Perry Rhodan 2200: Der Sternenbastard - Robert Feldhoff - E-Book

Perry Rhodan 2200: Der Sternenbastard E-Book

Robert Feldhoff

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Beschreibung

Er ist der Sohn eines Terraners und einer Arkonidin - und verfügt über eine seltsame Gabe Kantiran ist eine Waise, seine Eltern hat er nie kennen gelernt. Doch der junge Mann, der auf dem Dschungelplaneten Creiff aufwächst, weiß, dass seine Mutter eine Frau vom Planeten Arkon war und sein Vater ein Terraner von der Erde. Das macht ihn zum Mischling - und das in einer Zeit, in der sich die Sternenreiche der Arkoniden und Terraner argwöhnisch belauern. In dieser Zeit zu Beginn des 14. Jahrhunderts Neuer Galaktischer Zeitrechnung - das entspricht dem Ende des fünften Jahrtausends "unserer Zeit" - stehen die bewohnten Planeten der Milchstraße vor großen Umwälzungen. Perry Rhodan, der die Menschheit im 21. Jahrhundert ins All geführt hat, will die Freiheit der Liga Freier Terraner verteidigen. Und Bostich I., der Imperator von Arkon, will seine Macht immer mehr ausweiten.

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Nr. 2200

Der Sternenbastard

Er ist der Sohn eines Terraners und einer Arkonidin – und verfügt über eine seltsame Gabe

Robert Feldhoff

Kantiran ist eine Waise, seine Eltern hat er nie kennen gelernt. Doch der junge Mann, der auf dem Dschungelplaneten Creiff aufwächst, weiß, dass seine Mutter eine Frau vom Planeten Arkon war und sein Vater ein Terraner von der Erde. Das macht ihn zum Mischling – und das in einer Zeit, in der sich die Sternenreiche der Arkoniden und Terraner argwöhnisch belauern.

In dieser Zeit zu Beginn des 14. Jahrhunderts Neuer Galaktischer Zeitrechnung – das entspricht dem Ende des fünften Jahrtausends »unserer Zeit« – stehen die bewohnten Planeten der Milchstraße vor großen Umwälzungen. Perry Rhodan, der die Menschheit im 21. Jahrhundert ins All geführt hat, will die Freiheit der Liga Freier Terraner verteidigen. Und Bostich I., der Imperator von Arkon, will seine Macht immer mehr ausweiten.

In dieser spannenden Epoche wächst Kantiran auf, als Abkömmling zweier Völker und von seinen Altersgenossen misstrauisch beäugt. Für viele ist er nur DER STERNENBASTARD ...

Die Hauptpersonen des Romans

Kantiran – Der Sohn einer Arkonidin und eines Terraners wächst in ländlicher Umgebung auf.

Perry Rhodan – Der Terraner versucht die Bewohner der Galaxis zu warnen.

Bostich I. – Der Imperator plant eine Ausweitung seines Herrschaftsgebiets.

Ascari da Vivo – Die arkonidische Admiralin verfolgt ihre eigenen Pläne.

Shallowain

Prolog

Spätsommer 1322 NGZ

Planet Creiff

»Wie viele Sterne gibt's denn eigentlich?«

Mein Pflegevater neigte den haarlosen Kopf; Weigel mochte neugierige Jungs. »Unendlich viele, Kantiran!«

»Mehr als zehntausend?«

»Viel mehr. Man kann am Himmel aber nur ein paar tausend sehen, wegen der Atmosphäre.«

Ich versuchte, mir eine grenzenlose Zahl vorzustellen, nickte und gaffte trotzdem ratlos zu den Sternen hoch.

»Arkon und sein Reich«, schwärmte Weigel, das furchige Gesicht zum Himmel gekehrt. »Das ist alles unsere Heimat. Das Kristallimperium, Millionen Raumschiffe, Milliarden Raumfahrer. Ach was sag ich, Junge ...« Er legte mir eine Hand schwer auf die Schulter. »Du sollst mal alle Chancen haben. Eines Tages verlässt du den ganzen Mist hier und lernst die Schulen des Imperators kennen.«

»Ich geh nirgendwo hin! Bestimmt nicht nach Arkon.«

Creiff war kein »ganzer Mist«, sondern mein Universum. Die Urwälder und die Farm, meine Freunde und die Schule in der Stadt.

