Perry Rhodan 1892: Als das Sternlicht erlosch - Horst Hoffmann - E-Book

Perry Rhodan 1892: Als das Sternlicht erlosch E-Book

Horst Hoffmann

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Beschreibung

Siebentons Reife - ein Mönch erreicht den Gipfel der Macht Das unheilvolle Wirken einer bislang noch unbekannten Macht hat ein gigantisches Projekt sabotiert: Wie es aussieht, sind alle Heliotischen Bollwerke zerstört worden. Die wabenförmigen Raumstationen, die verschiedene Galaxien unter dem Dach der Koalition Thoregon miteinander verbinden sollten, existieren nicht mehr. Das hat für die Menschheit zur Folge, dass zwei Teile der Erde durch hyperphysikalische Vorgänge in andere Galaxien "verschlagen" worden sind. An ihrer Stelle erheben sich an zwei Stellen Terras nun sogenannte Faktorelemente. Eines davon steht bei Kalkutta, in seinem Innern befinden sich Gebäude der Nonggo. Das andere steht in Terrania - und aus seinem Innern haben die barbarischen Dscherro die Hauptstadt der Erde mit ihrem Terror überzogen. Wo sich die "ausgetauschten" Menschen aus Terrania derzeit aufhalten, weiß niemand. Der verschwundene Teil Kalkuttas jedenfalls hat sich im Bereich des Teuller-Systems materialisiert, im Herzen der Nonggo-Zivilisation. Von dort aus bricht Perry Rhodan zu einer großen Expedition auf. Er will zur Galaxis Shaogen-Himmelreich, zu den mysteriösen Baolin-Nda. Bei diesen Konstrukteuren der Heliotischen Bollwerke will er weitere Informationen über Thoregon-Zusammenhänge erlangen. Die vorherrschende Zivilisation in dieser Galaxis wird als Mönche bezeichnet; zu ihnen gehört Siebenton, die als Frau eine wechselhafte Laufbahn erlebt hat und sich jetzt zum Mann wandelt. Doch es gibt eine schlimme Prüfung für die Mönche: ALS DAS STERNLICHT ERLOSCH …

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Nr. 1892

Als das Sternlicht erlosch

Siebentons Reife – ein Mönch erreicht den Gipfel der Macht

von Horst Hoffmann

Das unheilvolle Wirken einer bislang noch unbekannten Macht hat ein gigantisches Projekt sabotiert: Wie es aussieht, sind alle Heliotischen Bollwerke zerstört worden. Die wabenförmigen Raumstationen, die verschiedene Galaxien unter dem Dach der Koalition Thoregon miteinander verbinden sollten, existieren nicht mehr.

Das hat für die Menschheit zur Folge, dass zwei Teile der Erde durch hyperphysikalische Vorgänge in andere Galaxien »verschlagen« worden sind. An ihrer Stelle erheben sich an zwei Stellen Terras nun sogenannte Faktorelemente.

Eines davon steht bei Kalkutta, in seinem Innern befinden sich Gebäude der Nonggo. Das andere steht in Terrania – und aus seinem Innern haben die barbarischen Dscherro die Hauptstadt der Erde mit ihrem Terror überzogen.

Wo sich die »ausgetauschten« Menschen aus Terrania derzeit aufhalten, weiß niemand. Der verschwundene Teil Kalkuttas jedenfalls hat sich im Bereich des Teuller-Systems materialisiert, im Herzen der Nonggo-Zivilisation.

Von dort aus bricht Perry Rhodan zu einer großen Expedition auf. Er will zur Galaxis Shaogen-Himmelreich, zu den mysteriösen Baolin-Nda. Bei diesen Konstrukteuren der Heliotischen Bollwerke will er weitere Informationen über Thoregon-Zusammenhänge erlangen.

