Perry Rhodan 3313: Der Singuläre - Oliver Fröhlich - E-Book

Perry Rhodan 3313: Der Singuläre E-Book

Oliver Fröhlich

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Beschreibung

4000 Jahre in der Zukunft … Wir befinden uns in der Mitte des 23. Jahrhunderts Neuer Galaktischer Zeit­rechnung. Die Menschen leben in Frieden und Freiheit. Von der Erde aus haben sie ein Netz aus Handelsbeziehungen und Bündnissen geschlossen, das zahlreiche Planeten in der Milchstraße umfasst. Perry Rhodan ist der Raumfahrer, der die Menschheit zu den Sternen geführt hat. Nun will er die Verbindungen stärken, die sich zwischen den Mitgliedern seines galaxienübergreifenden Bundes von San entwickeln sollen. Doch ehe aus diesem Grund der PHOENIX zu seinem Jungfernflug starten kann, wird die Erde attackiert: Eine Leun namens Shrell zündet das Brennende Nichts, das binnen vier Jahren die Erde und den Mond verschlingen wird, wenn nicht Perry Rhodan in ihre Heimat fliegt, um den Tyrannen zu töten. Dieser Tyrann ist angeblich Reginald Bull, ­Rhodans ältester Freund. Mit dem PHOENIX und seiner kleinen Besatzung begibt sich Rhodan auf den Weg zur Agolei, in Shrells Heimat also. Unterwegs begegnet er den Wycondern, die eine seltsame Ähnlichkeit zu Shrell aufweisen, in ihr aber ebenso eine Feindin sehen wie die Menschen. Danach geht die Reise des PHOENIX weiter. Auf das Team an Bord wartet bereits DER ­SINGULÄRE …

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Seitenzahl: 161

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Nr. 3313

Der Singuläre

Er ist ein Agent der Sternspitze – sein Ziel ist der PHOENIX

Oliver Fröhlich

Cover

Vorspann

Die Hauptpersonen des Romans

BUCH III

1. Die Folgen des Ehrgeizes

2. Der Parcours

3. Die letzte Prüfung der Singulären

4. Einsatz der Singulären

5. Ein Auftrag wie maßgeschneidert

BUCH IV

1. Zweite Chance für einen Singulären

2. Erkenntnisse und Fragen

3. Keine andere Wahl

4. Ein Gucky zu viel

Epilog: Besuch

Fanszene

Leserkontaktseite

Impressum

4000 Jahre in der Zukunft ...

Wir befinden uns in der Mitte des 23. Jahrhunderts Neuer Galaktischer Zeitrechnung.

Die Menschen leben in Frieden und Freiheit. Von der Erde aus haben sie ein Netz aus Handelsbeziehungen und Bündnissen geschlossen, das zahlreiche Planeten in der Milchstraße umfasst.

Perry Rhodan ist der Raumfahrer, der die Menschheit zu den Sternen geführt hat. Nun will er die Verbindungen stärken, die sich zwischen den Mitgliedern seines galaxienübergreifenden Bundes von San entwickeln sollen. Doch ehe aus diesem Grund der PHOENIX zu seinem Jungfernflug starten kann, wird die Erde attackiert: Eine Leun namens Shrell zündet das Brennende Nichts, das binnen vier Jahren die Erde und den Mond verschlingen wird, wenn nicht Perry Rhodan in ihre Heimat fliegt, um den Tyrannen zu töten.

Dieser Tyrann ist angeblich Reginald Bull, Rhodans ältester Freund. Mit dem PHOENIX und seiner kleinen Besatzung begibt sich Rhodan auf den Weg zur Agolei, in Shrells Heimat also. Unterwegs begegnet er den Wycondern, die eine seltsame Ähnlichkeit zu Shrell aufweisen, in ihr aber ebenso eine Feindin sehen wie die Menschen.

Danach geht die Reise des PHOENIX weiter. Auf das Team an Bord wartet bereits DER SINGULÄRE ...

