Perry Rhodan 76: Raumschiff Erde (Silberband) - H. G. Ewers - E-Book

Perry Rhodan 76: Raumschiff Erde (Silberband) E-Book

H.G. Ewers

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Beschreibung

Im Jahr 3459. Die Völker der Milchstraße ächzen unter dem Joch der Konzilsherrschaft. Die Laren und ihre willfährigen Helfer, die Überschweren, beherrschen dank ihrer überlegenen Technik die gesamte Galaxis. Das Solare Imperium ist wie alle übrigen Sternenreiche zusammengebrochen. Unter Aufbietung aller Kräfte gelang es der Menschheit aber, zumindest ihre Heimat, das Solsystem, dem Zugriff der Eroberer zu entziehen. Ein gewaltiges Schirmfeld hüllt die Sonne und ihre Planeten ein, hält sie mehrere Minuten in der Zukunft, unerreichbar für die feindlichen Flotten. Doch Perry Rhodan weiß, daß die Zuflucht in der Zeit nicht von Dauer sein kann. Zu überlegen ist die Technik der Laren, zu erdrückend ihre Übermacht. Die Menschheit benötigt ein neues Versteck - und in Perry Rhodan reift ein Entschluß, der die Geschicke der Menschheit und der Erde für immer verändern wird ...

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Nr. 76

Raumschiff Erde

Im Jahr 3459. Die Völker der Milchstraße ächzen unter dem Joch der Konzilsherrschaft. Die Laren und ihre willfährigen Helfer, die Überschweren, beherrschen dank ihrer überlegenen Technik die gesamte Galaxis. Das Solare Imperium ist wie alle übrigen Sternenreiche zusammengebrochen. Unter Aufbietung aller Kräfte gelang es der Menschheit aber, zumindest ihre Heimat, das Solsystem, dem Zugriff der Eroberer zu entziehen. Ein gewaltiges Schirmfeld hüllt die Sonne und ihre Planeten ein, hält sie mehrere Minuten in der Zukunft, unerreichbar für die feindlichen Flotten. Doch Perry Rhodan weiß, dass die Zuflucht in der Zeit nicht von Dauer sein kann. Zu überlegen ist die Technik der Laren, zu erdrückend ihre Übermacht. Die Menschheit benötigt ein neues Versteck – und in Perry Rhodan reift ein Entschluss, der die Geschicke der Menschheit und der Erde für immer verändern wird ...

Vorwort

Was mussten Perry Rhodan und seine Terraner nicht schon alles erdulden? Blickt man zurück, mutet der Aufbruch der Menschheit ins All oft wie eine lange Abfolge von Prüfungen und Bedrohungen an. Akonen, Blues, Meister der Insel, OLD MAN, Takerer, der Schwarm – die Liste könnte beinahe beliebig fortgeführt werden.

Doch nun sieht sich Perry Rhodan einer Bedrohung ausgesetzt, gegenüber der alle früheren verblassen: Die Laren, den Terranern technisch hoch überlegen, haben die Milchstraße besetzt. Der Menschheit blieb nur, sich hinter dem Antitemporalen Gezeitenfeld zu verschanzen, einem Schirm, der das gesamte Sonnensystem einige Minuten in der Zukunft hält, unerreichbar für die Flotte der Laren und ihrer Hilfsvölker. Vorerst. Denn Perry Rhodan und seine Getreuen wissen, dass die Laren nicht ruhen werden, bis sie das ATG-Feld durchbrochen haben.

Doch Not macht erfinderisch. Und so macht sich die Menschheit an die Umsetzung eines kühnen Fluchtplans, eines Plans, der das Tor zu einer sicheren Zuflucht aufstoßen soll ...

Die zugrunde liegenden Romane sind: Tunnel durch die Zeit (664) und Operation Sonnenbaby (668) von H. G. Ewers; Im Bann des Sonnendreiecks (666) von Hans Kneifel; Wächter des Ewigen (667) von William Voltz; Countdown für Terra (672) von Ernst Vlcek und Raumschiff Erde (673) von Kurt Mahr.

Zeittafel

1971/84 – Perry Rhodan erreicht mit der STARDUST den Mond und trifft auf die Arkoniden Thora und Crest. Mit Hilfe der arkonidischen Technik gelingen die Einigung der Menschheit und der Aufbruch in die Galaxis. Das Geistwesen ES gewährt Rhodan und seinen engsten Wegbegleitern die relative Unsterblichkeit. (HC 1–7)

2040 – Das Solare Imperium entsteht und stellt einen galaktischen Wirtschafts- und Machtfaktor ersten Ranges dar. In den folgenden Jahrhunderten folgen Bedrohungen durch die Posbis sowie galaktische Großmächte wie Akonen und Blues. (HC 7–20)

2400/06 – Entdeckung der Transmitterstraße nach Andromeda; Abwehr von Invasionsversuchen von dort und Befreiung der Völker vom Terrorregime der Meister der Insel. (HC 21–32)

2435/37 – Der Riesenroboter OLD MAN und die Zweitkonditionierten bedrohen die Galaxis. Nach Rhodans Odyssee durch M 87 gelingt der Sieg über die Erste Schwingungsmacht. (HC 33–44)

2909 – Während der Second-Genesis-Krise kommen fast alle Mutanten ums Leben. (HC 45)

3430/38 – Das Solare Imperium droht in einem Bruderkrieg vernichtet zu werden. Bei Zeitreisen lernt Perry Rhodan die Cappins kennen. Expedition zur Galaxis Gruelfin, um eine Pedo-Invasion der Milchstraße zu verhindern. (HC 45–54)

3441/43 – Die MARCO POLO kehrt in die Milchstraße zurück und findet die Intelligenzen der Galaxis verdummt vor. Der Schwarm dringt in die Galaxis ein. Gleichzeitig wird das heimliche Imperium der Cynos aktiv, die am Ende den Schwarm wieder übernehmen und mit ihm die Milchstraße verlassen. (HC 55–63)

3444 – Die bei der Second-Genesis-Krise gestorbenen Mutanten kehren als Bewusstseinsinhalte zurück. Im Planetoiden Wabe 1000 finden sie schließlich ein dauerhaftes Asyl. (HC 64–67)

3456 – Perry Rhodan gelangt im Zuge eines gescheiterten Experiments in ein paralleles Universum und muss gegen sein negatives Spiegelbild kämpfen. Nach seiner Rückkehr bricht in der Galaxis die PAD-Seuche aus. (HC 68–69)

3457/58 – Perry Rhodans Gehirn wird in die Galaxis Naupaum verschlagen. Auf der Suche nach der heimatlichen Galaxis gewinnt er neue Freunde. Schließlich gelingt ihm mit Hilfe der PTG-Anlagen auf dem Planeten Payntec die Rückkehr. (HC 70–73)

3458/59 – Die technisch überlegenen Laren treten auf den Plan und ernennen Perry Rhodan gegen seinen Willen zum Ersten Hetran der Milchstraße. (HC 74)

3458/59

Prolog

Juli 3459

Die Laren haben die Maske fallen lassen. Die angeblichen Friedensstifter brachten, assistiert von ihren eifrigen Gehilfen, den Überschweren, innerhalb kürzester Zeit die Milchstraße unter ihre Herrschaft. Das Solare Imperium und die übrigen Sternenreiche sind zerbrochen, ihre Bewohner zu Sklaven degradiert.

1.

Juli 3459

Perry Rhodan blickte auf seinen Armbandchronographen. Es war 04.31.55 Uhr Standardzeit, am 15. Juli des Jahres 3459.

Dieser Tag sollte zum Tag der Wahrheit werden, zu einem Tag, an dem sich entscheiden würde, ob Rhodans waghalsiges Doppelspiel mit den Laren und seinem Amt als Erster Hetran der Milchstraße gut genug abgesichert worden war, so dass die zwangsläufig erfolgte Demaskierung keine katastrophalen Folgen für die Bewohner des Solsystems nach sich zog.

Unwillkürlich richtete sich Rhodans Blick durch die transparente Panzertroplonkanzel des Shifts, mit dem er nahe der Librationszone am nördlichen Pol des Planeten Merkur stand, nach oben, dorthin, wo normalerweise die Sterne zu sehen sein müssten. Doch statt der Sterne war nur ein diffuses rötliches Wallen und Leuchten zu erkennen.

Das hatte nichts damit zu tun, dass der Großadministrator des Solaren Imperiums sich auf dem Planeten Merkur befand. Von keinem Planeten des Solsystems und von keinem Raumschiff und keiner Raumstation innerhalb des Solsystems waren die Sterne zu sehen. Selbst das stärkste Fernrohr hätte nichts an diesem Tatbestand ändern können. Es schien, als wäre das solare System aus dem Universum verschwunden – oder als wäre das Universum selbst verschwunden. Aber weder das eine noch das andere traf zu.

Das Solsystem befand sich noch innerhalb des Universums, und zwar räumlich genau dort, wo es sich immer befunden hatte: 15 Parsek nördlich von der Ebene der Milchstraße und rund 8200 Parsek vom Zentrum der Milchstraße entfernt, und es rotierte unverändert mit zirka 230 Kilometern pro Sekunde Geschwindigkeit um das Zentrum der Milchstraße. Außerdem bewegte es sich gegenüber seiner Umgebung mit 20 Kilometern pro Sekunde in Richtung des Sternbildes Herkules.

Soweit die räumliche Position.

Da wir jedoch in einem vierdimensionalen Raum-Zeit-Kontinuum leben, genügt die Beibehaltung einer dreidimensionalen räumlichen Position nicht; die zeitliche, die temporale Position gehört dazu. Wird sie verändert, dann verändert sich auch die Stellung im vierdimensionalen Kontinuum – und genau das war mit dem Solsystem vor zehn Tagen geschehen.

Perry Rhodan blickte nach vorn, wo durch die automatisch geschalteten chemo-elektrischen Filter der Kanzel die Sonne zu sehen war. Vom Merkur aus war sie keine helle weißgelbe Scheibe, sondern ein flammender Atomofen, der einen großen Teil des sichtbaren Himmels beherrschte und unablässig ultrahelle Gasmassen abschleuderte.

Der Großadministrator betätigte eine Zusatzschaltung. Die Filteranlage erhöhte ihren Wirkungsfaktor und milderte dadurch die Blendkraft der wabernden Sonne stärker ab. Erst danach konnte Perry Rhodan den mehrere Kilometer durchmessenden Energiestrahl sehen, der zwischen den Riesentürmen auf Merkurs Nordpol hervorkam und in Richtung Sonne im Weltraum verschwand. Der Energiestrahl war eigentlich nur der sekundäre optische Effekt des primären hyperenergetischen Zapfstrahls, der vom so genannten Hypertronzapfer ausgeschickt wurde und die hyperenergetische Strahlungskomponente der Sonne anzapfte.