Die vorherrschende Zivilisation in dieser Galaxis wird als Mönche bezeichnet; zu ihnen gehört Siebenton, die als Frau eine wechselhafte Laufbahn erlebt hat und sich jetzt zum Mann wandelt. Doch es gibt eine schlimme Prüfung für die Mönche: ALS DAS STERNLICHT ERLOSCH …

Die Hauptpersonen des Romans

Siebenton – Aus einer jungen Frau wird ein Mann mit großer Zukunft.

Walyon – Der alte Freund stellt erneut die Weichen für Siebentons Leben.

Lokhout – Siebentons ehemaliger Lebenspartner wird zum Konkurrenten.

Twolgg – Ein Mönch erhebt sich selbst zum Seelenhirten einer Kolonie.

Caryton

1.

Siebenton, 142 Jahre

Namwogg

Der Regen hatte nach Stunden endlich aufgehört. Von den Wiesen stieg grauer Dunst auf, dem das Mondlicht einen silbrigen Schimmer verlieh. Der Rand des Dschungels war nicht mehr zu erkennen. Nur die Schreie der Nachtvögel und dann und wann das Grunzen eines großen Tieres erinnerten die Mönche daran, dass sie sich mit ihrem Beiboot auf einer Lichtung befanden.

Die Luft war warm und stickig. Es roch nach Moder. Siebenton, Dzarro und Devior hatten nach Proxx und Falagen das scheibenförmige Boot verlassen und sich zum ersten Mal der Umwelt ausgesetzt, in der sie die nächsten Tage zu überleben haben würden. Begeistert waren sie, außer Siebenton, nicht von dem Gedanken, doch sie wussten, dass es sein musste. Die Priesterschaft hatte sie ausgewählt, weil sie noch jung waren und die Strapazen besser ertragen konnten als ältere, erfahrenere Shaogen-Hüter.

Es war für Siebenton und Dzarro die erste Mission überhaupt. Devior war bereits auf drei Planeten aktiv gewesen. Mit 153 Jahren war er der älteste der drei Mönche. Dzarro war 144, Siebenton seit wenigen Tagen 142 Jahre alt.

Für Siebenton war es seine erste wirkliche Bewährungsprobe, seitdem er im Alter von 115 Jahren ungewöhnlich früh zum Mann geworden war. Normalerweise wechselten die Mönche zwischen 120 und 130 Jahren ihr Geschlecht. Das heißt, ihr Mädchen- und Frauendasein, geprägt von harter Arbeit und geistiger Unterdrückung, war vorbei.

»Wir werden durch die Schwüle nicht gleich sterben«, sagte Siebenton, als er die gequälten Gesichter seiner Begleiter sah. »Wir werden Zeit brauchen, um uns zu akklimatisieren, aber man kann hier leben. Andere Mönche haben es vor uns bewiesen.«

»Ja«, sagte Dzarro bitter, »und was ist aus ihnen geworden? Unser Feind ist nicht das Klima, das weißt du genau. Unsere Feinde sind sie. Es kann sein, dass sie uns töten.«

»Das werden sie ganz bestimmt nicht tun.«

»So? Und warum haben sie wohl die Frauen entführt?«

Siebenton winkte ab. Diese Diskussion hatten sie schon ein halbes Dutzend Mal geführt. Sie brachte noch weniger ein als die Unterhaltungen mit Proxx und Falagen.

»Wir gehen jetzt besser in das Beiboot zurück«, meinte er. »Das heißt, ich werde noch etwas hier draußen bleiben, um in Ruhe nachzudenken.«

»Damit«, sagte Dzarro und zeigte auf die Pfeife um Siebentons Hals, dann auf die beiden hellblauen Schärpen, in denen sich der Beutel mit Dozz-Kraut befand, »und damit.«

»Natürlich.« Siebenton griff mit seinen dreifingrigen Händen auch schon danach. Es war nichts dabei, am Abend zur besseren Einstimmung auf die Ruhephase sein Dozz zu rauchen.