Die Hauptpersonen des Romans

Tin – Der Singuläre strebt nach Höherem.

Perry Rhodan – Der Raumfahrer gibt sich arglos.

Meg Ontares – Die Medikerin zögert im Notfall nie.

Rhatun – Der Kheti-Leun weiß, wie man Befehle befolgt.

Craap

BUCH III

Werdegang eines Singulären

Der Langsamste,

der sein Ziel nicht aus den Augen verliert,

geht noch immer geschwinder als jener,

der ohne Ziel umherirrt.

(Gotthold Ephraim Lessing)

1.

Die Folgen des Ehrgeizes

6. August 2250 NGZ

Es existierten zwei Arten von Fehlern: schmerzhafte und tödliche. Welche Art Tin unterlaufen war, wusste er nicht. Aber er würde es in zwölf Sekunden herausfinden.

Alarm gellte durch die Zentrale der RIMA-TAU, so durchdringend, dass er durch den geschlossenen Helm in den Ohren stach.

Kollision in elf Sekunden, verriet eine Holoschrift vor dem Kommandantensessel. Die Planetenoberfläche raste heran.

Er gab auf. Er hatte alles getan, was er konnte. Ein erfahrenerer Pilot als er – also vermutlich jedes Mitglied der Sternspitze – hätte vielleicht noch etwas bewirken können. Das Schiff trotz der ausgefallenen Systeme manuell abzufangen, beispielsweise. Oder den Aufprallwinkel so flach hinzubekommen, dass die RIMA-TAU über das Eis glitt, anstatt sich hineinzubohren.

Kollision in zehn Sekunden.

Tin war jedoch am Ende seiner Möglichkeiten. Zum ersten Mal in seinem Leben verfluchte er den Ehrgeiz, der ihn getrieben hatte, den Auftrag anzunehmen. Etwas Einzigartiges hatte er sein wollen. Etwas Singuläres. Nichts davon würde geschehen. Stattdessen würde er bald so tot sein wie viele andere. Er konnte daran nichts Einzigartiges entdecken.

Kollision in neun Sekunden.

Er riss die Augen auf. Wieso war ihm das nicht früher eingefallen? Er konnte den Aufprall nicht verhindern, aber er konnte ihn mildern.

Hastig rief er das Holo zur Steuerung der Waffensysteme auf. Sie funktionierten. Und sie waren unkompliziert zu bedienen, selbst manuell. Allzu genau zielen musste er schließlich nicht.

Tin richtete den Thermostrahler der RIMA-TAU schräg nach unten und stellte ihn auf Dauerfeuer.

Kollision in fünf Sekunden.

Explosionsartig verdampfte das Eis an der Planetenoberfläche. Tin reduzierte die Temperatur des Strahls. Er brauchte Wasser, keinen Dampf. Aber er brauchte es rasch. Er konnte sich nicht damit aufhalten, das Eis behutsam zu schmelzen.

Mit Glück kondensierte der Dampf rechtzeitig. Mit Pech gefror das Wasser zu schnell wieder.

Kollision in einer Sekunde.

Die RIMA-TAU raste durch dichten Nebel, der den Blick auf den Planeten Lünsch versperrte.

Gut so. Dann sah Tin wenigstens den Tod nicht auf sich zukommen.

Wäre da nicht die Holoschrift.

Kollision.

Er krallte sich an den Armlehnen des Sessels fest. Die Restwucht des Aufpralls, die die Sicherheitssysteme nicht vollständig absorbieren konnten, schleuderte ihn trotzdem quer durch die Zentrale.

Das Licht ging aus. Die Holos erloschen. Der Alarm verstummte.

Tins Kopf krachte an ein Hindernis, vielleicht eine Konsole. Seine Nase prallte gegen das Helmvisier. Die empfindliche Haut darauf platzte. Ein fürchterlicher Schmerz schoss ihm durch den Schädel. Zu ihm gesellte sich ein zweiter, als er mit einem Fuß irgendwo hängen blieb.

