Perry Rhodan Neo 100: Der andere Rhodan - Frank Borsch - E-Book + Hörbuch

Perry Rhodan Neo 100: Der andere Rhodan E-Book und Hörbuch

Frank Borsch

4,5

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Beschreibung

Im Juni 2036 stößt der Astronaut Perry Rhodan bei seiner Mondlandung auf ein havariertes Raumschiff der Arkoniden. Damit verändert er die Weltgeschichte. Die Terranische Union wird gegründet, sie beendet die Spaltung der Menschheit in einzelne Nationen. Ferne Welten rücken in greifbare Nähe. Eine Ära des Friedens und Wohlstands scheint bevorzustehen. Doch dann bringt das Große Imperium das irdische Sonnensystem unter seine Kontrolle. Die Erde wird zu einem Protektorat Arkons. Die Terranische Union beugt sich zum Schein den neuen Herrschern, während der Widerstand wächst. Im Februar 2038 gelingt es Perry Rhodan, die Macht der Invasoren zu brechen. Doch im Kampf wird er verletzt und ringt mit dem Tode. Sein Symbiont, das Enteron, stützt ihn - und eröffnet den Werdegang des anderen Rhodans ...

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Zeit:6 Std. 38 min

Sprecher:Axel Gottschick

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Band 100

Der andere Rhodan

von Frank Borsch

Im Juni 2036 stößt der Astronaut Perry Rhodan bei seiner Mondlandung auf ein havariertes Raumschiff der Arkoniden. Damit verändert er die Weltgeschichte. Die Terranische Union wird gegründet, sie beendet die Spaltung der Menschheit in einzelne Nationen. Ferne Welten rücken in greifbare Nähe. Eine Ära des Friedens und Wohlstands scheint bevorzustehen.

Doch dann bringt das Große Imperium das irdische Sonnensystem unter seine Kontrolle. Die Erde wird zu einem Protektorat Arkons. Die Terranische Union beugt sich zum Schein den neuen Herrschern, während der Widerstand wächst.

Im Februar 2038 gelingt es Perry Rhodan, die Macht der Invasoren zu brechen. Doch im Kampf wird er verletzt und ringt mit dem Tode. Sein Symbiont, das Enteron, stützt ihn – und eröffnet den Werdegang des anderen Rhodans ...

1.

25. Februar 2038

Thora da Zoltral war auf dem Weg zu Perry Rhodan.

Zu dem Mann, den sie einst verachtet hatte – und den sie nun achtete und liebte.

Dem Mann, der die Menschheit zu den Sternen geführt hatte – und sie selbst dazu, über sich hinauszuwachsen, die bornierte Arroganz der adeligen Arkonidin abzustreifen wie eine zu eng gewordene Haut.

Dem Mann, der in diesem Moment mit dem Tode rang.

Die Positronik hatte die Kanzel der Leka-Disk automatisch getönt. Dennoch stand die irdische Sonne wie ein riesiger, flammender Ball in Flugrichtung.

Hier, innerhalb der Merkurbahn, war die Strahlung so stark, dass sich nicht einmal die Errkarem, die Sternenmenschen, hier angesiedelt hatten. Und das, obwohl der freie Raum der inneren Planeten eigentlich ihren angestammten Lebensraum darstellte.

Die Ortung zeigte eine Handvoll besserer Felsklumpen, von den Launen der Anziehungskräfte anderer Himmelskörper in sonnennahe Bahnen gezwungen.

Die Arkonidin hielt den Kurs.

Im blendenden Licht der Sonne entstand ein schwarzer Punkt. Er wuchs rasch zu einer dunklen Scheibe an, lediglich sichtbar für das bloße Auge.

Die Verborgene Welt. Weder von den Sternenmenschen gefunden noch von den Arkoniden – weder vor zehntausend Jahren noch in den letzten Monaten –, weder von den Methans noch von irgendeiner Konfliktpartei des Ringens.

Doch ausgerechnet von einem Menschen postuliert. Dem Mathematiker Urbain Le Verrier, der vor beinahe zweihundert Jahren Bahnabweichungen des Merkur registriert hatte. Der Franzose hatte daraus geschlossen, dass ein Himmelskörper innerhalb der Merkurbahn dafür verantwortlich sein müsste. Doch die Suche nach dem Objekt – Le Verrier taufte es »Vulkan« – war ohne Ergebnis geblieben.