Der Hypertronzapfer, der mit dem Hauptgezeitenwandler auf dem Nordpol des Merkur synchron geschaltet war, nahm die Hyperenergien der Sonne auf und schickte sie mit Hilfe der Paraverbundschaltung zu allen Planeten und allen Spezialsatelliten des Solsystems. Dort wurden sie mit Hilfe der Antitemporalen Gleichrichtungskonverter aufgenommen und zur Erzeugung des Antitemporalen Gezeitenfelds verwendet.

Früher, im Verlauf von »Fall Laurin«, war das Solsystem dadurch um fünf Minuten in die Zukunft gebracht worden. Diesmal, im Verlauf von »Fall Harmonie«, betrug die Versetzung in die Zukunft »nur« 1,183 Minuten.

Am sichtbaren und messbaren Resultat änderte das allerdings nichts. Ob fünf oder 1,183 Minuten, das Antitemporale Gezeitenfeld beförderte das gesamte Solsystem aus der Gegenwart in die Zukunft, und zwar in ein Etwas, das die Wissenschaftler als »Labilzone« bezeichneten. Als Labilzone deshalb, weil ihre Existenz noch nicht durch die Gegenwart stabilisiert worden war. Sie stellte vielmehr einen Zustand der »noch nicht konkret ausgebildeten Existenz mit variablen Konstanten« dar, eine Art Vor-Gegenwart, in der es normalerweise keine konkret ausgebildete Existenz geben konnte.

Die auflösende Wechselwirkung zwischen der Labilzone und dem »Fremdkörper« Solsystem wurde durch den Schutz des Antitemporalen Gezeitenfeldes wirksam verhindert, und durch dieses ATG-Feld hindurch war das Etwas mit dem Namen Labilzone als diffuses rötliches Wallen und Leuchten zu sehen.

Und so, wie für die Bewohner des Solsystems das Universum des normalen vierdimensionalen Raum-Zeit-Kontinuums verschwunden war, so war für die Bewohner dieses vierdimensionalen Raum-Zeit-Kontinuums das Solsystem verschwunden. Es konnte weder gesehen noch angemessen werden, noch konnte es mit Raumschiffen innerhalb des Normalraums oder des Hyperraums oder des Linearraums erreicht werden.

Wie bei »Fall Laurin« bezweckte auch bei »Fall Harmonie« die Flucht auf der Zeitlinie in die Zukunft einen Schutz des Solsystems und seiner Bewohner vor Angreifern.

Rhodan war sich allerdings klar darüber, dass die solare Menschheit es diesmal nicht mit Angreifern zu tun hatte, die, wie im Falle der Antiterranischen Koalition, den Solariern sowohl waffentechnisch als auch hinsichtlich ihres Kriegspotenzials unterlegen waren. Im Gegenteil, die Laren und ihre Hilfskräfte besaßen gegenüber dem Solsystem eine solche waffentechnische und wissenschaftliche Überlegenheit, dass sie das gesamte Solsystem mitsamt der Heimatflotte innerhalb weniger Stunden vernichten konnten – wenn es ihnen gelang, dem Solsystem in die Zukunft zu folgen.

Und genau das hielt Perry Rhodan für möglich. So schwierig es auch immer sein musste, die temporale Position des Solsystems rechnerisch und mit Hilfe von Tests zu ermitteln, der Großadministrator traute den Laren zu, dass sie dieses Kunststück früher oder später schaffen würden. Was dann geschehen würde, darüber machte sich Rhodan keine Illusionen. Das Schicksal des Solsystems und aller seiner Bewohner würde besiegelt sein – wenn es nicht gelang, das Projekt mit dem Kodenamen »Traumtänzer« vorher mit positivem Ergebnis abzuschließen.

Perry Rhodan straffte die Schultern und blickte abermals zu dem riesenhaften Gebäudekomplex des Hauptgezeitenwandlers, der in der nordpolaren Geröllwüste Merkurs stand. Was von außen zu sehen war, war allerdings nur ein geringer Teil der größtenteils subplanetarischen Anlagen.

Rhodans Blick heftete sich auf ein Bauwerk, das erst relativ neuen Datums war, einen Turm aus einer Ynkelonium-Terkonit-Legierung von 1800 Metern Höhe und 350 Metern Durchmesser. Dieser gigantische Turm barg die Funktionselemente des so genannten Zeitmodulators, mit dessen Hilfe das Solsystem zu einem »Tanz in der Zeit« bewegt werden sollte – falls die wissenschaftlichen Grundlagen und Berechnungen sich in der Praxis bewährten.

Rhodan schaltete den Hyperkom des Shifts ein. Die Bildfläche wurde hell, dann erschien auf ihr das aristokratisch wirkende Gesicht eines Mannes in mittlerem Alter.

»SGA, Oberst Maurice!«, sagte der Mann. »Oh, Sie sind es, Sir!« Er wölbte die buschigen silbergrauen Brauen kaum merklich und fügte hinzu: »Ich wollte Sie gerade anfunken, Sir. Als Chef des Sicherungskommandos Großadministrator kann ich es nicht länger verantworten, dass Sie allein in einem Shift auf dem Merkur umherfahren.«

Da Perry Rhodan Oberst Hubert Selvin Maurice gut genug kannte, genauer gesagt, seit rund achtundzwanzig Jahren, verzichtete er darauf, Maurices unüberhörbaren Tadel zurückzuweisen. Außerdem war ihm klar, dass der Mann nur bemüht war, seiner schweren Aufgabe gerecht zu werden. Damals, im Verlauf von »Fall Laurin«, hatte Maurice bewiesen, dass er genau wusste, was er tat.

Deshalb erwiderte Rhodan nur: »Ich komme zurück, Oberst. Richten Sie Professor Waringer aus, dass ich ihn gleich nach meiner Rückkehr aufsuchen werde.«

»Danke, Sir!«, erwiderte Hubert S. Maurice kühl. »Ich werde Sie persönlich in Schleuse HGW-A-33 empfangen.« Die Bildfläche erlosch.

Rhodan lächelte versonnen. Er musste an die Vergangenheit denken, deren Ereignisse ihn mit Männern wie Hubert Selvin Maurice auch emotionell verbunden hatten. Entschlossen aktivierte er das Triebwerk des Shifts, startete und nahm Kurs auf den Gebäudekomplex des Hauptgezeitenwandlers, der gleich einer gigantischen Zitadelle aus dem toten Geröll ragte.

Kaum hatte sich das Panzerschott der Schleuse hinter Rhodans Flugpanzer geschlossen, da leuchteten auch schon die starken Deckenstrahler auf und sorgten mit ihrer Wärmestrahlung dafür, dass die einströmende Luft nicht durch plötzliche Abkühlung in Eiskristalle verwandelt wurde. Der Hochdruckbelüftungsvorgang dauerte nur eine halbe Minute, dann herrschten in der Schleusenkammer die gleichen Bedingungen wie tiefer in der gewaltigen Anlage des Hauptgezeitenwandlers.

Das Innenschott öffnete sich, während Perry Rhodan seinen Shift verließ. Ein hochgewachsener, schlanker Mann in der Einsatzkombination eines Obersten der Solaren Abwehr betrat die Kammer und nahm Haltung an. Hinter ihm warteten zwei Kampfroboter. Es handelte sich um die kegelförmigen Maschinen vom Typ TARA-III-UH, die von den Angehörigen der solaren Streitkräfte respektlos als »Uhus« bezeichnet wurden.

Als Hubert Selvin Maurice den Mund öffnete, um das Ritual einer »vorschriftsmäßigen« Meldung vom Stapel zu lassen, winkte der Großadministrator ab. »Ersparen Sie mir den Sermon, Oberst. Gibt es etwas Neues?«

Oberst Maurice schluckte. Es fiel ihm sichtlich schwer, auf etwas zu verzichten, was von den meisten Menschen längst als »ritualisierter Ballast« angesehen wurde. Er war eben, was solche Kleinigkeiten betraf, ein »Fossil«, ein Relikt aus längst vergangenen Zeiten. Alles an ihm verriet das, angefangen beim Schnitt seines grauen Haares über seine Aussprache bis zum Sitz seiner Einsatzkombination.

»Wie Sie wünschen, Sir«, sagte er endlich steif. »Außer einem bedauerlichen Unfall im Sektor D-7 des Zeitmodulators gibt es nichts Neues zu berichten.«

»Jeder Unfall ist bedauerlich«, sagte Perry Rhodan. »Ist jemand zu Schaden gekommen?«

»Zwei Techniker und ein Wissenschaftler wurden schwer verletzt, Sir«, berichtete Maurice. »Außerdem wurde ein Funktionsblock so stark beschädigt, dass er ausgetauscht werden muss.«

Rhodan stieß eine Verwünschung aus und sah, dass Oberst Maurice erbleichte. Es kümmerte ihn nicht. »Haben Sie Professor Waringer ausgerichtet, dass ich ihn aufsuchen werde?«, erkundigte er sich.

»Selbstverständlich, Sir«, antwortete Hubert Maurice in genau dosiert gekränktem Tonfall. »Sie hatten es mir doch befohlen. Professor Waringer erwiderte, dass Sie ihm jederzeit willkommen wären, wenn ...« Er stockte.

»Wenn was?«, fragte Rhodan ungeduldig.

Oberst Maurice räusperte sich. »Der Professor meinte sinngemäß, Sie wären ihm willkommen, wenn Sie sich ruhig verhielten und sich nicht in seine Arbeit einmischten.«

Perry Rhodan lächelte verhalten. Er konnte sich vorstellen, was sein Schwiegersohn wörtlich gesagt hatte, aber er konnte Geoffry Abel Waringer auch verstehen. Der Hyperphysiker trug die Hauptverantwortung für das Funktionieren jenes riesigen technischen Systems, von dem der Name »Zeitmodulator« nur eine sehr dürftige Vorstellung vermittelte.

»Dann führen Sie mich bitte zu ihm, Oberst«, sagte er. »Und die beiden Uhus brauchen wir nicht. Schließlich befinden wir uns in einer vielfach abgesicherten und überwachten Anlage.«

»Uhus, Sir?«, fragte Maurice mit deutlich hörbarem verweisendem Unterton.