Sein Körper schlug gegen die Wand der Zentrale. Plötzlich bekam er keine Luft mehr.

Ohne dass er einen Grund dafür hätte nennen können, kroch er benommen über den Boden, jede Bewegung ein Kampf gegen den Schmerz.

Ein Kampf, den er schließlich verlor.

Er blieb liegen, ergab sich seinem Schicksal.

Das Letzte, was er sah, ehe ihn die Schmerzen in die Bewusstlosigkeit zogen, war flackerndes Licht. Die Brandsätze hatten von selbst gezündet.

2.

Der Parcours

Wochen zuvor

»An der Startlinie sammeln!«, tönte der Befehl über die weitläufige Grasfläche.

Wie seine 20 Kameraden stürmte Tin los, so gut ein Yuit auf seinen kurzen Beinen eben losstürmen konnte.

Die schwarzhäutigen Wüko übernahmen schnell die Führung, doch die Zha hielten spielend den Anschluss. Die an große Würmer erinnernden Kheti waren nur deshalb nicht die Letzten, weil diese zweifelhafte Ehre Tin gebührte.

Wenn er doch nur seinen breiten, flachen Schwanz länger anheben könnte, damit er nicht über den Boden schleifte und ihn bremste! Schweiß benetzte sein braunes Fell.

»Warum verausgabst du dich jetzt schon?«

Tin blieb stehen, als er die dünne Stimme hörte. Er drehte sich um und erkannte, dass er keineswegs der Letzte war. Hinter ihm wand sich ein Kheti-Leun durchs Gras. Sein Wurmkörper maß keine zwei Meter. Allzu alt konnte er folglich nicht sein.

»Ich heiße Rhatun.«

Tin empfand es immer als etwas geisterhaft, wenn Kheti-Leun sprachen. Denn streng genommen sprachen sie nicht, sondern ließen die haarfeinen Rezeptoren auf der Haut vibrieren. Es klang, als trüge der Wind ihre feine Stimme von überallher ans Ohr des Zuhörers.

»Ich bin Tin«, stellte er sich vor. »Warum beeilst du dich nicht? Du könntest mich spielend überholen.«

»Wieso sollte ich?«

»Weil der Befehl lautet ...«

»... dass wir uns sammeln. Von einem Wettrennen hat niemand etwas gesagt.«

Gemächlich setzten sie ihren Weg fort. Tins Atmung normalisierte sich, sein Puls ging langsamer. Er fühlte sich sofort besser.

»Zu rennen brächte nur Nachteile«, sagte Rhatun. »Wir hätten uns verausgabt, ehe der Parcours beginnt. Und wir könnten ihn uns nicht einprägen.«

Der Kheti hatte recht. Sie bewegten sich seitlich auf die Trainingsstrecke zu und betrachteten all die Hindernisse, die sie bald würden überwinden müssen: Kletterwände, Variantgravitationsbecken, Schlammlöcher, Rüttelplatten und vieles mehr. Dies alles gab es in verschiedenen Variationen, angepasst an die anatomischen Besonderheiten der jeweiligen Leunspezies. So waren die Plattformen, unter denen die Anwärter durch ein Schlammbecken kriechen sollten, in unterschiedlichen Höhen angebracht. Nur für Tin, den einzigen Yuit des Ausbildungstrupps, waren keine speziellen Hindernisse vorgesehen.

Vor den Kameraden, die die Startlinie erreicht hatten, ragte die drei Meter hohe, fast senkrechte Kletterwand mit den wenigen Steighilfen auf. Und weil es ihnen offenbar zu langweilig war, die blickdichte Barriere anzustarren, schauten sie wütend in Tins und Rhatuns Richtung. Die Wüko mit verschränkten Armen, die Zha mit erhobenem, echsenhaftem Oberkörper und scharrenden Spinnenbeinen. Die Kauwerkzeuge um das schlundartige Maul der beiden Ragna-Leun mahlten unentwegt. Selbst die augenlosen Kheti wirkten ungeduldig, ohne dass Tin wusste, woran er das festmachte.