Das leicht halluzinogen wirkende Kraut vertiefte die Harmonie mit dem Kosmos und schuf tiefe Ausgeglichenheit. Nachteilige Folgen hatte sein regelmäßiger Genuss nicht, abgesehen von einer leichten Veränderung der Haut im Alter. Die blauen Schuppenanteile der »Schlangenhaut« verfärbten sich dann rötlich, so dass die Haut der Mönche dann statt eines weißblauen ein leicht weißrotes Schuppenmuster aufwies.

Er hockte sich auf einen Vorsprung des Bootes, nachdem die beiden anderen Jungpriester darin verschwunden waren, stopfte die Pfeife und zündete sie an. Von irgendwo aus der Nähe hörte er ein Geräusch. Das konnte ein Tier gewesen sein oder die beiden Shaogen-Wächter – von denen er bis vor 27 Jahren noch gar nicht gewusst hatte, dass es sie überhaupt gab. Sie waren nicht zu verwechselten mit den Shaogen-Außenwächtern, die am Rand der Galaxis Shaogen-Himmelreich gegen die Vorstöße des Traal-Gegenkults kämpften.

Er glaubte nicht, dass er sie brauchte, aber der Kommandant des sichelförmigen Mondschiffs, das oben im Orbit auf die Rückkehr der Mönche wartete, hatte auf der Begleitung durch die Sicherheitsleute bestanden. Falls nötig, wollte er noch ein halbes Hundert weitere nachschicken. Siebenton war entschlossen, alles zu tun, damit es nicht dazu kam.

Er sprühte vor Ehrgeiz. Es war seine erste Mission, die erste Gelegenheit, sich fernab der Geborgenheit des Heimat- und Zentralplaneten Wolkenort zu beweisen. Sein bisheriges Leben als Mann hatte darin bestanden, zu lernen, zu lernen und noch mal zu lernen. Er war unmittelbar nach der Transformation zum Mann Priesterschüler geworden und hatte einen kleinen Teil der Geheimnisse des Shaogen-Kults kennengelernt. Walyon, den er als Frau geliebt hatte, war ihm eine große Hilfe dabei gewesen. Doch er wollte nicht nur protegiert werden, sondern sich durch Taten auszeichnen. Siebenton hatte dies als Frau so oft getan, dass dieser »Ruhm« ihm nun auch als Mann hinterherlief.

Nur hatte er als solcher noch keine Gelegenheit bekommen, ihn zu vertiefen beziehungsweise zu erneuern.

Wussten die Namwoggs, dass das Beiboot gelandet war, ganz nah bei ihrer Siedlung? Waren schon Kundschafter unterwegs? War die Lichtung vielleicht bereits umstellt von ihnen? Versuchten neugierige und feindliche Augen, den aufsteigenden Regendunst mit ihren Blicken zu durchdringen?

Eine Gestalt löste sich aus dem silbergrauen Nebel. Klatschend bewegten sich Füße durch den aufgeweichten Boden. Doch es war nur Proxx, einer der beiden Wächter. Proxx war mit seinen anderthalb Metern ein gutes Stück größer als der Durchschnittsmönch, der eine Größe von 1,40 Metern erreichte und in der Schulter achtzig Zentimeter breit war. Die Mönche von Shaogen-Himmelreich waren humanoid, so hätte ein Terraner gesagt, auch wenn ihre Gestalt durch die nur zehn Zentimeter dicken Körper reichlich grotesk wirkte. Dazu kam, dass der Kopf so breit wie die Schultern, aber nur dreißig Zentimeter hoch war, also flach rechteckig. Er konnte auf dem um die doppelte Länge reckbaren Hals um fast 180 Grad gedreht werden.

Proxx blieb vor Siebenton stehen. Das Gesicht eines Mönchs unterstrich die Fremdartigkeit des Kopfes. Unter einer hohen Stirn saßen zwei gelbe kreisförmige Augen. Darunter befand sich eine zeigefingergroße und ebenso geformte Nase, die allerdings horizontal im Gesicht saß und vier Nasenlöcher besaß. Die eigentliche Atemöffnung war ein darunterliegender, durch eine innensitzende Membran verschließbarer Kreis. Die Mundöffnung war ähnlich aufgebaut, lag aber links in der Wange des Mönchsgesichts und führte zur gut am Hals sichtbaren Speiseröhre. Mönche nahmen nur Flüssigkeiten und breiartige Substanzen als Nahrung zu sich, so dass keine Zähne benötigt wurden.