Thora verlangsamte den Flug und steuerte die Disk in einen Orbit um Vulkan. Mit einem Durchmesser von 180 Kilometern war er eine kleine Welt – und zugleich eine der Extreme: Auf der sonnenabgewandten Seite zeigten die Holos Temperaturen bis zu 150 Grad Kälte an, auf der sonnenzugewandten bis zu 700 Grad Hitze. Tiefe Schluchten und hohe Gebirge prägten die Oberfläche. Darüber verstreut Krater, die Meteoriteneinschläge hinterlassen hatten. Thora erinnerten sie unwillkürlich an Ortsschilder, die sie bei der Jagd nach Callibsos Puppen in Nordamerika gesehen hatte: durchsiebt mit Löchern, die betrunkene Einheimische mit ihren Schrotflinten geschossen hatten.

Einen der Krater steuerte Thora an. Er lag am Südpol und hatte einen Durchmesser von beinahe acht Kilometern. Dort musste der Zugang ins Innere von Vulkan liegen.

Thora bremste die Fahrt auf nahe null, die Disk glitt über den Kraterrand.

Die Arkonidin keuchte. Der gesamte Kratergrund war ein riesiger Schacht, der vier Kilometer in die Tiefe reichte und taghell erleuchtet war.

Ein Hangar von einem Ausmaß, wie er selbst auf Arkon III, der Kriegswelt des Imperiums, selten vorkam. Und Arkon III war die Rüstungsschmiede des Reiches, einzigartig in der Galaxis: das Fundament, auf dem die Macht des stolzen Tai Ark'Tussan fußte.

Am Grund des Hangars waren Dutzende von Kugelraumern gelandet, ausnahmslos Kriegsschiffe. Acht von ihnen, Schlachtschiffe mit einem Durchmesser von jeweils 750 Metern, bildeten einen Ring um das Flaggschiff derjenigen Flotte, welche die Menschen auf der Verborgenen Welt vorgefunden hatten. Es durchmaß 1000 Meter und war damit größer als die VEAST'ARK, der Stolz des Imperiums.

Es war dieser Riesenraumer gewesen, der im letzten Augenblick die Arkonbombe vernichtet hatte, die der von Hass verblendete Chetzkel auf die Erde hatte abwerfen lassen.

»Ich empfange einen Leitstrahl, Erhabene«, meldete die Positronik. Sie war noch nach den Standards des Imperiums programmiert.

»Folge ihm!«, wies Thora den Rechner an.

Die Disk setzte in nächster Nähe zu dem Giganten auf. Ein Mann erwartete sie im Schatten des stählernen Gebirges.

Thora wollte einen Schutzanzug anlegen, aber die Bordpositronik hielt sie zurück. »Das ist unnötig. Im Hangar ist ein Luftgemisch, das der irdischen Atmosphäre entspricht. Ein Energieschirm unbekannter Zusammensetzung verhindert, dass es sich ins Vakuum verflüchtigt.«

»Ich habe keinen bemerkt.«

»Er ist für arkonidische Augen unsichtbar. Der Schirm hat automatisch eine Strukturlücke für uns gebildet.«

Thora verließ die Disk. Im Hangar erwartete sie zu ihrer Überraschung Erdschwerkraft. Eigentlich hätte Vulkan nur eine minimale Gravitation aufweisen dürfen. Der erhöhte Wert musste künstlich erzeugt werden. Nichts, was der arkonidischen Technologie unmöglich gewesen wäre. Aber sollte die künstliche Schwerkraft sich auf das gesamte Innere des Planeten erstrecken ...

»Willkommen auf Vulkan, Thora!«, begrüßte sie der Mann.

Der Mensch war so unpassend gekleidet, wie Thora es sich nur vorstellen konnte: Cowboystiefel, eine abgewetzte Jeans, ein nachlässig zugeknöpftes, kariertes Flanellhemd, aus dessen Ausschnitt rotes Brusthaar quoll – deutlich länger als das Haupthaar des Mannes, das eine Fläche von Stoppeln darstellte und übergangslos in unrasierte Wangen und ein ebenso unrasiertes Kinn überging.

Ein unmöglicher Aufzug, um einen Gast zu begrüßen. Der alten Thora hätte es genügt, um auf dem Absatz kehrtzumachen. Doch die neue Thora ...