Ausbilderin Olik, eine Zha-Leun, tippte mit einer zweigdürren, knochigen Extremität etwas in ein Holo. »Wir sind vollzählig und können anfangen«, verkündete sie, nachdem Rhatun und Tin eingetroffen waren.

»Ein Wunder, dass der Yuit die Strecke mit dem Speckbauch überhaupt geschafft hat«, raunte ein Wüko laut genug, dass alle es hörten. Aus seinen roten, schräg stehenden Augen – schräger, als Tin es bei anderen Wüko bisher gesehen hatte – feuerte er verächtliche Blicke auf ihn ab.

Oliks Echsenkopf ruckte herum. »Vortreten!«

»Aber, ich ...«

»Vortreten!«

Der Wüko gehorchte.

»Anwärter Craap, wie lautete meine Anweisung?«

Craap straffte sich. »Wir sollten uns so schnell wie möglich am Parcours sammeln?« Seine Stimme zitterte.

»Fragst du mich das oder ist das deine Antwort?«

»Das ist die Antwort, Ausbilderin Olik.« Der Wüko drückte den Rücken durch.

»Falsch. Anwärter Rhatun, wie lautete die Anweisung?«

»An der Startlinie des Parcours sammeln!«

»Korrekt. Hat sich die Einheit am Parcours gesammelt, Craap?«

»Ja, Ausbilderin Olik.«

»Was also wäre der Anlass für deine Beschwerde?«

»Keiner«, murmelte Craap.

»Ich kann dich nicht hören.«

»Ich habe keine Beschwerde, Ausbilderin Olik!«

»Dann zurück in die Formation! Ich dulde keine weiteren Unterbrechungen wegen Nichtigkeiten. Verstanden?«

»Ja, Ausbilderin Olik«, antwortete die Einheit synchron.

»Fangen wir an. Der Parcours. Das Ziel ist, sich mit ihm vertraut zu machen. Ihr habt zwanzig Tage Zeit, an ihm zu trainieren. Erst dann legt ihr die Prüfung ab und werdet den Einheiten zur weiteren Ausbildung zugeteilt.« Olik ließ aus dem Gürtel um ihren Oberkörper ein Holo ausfahren und tippte mehrere Befehle ein. »Und los!«

Tin legte keinen Wert darauf, sich vor den anderen zu blamieren. Deshalb ließ er ihnen den Vortritt.

In weniger als drei Atemzügen hatten die ersten Anwärter das obere Ende der Kletterwand erreicht, als diese zum Leben erwachte. Sie bebte, zuckte, ruckte und schüttelte sich.

Die meisten konnten sich festhalten. Nicht so Craap, der gerade die Hälfte der Wand bewältigt hatte. In hohem Bogen schleuderte ihn das störrische Hindernis in die weiche Wiese, genau vor Tins Füße.

»Wenn du lachst, mach ich dich fertig.« Craaps Tonfall ließ keinen Zweifel, dass er das ohnehin tun würde.

Tin und Rhatun starteten, nachdem die anderen die Kletterwand längst hinter sich gelassen hatten.

»Du zuerst«, schlug Tin vor. »Falls sie dich abschüttelt, fange ich dich auf. Oder versuche es wenigstens.«

Die Sorge war unbegründet, sein neuer Freund kam oben an, ohne dass sich die Wand wehrte. Es war beeindruckend zu beobachten, wie das spitze Wurmende die Steighilfen packte und den Rest des Körpers durch Kontraktion nachzog.

»Jetzt du!«, rief Rhatun.