»Ich möchte …«, begann Proxx, »ich meine … Falagen lässt fragen, ob du nicht etwas Kraut für uns hättest. Es heißt, du hast das beste weit und breit …«

Schlagartig erinnerte sich Siebenton an den Abend in dem Großhaus der landwirtschaftlichen Kolonne, in der er als junge Frau gearbeitet hatte. Damals hatte ihn eine seiner Ziehmütter um das gleiche gebeten, mit fast der gleichen Frage.

Er gab Proxx etwas aus seinem Beutel auf die Hand, und der Wächter bedankte sich und verschwand wieder im Nebel.

Die Kolonne …

Damals war Siebenton 45 Jahre alt gewesen, jung und unbesorgt. Das hatte sich mit einem Schlag geändert, als sie einen Arbeitsvertrag mit dem berühmten Archäologen Koliwan schloss. Dort in Ungnade geraten, rettete sie nur eine Anforderung durch den Shaogen-Außenwächter-Orden vor dem sicheren Tod. Noch einmal rettete sie ein Wunder, als sie als einzige das Massaker überlebte, das die Truppen des Traal-Gegenkults und der Außenwächter auf einem Rekrutierungsplaneten anrichteten.

Ihr ganzes Leben als Frau war dadurch bestimmt gewesen, dass sie sich durch ihre unermüdliche Neugier hervortat, dass sie immer wieder neue Ideen hatte und Neuerungen durchsetzte, was sich herumsprach. Auf diese Weise gewann sie sogar das Vertrauen der Caliguren, einer in ihren Raumschiffen lebenden Technikerrasse, die sie vom Planeten des Schreckens fortbrachten. Die Jahre mit ihnen waren die glücklichsten in Siebentons Leben gewesen.

Nach der Rückkehr nach Wolkenort war für sie alles nur noch bergab gegangen. Sie hatte Arbeit gefunden, die sie nicht befriedigte, und einen Mann, dem sie zwei Kinder gebar, um dafür lebendig eingesperrt und isoliert zu werden.

Aber das war endgültig vorbei. Jetzt war Siebenton ein Mann.

Er war frei.

Und wurde von Tag zu Tag ein wenig schwächer.

*

Früh am Morgen des anderen Tages brachen sie auf. Siebenton hatte vor der Rückkehr ins Boot noch auf das Shaogen-Sternlicht gewartet, das exakt alle siebzig Stunden alles Lebendige in einem Umkreis von 40.000 Lichtjahren vom Zentrum der Galaxis erfasste und durchdrang. Dann fühlten die intelligenten Wesen sich bis tief ins Allerinnerste durchleuchtet und durchschaut, dazu glücklich und geborgen.

Für sie war es der Beweis dafür, dass es einen Gott gab, der alles, was sie im guten oder im schlechten getan hatten, genau registrierte, damit es am Tag ihres Todes abgerechnet würde – am Beginn des Tod-Erlebens. So nannten die Mönche, die Fothok, die Caliguren, die Mourmalen, die Jedouinen und alle anderen Bewohner ihrer Sterneninsel den Übergang in das andere, wirkliche Leben und auch dieses Leben selbst, für das das weltliche Dasein nur eine Vorbereitung darstellte.

Der ganze Shaogen-Kult, die bestimmende Religion in Shaogen-Himmelreich, gründete sich auf das Shaogen-Sternlicht.

Der von der Lichtung und dem Urwald ausgeschwitzte Dunst hatte sich noch nicht ganz verzogen. Proxx und Falagen gingen an der Spitze der fünfköpfigen Gruppe, dann folgten Siebenton und die beiden anderen jungen Priester. Sie alle trugen neben den unvermeidlichen Soukas, ihren enganliegenden weißen Hand- und Fußschuhen, und den Schärpen breite Gürtel um die Hüften, in denen sich Antigrav- und Schutzschirmaggregate befanden. Schon daher, wegen der jederzeit aktivierbaren Schirme, hielt Siebenton die Bewaffnung ihrer Wächter für unangebracht.