Thora umarmte den verirrten Cowboy und flüsterte ihm zu: »Danke, Reg!«

Sie ließ ihn los und trat einen Schritt zurück. Der stämmige Ex-Astronaut, der beste Freund Perry Rhodans, der sonst nie um einen Spruch verlegen war, bekam keinen Ton heraus.

»Wie geht es ihm?«, erlöste Thora ihn aus seiner Not.

»Perry kämpft. Komm, ich bringe dich zu ihm!«

Im fugenlosen Stahlboden des Hangars bildete sich eine Öffnung. Ein Antigravschacht. Bull vertraute sich ihm ohne Zögern an. Thora folgte ihm. Sie sah hinunter. Der hell erleuchtete Schacht reichte so tief, dass sie seinen Grund nicht erkennen konnte.

»Der Schacht führt durch ganz Vulkan?«

Bull nickte. »Ja. So viel steht schon fest.«

»Was sind das für ...«, sie suchte nach einem passenden Begriff, »... Verzierungen an den Wänden?« Sie zeigte auf rostrote Stränge, die ineinanderliefen und sich wieder von Neuem verzweigten. Sie bildeten ein dichtes Geflecht, das Thora an die Adern auf dem Handrücken eines älteren Arkoniden denken ließ.

»Halaton«, antwortete Bull. »Das Wundermetall der Ersten.«

»Welche Wunder bewirkt es?« Sie strich mit zwei Fingern über eine der Adern. Sie war warm wie die Haut eines Menschen.

»Können wir bislang nur vage abschätzen. Das Halaton ist der Ortungsschutz, der die Verborgene Welt und die Sternenmenschen, die überall auf den toten Welten des Sonnensystems siedeln, vor Entdeckung schützt. Wir vermuten aber, dass noch mehr dahintersteckt. In seiner Gesamtheit bildet das Halaton den Verstand Vulkans.« Bull bemerkte ihren skeptischen Blick und fügte hinzu: »Halaton scheint in großen Zusammenballungen Intelligenz zu entwickeln.«

»Ein intelligentes Metall? Wie kommst du darauf?« Das Halaton fühlte sich nicht nach Metall an. Eher wie Knetmasse.

»Ist die einzige Erklärung.« Bull zuckte die Achseln. »Zumindest im Augenblick. Was wir bisher an positronischen Anlagen gefunden haben, taugt allenfalls als Redundanzsysteme. Aber Vulkan hat viel mehr drauf.«

»Er ... es gehorcht euch?« Sie drückte den Daumen in das Halaton. Es gab nach.

»Ja, wir sind würdig.« Bull grinste jungenhaft, als müsse er sich für den altertümlichen Begriff entschuldigen. »Wir haben die Positionsangabe geknackt, die im Erbgut der Sternenmenschen versteckt war. Und Fancan Teik, der Wächter der Verborgenen Welt, hat für uns gebürgt. So weit alles paletti.«

»So weit?« Thora stieß sich wieder von der Wand ab.

»Ich traue keiner Maschine, die keinen ›Aus-Schalter‹ hat. Auch wenn es eine anorganische Intelligenz sein sollte. Allerdings muss ich zugeben, dass Vulkan bisher reibungslos kooperiert. Wahrscheinlich bin ich einfach nur nervös, weil wir bislang so gut wie nichts über diesen Laden wissen.«

»Und das ›so gut wie nichts‹ ist?« Sie passierten eine erste Etage. Große Tore führten in Hallen mit haushohen Aggregaten, deren tiefes Brummen die Luft erfüllte. Flinke Schemen huschten zwischen und auf den Anlagen geschäftig hin und her. Thora vermutete, dass es sich um Wartungsroboter handelte.