Tin legte die Hände an die Kletterwand – und sie bewegte sich. Sofort zog er die Finger zurück. Das Rütteln stoppte. »Es darf immer nur einer gehen. Sobald jemand dazukommt, will sie alle loswerden.«

»Das meinte Olik also. Wir sollen den Parcours nicht nur üben, wir sollen ihn verstehen.«

Und so verbrachten sie die nächsten Tage damit, die Muster zu erforschen. Meist blieben sie abseits, beobachteten, lernten und zogen so den Spott der anderen auf sich.

»Ihr Weichrübler könnt ja gar nichts.«

»Der dicke Yuit schafft die Strecke nur, wenn am Ende ein Eintopf wartet.«

Es kostete Tin Mühe, nicht auf die verletzenden Kommentare zu hören. Doch Rhatuns Gelassenheit strahlte auf ihn ab.

»Achte nicht auf jemanden«, sagte der Kheti, »der handelt, ehe er denkt.«

Illustration: Swen Papenbrock

Sobald die anderen in die Unterkunft abzogen, übten Tin und Rhatun. Und sie wurden gut, richtig gut.

Nur beim Matschloch scheiterte Tin jedes Mal. Der Schlamm erhitzte sich und brodelte, sobald man ein Mindesttempo unterschritt. Da es keine Yuit-Hindernisse gab und er sich unter den Plattformen für die Wüko durchquetschen musste, blieb er regelmäßig stecken – mit der Folge, dass ihm der nach Schwefel stinkende Matsch in die Augen spritzte und sein Fell verklebte, was ihn noch langsamer machte.

»Ich kann das nicht«, sagte Tin am zehnten Tag des Trainings. Er ließ sich ins Gras sinken. »Vielleicht kann ich das alles nicht.«

»Willst du andeuten, die anderen hätten recht?«, fragte Rhatun.

»Ich bin zu dick. Hast du auch nur einen anderen Yuit hier gesehen? Ich bin in dieser Ausbildung einfach falsch.«

Rhatun legte sich in einem Halbkreis vor Tin. »Stimmt, du bist der einzige Yuit. Was für eine Auszeichnung! Man hätte dich nicht zugelassen, wenn du keine Chance hättest. Mach was draus!«

»Wie denn? Mein Bauch ist mir im Weg.« Es war peinlich, das zuzugeben. Doch warum sollte er das Offensichtliche leugnen?

»Dein Bauch mag dich am Kriechen hindern. Wieso tut er es auch beim Denken?«

»Worauf willst du hinaus?«

»Wie lautet Oliks Anweisung zur Schlammhürde?«

»Der Testling muss den Schlamm unter der jeweiligen Plattform durchqueren.«

»Das bedeutet?«

»Na, unter ...« Tin stutzte, dann riss er die Augen auf. »Das ist nicht festgelegt! Jeder glaubt, man müsste die für die eigene Spezies niedrigstmögliche Plattform nehmen. Aber das stimmt nicht. Die jeweilige Plattform ist einfach die, die man wählt!« Er rappelte sich hoch. »Versuchen wir es.«

Mit entschlossenen Schritten ging er zum Schlammloch. Dort verharrte er einen Moment und atmete tief durch. Dann lief er los.

Anstatt sich vor der Wüko-Plattform hinzuwerfen und loszukriechen, rannte er aufrecht unter dem Zha-Hindernis entlang. Und es passierte ... nichts. Der Boden blieb weich, aber trittfest und angenehm temperiert. Kein Brodeln, keine Hitze.

Rhatun erwartete ihn am Ende. »Ich glaube, wir sind bestens vorbereitet.«

*

Dennoch bemühte sich Tin, an Umfang zu verlieren. Er verzichtete beim Essen auf Nachschlag – sogar beim Süßbrei! – und machte Fitnessübungen. Aber nur, wenn keiner hinsah. Er wollte nicht, dass sein Vorsatz bekannt wurde und die anderen – vor allem Craap – annahmen, er täte es ihretwegen.

Er tat es einzig und allein für sich selbst. Denn er hatte es so weit gebracht, nun wollte er noch mehr schaffen. Viel mehr.