»Junger Mann«, sagte Weigel streng, »du bist ein Arkonide. Wenn das Imperium ruft, wirst du dem Ruf Folge leisten.«

Ich duckte mich. Weil ich wusste, was gleich kommen würde: »Ich bin kein Arkonide. Ich bin ein Bastard.«

Weigel zuckte mit der Hand. »Ein was? Woher hast du das Wort?«

»Aus der Schule. Weil ich halb Arkonide, halb Terraner bin.«

»Terranisches Blut ist kein Makel«, belehrte er mich aufgebracht. »Denk dran, es kommt auf die Treue zum Imperium und zum Imperator an. Du bist ... Ach, ich will das Wort nie wieder hören!«

»Ja, Weigel.«

Ich zählte noch mal die Sterne. Ihr Glitzern tauchte den Hügel, der hinter unserem Farmhaus stand, in ein ungewisses frühabendliches Zwielicht. Bei hundert verlor ich schließlich den Faden.

Aus dem Lichtergleißen löste sich ein Fleck, der mit unglaublichem Tempo über den Himmel düste.

»Sieh mal, Kantiran! Ein Komet.«

»Terraner dürfen sich dann was wünschen.«

»Was hast du mit deinen Terranern immer?«

»Wir behandeln das derzeit in der Schule.«

Ich streckte eine Hand aus und griff spielerisch nach dem Sternenlicht. Es rutschte mir zwischen den Fingern durch. »Sind meine Eltern auch da oben?«

»Klar.«

»Arachya sagt, ich bin schon zu groß, um daran zu glauben.«

»Du bist neun Jahre alt. Was du glaubst oder nicht, schreibt dir niemand vor. Ich sage, sie leben nicht mehr, aber sie sind immer bei uns.«

»Wenn ihr mir wenigstens sagen könntet, wer sie waren.«

»Hör auf damit! Ich will nicht ständig ... Wir haben sie doch selbst kaum gekannt.«

»Warum wurde ich dann an euch gegeben?«

»Weil niemand anders da war. Und weil Arachya kein eigenes Kind bekommen konnte.«

In meinem Kopf gab es keine Erinnerung an ganz früher. Ich stellte mir meine Mutter als überirdisch schöne Erscheinung vor. Oben im Zimmer stand ein unscharfes Holo, das sie mit meinem Vater zeigte, einem Prospektor von Terra. Mehr besaß ich nicht. Und natürlich das Geld aus Versicherung und Erbe.

»Kant! Weigel!« Die Stimme meiner Pflegemutter quietschte durch die Hintertür am Schuppen. »Was treibt ihr da draußen? Der Junge braucht seinen Schlaf!«

Mit Arachya war nicht zu spaßen. »Kantiran! Um sieben kommt der Gleiterbus zur Schule! Und bring mir meinen nutzlosen Ehemann mit.«

»Oh-oh.« Weigel fasste meine Hand und grinste wie ein Verschwörer. »Junge, jetzt wird's ernst!«

Arachya trug kaum Kleidung, als ich in mein Zimmer hochging. Sie war sehr dick.

Aus dem Bett wühlte ich mich durch die Holo-Clips vom Unterricht: Filme über Imperator Bostich und Perry Rhodan, die mächtigsten Männer der Galaxis. Durch mein geöffnetes Fenster drang der Duft von den Feldern. Der Sommer roch in der Gegend süß und schwer, in den Wochen vor der Ernte, wenn das Creiffgetreide Blüten trieb. Ich hörte Weigels Stöhnen und spitze kurze Laute von Arachya, als sie unten im Ehebett anfingen zu kämpfen, kurz bevor meine Augen zufielen und ich wieder die Sterne sah.