»Wir Menschen haben jetzt eine Flotte«, antwortete Bull. »Robotisch gesteuert. Was du im Kraterhangar gesehen hast, ist nur ein Appetithappen. Insgesamt sind wir bislang auf ein ›Ultraschlachtschiff‹ – wie es Vulkan selbst bezeichnet – mit einem Durchmesser von tausend Metern gestoßen, zwanzig Schlachtschiffe mit je siebenhundertfünfzig Metern, zwanzig Schlachtkreuzer mit je fünfhundert Metern und jeweils dreißig Schwere und Leichte Kreuzer.«

Insgesamt einhunderteins Schiffe, rechnete Thora zusammen. »Ein Fünffaches der ursprünglichen Flottenstärke des Protektorats.«

»Mehr noch. Wir haben erste Auswertungen der Leistungsdaten vorliegen. Ein Siebenhundertfünfzig-Meter-Schlachtschiff von Vulkan kann es mit zwei arkonidischen Achthundert-Meter-Schlachtschiffen aufnehmen. Der Tausend-Meter-Pott sogar mit vier! Kannst du dir ausmalen, was das bedeutet?«

Thora konnte es. Sie hatte die harte Ausbildung der Flotte des Großen Imperiums durchlaufen. Diese Organisation stützte sich auf das Heraussieben der Besten. Und sie sorgte dafür, dass diejenigen, die ihre Schiffe kommandierten, über den eigenen Tellerrand hinausblickten.

Vulkan änderte alles: Die Erde stand schlagartig auf eigenen Beinen. Die Verborgene Welt war mehr als eine Schatzkammer, in der die Ersten einige Dutzend Kriegsschiffe versteckt hatten. Raumschiffe allein – wie sie die Menschen bereits in ihren Besitz gebracht hatten – bedeuteten bestenfalls für einige Jahre eine gewisse Macht. Dann verschlissen selbst die auf Wartungsarmut und Robustheit ausgelegten arkonidischen Kriegsschiffe. Sie benötigten regelmäßige Wartung, Ersatzteile, Verbrauchsmaterialien und eine breite Basis an qualifiziertem Personal.

Vulkan war kein isoliertes Artefakt. Nein, die Verborgene Welt war der Nukleus einer hochstehenden technischen Zivilisation. Einer, die Arkon potenziell weit überlegen war.

»Wie groß ist die Ausdehnung der Anlagen?«, fragte sie mit belegter Stimme.

»Das können wir nicht sagen«, antwortete Bull. »Noch nicht. Die mittlere Dichte Vulkans entspricht der von Merkur. Sagen die Messwerte. Aber darauf können wir einen – sagen wir mal – feuchten Kehricht geben. Das Halaton macht Vulkan undurchschaubar. Und wenn du mich fragst: Mich würde es nicht wundern, wenn der ganze Laden bis auf den letzten Kubikmeter vollgestopft ist mit Technik.«

Die Öffnung eines kleineren Korridors glitt an ihnen vorbei. »Hier ist es!«, rief Bull. Im selben Moment griff ein Traktorstrahl nach ihm und Thora und setzte sie auf dem Gang ab. Vulkan musste seinen Ausruf gehört und umgehend reagiert haben.

Im Korridor roch es merkwürdig vertraut. Desinfektionsmittel. Wie in Terrania Central, der Klinik im Stardust Tower. »Wieso behandelt ihr Perry ausgerechnet hier?«, fragte sie.

»Sue hat Perry mit ihrer Paragabe stabilisiert und ihm damit wahrscheinlich das Leben gerettet. Der Thermostrahl Chetzkels hätte sonst sofort einen tödlichen Schock hervorgerufen. Aber Sues Kräfte reichen bestenfalls für ein paar Stunden. Deshalb habe ich Perry nach Vulkan gebracht. Er bekommt hier die beste Versorgung. Der Laden ist nicht nur eine technische Wundertüte, sondern auch für Menschen maßgeschneidert. Entweder waren uns diese Ersten verdammt ähnlich – oder sie haben uns verdammt genau studiert, bevor sie Vulkan auf Kiel gelegt haben.« Bull hielt vor einer Tür an und deutete eine Verbeugung an. »Nach Ihnen, Gnädigste!«

Die Tür glitt zur Seite, gab den Blick auf ein Krankenzimmer frei. Ein Schwall warmer, stickiger Luft kam Thora entgegen.

Ein einzelner Mensch wachte über Perry. Für arkonidische Begriffe war er klein und stämmig. Eric Manoli, neben Rhodan und Bull der dritte Überlebende der STARDUST. Der ehemalige Bordarzt. Ihr »Fels in der Brandung«, wie Perry ihn immer genannt hatte.

Manoli stand vor dem, was Perrys Krankenbett sein musste, aber eher an einen überdimensionierten Brutkasten erinnerte, wie Thora ihn in irdischen Krankenhäusern gesehen hatte.