Er träumte davon, irgendwann dem Befreier zu begegnen, ja, ihm persönlich zu dienen. Aber ein Schritt nach dem anderen. Die Aufnahme ins Ausbildungsprogramm war der erste gewesen. Weitere würden folgen.

War es Ehrgeiz, der in ihm erwacht war?

Falls ja, brannte er nicht so heiß wie in Craap, der eine andere Abschlussnote als Singulär mit Scheitern gleichsetzte.

Während der Wüko am Tag der Prüfung kaum etwas aß, gönnte sich Tin zum Frühstück eine zweite Schüssel Proteinobst, auch wenn die Zusatzportion deutlich kleiner ausfiel als die erste. Er hörte die Kommentare, als er von der Theke zurück zu seinem Platz ging ...

»Er schlägt sich auf Institutskosten noch einmal den Bauch voll, bevor er rausfliegt.«

»Dann kann er sein Scheitern auf den vollen Magen schieben.«

... aber er fühlte die Kommentare nicht.

Ja, sein Anzug spannte über dem Bauch wie eh und je. Doch was die anderen nicht wussten: Er hatte sich bei der Materialausgabe einen geholt, der zwei Nummern kleiner ausfiel. Der alte hatte mittlerweile an seinem Körper geschlackert.

Nach dem Frühstück warteten Tin und Rhatun abseits von den Kameraden vor den Anwärterbaracken auf das Signal, das den Prüfungsbeginn verkündete.

Schließlich sah Tin auf sein Armband. »Gleich ist es so weit.«

»Ich bin fast gar nicht aufgeregt. Eigentlich freue ich mich sogar.«

Tin horchte in sich hinein. »Mir geht es genauso.«

Ein melodischer Gong erklang. Die Anwärter hatten sich beim Parcours einzufinden.

Craap eilte los. »Platz da, ihr Weichrüben!« Er schubste zwei Wüko zur Seite, nur um als Erster an der Startlinie einzutreffen.

»Der Kerl nervt«, sagte Tin.

»Sieh es ihm nach«, erwiderte Rhatun. »Er glaubt, etwas beweisen zu müssen. Ich habe Gerüchte aufgeschnappt, nach denen es keineswegs selbstverständlich ist, dass er in die Sternspitze aufgenommen wurde.«

»Wieso?«

»Wegen eines seltenen Gendefekts. Der schränkt ihn zwar nicht ein, könnte aber problematisch werden, falls er nach einer schweren Verletzung im Einsatz eine Behandlung bräuchte.«

»Warum hat man ihn angenommen?«

»Da bin ich überfragt. Und es gibt noch etwas: Sein Vater ist ein hohes Tier bei den Restauraten.«

»Was? Das wusste ich nicht.«

Tin stellte sich vor, wie es wäre, wenn er von einem Terroristen abstammen würde. Von einem Feind Reginald Bulls. Würde er nicht ebenfalls zeigen wollen, dass er nichts mit seinem Vater gemein hatte? Dass seine Herkunft nichts über seine Einstellung aussagte?

Er musste zugeben, dass er Craap nun ein bisschen besser verstand. Für einen Idioten hielt er ihn trotzdem.

Auch die anderen Kameraden machten sich auf den Weg. Rhatun und Tin folgten ihnen mit einigem Abstand.

Sie erreichten den Start, als die restlichen Anwärter bereits die Muskeln lockerten, sich dehnten oder zumindest vor Aufregung zitterten.

Obwohl Tin guter Dinge war, wurde ihm warm, und die langen Haare um seine Nase richteten sich auf. Vielleicht war das gut so. Ein gesunder Respekt vor der Aufgabe half, sich zu konzentrieren.

Dann ging es los. Endlich!

Manche Anwärter waren so nervös, dass sie bereits an der Kletterwand scheiterten, die sie abwarf wie ein bockendes Muul.