»Ich meine die beiden Blech-Zuckertüten, die hinter Ihnen stehen!«, fuhr Rhodan ihn an. »Schicken Sie sie dahin, wo der Pfeffer wächst!«

Hubert Selvin Maurice schluckte. Er rang sichtlich um Fassung. Aber es wäre sehr verwunderlich gewesen, wenn er vor dem schroffen Ton seines Vorgesetzten kapituliert hätte. Er ließ sein berühmt-berüchtigtes Räuspern hören. »Als Chef des Sicherungskommandos Großadministrator treffe ich derartige Entscheidungen, Sir«, stellte er unerschütterlich fest. »Die Roboter vom Typ TARA-III-UH sind damit beauftragt, Sie, Sir, vor eventuellen Anschlägen zu schützen. Wenn Sie meine Entscheidung nicht akzeptieren möchten, müssen Sie mich meines Amtes entheben, Sir.«

Perry Rhodan seufzte. »Schon gut, ich werde versuchen, diese Spielzeuge zu ignorieren. Führen Sie mich endlich zu Professor Waringer!«

»Sehr wohl, Sir!«, schnarrte Maurice. Er vollführte eine gekonnte Kehrtwendung, rief den beiden Robotern einen Befehl zu und schritt in kerzengerader Haltung zwischen ihnen hindurch.

Perry Rhodan folgte ihm. Er versuchte, die beiden zweieinhalb Meter großen Ungetüme zu ignorieren, die auf energetischen Prallfeldern lautlos schräg hinter ihm herschwebten. Es fiel ihm schwer, besonders, weil er wusste, dass jede der Kampfmaschinen einen Waffenarm mit eingebauter Transformkanone besaß, deren Geschosse eine Vernichtungskraft von je hundert Gigatonnen besaßen. Das entsprach einer Zerstörungskraft, die die der Hiroshima-Atombombe um das Fünfmillionenfache übertraf. Wenn einer der Roboter bei einem Überfall versehentlich seine Transformkanone einsetzte, würde nicht nur der Hauptgezeitenwandler, sondern der gesamte Nordpol des Merkur verdampft werden.

Doch natürlich wusste Perry Rhodan, dass die Wahrscheinlichkeit für einen solchen Missgriff gleich Null war. Die Kampfroboter vom Typ TARA-III-UH besaßen Biopositroniken von höchster Leistungskapazität und absolut fehlerfreier Programmierung. Sobald der kleinste Fehler auftrat, was bisher bei noch keinem dieser Roboter geschehen war, würde die betreffende Maschine sich selbst desaktivieren.

Oberst Hubert Maurice verzichtete darauf, seinen Schützling den umständlichen Weg über Transportbänder und Antigravlifte zu führen. Er wäre auf einen solchen Gedanken auch nur in einem akuten Notfall gekommen. Für ihn war es selbstverständlich, dass der Großadministrator eine der neuartigen Transportkapseln benutzte, wie sie zuerst von Kaiser Anson Argyris auf dem Planeten Olymp verwendet worden waren. Allerdings handelte es sich bei den solaren Transportkapseln um wesentlich verbesserte und geräumigere Modelle, die äußerlich einem stählernen Ei von der Größe eines Luxus-Fluggleiters ähnelten und die Innenausstattung einer kleinen Raumjacht besaßen.

Als das Schott sich hinter den beiden Menschen und den Robotern geschlossen hatte, ließen Rhodan und Maurice sich in die Sessel sinken, deren Sicherheitspolsterung sich an ihre Körper anschmiegte. Danach ließ der Oberst seinen Blick kaum merklich über eine scheinbar sinnlos angebrachte Fläche stumpfgrauen Metalls gleiten – und als Resultat wurden zwei in haarfeinen Glasfasern dahinjagende Photonenströme umgelenkt und zum Kontakt gezwungen.

Die Blickschaltung wiederum aktivierte den Servomechanismus der Transportkapsel. Eine unmodulierte Stimme sagte: »Zu Diensten! Bitte nennen Sie das Ziel!«

»Hauptrechenzentrale!«, antwortete Hubert Selvin Maurice.

»Hauptrechenzentrale. Verstanden!«, bestätigte die Stimme.

Ein schwaches Summen klang auf und sank zu einem kaum hörbaren Wispern herab, als die Kapsel sich in Bewegung setzte. Die Passagiere spürten nichts von dieser Bewegung, aber sie wussten, dass die Kapsel sich innerhalb eines vielfältig verschlungenen Systems aus Transportkanälen den kürzesten Weg zum Ziel suchen würde. Ihre Positronik stand während dieser Zeit in permanenter Verbindung mit der Positronik der Transportzentrale.

Die Hauptrechenzentrale lag in zwölfhundert Metern Tiefe unter dem Mittelpunkt des hundert Kilometer durchmessenden Hauptgezeitenwandlers. Die Transportkapsel überwand die Entfernung vom Außenrand des riesigen Gebäudekomplexes in dreieinhalb Minuten.

Als das Schott aufglitt, wusste Perry Rhodan, dass er sein Ziel erreicht hatte. Er wollte aussteigen, wurde aber respektlos von Oberst Maurice zur Seite geschoben. »Zuerst ich, Sir«, erklärte der Chef des SGA bestimmt und trat als erster hinaus. Ihm folgte einer der überschweren Kampfroboter. Erst dann konnte Perry Rhodan die Transportkapsel verlassen. Er betrat eine kleine Kuppelhalle von ungefähr fünfzig Metern Durchmesser. Aus mehreren Ausbuchtungen der Decke strahlte mildes gelbliches Licht. In der Wandung waren die Sensoren und Detektoren des Überwachungs- und Sicherheitssystems zu sehen. Was unsichtbar blieb, waren die Säurestrahler, Narkosewaffen, Desintegratoren und Impulsnadler, die erst dann zum Einsatz kamen, wenn Unbefugte in die geheimste Anlage der solaren Menschheit eindrangen. Es war allerdings unwahrscheinlich, dass ein feindlicher Kommandotrupp überhaupt bis ins Herz der Anlage vorstoßen konnte; nicht nur der Hauptgezeitenwandler wurde von innen und außen scharf überwacht, sondern auch der gesamte Planet Merkur.

Rhodan und Maurice blieben stehen, bis eine Automatenstimme verkündete, dass die Identifizierung anhand der Gehirnwellenmuster und Zellaura abgeschlossen sei. Erst danach stand den Männern der Weg in die eigentliche Hauptrechenzentrale frei.

Sie traten in das eigentümliche Flimmern, das über der kreisrunden Öffnung im Mittelpunkt des Hallenbodens zu sehen war. Es handelte sich um das Kraftfeld eines Antigravschachtes.

Sekunden später landeten die Männer hundert Meter tiefer auf dem Boden einer erheblich größeren Halle. Die Wände waren mit Schirmen bedeckt, auf denen Diagramme und Datenkolonnen flimmerten. Davor saßen Frauen und Männer in den farblich abgestuften Kombinationen von Mitgliedern des Wissenschaftlichen Korps der Solaren Streitkräfte an Terminals, mit denen sie mit den Operatorsektionen der Hauptbiopositronik in Verbindung standen.

Während die beiden Kampfroboter neben dem Antigravfeld Posten bezogen, wandten sich Perry Rhodan und Hubert S. Maurice einer Gruppe von Frauen und Männern zu, die vor dem größten Schaltpult der Halle standen und erregt debattierten.

Rhodan erkannte unter ihnen die große, schlanke Gestalt von Professor Geoffry Abel Waringer. Der Hyperphysiker leitete die Debatte aufgrund seines überlegenen Wissens und seiner Erfahrung souverän.

Perry Rhodan erinnerte sich noch gut an die Zeit, als er Waringer zum ersten Mal begegnet war. Damals, vor mehr als tausend Jahren, war Geoffry linkisch, unselbständig, immer verlegen und dürr wie ein Laternenpfahl gewesen und hatte Ideen vorgetragen, die viele fundierte Erkenntnisse auf dem Gebiet der Hyperphysik zum alten Eisen degradiert hatten.

Kein Wunder, dachte Perry bei sich, dass ich seinerzeit nicht bereit war, ihn als meinen Schwiegersohn und Mann meiner Tochter Suzan zu akzeptieren. Suzan und Geoffry hatten sich allerdings nicht um die Meinung Perrys gekümmert und ohne sein Einverständnis geheiratet. Erst später war Rhodan klar geworden, dass Geoffry Abel Waringer ein hyperphysikalisches Genie war. Aber auch das lag schon über tausend Jahre zurück, auch der Tag, an dem Rhodan seinem Freund Geoffry den Zellaktivator der ermordeten Mutantin Laury Marten verliehen hatte.

Unauffällig gesellte sich Perry Rhodan zu der Gruppe debattierender Wissenschaftler. Er hörte aufmerksam zu, auch wenn er nur den geringsten Teil verstand, weil sich die Frauen und Männer der Fachsprache ihres Gebiets bedienten.

Plötzlich war die Debatte zu Ende. Die Gruppe zerstreute sich, und Professor Waringer merkte plötzlich, dass sein Schwiegervater in seiner Nähe stand.

Sein müdes Gesicht hellte sich auf. »Hallo, Perry, da bist du ja wieder!«, sagte er halblaut. »Ach ja, ich erinnere mich, dass dieser lackierte Fatzke ...« Er entdeckte Maurice, der unauffällig schräg hinter dem Großadministrator stand, und fuhr verlegen fort: »... dass Oberst Maurice deinen Besuch ankündigte. Entschuldige bitte, wenn ich abermals einige Kraftausdrücke gebrauchte, aber ...«

»... aber Oberst Maurice hat deine Antwort selbstverständlich abgemildert«, unterbrach Rhodan ihn. »Ich habe übrigens volles Verständnis dafür, dass du nicht gestört werden möchtest. Nur eine Frage: Werden wir heute noch den ersten Probelauf des Zeitmodulators durchführen können?«

»Sehr wahrscheinlich, ja«, antwortete Waringer. »Aber ich habe etwa zehn Minuten Zeit. Also setzen wir uns doch, Perry.«

Rhodan blickte sich nach Hubert Selvin Maurice um und sah, dass der Chef des SGA mit steinern wirkendem Gesicht hinter ihm stand. »Sie dürfen sich ebenfalls setzen, Oberst«, sagte er.

