zieht eine Augenbraue hoch und sagt mit gedämpfter Stimme: «Damit das klar ist. Du bist Praktikantin. Ich rede nicht mit Praktikanten. Ich verbringe keine Zeit mit Praktikanten, und ich esse erst recht keine ekligen Supermarktmuffins, die sie mit ihren dreckigen Praktikantenhänden auf meinen Tisch fallen lassen, verstanden?»

Ich muss blinzeln. «Verstanden.»