Der Arzt wandte den Kopf, als er ihre Schritte hörte. »Thora! Gut, dass Sie hier sind.«

Er war einer der wenigen Gefährten Perrys, der sie noch siezte, doch das tat seiner Herzlichkeit keinen Abbruch.

»Wie geht es ihm?« Sie ging auf Manoli zu.

Bull blieb taktvoll einen Schritt zurück. Er hatte die letzten Stunden bei Perry verbracht und war mit der Situation vertraut.

»Er ist stabil. Für den Augenblick.«

Thora trat an den »Brutkasten«. Perry Rhodan lag auf dem Rücken. Entspannt, als schliefe er. Er war nackt bis auf ein Tuch über seinem Intimbereich. Das Enteron lag schlaff auf seiner Hüfte, es wäre von einem Uneingeweihten für ein zweites Tuch gehalten worden. Wenn auch von einer ungewöhnlich düsteren Farbe und von einer Seite her angekohlt.

»Er ... er wirkt unversehrt«, sagte sie.

»Erstaunlich, nicht? Die hiesige Medostation vollbringt Wunder.«

Sie beugte sich vor, so weit es der durchsichtige »Brutkasten« zuließ. Dunkle, etwa fingerbreite Linien zogen sich kreuz und quer über den Körper des Bewusstlosen. Und sie bewegten sich!

»Mikromaschinen«, erklärte Manoli. »Es sind einige tausend. Und sie stellen ihrerseits lediglich die Vehikel für Millionen von Nanomaschinen dar, die seine äußeren wie inneren Verletzungen heilen.«

Die Mikromaschinen krabbelten überall auf Perry, insbesondere auf der von dem Thermostrahl getroffenen rechten Schulter. Nur um das Enteron, registrierte Thora, machten sie einen weiten Bogen. »Zehrt es wieder an ihm?«

»Nach den vorliegenden Daten nicht. Aber das Enteron ist unruhig, es krampft sich immer wieder zusammen. Und jede neue Krampfphase ist heftiger als die vorherige. Dazwischen liegen Ruhephasen wie im Augenblick.«

Eine gute Nachricht. Selbst als Perry gesund war, hatte ihn der Symbiont bereits zu überfordern gedroht.

»Wie lange muss er noch hier liegen, Eric?«

Manoli holte langsam Atem. »Das ist schwer zu sagen. Ich schätze ...«

Der Arzt brach ab, als plötzlich etwas im »Brutkasten« zuckte. Thora wandte den Kopf. Das Enteron! Es zog sich zusammen, wölbte sich hoch.

Holos erschienen plötzlich rund um Manoli und das Krankenbett, zeigten eine Vielzahl von Vitalwerten auf. Sie pulsierten rot.

»Was ist los?«, rief Thora.

»Sein Puls!«, antwortete Manoli, während er ein Holoelement bearbeitete. »Perrys Puls hat ausgesetzt!«

Das Enteron wechselte die Farbe. Von Schwarz zu Rot, von Rot zu einem glühenden Weiß.

Rhodan stöhnte.

Etwas stank. Fleisch! Verbranntes Fleisch!

»Das Enteron verbrennt ihn!«, rief Thora. »Eric! Tun Sie ...«

Eine Stichflamme schoss aus dem Enteron auf Perrys Hüfte. Im selben Moment packten sie zwei kräftige Hände von hinten, rissen sie zu Boden. Thora kam hart auf, ein stechender Schmerz fuhr ihr ins Knie. Sie hörte ein Knirschen und sah aus dem Augenwinkel Splitter des »Brutkastens« waagrecht durch den Raum fliegen, als die schlagartig erhitzte Luft ihn von innen bersten ließ.

Thora löste sich aus dem Griff Bulls, der ihr mit seiner raschen Reaktion eben vielleicht das Leben gerettet hatte. Vom Enteron war lediglich ein schwarzer Fleck auf Perrys Hüfte geblieben. Letzte Flammen züngelten und erstarben.

Und Rhodan ... er öffnete die Augen!

»Perry!«, rief sie. »Halt durch! Wir sind bei dir!«

Er reagierte nicht. Sein Blick ging in die Ferne.