»Danke, Sir, aber ich stehe lieber«, entgegnete Maurice ausdruckslos. »So kann ich die Umgebung besser beobachten.«

Rhodan und Waringer nahmen Platz. Der Wissenschaftler strich sich mit der Hand über die Stirn, als wollte er dort irgendwelche mysteriösen Schatten verscheuchen, dann sagte er: »Ich bin absolut sicher, dass der Zeitmodulator funktionieren wird, Perry. Unsere Schwierigkeiten bestehen darin, dass wir die Funktionen der zahlreichen Arbeitselemente noch nicht hundertprozentig synchron schalten können. Die Bauteile sind überhastet hergestellt worden, teilweise unter erschwerten Bedingungen.«

Rhodan nickte. Er kannte die Umstände, unter denen die Funktionselemente und Arbeitsblöcke des Zeitmodulators in verschiedenen Produktionsstätten auf mehreren solaren Planeten hergestellt worden waren. Anfangs hatte man ständig mit der Spionagetätigkeit der Hetos-Inspektoren rechnen müssen, und erst während der letzten Phase war ein ungestörtes Arbeiten möglich gewesen, weil die Hetos-Inspektoren zusammen mit den Laren das Solsystem verlassen hatten.

Das war vor rund sieben Wochen geschehen – doch was waren schon sieben Wochen bei der komplizierten Fertigung der zahllosen Bauteile eines Riesengeräts, das es bisher noch nie gegeben hatte! Kein Wunder, dass es immer wieder zu Versagern kam, die darauf beruhten, dass die Fertigung der Einzelteile wegen der Spionagegefahr nicht ausreichend koordiniert werden konnte. Die schlimmsten Mängel waren während der sieben letzten Wochen ausgebügelt worden, aber in der gleichen Zeit hatte man auf dem Merkur die Endmontage und die Errichtung des 1800 Meter hohen Abstrahlturms vornehmen müssen.

»Ich verstehe das alles, Geoffry«, antwortete Perry Rhodan. »Und ich wäre der letzte, der dir oder einem anderen Mitarbeiter an dem Projekt eine Schuld geben würde, wenn sich der Probelauf des Zeitmodulators verzögerte oder eine Panne einträte. Nur wissen muss ich es.«

Waringer lächelte. Er wirkte müde, da er abgespannt war. Ohne seinen Zellaktivator wäre er, der viele Nächte durchgearbeitet hatte, längst nervlich zusammengebrochen. Er winkte einem in der Nähe stehenden Servoroboter und befahl ihm, drei Becher Kaffee zu bringen.

Erst als er seinen Becher mit der schwarzen dampfenden Flüssigkeit in der Hand hielt und auch Rhodan und Maurice versorgt waren, fuhr er fort: »Der Probelauf wird heute durchgeführt. Zwar nicht, wie ursprünglich vorgesehen, um zehn Uhr Standardzeit, sondern wegen einiger Unfälle und Pannen erst gegen 14 Uhr. Die Synchron-Automatik wurde von mir mit einem speziellen Varioprogramm versehen, das ihr eine extrem elastische Reaktion auf unvorhergesehene Regelungsversager erlaubt. Eine katastrophale Panne kann es deshalb nicht geben.« In einem Anflug von Selbstironie klopfte er mit dem Fingerknöchel dreimal gegen seine Stirn.

Perry Rhodan lächelte flüchtig und sah sich nach Oberst Maurice um. Der Chef des SGA stand noch immer stocksteif an seinem Platz und hielt den vollen Kaffeebecher in der Hand.

»Mögen Sie keinen Kaffee?«, fragte Rhodan verwundert.

»Doch, Sir«, antwortete Maurice, ohne Anstalten zu machen, von seinem Kaffee zu trinken.

»Warum trinken Sie dann nicht, Sie Pflaume?«, fuhr Waringer ihn an.

Hubert Selvin Maurice wölbte indigniert die Brauen, dann blitzte in seinen Augen der Schalk auf. »Ich wollte zuerst abwarten, bis Sie davon getrunken hatten, Professor«, erwiderte er höflich. »Der Kaffee hätte ja vergiftet sein können.«

»Was?«, rief Waringer und verschüttete einen Teil seines Kaffees auf seine Arbeitskombination.

»Beruhige dich wieder, Geoffry«, sagte Rhodan lächelnd. »Der gute Hubert Maurice hat seine Frustrationen in einem Anfall von Zynismus abreagiert. Endlich einmal ein Zug an ihm, der ihn menschlich erscheinen lässt.«

»Danke, Sir«, sagte Maurice und nippte an seinem Kaffee. Seine Augen durchforschten dennoch weiter die Umgebung des Großadministrators. Er nahm seine Aufgabe sehr ernst – und die Vergangenheit hatte gezeigt, dass er sie gar nicht ernst genug nehmen konnte.

Perry Rhodan vergaß Maurice und widmete seine Aufmerksamkeit wieder seinem Schwiegersohn. »Also, wie ist das mit dem Traumtänzer, wie der Zeitmodulator hier auf Merkur genannt wird?«, erkundigte er sich. »Soweit ich die positronischen Berechnungen verstanden habe, kann man ihn auch als Verzerrer bezeichnen, denn er soll die Paraverbundleitung zu den Antitemporalen Gleichrichtungskonvertern gewissermaßen zerhacken.«

Waringer nickte. »Ja, so könnte man seine Funktionsweise definieren, obwohl alles viel komplizierter ist«, sagte er. »Praktisch läuft es auf variable Gestaltung der Energiezufuhr vom Hauptgezeitenwandler zu den Antitemporalen Gleichrichtungskonvertern auf den Planeten, Monden und Gezeitensatelliten hinaus. Diese Variomodulation führt im Endeffekt zu einem Tanzen in der Zeit, weshalb man ihn wegen der Albträume, die sich mit ihm verbinden, allgemein auch Traumtänzer zu nennen pflegt. Wir haben vorgesehen, das Solsystem mittels einer Verschiebung von minus 0,00001 Sekunden bis plus 5,168783 Minuten innerhalb der Labilzone durch die Zeit pendeln zu lassen.«

»Und du bist sicher, dass es den Laren unmöglich sein wird, ein derart durch die Zeit pendelndes Solsystem jemals positionsmäßig zu berechnen und zur richtigen Zeit in die richtige Zeit vorzustoßen?«, fragte der Großadministrator.

»Absolut sicher«, antwortete Waringer. »Die Vorwärts- und Rückwärtsbewegungen innerhalb der Zeit werden durch kein Schema gesteuert, sondern durch zufällige Schaltungen hervorgerufen. Und wo kein System ist, kann man durch Systematik nichts berechnen.« Er hob die Stimme etwas. »Dagegen erscheint es meinen Kollegen und mir als sicher, dass die Laren ein relativ zur gleitenden Gegenwart stillstehendes Solsystem früher oder später finden würden – wahrscheinlich früher. Für uns wäre das ebenfalls kein unlösbares Problem. Aber wo wir Monate brauchen würden, um uns rechnerisch an die Zeitposition heranzutasten, da werden die Laren mit ihren überlegenen technischen Mitteln und ihrem gigantischen Wissen höchstens Wochen benötigen.«

»Wieviel Zeit haben wir ungefähr noch?«, fragte Rhodan.

Professor Waringer runzelte die Stirn. »Seit zehn Tagen befindet sich das Solsystem in der Zukunft«, meinte er bedächtig. »Was geschehen ist, dürfte den Laren sofort klar gewesen sein. Folglich arbeiten sie seit zehn Tagen an der Lösung des Problems, uns in der Zeit aufzuspüren. Ich schätze, dass sie höchstens noch fünf Tage brauchen, um die Zeitposition annähernd zu bestimmen, vielleicht weniger, wenn sie risikoreiche Tests durchführen. Insgesamt dürften wir nicht mehr als zehn Tage Frist haben.« Er erhob sich. »Du musst mich jetzt entschuldigen, Perry. Ich habe noch zahlreiche wichtige Berechnungen durchzuführen. Kümmere dich darum, dass die Heimatflotte jederzeit einen Angriff einzelner SVE-Raumer zurückschlagen kann.«

»Darauf kannst du beruhigt Gift nehmen«, erwiderte Rhodan lächelnd. »Und dir wünsche ich viel Glück, Geoffry.« Er reichte dem Servoroboter seinen leeren Becher und wandte sich wieder Oberst Maurice zu.

Das war der Zeitpunkt, zu dem Major Elkin Jahapal, der als Kurier zwischen Imperium-Alpha auf der Erde und Perry Rhodan auf Merkur diente, die Hauptrechenzentrale des Hauptgezeitenwandlers betrat. Er hatte alle Kontrollen anstandslos passiert, da seine Ankunft angekündigt worden war.

Als er aus dem Kraftfeld des Antigravlifts trat, wandte sich Hubert Selvin Maurice nach ihm um. Im nächsten Moment ließ der Chef des SGA seinen Kaffeebecher fallen und griff nach seiner Dienstwaffe. Er reagierte schnell, aber es wäre nicht schnell genug gewesen, wenn die beiden von ihm persönlich programmierten TARA-III-UH-Roboter nicht so blitzartig reagiert hätten, wie es selbst ein mit Zeitbeschleunigungsdrogen vollgepumpter Mensch nicht konnte.

Noch bevor Maurice der Kaffeebecher aus den Fingern geglitten war, strahlten die beiden Kampfmaschinen ein Fesselfeld aus, das Major Elkin Jahapal unbarmherzig einfing. Beim Aufprall gegen die Innenwandung des Fesselfeldes verlor der Major die Besinnung. Seiner rechten Hand entglitt eine scharfkantige Stahlleiste, die zu den Beschlägen seines Aktenkoffers gehört hatte.

Hubert Selvin Maurice führte seine Bewegungsabläufe zu Ende. Seine rechte Hand packte das Griffstück der Dienstwaffe und zog sie aus dem Gürtelhalfter. Gleichzeitig aber erfasste er die veränderte Lage. Er ließ die Hand mit der Waffe sinken und befahl den Kampfrobotern, das Fesselfeld etwas zu lockern. Danach alarmierte er alle seine Leute, die auf Merkur stationiert waren, und gab eine Reihe von Befehlen. Schließlich wandte er sich dem Großadministrator zu.

Perry Rhodan blickte auf den bewusstlosen Attentäter, dann auf die Frauen und Männer, die von ihren Sesseln aufgesprungen waren und teilweise noch nicht begriffen hatten, was geschehen war. Danach sah er Maurice an.

»Raffiniert«, meinte er lakonisch.

»Sir, die Überwachungsanlagen können nicht feststellen, wenn jemand eine Zeitbeschleunigungsdroge genommen hat, deren Wirkung noch nicht eingetreten ist«, sagte Hubert Maurice verlegen.