1.

Herbst 1325 NGZ

Creiff gehörte zum Agrargürtel des Kristallimperiums, als Kornlieferant für Arkons Flotte. Im Westen standen gigantische Getreidesilos. Schleppraumer bugsierten krachvolle Container Richtung Orbit, zu den Frachterflotten des Imperiums, oder senkten sie ausgeleert in Füllgerüste. Manche Chargen wurden von Springern oder freien Händlern gekauft. Ich betrachtete ihre seltsamen Raumschiffe gern aus dem Gleiterbus.

Kühl und erfahren lümmelte ich im Sitz, die Knie an die Lehne des Vordermanns gepresst; während die Neun- und Zehnjährigen sich an den Scheiben die Nasen platt drückten.

»Seht mal, Springer!« – »Die da kommen von Zalit!« – »Dahinten am Transmitter ... sind das Blues?« – »Haha, Tellerköpfe!« – Und so weiter.

Die Schule lag weiter im Zentrum. Es war eine Schule für Hochbegabte. Talent und Fleiß waren gewöhnlich mitzubringen. Die zweite Möglichkeit bestand aus Reichtum oder Adelstitel.

»He, Bastard!«

Einer der Jungs winkte abfällig: Valizon da Taumhol aus edelstem Geblüt. Er betrachtete mich als eine Art Lieblingsfeind. Valizon war wie ich zwölf Jahre alt, strohdumm – und leider einen Kopf größer.

In mir kochte es, als ich aus dem Bus stieg und scheinbar taub, ohne ein Wort zu verlieren, an Valizon vorbei ins Gebäude eilte.

»Bastard, ich sprech mit dir!«

Nicht mein Problem.

Ich war der Einzige im Klassenraum und blieb es bis Unterrichtsbeginn. Bis Valizon mit seinem großmäuligen Auftritt die Klasse ins Zimmer führte.

Er sicherte sich den Platz direkt hinter mir. »Wieder mal der Erste?«, stichelte er.

»Halt dein Maul, Val«, erwiderte ich kühl nach hinten.

Das ganze Klassenzimmer war ein Meer aus albinotisch roten Augen und weißem Haar, eben arkonidisch. Dazwischen saß ich. Aus der terranischen Linie hatte ich das dunkle, kräftige Haar, die wasserblauen Augen. Von der arkonidischen Seite stammte die stabile Brustplatte, an Stelle terranischer Rippen. Ich hatte sogar Haare zwischen den Beinen, früher als die anderen; was insbesondere Valizon nicht wenig wurmte.

Lehrerin Teggira stürmte den Klassenraum. Mit einem strengen Blick sorgte sie für Ruhe.

»Wir sehen heute ein Holo über Terra, das gestern über die Trividsender kam. Wer hat gestern schon eingeschaltet?« Sie prüfte vergeblich die Runde. Kein gehobener Arm, auch nicht meiner. »Wir lernen eine Menge daraus, also aufgepasst! – Besonders da vorn, Valizon!«

Die Sendung begann mit dem blauen Planeten, den alle Welt als »Terra« kannte. Jener Planet, der ohne Arkoniden nie die Raumfahrt besessen hätte. Die Welt, von der mein Vater stammte.

Im Mittelpunkt der Hauptstadt hing eine majestätische, stählerne Blume in der Luft: die Solare Residenz, Regierungssitz der Terraner.

Das Holo zoomte auf eine einsame Gestalt auf einem Balkon. Ich erblickte die dunkelblonden Haare eines Terraners, eine hoch aufgerichtete Gestalt in einem blauen Raumanzug; einen ernsten, in die Ferne des Himmels gekehrten Blick.

Der Terraner war Perry Rhodan. Die Kamera folgte seiner Blickrichtung ...

... und fokussierte auf eine hantelförmige, golden schimmernde Silhouette, die sich aus dem Abendhimmel zur Stadt herabsenkte.