Und dann sagte er: »Wer ... wer sind Sie?«

25. Februar 2038

Der Administrator und der Fürsorger

Satrak erscheint pünktlich auf die Minute. Homer G. Adams öffnet dem vormaligen Herrscher über die Erde persönlich. Er ist allein.

Die Tür gleitet zur Seite, gibt den Blick auf den Fürsorger des Protektorats Larsaf frei.

»Administrator.« Satrak deutet eine Verbeugung an. Der Arkonide, der eigentlich kein Arkonide ist, trägt einen einfachen grauen Anzug. Der Inbegriff der Unauffälligkeit, doch genau das betont, wie anders der Mann von Istrahir ist.

Satraks rundes Gesicht ist mit Pelz bedeckt. Rotbraun mit einem Stich ins Graue, der verrät, dass er nicht mehr der Jüngste ist. Die Ohren erinnern an die von Fledermäusen. Doch es sind die beiden riesigen braunen Augen, die das Gesicht bestimmen.

Adams versucht in ihnen zu lesen. Er erwartet, dort Wut zu finden. Trauer. Scham.

Arkoniden haben klare Ansichten. Satrak ist ein Mischling und damit eigentlich minderwertig. Dass er es zum Fürsorger eines Protektorats gebracht hat, bürgt für seine Kompetenz. Doch nun hat Satrak versagt. Die Wilden von der Erde haben die größte Zivilisation der Milchstraße bezwungen.

Adams fragt sich, was Satrak auf Arkon erwartet.

»Darf ich eintreten, Administrator?«

Die Frage reißt Adams aus seinen Gedanken. »Natürlich.« Er tritt zur Seite, gibt den Weg frei in den fünfzigsten Stock des Stardust Towers, der ihm als Büro und Wohnung zugleich dient. Die Etage ist rundum verglast.

Als Satrak Adams passiert, sieht der Administrator, dass der Anzug des Fürsorgers hinten eine Öffnung hat. Der zwei Meter lange Schwanz des Istrahir, ein armdicker, kräftiger Muskelstrang, ist sichtbar.

Am Glas bleibt Satrak stehen. »Ihr Ausblick ist so gut wie meiner. Oder besser gesagt: war.«

Die Anspielung ist offensichtlich. Nicht weit vom Stardust Tower erhebt sich der – immer noch unfertige – Palast des Fürsorgers in den Himmel.

Adams räuspert sich. »Sie können selbstverständlich bis zum Abzug ...«

»Sie brauchen mich nicht mit Samthandschuhen anzufassen.« Satraks Englisch ist makellos. »Im Imperium denkt man in Primärfarben. Schwarz und Weiß. Gewinner und Verlierer. Die Menschheit ist jetzt der Gewinner. Diktieren Sie mir Ihre Bedingungen!«

Adams geht zum Schreibtisch und holt das Blatt. Es ist ein schweres, würdevolles Papier. »Ich fasse für Sie zusammen. Erstens: Das Große Imperium hat eine Woche Zeit, von der Erde abzuziehen. Die Frist läuft am 4. März 2038 24:00 UTC ab. Zweitens: Alles, was das Imperium auf der Erde und im Sonnensystem zurücklässt, fällt in den Besitz der Terranischen Union. Drittens: Das Imperium übergibt die Transitionsdämpfer, die mit dem Nachschubkonvoi am 23. Februar 2038 im Sonnensystem eingetroffen sind. Viertens: Die Zerstörung von Gerät und Anlagen ist nicht gestattet – und wird von der Terranischen Union streng geahndet, sollte es geschehen. Fünftens: Die Terranische Union heißt Angehörige des Protektorats, die auf der Erde bleiben wollen, willkommen. Diese Personen unterwerfen sich jedoch der irdischen Gerichtsbarkeit. Sollten sie während der Besatzungszeit Verbrechen begangen haben, müssen sie sich dafür verantworten. Sechstens: Die Terranische Union zieht den Antrag zurück, eine Kolonie des Imperiums zu werden. Er ist hinfällig geworden.«

»Ich akzeptiere die Bedingungen im Namen des Großen Imperiums«, sagt Satrak. Er nimmt das Blatt entgegen und wendet sich zum Gehen.

Adams bringt ihn zur Tür. »Ich wünsche Ihnen viel Glück!«, verabschiedet sich Satrak. Der Antigravschacht trägt ihn langsam ins Erdgeschoss hinunter.

2.