Rhodan lächelte. »Deshalb sagte ich raffiniert«, meinte er. »Ein Kurier mit wichtigen, für mich bestimmten Unterlagen ist unverdächtig, vor allem dann, wenn er sich normal verhält und ganz offensichtlich keine tödlich wirkende Waffe bei sich führt.

Kein Überwachungsautomat würde auf den Gedanken kommen, dass die Zierleiste eines Aktenkofferbeschlags als tödliche Waffe eingesetzt werden könnte, vor allem dann nicht, wenn sie noch am Koffer befestigt ist. Ich wette, dass diese Leiste so scharfkantig ist, dass sie menschliches Fleisch mühelos durchdringt. Außerdem dürfte sie mit einem tödlichen Gift präpariert sein, so dass der kleinste Kratzer genügt hätte, einen Menschen zu töten.«

Er legte eine Pause ein, während der er die unterschiedlichen Reaktionen der Anwesenden genau beobachtete. Die meisten Personen standen unter leichter Schockwirkung. Nur Geoffry Abel Waringer hatte sich vom ersten Schreck erholt und lächelte bei Rhodans letzten Worten wissend. Hubert Selvin Maurice dagegen blickte den Attentäter nachdenklich an.

Perry hob die Stimme und fuhr fort: »Fast jeden Menschen – nur nicht einen Zellaktivatorträger wie mich! Sicher hätte die Giftwirkung mir zu schaffen gemacht, mich vielleicht sogar für einige Stunden ausgeschaltet, aber ich wäre nicht gestorben. Unter diesen Umständen frage ich mich, was der Auftraggeber des Attentäters wirklich bezwecken wollte. Er wusste, dass es unwahrscheinlich war, dass die Mordwaffe ein unersetzliches Organ irreparabel schädigen würde, und er musste wissen, dass die Giftwirkung vom Zellaktivator neutralisiert würde. Folglich wollte er gar nicht meinen Tod, sondern etwas anderes.«

»Wir werden herausfinden, was er wirklich wollte, Sir«, versprach Oberst Maurice mit düsterem Blick. »Das Untersuchungskommando wird gleich zur Stelle sein. Sir, ich bin untröstlich, dass ich nicht schnell genug reagierte, um ...«

Perry Rhodan unterbrach ihn. »Schweigen Sie, Oberst!«, befahl er. »Setzen Sie doch Ihre Leistungen nicht selbst herab. In Wirklichkeit haben Sie reagiert, bevor der Attentäter auf mich losstürmte, indem Sie die Roboter so programmierten, dass sie auch den Angriff eines mit Beschleunigungsdrogen vollgepumpten Mörders rechtzeitig abwehren konnten. Dafür verdienen Sie meine Anerkennung und meinen Dank.«

»Wie Sie meinen, Sir«, erwiderte Maurice. »Ah, da kommt das Untersuchungskommando! Sir, würden Sie bitte ab sofort nur noch sprechen, wenn Sie etwas gefragt werden? Das würde die Arbeit des Untersuchungskommandos beschleunigen.«

»Ich stehe zu Ihrer Verfügung, Oberst«, gab Rhodan zurück. »Ist es wenigstens erlaubt, noch einen Becher Kaffee zu trinken?«

»Nein, Sir«, beschied Hubert Selvin Maurice ihn, »denn dann müsste der Servoroboter den Tatort betreten. Dadurch könnten wichtige Spuren verwischt werden.«

2.

Leticron stand in der Kommandozentrale seines Flaggschiffs, die muskulösen Arme vor der Brust verschränkt, die Beine etwas gespreizt und die Augen fest auf den Frontschirm gerichtet.

Der neue Erste Hetran der Milchstraße wirkte mit seiner Körpergröße von 1,98 Metern und der Schulterbreite von 1,85 Metern wie ein Felsklotz. Das breite, flache Gesicht mit der gelblichen Haut wurde von glänzendem schwarzem Haar umrahmt, das im Nacken einen großen Knoten bildete. Der Haarknoten war in ein unsichtbares Haarnetz gehüllt, dessen Existenz nur von den irisierend funkelnden Howalgoniumstäubchen verraten wurde, mit denen es durchsetzt war.

An diesem Tag, dem 15. Juli 3459, befand sich Leticrons Flaggschiff zusammen mit fünfhundert anderen schweren Einheiten der pariczanischen Flotte sowie hundert SVE-Raumern, die die Laren seinem Befehl unterstellt hatten, ungefähr an jenem Koordinatenpunkt der Galaxis, an dem sich auch das Solsystem befand – nur, es befand sich irgendwo in der Zukunft.

Leticrons Miene verdüsterte sich, als er daran dachte, dass die Terraner unter der Führung Perry Rhodans sich bislang erfolgreich in der Zeit verborgen hielten. Er brannte darauf, das Solsystem zu vernichten, denn er wusste genau, dass seine Herrschaft auf unsicheren Füßen stand, solange es Perry Rhodan und seine Solarier gab.

Doch bald entspannte er sich wieder und zeigte ein zuversichtliches Lächeln. Er dachte an die Laren, die mit einer großen Flotte ganz in der Nähe weilten. Sie waren ebenfalls unsichtbar, genau wie das Solsystem, denn auch sie hatten sich von der Gegenwart entfernt. In einer hyperenergetischen Blase, der so genannten Basisblase, warteten ihre SVE-Raumer auf den Augenblick, in dem es gelang, das Solsystem in der Zeit aufzuspüren. Zu diesem Zweck stellten die Laren mit Hilfe ihrer hochwertigen Positroniken umfangreiche Berechnungen an. Zusätzlich hatten sie einen Zeittunnel geschaffen, der von der Basisblase aus ständig in die Zukunft tastete und nach den jeweiligen Berechnungen der larischen Wissenschaftler immer wieder temporal verändert wurde.

Sie würden es schaffen, das Solsystem aufzuspüren, dessen war sich der Überschwere aus dem Punta-Pono-System sicher. Und sobald das Solsystem vernichtet war und Rhodan nicht mehr lebte, konnte er darangehen, die übrigen galaktischen Zivilisationen in seinen Griff zu bekommen. Er machte sich keine Illusionen darüber, dass mit der Verleihung des Titels »Erster Hetran der Milchstraße« schon alles geregelt wäre. Die übrigen Völker hielten zwar still, würden aber kaum bereit sein, sich in voller Konsequenz zu unterwerfen. Er musste sie seine Faust spüren lassen, damit sie wirklich Furcht kennenlernten, denn nur die nackte Existenzangst würde sie dazu bewegen, sich in jeder Beziehung unter seinen Oberbefehl zu stellen.

Erst danach würde er darangehen können, sich um das Konzil der sieben Galaxien zu kümmern. Seiner Ansicht nach wurde es Zeit, dass dort einmal gründlich aufgeräumt wurde. Die Laren und die anderen Konzilsvölker schienen träge geworden zu sein. Anders war ihr laxes Vorgehen in der Milchstraße kaum zu erklären.

Leticron sonnte sich in der Vorstellung, dass er im Konzil als »starker Mann« auftreten und die Führung an sich reißen würde. Er war davon überzeugt, dass er dabei nicht einmal Gewalt würde anwenden müssen. Die übrigen Konzilsvölker müssten eigentlich froh sein, wenn jemand Schwung in die Entwicklung brachte, dachte er.

Nur beim Gedanken an die Hyptons wurde dem Überschweren manchmal unbehaglich. Diese koboldhaften Wesen mit den sanftmütigen schwarzen Augen verhielten sich in jeder Beziehung rätselhaft. Ihre sanfte und liebenswerte Art stand für Leticron in unbegreiflichem Gegensatz zu der Tatsache, dass Hotrenor-Taak und seine Laren letzten Endes immer das taten, was die Hyptons vorschlugen.

Dabei hatte er noch nie erlebt, dass die Hyptons jemandem Befehle erteilt hätten. Sie blieben sanft und liebenswürdig, wenn ihre Vorschläge abgelehnt wurden, sie wiederholten sie nur immer wieder in zahllosen Varianten, bis man sie endlich annahm. Leticron fragte sich, ob die Hyptons vielleicht, so wie er, Mutanten seien. Er verneinte diese Frage sofort, denn das hätte er spüren müssen.

Desto unheimlicher erschienen sie ihm. Sie waren ein Faktor, der nicht in seine Kalkulationen passte, und allmählich erwachte in Leticron der Vorsatz, sie irgendwie auszuschalten, sobald sich eine günstige Gelegenheit dazu ergab.

»Leticron!«

Leticron wandte den Kopf und blickte zu dem buckligen Überschweren, der sich ihm näherte. Jacaran galt seit kurzem als sein engster Vertrauter – und dafür hielt er sich wohl auch selber. Für Leticron war er nur ein brauchbares Werkzeug, das ihm wegen seiner absoluten Hörigkeit noch willkommener war. Einen Vertrauten im echten Sinn des Wortes konnte Leticron nicht brauchen. Er traute nur sich selbst.

»Kommen sie?«, fragte Leticron.

»Sie sind soeben aus dem Linearraum gekommen«, antwortete Jacaran. »Drei Kugelschiffe mit abgeplatteten Polen, ausgesprochene Großkampfschiffe.«

Leticron lächelte. »Der Große Rat von Akon möchte beeindrucken. Er ahnt offenbar noch immer nicht, dass er uns mit nichts beeindrucken kann. Funke die Schiffe an und richte aus, dass ich bereit bin, eine Abordnung von maximal drei Abgesandten zu empfangen.«

Jacaran kicherte und rieb sich die Hände. »Das wird ihnen nicht schmecken, Leticron.« Er eilte in Richtung Funkzentrale davon. Leticron blickte ihm stirnrunzelnd nach.

Noch vor wenigen Wochen hätte er es niemals gewagt, Akonen derartig herauszufordern. Damals hatte er als Corun of Paricza nur über achttausend Kampfraumschiffe verfügt, mit einer mittelmäßigen Industrie im Rücken, die niemals einen Abnutzungskrieg durchgestanden hätte. Ein Krieg mit der hochindustrialisierten Wirtschaftsmacht Akon hätte vielleicht einige Anfangserfolge für die Überschweren gebracht, ihnen letzten Endes jedoch den wirtschaftlichen und politischen Ruin beschert.

Jetzt lagen die Dinge ganz anders. Mit der unvergleichlichen Machtfülle der Laren und des Konzils im Rücken konnte es Leticron mit jeder anderen Macht in der Milchstraße aufnehmen, notfalls sogar mit allen Mächten gleichzeitig.