Von hinten kam Gewisper auf. Valizons Stimme mit unterdrücktem Kichern.

»Wer kennt dieses Raumschiff?«, fragte Teggira schneidend scharf. Das Kichern verstummte.

Ich hob den Arm. »Das ist die SOL! Ein Spezialschiff von Terra.«

Teggira bedachte mich mit einem strafenden Blick. Sie hätte lieber den reichen Valizon gehört.

»Richtig, Kantiran. Es heißt, ungenannte Schwierigkeiten haben die Rückkehr von einem Sternhaufen namens Thoregon verzögert. – Was schließen wir daraus ... Valizon?«

»Dass arkonidische Imperiumstechnik überlegen ist! Terras Schiffe sind Schrott und gestohlen. Die bleiben liegen, wenn's ernst wird.«

Lehrerin Teggira lächelte beifällig. »So ungefähr«, lobte sie ihren Liebling, dessen Vater die Schule kaufen konnte.

Traumhaft! Val sonderte Blödsinn ab, und Teggira lobte ihn.

Ein Gleiter der SOL sank über den Balkon, an Bord Expeditionsleiter Atlan und ein Pelzwesen mit einem Nagezahn: Gucky, der Mausbiber.

»Jetzt fassen sie gegenseitig ihre Hände an«, wisperte Valizon. »Die Wilden machen das.«

Valizon hatte Recht. Rhodan und Atlan schüttelten sich die Hände, vor laufenden Kameras.

Atlan war ein Arkonide. Einst war er ein berühmter Imperator gewesen. Heute betrachteten wir ihn als Verräter und Erzfeind des Imperiums. Dann brach die Reportage ab, mit Blick auf den polierten Nagezahn, der Gucky, dem Mausbiber, gehörte.

»He, Bastard!«, stichelte Valizon hinter mir. »Du bist doch selbst halb Terraner. Vielleicht machen sie über dich auch mal so 'nen Verräter-Film.«

Was er sonst sagte, rauschte an mir vorbei. Ich drehte mich um, sammelte alle Kraft für einen einzigen Schlag ... und donnerte ihm die Faust auf die Nase.

Was für ein Anblick! Blut und Knochensplitter, ein völlig verdattertes Gesicht mit zerstörtem Nasenbein, bevor sie mich nach draußen zerrten.

*

Weigel tobte stundenlang, Arachya strafte mich mit kalter Verachtung.

Aber Valizon da Taumhol merkte sich, dass ich ein Gegner war. Als hätte ich eine Art Aufnahmeprüfung bestanden, als hätte er genau das gebraucht, einen Schlag auf die Nase. Er vergaß hochherzig die ganze Affäre, und er begann sich mit mir anzufreunden, als seine Nase wieder heil war.

Acht Wochen später stand er mit seinem Gleiter in den Hügeln hinter dem Farmhaus. Seine Maschine glitzerte wie Gold und Howalgonium. Hinten im Fond lümmelten zwei dreizehnjährige Freunde.

»Spring rein, Kant! Das da sind Kachod und Tam, mach schon!«

»Wohin geht's denn?«

»Kleiner Abstecher«, meinte Valizon tückisch. »Tam ist seine Plophos-Katze weggelaufen. So ein blaupelziges Vieh. Er glaubt, sie versteckt sich im Urwald.«

Dem Kerl namens Tam war anzusehen, dass ihn gar nichts kümmerte, erst recht nicht eine Katze.

»Moment mal, Val«, wehrte ich ab, »meint ihr den Isolierten Wald?«

»Kennst du noch 'nen andern?«

»Mein Pflegevater sagt, da drin gibt's Crochen.«

»Pff! Dein Pflegevater ist Farmer. Die haben vorm eigenen Schatten Angst. Wenn du dich allerdings nicht traust ...«

Meine Beine bewegten sich von allein, während der Kopf noch versuchte, Vernunft zu üben. Tams Katze war überall, bloß nicht im Urwald, das war mir klar. Ein wütender Laut, ein Satz, dann saß ich im Gleiter. Valizon gab Energie, bis die Kiste auf hundert Meter war, und düste Richtung Norden.