... draußen, jenseits seines Gefängnisses, tobte die Schlacht um Separeis Festung und damit die Macht auf der Elysischen Welt.

Immer wieder stießen Drohnen herab, erschütterten Explosionen seine Zelle. Ilts starben zu Hunderten. Dieselben Ilts, die sein Leben gerettet hatten – und er, Perry Rhodan, konnte nichts tun. Nur warten. Bis der Roboter Separei, der Erzfeind der Ilts, der ihn eingesperrt hatte, zurückkehrte.

Hatte Rhodan Glück, hatte Separei das Holobuch gefunden und ließ ihn am Leben. Hatte er keines, und das war wahrscheinlicher, würde Separei ihn töten.

Rhodan trat vor das Waschbecken und betrachtete sich in der verspiegelten Wand.

Sein Gesicht, sein Haar, seine Kleidung waren über und über mit rostigem Eisenstaub verschmiert. Müde wusch er sich Gesicht und Hände. Dann blickte er abermals in den Spiegel. Sein Spiegelbild erwiderte den Blick.

Auf einmal fühlte sich Perry Rhodan beobachtet, als wäre dies ein Verhörzimmer und die verspiegelte Wand nur der Sichtschutz für seine Aufpasser, ihre Kameras und Mikrofone. Zeichneten sie alles, was er tat, auf, um es zu einem späteren Zeitpunkt gegen ihn zu verwenden?

Er wandte sich ab, wollte seiner Erschöpfung nachgeben und sich auf das Bett fallen lassen ...

... und fand sich auf dem Boden wieder.

Er war hart, stählern. Aber nicht kalt, wie man erwarten sollte, sondern warm. Unpassend warm.

Grelles Licht, als läge er im Kegel eines Scheinwerfers, blendete ihn.

Die Luft war nicht mehr vom beißenden Ozon erfüllt oder dem unerträglich scharfen Gestank von verbranntem Iltfleisch. Sie roch nun steril wie in einer Klinik.

Perry Rhodan sah an sich hinunter. Er war nackt. Der rostige Eisenstaub war verschwunden. Ebenso wie die Erschöpfung. Er fühlte sich frisch und ausgeruht, beinahe wie neugeboren.

»Er wirkt anders als die anderen«, sagte eine Stimme auf Arkonidisch.

»Er ist intakt, Wohltäter«, antwortete eine zweite Stimme, merkwürdig zischend. »Tolot hat alle Werte als normal angegeben.«

Nach und nach gewöhnten sich Rhodans Augen an das Licht. Er nahm zwei Umrisse wahr. Einer von ihnen gehörte einem Menschen, oder wenigstens einem Humanoiden. Der andere ... Rhodan musste einen Augenblick überlegen ... der andere sah aus wie eine Echse auf zwei Beinen.

Der Humanoide trat näher, in den Lichtkegel. Er war etwa so groß wie Rhodan und muskulös, hatte schwarze Haare und graue Augen. Seine Züge waren kantig und streng. An der rechten Hand trug er einen unscheinbaren grauen Ring.

Und: Der Mann leuchtete von innen heraus.

»Wer ... wer sind Sie?«, fragte Rhodan. Der Satz kam unbeholfener als sonst. Er musste sich konzentrieren, um die Worte zu finden. War der Mikrotranslator, den er im Körper trug, ausgefallen? »Wo bin ich?«

»In Sicherheit.«

»Was wollen Sie damit sagen? Ist das die Elysische Welt? Was ist mit den Ilts? Separei? Dem Regenten?«

»Sie sind Vergangenheit«, entgegnete der leuchtende Mann. »Alles, was zählt, ist das Hier und Jetzt.« Er gab seinem Begleiter einen Wink. Er trat vor.

Tatsächlich, eine Echse. Auf zwei Beinen. In einem Kampfanzug. Mit schuppiger Haut und Menschenaugen, die nicht zu dem Wesen passen wollten und in denen Traurigkeit lag.

Die Echse, die ihm bis zur Brust ging, hielt ihm ein Bündel hin.

Rhodan stand auf. Er erwartete, Mühe zu haben. Der Kampf um Separeis Festung hatte ihn bis an seine Grenzen geführt. Doch er schnellte beinahe hoch. Er fühlte sich so frisch, so ausgeruht wie selten in seinem Leben.