Er kehrte für kurze Zeit in seine Kabine zurück, um sich zu entspannen und eine Kleinigkeit zu essen. Als er nach zwei Stunden wieder die Kommandozentrale seines Flaggschiffs betrat, wartete die Abordnung der Akonen bereits auf ihn. Es waren drei hochgewachsene, schlanke Männer mit samtbrauner Haut, kupferfarbenem Haar und aristokratischer Haltung. Zur Zeit wirkten sie eher zornig als aristokratisch, denn die rauen Offiziere in der Zentrale tauschten Bemerkungen aus, die die stolzen Akonen unbedingt tödlich kränken mussten.

Leticron spürte denn auch mit seiner Parafähigkeit der Handlungsahnung sofort, dass die Akonen unmittelbar vor einem irrationalen Ausbruch standen. Er setzte seine andere Fähigkeit, die des Hirnoffensors, ein, um die Gehirne der Akonen zu einer defensiven Handlung zu zwingen. Erstaunt registrierte er, dass ihm das nicht gelang.

Er lächelte liebenswürdig, obwohl hinter seiner Stirn keine liebenswürdigen Gedanken kreisten.

»Willkommen auf dem Flaggschiff des Ersten Hetrans der Milchstraße, meine Herren!«, sagte er. »Bitte, setzen wir uns doch an den Kartentisch.«

Leticrons Flaggschiff besaß die Kugelform terranischer Raumschiffe und war auch innen größtenteils nach terranischem Vorbild eingerichtet. Deshalb gab es in der Kommandozentrale auch genau in der Mitte einen runden Kartentisch, dessen Oberfläche bei Bedarf als Trivideoscheinkubus zur Einblendung von Raumsektorprojektionen dienen konnte, meist aber anderweitig genutzt wurde.

Auf einen Wink des Überschweren eilte Jacaran herbei und servierte Erfrischungen. Die Akonen rührten jedoch ihre Gläser nicht an. Ihr Anführer verschränkte die Arme vor der Brust und blickte den Ersten Hetran scharf an.

»Ich bin Hakkos von Mitrusan«, sagte er arrogant, »und ich protestiere gegen das widerwärtige Verhalten der Offiziere Ihres Flaggschiffs, Erster Hetran. Als Akone edelster Abstammung und als Leiter der Ratsabordnung bin ich eine solche Behandlung nicht gewohnt.«

Es wurde still in der Zentrale. Die Offiziere blickten Leticron erwartungsvoll an. Der Überschwere wusste, dass er die Überheblichkeit des Akonen brechen musste, sollte seine Autorität keinen Schaden erleiden.

»Vor mir sind Sie ein Nichts«, entgegnete er deshalb, ohne allerdings die Stimme zu heben. »Ich könnte, wenn ich wollte, das Reich der Akonen zerschmettern, denn meine Macht ist unbegrenzt.«

Hakkos von Mitrusan lächelte ironisch. »Wäre sie unbegrenzt, dann würde das Solsystem nicht unangetastet in der Zukunft existieren«, erwiderte er. »Sie, Leticron, wissen so gut wie ich, dass Ihre Macht nur geborgt ist und dass Sie nicht viel mit ihr anfangen können, solange es noch ein Solsystem und einen Perry Rhodan gibt.«

Leticron nippte an seinem Glas, dann neigte er liebenswürdig den Kopf. »Ich bewundere Ihren Mut, Hakkos von Mitrusan«, sagte er. »Darum fällt es mir schwer, Sie hinrichten zu lassen. Aber auf die Missachtung meines Titels steht nun einmal die Todesstrafe, und Sie haben meinen Titel bedauerlicherweise missachtet.«

Er gab Jacaran einen Wink. »Es tut mir aufrichtig leid«, beteuerte er, während mehrere Überschwere sich mit stampfenden Schritten und gezogenen Waffen den drei Akonen näherten.

Hakkos von Mitrusan lächelte verächtlich, dann schnellte er gleich einem von der Sehne schwirrenden Pfeil hoch und über den Schalttisch hinweg auf Leticron zu. Seine Begleiter stürzten sich auf die nahenden Überschweren.

Leticron war überrascht, weil er diese Handlung des Akonen nicht vorausgesehen hatte. Deshalb konnte Hakkos von Mitrusan einige Dagor-Griffe anbringen, an denen der Hetran erkannte, dass der Akone ein erfahrener und harter Kämpfer war. Aber ein Überschwerer, noch dazu von Leticrons Kondition, konnte auch von einem erfahrenen akonischen Kämpfer nicht mit bloßen Händen besiegt werden, und die Waffen waren den Akonen bei ihrer Ankunft abgenommen worden. Wenige Sekunden nach seinem Angriff war Hakkos von Mitrusan tot, und auch seine Begleiter starben unter den erbarmungslosen Schlägen der Offiziere.

Leticron trat schwer atmend von Hakkos von Mitrusans Körper zurück. Er spürte die Stellen, an denen der Akone seine Griffe angesetzt hatte, und sekundenlang wurde ihm schwarz vor Augen. Doch er erholte sich schnell wieder.

»Schießt die drei Akonenschiffe ab!«, befahl er. »Danach kehren wir in die Basisblase zurück!«

Grimmig verfolgte er das ungleiche Gefecht. Die Akonen wehrten sich tapfer, hatten aber keine Chance gegen die SVE-Raumer.

»Geborgte Macht!«, flüsterte Leticron so leise, dass niemand außer ihm es hörte. Das Verhalten von Hakkos von Mitrusan hatte ihn verunsichert. Aber nachdem die drei Akonenschiffe vernichtet waren, kehrte die alte Zuversicht wieder zurück.

Hotrenor-Taak und rund fünftausend Hyptons hatten die Geschehnisse draußen im Normalraum mit Hilfe eines speziellen Ortungssystems in der Hauptzentrale von Hotrenor-Taaks Flaggschiff, der HATRON-YMC, aufmerksam verfolgt.

Wie so oft bildeten die koboldhaften Hyptons einen Block, eine riesige Traube aus milchigweißen kleinen Leibern, die sich, ab und zu mit den ledrigen Schwingen flatternd, aneinander klammerten. Das Gebilde hatte, von der Fremdartigkeit einmal abgesehen, eine frappierende Ähnlichkeit mit einem ausgeschwärmten Bienenvolk, das sich in einer Traube auf einem Ast niedergelassen hatte. Der Ast wurde allerdings hier durch ein Antigravfeld ersetzt, das den Hyptons erlaubte, als Traube an der hochgewölbten Decke der Hauptzentrale zu hängen.

Als die Bild-Ton-Übertragung beendet war, sagte Hotrenor-Taak in den glitzernden Riesenkristall, der in einem Kraftfeld vor ihm schwebte: »Es gefällt mir nicht, wie Leticron die Akonen herausgefordert hat. Angehörige dieses stolzen Volkes sterben lieber, als sich demütigen zu lassen. Das sollte er eigentlich wissen.«

Die Hyptons antworteten nicht sogleich darauf. Erst nach einiger Zeit sagte ihr Sprecher, der ganz unten an der lebenden Traube hing: »Es war vielleicht nicht sinnvoll, dass Leticron die drei Akonen herausforderte; andererseits bewies ihre Reaktion, dass sie auf diese Art von Herausforderung vorbereitet waren. Sie waren konditioniert und auf ihren Tod vorbereitet, und zwar in der Absicht, dem neuen Ersten Hetran der Milchstraße klarzumachen, dass er die Akonen nicht beugen kann.«

»Sie meinen, die drei Akonen seien nicht Herren ihres eigenen freien Willens gewesen, als sie sich in den Tod stürzten?«, fragte Hotrenor-Taak verwundert.

»So ist es«, antwortete der Sprecher der Hyptons mit der für Lebewesen seiner Art typisch hohen, etwas piepsigen Stimme.

»Leticron kehrt zurück«, sagte Hotrenor-Taak, als er die grünen Ortungstasterreflexe des kleinen Flottenverbandes erblickte, mit denen der Erste Hetran außerhalb der Basisblase gewesen war. »Wir sollten ihm vielleicht bedeuten, dass er tatsächlich nur mit geborgter Macht herrscht.«

»Das wäre ein psychologischer Fehler«, widersprach der Sprecher der Hyptons, während seine Haut sich verfärbte, bis sie fast gläsern war. »Wir schlagen vor, den Vorfall mit den Akonen überhaupt nicht zu erwähnen, sondern Leticrons Aufmerksamkeit voll und ganz auf die primäre Aufgabe zu richten, das Solsystem zu finden und zu vernichten. Wie weit sind die Berechnungen über den temporalen Standort gediehen, Hotrenor-Taak?«

»Die Berechnungen laufen noch«, antwortete Hotrenor-Taak. »Synchron damit wird unser Zeittunnel immer wieder neu justiert. Aber die Möglichkeiten sind ungeheuer groß, so dass nicht exakt vorausgesagt werden kann, wann wir Kontakt mit dem Antitemporalen Gezeitenfeld der Solarier bekommen. Dazu muss die Zeittunneljustierung sich bis auf den millionsten Teil einer terranischen Sekunde mit dem temporalen Standort des Solsystems decken.«

»Gibt es innerhalb der Labilzone keine Spuren, die auf die Anwesenheit des Solsystems hindeuten?«, fragte der Sprecher der Hyptons weiter. »Auch das beste ATG-Feld lässt hin und wieder Stabilitätsimpulse durch, die zu fragmentarischen Konkretisierungen der Vor-Gegenwart führen.«

»Derartige schemenhafte Fragmente wurden entdeckt«, antwortete der Lare. »Allerdings in einer temporalen Distanz von plus fünf Standardminuten. Es handelt sich dabei offensichtlich um Auswirkungen des früheren Aufenthalts des Solsystems in der Zukunft. Das derzeitige Zeitversteck existiert noch nicht lange genug, um messbare Spuren zu hinterlassen. Aber es ist nur eine Frage der Zeit, wann unsere Berechnungen zum entscheidenden Erfolg führen.«

»Das leuchtet uns ein«, meinte der Sprecher der Hyptons. »Wir sind sehr froh, dass wir mit Ihnen zusammenarbeiten dürfen, Hotrenor-Taak. Ohne das Volk der Laren würde die Geschichte des Konzils keine Impulse erhalten, die die Fortentwicklung vorantreiben.«

Hotrenor-Taak verneigte sich in Richtung der lebenden Traube, um sich für die Anerkennung zu bedanken. Er fühlte sich nicht geschmeichelt, denn der Sprecher der Hyptons hatte seiner Meinung nach nur Tatsachen erwähnt. Nur dafür, dass er ausgesprochen hatte, was andere vielleicht nur dachten, dankte der Lare – und er empfand eine steigende Sympathie für die Hyptons, jene koboldhaften Wesen von einem eisigen Planeten der Galaxis Chmacy-Pzan, die ihm, als er ihnen zum ersten Mal begegnete, als widerwärtige Flugkreaturen erschienen waren.