Tief unten zog eine Staffel Ernteautomaten konzentrische Kreise. Mittendrin in einer alten Steuereinheit saß Weigel; Valizon hielt direkt auf ihn zu.

»Lass das bleiben! Wenn er was spitzkriegt ...«

Valizon deckte schnell seine Nase ab. Er lachte und drehte bei, über die nahe Stadt und den Hafen, über den Fluss Richtung Waldgebiete.

Der Flug dauerte nicht lange. Was wir als Isolierten Wald kannten, begann dreihundert Kilometer westlich der Stadt, jenseits einer Serie von Bächen und Wasserfällen. Valizon ließ die Maschine kreisen. Neugierig starrten wir auf schildartig verschlossene, nie berührte Wipfel.

In der Mitte ragte eine Art Monolith ins Freie. Der Felsen schimmerte weiß und war zum Landen ideal.

»Val!«

»Längst gesehen! Hältst du mich für blöd?«

*

Eine Melange aus Tierlauten, bittersüßen Düften und schwülwarmer Luft fing uns ein. Es roch nicht mehr nach Farm, es roch wild. Ein schmieriger Film aus Pollen und Schweiß setzte sich aufs Gesicht; meine Achseln nässten unangenehm. Ein Wesen, das die Kraft eines Dozers besitzen musste, brach in Hörweite durch feuchtes Unterholz.

Kachod und Tam trampelten unbekümmert vom Monolithen in Richtung Baumgrenze.

»Scheikha, Scheikha!«, brüllte Tam in den Wald.

»Scheikha ist seine Katze«, informierte mich Valizon flüchtig. Er brachte einen Bund Niederfrequenz-Schockersticks zum Vorschein.

»Die dürfen nur Polizisten haben!«

»Mein Vater erhält immer welche. Er braucht sie beim Ausreiten. Vorsicht, fass nicht vorn an die Spitze.«

»Dein Vater quält Tiere mit so Zeugs?«

»Na ja ... er reitet sie.«

Mit spitzen Fingern fasste ich den Stick an.

Kachod und Tam zwängten sich durch eine Mauer aus Ästen ins Unterholz. Valizon folgte dick und polternd. Was blieb mir übrig? Ein Blick zurück zum Monolithen, einer nach vorn auf die grüne geheimnisvolle Wand. Ich bog die Äste weg und schob mich nach vorn in ein schwitziges Mikroklima, das mir den Atem nahm.

»Hier hinten wird's lichter, Kant!«

»Was ist mit Sheikha?«

»Was wohl? Wahrscheinlich ist sie längst Futter!«

Ich blickte mich besorgt um.

Valizon schlug mit dem Schockerstick nach einem Vogel, der vorüberhuschte. In einem Baumstumpf siedelte ein Schwarm Flügelkäfer. Sie trugen durch das Einflugloch Pollen in den Stumpf. Tam lachte, grub mit den Fingern im feuchten Boden und klatschte mit einem Batzen Lehm ihr Loch zu.

»Du Idiot, was soll das!«, fuhr ich ihn an.

»Was wohl?«, blaffte er zurück.

Ich suchte mir im Unterholz einen abgebrochenen Ast. Mit der Spitze kratzte ich den Lehm aus dem Loch, während die Käfer wie Funkenregen den Stock umschwirrten. Sorgfältig legte ich ihren Zugang frei.

Im selben Moment erfüllte ein fauchender, sich aufschaukelnder, allgegenwärtiger Laut den Wald. Das Geräusch schien aus einem Dutzend Richtungen zu kommen.

Dann eine Art ersticktes Wimmern, die Stimme Tams, und ein schwaches Zischen, das von Valizon stammte: »Kant!« Kaum hörbar im Fauchen des Waldes.

Ich richtete mich vorsichtig auf. Den Stock noch in der Linken, rechts den Schockerstick, bog ich die Äste beiseite.