Er wollte die Namwoggs, abtrünnige mönchische Siedler, die sich so nach ihrem Planeten benannt hatten, nicht durch Strahler zur Vernunft bringen, sondern durch Worte. Es galt, sie für den reinen Glauben zurückzugewinnen von der grausamen, kannibalischen Abart, die sie im Lauf der Zeit entwickelt hatten.

Proxx hielt über ein Funkgerät, das er sich um das linke Handgelenk geschnallt hatte, ständig Kontakt mit Minderhout im Beiboot. Einige Sonden in der Luft beobachteten die Siedlung der Namwoggs und den Weg der Missionare. Sobald Gefahr drohte, würde Proxx gewarnt werden. So, wie Siebenton als Leiter der Gesamtexpedition galt, durfte er sich als Leiter des Sicherheitstrupps fühlen.

Plötzlich war die Lichtung zu Ende. Es gab keinen erkennbaren Weg durch den umliegenden Dschungel. Also schalteten die Mönche ihre Antigravaggregate ein und ließen sich hochsteigen bis zu den Wipfeln des Urwalds und dann langsam darüber hinweggleiten, immer in Richtung Südwest.

Proxx hatte dafür plädiert, mit dem Boot gleich bei der Siedlung zu landen. Siebenton hatte das abgelehnt. Er wollte den Abtrünnigen nicht gleich alles verraten, was er lieber noch in der Hinterhand behielt – ganz zu schweigen von dem Schiff im Orbit, das bei Bedarf jederzeit landen konnte.

Eine gewaltsame Befreiungsaktion wäre vielleicht möglich gewesen, aber niemand konnte dafür garantieren, dass die notgelandeten und entführten Frauen dies überlebt hätten. Außerdem ging es Siebenton ja darum, die Namwoggs zum rechten Glauben zurückzubekehren – auch wenn er bislang keine Ahnung hatte, wie er das schaffen sollte.

Er musste zuerst mit den Verantwortlichen bei den Abtrünnigen reden. Danach würde er mehr wissen.

Was ihm jetzt bereits bekannt war: Vor rund sechshundert Jahren hatte ein Raumschiff den Mönchsplaneten Gismer verlassen, mit dreihundert Männern und Frauen an Bord. Diese Mönche wollten als Kolonisten eine neue Welt besiedeln, mehr als zehntausend Lichtjahre von Gismer und gut 25.000 Lichtjahre vom galaktischen Zentrum entfernt. Etwa die Hälfte der Männer waren Priester gewesen.

Anfangs hatte es wenig Probleme gegeben. Kuriere waren zwischen den Planeten verkehrt, oder man hatte über Hyperfunk Kontakt gehalten. Die Siedler hatten einen Teil des Dschungels des urweltlichen Planeten gerodet, den sie Namwogg nannten, und eine Stadt erbaut.

Dann waren die Kontakte weniger und weniger geworden. Die letzten Kuriere, die von Namwogg zurückkehrten, hatten berichtet, dass sich auf Namwogg eine Clique von Priestern an die Spitze der Siedler gesetzt hatte und eine neue, verderbliche Form der Religion praktizierte. Sie beteten das Shaogen-Sternlicht an wie einen Götzen und brachten ihm Opfer. Sie wollten es dadurch besänftigen und sich Zutritt ins spätere Leben verschaffen.

Die Opfer sollten Buße sein für die begangenen Sünden und gleichzeitig der Garant für die ewige Seligkeit. Sie wurden alle Monate veranstaltet, immer bei Neumond, und dargebracht wurden Tiere. Einmal im Jahr, zur Sommersonnenwende, gab es darüber hinaus ein besonders großes Fest. Der letzte Bericht darüber sprach von regelrechten Orgien des Blutes und des religiösen Wahns.