»Der Erste Hetran der Milchstraße!«, meldete ein Lare über die Rundrufanlage.

Kurz darauf betrat der Überschwere in Begleitung drei seiner Offiziere, darunter Jacaran, die Hauptzentrale der HATRON-YMC. Wieder einmal staunte Hotrenor-Taak über die gewaltigen Körpermaße Leticrons, der erheblich größer und kräftiger war als alle anderen Männer vom Volk der Überschweren und sich dennoch so geschmeidig wie ein Leichtathlet bewegte. Er unterschied sich auch in anderer Hinsicht wesentlich von seinen Artgenossen. Während die Überschweren wie alle Springer und Abkömmlinge der Springer gern mit ihren gewaltigen Körperkräften protzten, zu rauen Späßen neigten, oft unmotiviert lachten und sich gegenseitig scherzhaft Boxhiebe verabreichten, benahm sich Leticron so einwandfrei wie ein tadellos erzogener Siganese.

Vor Hotrenor-Taak blieb der neue Erste Hetran der Milchstraße stehen, legte eine seiner suppentellergroßen Hände vor die Brust und neigte den Kopf. »Ich grüße den Verkünder der Hetosonen!«, sagte er mit wohltönender Stimme. »Zu meinem allergrößten Bedauern kamen keine Verhandlungen mit der akonischen Abordnung zustande, da die Gesandten tätlich wurden und dabei leider umkamen. Ich habe daraufhin auch die drei Schiffe, mit denen sie gekommen waren, vernichten lassen, um dem Großen Rat eine Warnung zu erteilen.«

»Gut so, Erster Hetran«, antwortete Hotrenor-Taak. »Unsere Freunde aus dem Volk der Hyptons und ich haben beschlossen, den Zeittunnel zu Testvorstößen in die Zukunft zu benutzen. Wir werden dafür SVE-Raumer einsetzen, aber falls Sie interessiert sind, wäre uns Ihre Hilfe sehr willkommen.«

»Ich bitte sogar um Beteiligung an den Testvorstößen, Verkünder der Hetosonen«, sagte Leticron. »Je eher wir das Solsystem finden und ausschalten, desto früher können wir mit der endgültigen Unterwerfung aller Völker dieser Galaxis beginnen. Ich schlage vor, Sie übertragen mir das Kommando über einen Verband Ihrer Schiffe. Ich werde ihn von meinem Flaggschiff aus führen.«

»Ich bin einverstanden und werde die entsprechenden Befehle erteilen«, antwortete Hotrenor-Taak. »Viel Erfolg, Erster Hetran!«

»Danke!«, sagte Leticron.

Drei Stunden später verließ ein Verband von sechzig SVE-Raumern sowie drei großen Kugelraumschiffen der Überschweren die Basisblase und drang in den so genannten Zeittunnel ein. Leticron stand wieder in der Kommandozentrale seines Flaggschiffs und beobachtete, wie sich vor ihm eine unheimlich wirkende Röhre auftat, ein Gebilde, das keine geometrischen Dimensionen besaß, sondern nur die eine Dimension der Zeit.

Der Zeittunnel dehnte sich von der Basisblase in die Zukunft aus. Er schillerte in allen Farben des Spektrums, da er nur ein provisorisches »Gebilde« war. Die Farbverteilung änderte sich laufend, und die Außenhüllen der einfliegenden Raumschiffe spiegelten dieses Lichterspiel wider.

Leticron beobachtete das Farbenspiel mit gemischten Gefühlen. Er wusste zuwenig über die Phänomene, die sich bei Zeitverschiebungen einstellten, als dass es ihm möglich gewesen wäre, völlig gelassen zu bleiben. So musste er sich beispielsweise immer wieder zwingen, gegen die Illusion einer räumlichen Ausdehnung und einer räumlich messbaren Fortbewegung anzukämpfen, die durch die optischen Eindrücke hervorgerufen wurde. Erschwert wurde die Bekämpfung dieser Illusionen durch die Tatsache, dass sich die Raumschiffe tatsächlich bewegten und dass diese Bewegung von den Messgeräten registriert wurde. Dennoch wusste Leticron, dass diese Bewegung nicht eine Bewegung im Raum, sondern in der Zeit war.

»Wir werden bald das Ende des Zeittunnels erreichen, Erster Hetran«, meldete der larische Kommandant des vorderen SVE-Raumers. Leticron war mit seinem Flaggschiff vorsichtshalber am Ende des Verbandes geblieben. »Sollen wir stoppen?«

»Nein!«, entschied Leticron. »Fliegen Sie langsam weiter! Versuchen Sie, ein Stück über das Ende des Tunnels hinauszukommen!«

»Die Distanzen werden hier nicht nach Längenmaßen, sondern nach Zeitmaßen gemessen, Erster Hetran«, wandte der Lare ein. »Deshalb können wir keine Nanosekunde weiter fliegen, als der Tunnel reicht.«

»Versuchen Sie es trotzdem!«, befahl Leticron. »Beschleunigen Sie dabei mit Maximalwerten!«

Der larische Schiffskommandant sagte nichts mehr. Auf den Orterschirmen konnte Leticron jedoch sehen, wie die Spitzengruppe Fahrt aufnahm. Innerhalb des Zeittunnels war eine Beschleunigung mit den Impulstriebwerken durchaus möglich, obwohl sie sonst nicht zur Fahrt durch die Zeitdimension taugten.

»Sollen wir auch beschleunigen, Leticron?«, fragte Jacaran, der neben dem Kommandanten des Flaggschiffs saß.

»Auf keinen Fall«, antwortete Leticron. »Es ist völlig unwesentlich, was mit den Laren in den ersten Raumschiffen geschieht, aber es ist nicht unwesentlich, was mit uns geschieht.«

Jacaran kicherte. »Gleich erreicht das erste Schiff das Ende des Tunnels«, meinte er. »Ich bin gespannt darauf, was geschehen wird.«

»Ich auch«, bemerkte Leticron.

Er ließ eine Vergrößerungsschaltung auf den Frontschirm der Kommandozentrale legen, so dass er vom ersten Schiff nicht nur den grünen Ortungsreflex sah, sondern das Schiff selbst. Der SVE-Raumer erreichte das Ende des Zeittunnels wenige Sekunden später, eine energetische Konstruktion, die hell wie eine angestrahlte Seifenblase leuchtete.

Plötzlich verblasste das Leuchten. Es war, als würde die Stromzufuhr einer kugelförmigen Lampe stufenlos zurückgeschaltet, bis es völlig dunkel wurde.

»Kein optischer Kontakt mehr«, gab ein Überschwerer bekannt.

»Auch keine ortungstechnische Erfassung mehr möglich«, meldete ein anderer Überschwerer aus der Ortungszentrale. »Es scheint, als wäre der SVE-Raumer verschwunden.«

Leticron schaltete den Hyperkom ein. »Erster Hetran an den Kommandanten des zweiten SVE-Raumers!«, sagte er. »Wissen Sie, was mit dem ersten Schiff geschehen ist?«

»Nein, Erster Hetran«, kam die Antwort. »Das Verschwinden ist uns unerklärlich. Ich bitte um Haltebefehl, da ein weiteres Vordringen offensichtlich gefährlich ist.«

»Stoppen Sie die Maschinen!«, befahl Leticron. »Vielleicht geschieht nichts, wenn das Schiff antriebslos über das Ende des Zeittunnels hinausfliegt. Wir müssen unbedingt in Erfahrung bringen, wie weit ein Raumschiff ohne Zeittunnel, allein durch den temporalen Schwung, in die Zukunft vordringen kann.«

»Ich halte das Vorhaben für zu gefährlich«, entgegnete der Lare. »Dennoch gehorche ich Ihrem Befehl, weil das Schiff dem Ende des Tunnels inzwischen zu nahe gekommen ist, als dass wir es noch davor abstoppen könnten. Ich hoffe, das Experiment bringt wenigstens einen kleinen Nutzen.«

»Danke«, erwiderte Leticron. »Ihre Haltung ist korrekt. Ich hoffe ebenfalls auf nützliche Ergebnisse. Sollten Sie nicht zurückkehren, wünsche ich Ihnen und Ihrer Mannschaft viel Glück – in dieser oder einer anderen Welt.«

Der Lare antwortete nicht mehr. Er konnte nicht mehr antworten, da sein Raumschiff in diesem Augenblick das Ende des Zeittunnels erreichte – und auf die gleiche Weise verschwand wie sein Vorgänger.

»Keine Messergebnisse?«, fragte Leticron.

»Keine Messergebnisse, Erster Hetran«, antwortete der Chef der Ortungszentrale.

»Stopp für alle Schiffe!«, befahl der Überschwere. »Da wir keine Ergebnisse erzielen, ist es sinnlos, weitere Schiffe zu opfern. Ich gedenke in Trauer und Hochachtung der Besatzungen der beiden verlorengegangenen Schiffe.«

Er schaltete den Hyperkom aus – und aktivierte ihn gleich darauf wieder, denn der Melder summte durchdringend und zeigte an, dass jemand eine Verbindung herzustellen suchte.

Auf dem Schirm erschien die verschwommene Abbildung von Hotrenor-Taak. »Ich empfehle Ihnen umzukehren, Erster Hetran«, sagte der Lare. »Wir orten starke Sekundärschwingungen der temporalen Struktur. Etwas tut sich, und wir hätten Sie gern hier, wenn sich herausstellt, was geschehen ist oder noch geschehen wird.«

»Danke für die Information, Verkünder der Hetosonen«, erwiderte Leticron höflich. »Selbstverständlich kehre ich sofort um. Ich hatte unseren Vorstoß ohnehin soeben abgebrochen. Leider haben wir zwei Ihrer Schiffe verloren.«

3.

Es war kurz vor 15 Uhr Standardzeit, als Professor Geoffry Abel Waringer dem Großadministrator meldete, dass die Vorbereitungen zum ersten Probelauf des Zeitmodulators abgeschlossen seien.