Valizon, Kachod und Tam standen nebeneinander auf einer Lichtung. Alle drei glotzten in dieselbe Richtung.

Aus der Blätterwand glimmerten schlitzförmige rote Augen – in drei Metern Höhe! Die zugehörigen Körper offenbarten sich schattenhaft. Dunkle ungewisse Flächen hinter Blattwerk.

Für einen Moment drehte der Wind. Mit der Nase sog ich einen scharfen Geruch ein.

Dann kamen sie raus, lautlos, ohne das trippelnde Geräusch von Tatzen oder Läufen, denn sie schwebten. Es waren Crochen. Ihre Körper besaßen die Masse von Naats, ihre braun geschuppten Häute hatten die Festigkeit von Lederpanzern. Die Mäuler erinnerten an Reptilien. Die lang gestreckten Schwänze dienten als biologische Abstoßvorrichtung.

Crochen schwebten mit Hilfe eines geheimnisvollen Levitationsorgans. Ihre Fänge besaßen eine gewaltige Kraft.

Valizon brachte seinen Schockerstick in Anschlag. »Stopp!«, zischte ich ihn an. »Mach sie nicht wütend!«

»Ich hab nicht ...«, stammelte Valizon, »ich dachte ... dachte, die gibt's gar nicht!«

»Sei still!« Nach allem, was ich wusste, waren wir praktisch tot. Die glühenden Augen machten mich fertig. In meiner Nase hing ein Geruch wie Blut und Aas.

Ich fasste mir ein Herz, in einem für mich selbst unbegreiflichen Impuls, trat offen aus der Deckung – und ging den Crochen entgegen.

Mit trancehaften Bewegungen schob ich mich nach vorn. Schrittweise auf das Leittier zu, ich glaubte, ihre Aura wie eine geheimnisvolle Elektrizität zu spüren.

Etwas war falsch. Crochen waren Tiere, Killer, und der Geifer tropfte nicht zum Spaß von ihren Fängen. Es gab keine Aura.

Trotzdem reagierte ich, ich saugte die Frequenzen ein, erkannte hinter glühend roten Augen etwas, das nicht Raubtier war, sondern mich verstand.

Winzige vorsichtige Schritte. Der Herde entgegen.

»Nicht, Kant!«

Das Leittier fixierte mich endlos lange. Ich neigte vor ihm den Kopf, ordnete mich unter – und vernahm erleichtert das dunkle enttäuschte Knurren, mit dem es mir das Leben schenkte.

Die Crochen schwebten zurück in den Wald. Nur ein sehr junges Exemplar blieb da. Der Kleine war so groß wie ich.

Aus seinem Rachen drang ein weiches leises Geräusch, das klang wie ein gedämpftes Torm. Ein guter Name, dachte ich plötzlich ... Torm.

Noch mal der tiefe dumpfe Knurrlaut, den ich diesmal als Befehl identifizierte, und Torm schwebte lautlos rückwärts. Hinter ihm schloss sich die Wand der Blätter.

Ich atmete auf und lachte erleichtert. Mit dem Handrücken wischte ich mir die Wangen trocken.

Drei rote tränende Augenpaare starrten mich an wie einen Sternengott. Die drei Jungs weinten nicht, denn die Tränen waren eine Eigenheit der Arkoniden. Starke Erregung stimulierte unsere Tränendrüsen; selbst bei mir als Mischling.

»Wie hast du das gemacht, Kantiran?«, fragte Valizon entgeistert.

»Was denn?«

»Hast du mit den Viechern geredet oder was?«

»Ach was, wie kommt ihr ...?« Ich verstummte plötzlich. Valizon war ohne Zweifel ein Idiot, aber er hatte Recht. Wie hatte ich das gemacht?

Kachod verkündete: »Den nehmen wir nie wieder mit!«

»Mein Vater kennt den Tato«, fügte Tam hinzu. »Wieso sind Crochen eigentlich nicht ausgerottet? – Hätten wir nicht die hier gehabt ...« Er präsentierte seinen Schockerstick wie ein Jäger sein Impulsgewehr.