»Glaubst du, sie hätten es geschafft, wenn die Wand still geblieben wäre?« Bei Tin zog es unangenehm in der Magengegend. Zeichen eines schlechten Gewissens? »Hätten wir es ihnen sagen sollen?«

»Sie hätten nur bei uns zusehen müssen«, sagte Rhatun. »Vielleicht haben sie das sogar und sich dennoch für die schwierigere Variante entschieden.«

»Meinst du, wir fallen durch, weil wir es uns zu leicht machen?«

Rhatun antwortete nicht.

Minuten vergingen, während derer sich Anwärter mit wechselhaftem Erfolg durch den Hinderniskurs kämpften.

Schließlich trat Ausbilderin Olik zu ihnen. »Seid ihr bereit? Ihr seid die Letzten.«

»Sie sind nicht die Letzten, sondern das Letzte!« Craap, der den Parcours durchlaufen hatte, lachte. Mit vor seiner schlammbesetzten Vorderseite verschränkten Armen stellte er sich auf die Wiese, von wo aus er das Gelände gut überblicken konnte. So wie Tin und Rhatun es am ersten Tag getan hatten.

Craap war nicht allein. Alle Anwärter hatten sich dort versammelt. Bereits an der Körperhaltung ließ sich erkennen, wer glaubte, bestanden zu haben. Craap war eindeutig siegesgewiss. Höher hätte man die Nase nicht tragen können.

»Nicht verunsichern lassen«, raunte Rhatun. »Wir machen es wie im Training.«

Und das taten sie. Sie erklommen die Wand nacheinander, wodurch sie sich kein Stück bewegte. Sie balancierten über Balken, durchquerten die Variantgraviationsbecken am Rand, obwohl der Weg länger war – weil sie herausgefunden hatten, dass die Schwerkraftwechsel dort am geringsten ausfielen –, und wichen den Irritationssonden auf der Rüttelplatte aus, deren Anzahl und Route davon abhing, an welcher Stelle man die Platte betrat. Etwas, das offenbar nur ihnen aufgefallen war. Schließlich kamen sie zum Schlammloch.

Wieder meldete sich Craap. »Jetzt ist es für den Yuit vorbei. Das schafft er niemals.« Der Tonfall war höhnisch, aber das Lachen nicht mehr so laut wie zuvor. Wahrscheinlich, weil Tin weiter gekommen war, als Craap ihm zugetraut hatte.

Tin sah dem Wüko in die Augen und behielt den Blickkontakt bei, während er aufrecht unter der Plattform hindurchspazierte, die an die Größe der Zha-Leun angepasst war.

»Betrug!« Mit erhobenen Händen lief Craap auf Ausbilderin Olik zu.

Tin setzte seinen Weg derweil fort. Was hätte er auch machen sollen? Wenn Olik es genauso sah, hatte er ohnehin verloren.

Craap fuchtelte noch immer mit den Armen, während Tin durchs Ziel ging.

Sämtliche Köpfe wandten sich Olik zu. Auch Tin erwartete ihr Urteil mit angehaltenem Atem.

Die Ausbilderin schien den Moment zu genießen. Quälend langsam verkündete sie, wer durchgefallen war.

Mit jedem weiteren Namen rechnete Tin damit, dass seiner der nächste wäre. Doch das geschah nicht.

Es hatten nur acht Anwärter bestanden. Darunter Craap, Rhatun – und Tin. Er biss sich mit dem Nagezahn auf die Zunge, um zu verhindern, dass man ihm ansah, wie stolz er war.

»Aber er hat betrogen!«, versuchte es Craap erneut.

»Hat er nicht«, sagte Olik. »Darauf kommen wir gleich zu sprechen. Craap, du hast den Parcours am schnellsten bewältigt.«

Der Wüko reckte die Brust hervor. Die leungewordene Arroganz.

»Das wird in deiner Akte vermerkt, reicht für sich genommen jedoch nicht für die Bestnote.«



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