»Ich komme in die Schaltzentrale«, beschied Rhodan seinem Schwiegersohn. Er schaltete den Interkom ab und wandte sich an Oberst Maurice, der mit fünf seiner besten Männer hinter ihm stand. »Sie können mich begleiten, Oberst«, sagte er. Er blickte auf seinen Armbandchronographen. »Geoffry wird schon dort sein und sich nicht getrauen anzufangen, weil ich noch fehle.«

Er irrte sich.

Sein Schwiegersohn dachte nicht daran, den Probelauf des Zeitmodulators zu verschieben, weil der Großadministrator noch nicht in der Schaltzentrale war. Er dachte eben pragmatisch, und so gesehen war die Anwesenheit Rhodans nicht erforderlich. Rhodan und Maurice merkten es, als sie noch auf halbem Wege zur Schaltzentrale waren. Schlagartig setzte ein ohrenbetäubendes Dröhnen ein. Der Boden vibrierte und schwankte bedenklich. Die beiden Männer legten den Rest der Strecke im Laufschritt zurück. Vor dem Panzerschott, das die Schaltzentrale des Zeitmodulators abschloss, hielt ein Captain der Solaren Abwehr mit zwei überschweren Robotern Wache. Er salutierte vor Rhodan und Maurice.

»Bitte, seien Sie leise im Schaltraum, Sir«, sagte er. »Professor Waringer hat mir aufgetragen, Ihnen das auszurichten.«

»Schon gut, Captain«, antwortete Perry Rhodan.

Als das Schott sich öffnete, erblickte er einen halbkreisförmigen Saal, in dem zahlreiche Schalttische standen. In der gewölbten Rückwand befand sich ein großer Bildschirm; er zeigte das Abbild des Hauptgezeitenwandlers mit dem riesigen Turm im Mittelpunkt, aufgenommen und übertragen von einer schwebenden Robotkamera.

Auf den übrigen Schirmen waren Diagramme und die Messschleifen, Leuchtzacken und andere Oszillogramme zu sehen. Zwei waren mit der Hauptpositronik verbunden. Auf ihren Schirmen flimmerten wechselnde Symbol- und Zahlenkolonnen.

Das Dröhnen war noch zu hören, als sich das Schott hinter den beiden Männern geschlossen hatte. Deshalb nahmen sie sich jeder einen der Funkhelme, die auf einem Tisch beim Schott bereitlagen.

Rhodan setzte seinen Helm auf und verschloss ihn. Er schützte wirksam gegen alle Außengeräusche und vermittelte zudem die Funkbefehle, die Waringer gab, sowie die kurzen Meldungen der Auswertungsspezialisten an den Kommunikationspulten.

»Zeitmodulator erhält volle Energie, arbeitet noch im Leerlauf!«, sagte Professor Waringer sachlich. Dennoch war das schwache Vibrieren seiner Stimme nicht zu überhören. »Achtung, ich stelle jetzt den Anschluss an den Hauptgezeitenwandler her! Es können unerwünschte Nebeneffekte auftreten, sobald die durch die Paraverbundleitung fließende Hyperenergie zerhackt wird.«

Perry Rhodan beschränkte sich darauf, zuzuhören. Solange es um rein wissenschaftliche Probleme ging, überließ er deren Lösung den Spezialisten.

»Jetzt!«, sagte Waringer gepresst.

Im ersten Augenblick nahm Rhodan keine Veränderung wahr, dann schienen die Diagramm- und Oszillographenschirme plötzlich verrückt spielen zu wollen. Gleichzeitig stellte sich bei Rhodan das Gefühl ein, als würde er federleicht. Sekundenbruchteile später kehrte das Gefühl normaler Schwere zurück. Dafür wurde es Rhodan übel. Vor seinen Augen flimmerte es, und sein Magen schien eine Art Raketenstart zu versuchen. Mit Hilfe einer speziellen Atemtechnik, die eigentlich für andere Notfälle gedacht war, vermochte Perry Rhodan erfolgreich gegen die Übelkeit anzukämpfen.

Hubert Selvin Maurice hatte in dieser Beziehung kein Glück. Er erstickte beinahe, bevor er sich den Funkhelm vom Kopf reißen konnte. Einer der bereitstehenden Medoroboter schwebte lautlos heran und verpasste ihm eine Injektion. Auch anderswo zischten Injektionsdüsen.

»Minuswert wird plangemäß erreicht«, berichtete Waringer unbeeindruckt. »Aber wir kommen nicht an die Pluswerte heran, sondern erreichen nur plus 3,448 Minuten. Das sind natürlich Grobwerte. Ich bitte um positronische Auswertung!«

»Die Bewegungen in Richtung Zukunft schlucken mehr Energie als berechnet«, meldete der betreffende Wissenschaftler kurz darauf. »Grund ist offenbar der Rücksturz in die Relativvergangenheit, der jedem Ausschlag in Richtung Zukunft vorausgeht. Es wird eine Erhöhung der Stoßenergiezufuhr für Plusausschlag um rund dreißig Prozent empfohlen.«

»Rund dreißig Prozent!«, entfuhr es Waringer. »Wir wollen doch nicht um Jahre in die Zukunft, sondern nur um rund fünf Minuten! Ich werde erst einmal um zehn Prozent erhöhen.«

Rhodan sah, wie Hubert Selvin Maurice, zwar noch sehr blass im Gesicht, seinen frisch gereinigten Funkhelm wieder überstülpte. Im nächsten Augenblick trat ein völlig neuer Effekt auf. Es war, als schwebten plötzlich milchige Nebelstreifen in der Schaltzentrale. Der Eindruck musste jedoch täuschen, denn durch sie hindurch war alles so klar zu erkennen wie vorher. Auf den Anzeigen der Kommunikationsanschlüsse jagten sich die Symbol- und Zahlenkolonnen.

Geoffry Abels Stimme klang seltsam hohl, als sie verkündete: »Wir erreichen trotz erhöhter Energiezufuhr beim Plusstoß nur einen Mittelwert von rund 4,262 Minuten. Dennoch stabilisiert sich die Pendelbewegung, so dass ich es riskieren werde, doch eine Erhöhung um dreißig Prozent zu schalten.«

Rhodan sah, wie sein Schwiegersohn die entsprechende Schaltung vornahm. Im nächsten Augenblick schwollen die Außengeräusche so stark an, dass sie teilweise die Isolierung des Funkhelms durchdrangen. Rhodan vernahm ein schrilles Pfeifen, das allerdings noch erträglich war.

Durch das Pfeifgeräusch hindurch erklang wieder Waringers triumphierende Stimme. »Neuer Ausschlag in Richtung Zukunft erreicht rund 4,9 Minuten! Wir haben es fast geschafft. Achtung! Ausschlag nach der Minus-Seite! Gut, der Grobwert von 0,00001 Sekunden wird gehalten. Und wieder Ausschlag nach der Plus-Seite!« Er unterbrach sich einen Herzschlag lang, dann rief er erregt: »Wir überschreiten unser Limit in Richtung Zukunft, steigen über sechs Minuten, jetzt sieben Minuten, acht Minuten.« Wieder schwieg er kurz, dann flüsterte er: »Wir haben plus zwanzig Minuten überschritten und jagen weiter in Richtung Zu...«

Ein berstendes Krachen ertönte. Perry Rhodan sah, wie die Diagramm- und Oszillographenschirme rötlich aufglühten, dann verschmolzen sämtliche optischen Eindrücke zu einem rasenden Wirbel.

»Zurückschalten auf Grundwert!«, befahl er mit harter Stimme.

»Wir stürzen bereits zurück, Perry«, antwortete Waringer. »Aber viel zu schnell. Es scheint, als hätten wir einen zusätzlichen Rücksturzimpuls erhalten. Achtung, wir fallen unter das untere Limit!« Seine Stimme überschlug sich beinahe. »Alarm! Wir stürzen in die Gegenwart zurück! Sofort Alarm für die Heimatflotte! Das Solsystem muss soeben sichtbar geworden sein!«

Perry Rhodan riss sich den Funkhelm vom Kopf, schaltete den Armbandinterkom ein und rief den Verbindungsoffizier der Solaren Heimatflotte, der in der Verteidigungszentrale des Hauptgezeitenwandlers saß.

»Hier Rhodan!«, sagte er schwer. »Das Solsystem befindet sich wieder in der Gegenwart. Alarmieren Sie die Heimatflotte, und geben Sie anschließend das Kodesignal, das den Vollalarm für die Zivilbevölkerung auslöst!«

Perry Rhodan verzichtete darauf, sich persönlich in die Verteidigungszentrale zu begeben, und stellte statt dessen eine Hyperkomverbindung mit Solarmarschall Julian Tifflor her, der sich im Flaggschiff der Heimatflotte befand.

Er musste fast eine halbe Minute warten, da Tifflor wichtige Befehle zu erteilen hatte. Dann erschien das Gesicht des Gefährten aus alten Tagen in dem Trivideokubus des Hyperkoms. »Alles klar, Perry«, sagte Tifflor. »Sämtliche fünfzehntausend Einheiten der Heimatflotte suchen laut Plan ihre Kampfpositionen auf. Bully hält sich mit der DORO bereit.«

Rhodan spürte, wie ihn eine Welle der Sympathie zu dem Mann überflutete, der seit den Tagen der Anfänge des Aufbaus des Solaren Imperiums dabeigewesen war. Julian Tifflor erfüllte seine Pflicht, ohne zu zaudern. Auf solche Menschen konnte man sich verlassen.

»Danke, Tiff!«, sagte er. »Wir sind aus unbekannten Gründen wieder in die Gegenwart geschleudert worden. Aber hier wird fieberhaft gearbeitet, um das Solsystem wieder in sein altes Versteck in der Zukunft zu bringen. Ich hoffe, wir schaffen es, bevor die Laren angreifen.«

»Bis jetzt wurden noch keine anfliegenden Raumschiffe geortet, Perry«, berichtete Tifflor. »Aber vom Messschiff CLARA aus wurde eine Zone struktureller Verschiebung ausgemacht, die sich in der Nähe des Systems befindet. Erste positronische Auswertungen führten zu dem vorläufigen Schluss, dass die Laren innerhalb des Hyperraums oder an der Schwelle zur Zukunft eine Basis geschaffen haben, von der aus sie nach uns suchen.«

»Gut«, meinte Rhodan. »Das könnte in der jetzigen Lage vorteilhaft für uns sein, da die Laren Zeit brauchen werden, um ihre Basis jenseits des Normalraums mit Schiffen zu verlassen. Ich werde mich um den Hauptgezeitenwandler kümmern. Bis später!«

»Bis später!«, sagte der Solarmarschall.