Ich konnte es nicht fassen. Reiche dumme Essoya, alle drei!

Als wir uns vom weißen Monolithen zurückzogen, wie durch ein Wunder unbeschadet, fest entschlossen, niemals wieder den Isolierten Wald aufzusuchen, hörte ich ein fernes lockendes Torm.

*

September 1326 NGZ

Aus dem Regenhimmel stürzte ein pulsierendes Licht. Keineswegs ein Frachter, stattdessen ein Kreuzer des Imperiums, eine fabrikneue, hochmoderne Kugeleinheit mit molekular polierter Hülle. Die untere Polrundung trug das kistallimperiale Emblem. Aber das Beste war: Der Kreuzer hielt direkt auf Weigels Farm zu. Über einem gemähten Feld kam die hundert Meter messende Kugel zur Ruhe. Die Sturmbö, die mit ihrer Landung verbunden war, peitschte mir schmerzhaft das Haar in die Augen.

»Kantiran!« Arachya eilte mit einem Schrei aus dem Haupthaus. Aus dem Silo kam Weigel gerannt, mit derselben Sorte Panik. Er und Arachya stellten sich vor mich.

Es fing intensiv nach Ozon zu riechen an. Eine Polschleuse stand plötzlich offen.

An Arachyas dickem Leib vorbei verfolgte ich einen Gleiter, der sich ins Freie senkte und mit der Gewalt einer Kanonenkugel abging. Es gab solche Maschinen auf Creiff nicht. Nicht einmal Valizon hatte eine.

Zwei helle wehende Haarschöpfe, ein gewaltiger Mann und eine Frau, da waren sie schon bei uns.

Ich hatte nie eine so schöne Frau gesehen. Ihre Augen hatten das reinblütige Rot des Hochadels, ihre Haut war braun und makellos wie Mehinda-Samt. Sie besaß die hochgewachsene, herrische Erscheinung einer Herzogin.

Als sie aus dem Gleiter stieg, traf Weigel und Arachya ein Blick von bestürzender Kälte. Ich sah meinen Pflegevater beiseite weichen wie ein Knecht.

Dann stand ich vor der Frau allein. Ich rammte meine Füße in den Boden und blieb trotzig stehen, bis sich das Eis in ihrem Blick zu Interesse formte.

Sie war zwanzig Jahre älter als ich. Sie kam mir bekannt vor, aber ich konnte ihr Gesicht nicht zuordnen.

Ihr schulterlanges weißblondes Haar war wunderschön, ihr Gesicht zeigte eine selten erblickte, unwirkliche Perfektion. Ich bewunderte sie von der ersten Sekunde an. Die Arkonidin trug eine weiße Uniform ohne Rangabzeichen. Was wiederum hieß, sie brauchte so was nicht; also musste sie von hohem Stand oder Rang sein. In ihrem rechten Beinhalfter bemerkte ich eine exotisch aussehende Waffe.

»Eine Strega, Modell 2001-KNK«, erläuterte sie mit kühler Stimme. »So eine wirst du hier ...«, ihre Geste umfasste abfällig Farm und Planet, »... zweifellos nicht finden. Mein Name ist Ascari. Und du musst Kantiran sein.«

»Ja, Zhdopan!«

Zhdopan, Erhabene – Ausdruck der Hochachtung und Anrede für alle Adligen. Ich wartete ab, ob sie meine Anrede korrigierte, um daraus Schlüsse über ihren Stand zu ziehen.

»Steig in den Gleiter! Ich will sehen, wie du hier lebst.«

»Kommt Ihr deswegen mit einem Kreuzer her? Das kann wohl nicht stimmen!«

»Doch. In den Gleiter!«

»Wozu soll ich denn ...«

»Ich bin eine alte Bekannte deiner Eltern.«

Mit einem Mal wurde es still. »Bitte was?«, flüsterte ich.