Die Mönche hatten daraufhin jeden Kontakt zu Namwogg eingestellt. Der Seelenhirte von Wolkenort selbst, von den drei obersten Priestern in Shaogen-Himmelreich, der mächtigste, hatte Namwogg zur Tabuwelt erklärt, auf der zu landen jedem Raumschiff verboten war.

Alle hatten sich daran gehalten, selbst die Caliguren und die anderen nichtmönchischen Völker der Galaxis. Deshalb war vollkommen unbekannt, wie sich der Opferkult weiterentwickelt hatte.

Und nun war ein Mondraumschiff mit hundert Mönchinnen an Bord in Raumnot geraten und hatte auf dem Planeten notlanden müssen. Siebenton hatte beim Landeanflug mit dem Beiboot das Wrack auf der anderen Seite der Stadt gesehen. Die Mönchinnen waren als Arbeiterinnen für eine andere Welt bestimmt gewesen. Einer von ihnen war es nach dem Aufprall im Dschungel noch gelungen, einen Hyperfunkspruch abzusetzen. Daraus ging hervor, dass rund zwei Drittel der Frauen tot und der Rest von wild aussehenden Mönchen verschleppt worden seien, die mit Gewalt in das Wrack eingedrungen waren. Nur die Funkerin hatte sich vor ihnen verstecken können. Was aus ihr geworden war, war ebenfalls nicht bekannt.

Der Hilferuf war über Umwege nach Wolkenort gelangt, wo der Seelenhirte daraufhin beschloss, eine Rettungsaktion zu starten. Siebenton hatte davon erfahren und sich sofort freiwillig gemeldet.

Und nun waren sie hier.

Der Nebel lichtete sich immer mehr. Der Boden wurde steiniger, der Dschungel lichter. Bald flogen die Mönche nur noch über vereinzelte Baumwipfel hinweg. Die Stadt der Siedler war auf einem flachen, felsigen Plateau gebaut worden, das nur unwesentlich aus dem Urwald in die Höhe ragte.

Als sie es erreichten, hatten sie freie Sicht. Die Stadt war kaum als eine solche zu bezeichnen. Es gab keine Umfriedung, keine Mauern und keine Straßen. Die Steinhäuser waren einfach hier und dort gebaut worden, so als habe man willkürlich einen Kiesel geworfen, um ihren Standort zu bestimmen. Es waren etwa hundert. Ungefähr in der Mitte standen zwei größere Bauten, von denen einer als Tempel zu erkennen war. Er war stumpf pyramidenförmig, mit sechseckigem Grundriss und Eingängen an allen Seiten.

»Wir sollten jetzt wieder landen und zu Fuß weitergehen!«, rief Siebenton seinen Begleitern zu. »Da, man hat uns bereits entdeckt!«

Tatsächlich kamen mehrere Mönche aus ihren Häusern gelaufen, gleich zu Dutzenden quollen sie aus dem Tempel. Sie schrien durcheinander. Worte waren noch keine zu verstehen.

»In Ordnung«, sagte Proxx. »Wir lassen uns sinken – aber theatralisch. Vielleicht sind sie wirklich zu abergläubischen Wilden degeneriert und halten uns für fliegende Götter.«

»Du frevelst, Proxx!«, wies Devior ihn zurecht. »Kein Mönch darf sich für einen Gott ausgeben. Es kann leicht geschehen, dass er sich dann auch bald dafür hält.«

Der Wächter gab keine Antwort. Mit würdevoll ausgebreiteten Armen setzte er als erster am Rand der Stadt auf, gefolgt von Siebenton, der auf die übertriebene Gestik verzichtete. Hinter ihnen landeten die anderen.

»Ich rede«, stellte Siebenton klar. »Die Waffen bleiben im Gürtel, auch wenn wir bedroht werden.«

»Das werden wir schon«, kam es von Falagen. »Oder sind das keine Speere und Steinschleudern in den Händen der Namwoggs?«

Natürlich waren sie es.