Er nahm das Bündel. Ein paar halbhohe Stiefel mit stabiler, harter Sohle. Unterwäsche, Socken, eine Hose, ein Hemd und eine Jacke. Einfarbig wie eine Uniform, aber ohne Rangabzeichen. Der Stoff fühlte sich an wie Baumwolle. Er zog die Kleidung an, sie passte wie angegossen.

Rhodans Augen hatten sich mittlerweile an das Licht gewöhnt. Er drehte sich langsam auf dem Absatz. Der Raum war eine kleinere Halle. Eine Handvoll Konsolen und holografische Bedienelemente waren ohne erkennbare Ordnung verstreut, schwebten in der Luft, als hätte man sie vergessen.

Rhodan konnte sich auf der kreisrunden Plattform gerade noch ausstrecken. Sie erhob sich knapp zwei Handbreit über den Boden des Raumes und bestand aus grauem, gebürsteten Metall. In ihrer Mitte, zu Rhodans Füßen, war ein großer, roter Punkt. Am Rand der Plattform ragte eine schlanke Säule bis auf Hüfthöhe. Sie wurde von einer schräg montierten Platte abgeschlossen. Sie ähnelte einem irdischen Notenständer. In der Mitte der Platte, in einer Aussparung, lag ein länglicher, blauer Edelstein.

Der Anblick rief eine ferne Erinnerung in ihm wach. Doch sie entwand sich ihm.

»Ist dieses Gerät ein Transmitter?«, fragte er.

»Nein.«

»Wurde ich auf der Elysischen Welt verletzt?«, fragte Rhodan weiter. »Sind Sie ein Arzt?«

»Ich bin gespannt, wie du dich diesmal machst, Rhodan«, sagte der Mann, dessen Haut golden leuchtete.

»Wer sind Sie? Kennen wir uns?«

»Ich bin Pranav Ketar. Wir hatten bereits das Vergnügen – in einem anderen Leben. Aber ich versichere dir, auch du wirst mich kennenlernen.« Er wandte sich an die Echse. »Worat!«

»Ja, Wohltäter?«

»Bring ihn zu den anderen!«

Im Korridor erwartete Rhodan eine Eskorte: dreißig weitere Echsenwesen in Kampfanzügen.

Schweigend und offensichtlich routiniert nahmen die Soldaten ihn und Worat in die Mitte und marschierten los. Ihre Waffen hielten sie in den Händen. Die Abstrahlfelder in den Mündungen glühten, zeigten an, dass sie schussbereit waren.

Weshalb?

Rhodan konnte keinen Grund zur Sorge erkennen. Der Gang war verlassen. Türen säumten ihn in regelmäßigen Abständen. Die Wände bestanden aus grauem Material, das Rhodan an Beton erinnerte. Dunkle Schmutzstreifen zogen sich über seine Oberfläche und verästelten sich wie Adern auf einem Handrücken.

»Was ist das für eine Anlage?«, fragte er Worat.

Das Echsenwesen hatte den Helm geschlossen. Rhodan sah, wie Datenkolonnen und Grafiken über die Innenseite huschten. Als er bereits nicht mehr an eine Antwort glaubte, klappte das Echsenwesen den Helm ein und sagte: »Die Festung auf Torran-Gar.«

»Was für eine Festung? Der Name sagt mir nichts. Wo liegt Torran-Gar?«

»Weit, weit weg von zu Hause«, antwortete Worat mit einem Unterton, den Rhodan als Wehmut deutete.

»Wie komme ich hierher?«

»Der Wohltäter hat dich geholt.«

»Pranav Ketar hat mich von der Elysischen Welt geholt?« Rhodan wiederholte den Namen bewusst. Um sicherzugehen, dass er ihn richtig verstanden hatte. Und weil er glaubte, ihn schon einmal gehört zu haben. Nur wo?

»Ja.«

»Wie das? Der Schirm um die Elysische Welt ist undurchdringlich. Sie liegt im Arkonsystem, dem Zentrum des Großen Imperiums. Die Arkoniden ...«

»... die Arkoniden überschätzen sich selbst, sie sind nur eine flüchtige Erscheinung. Die Möglichkeiten des Wohltäters dagegen sind unbegrenzt.«

»Was will Pranav Ketar von mir? Und wer sind diese anderen? Hat er die Ilts von der Elysischen Welt gerettet?«

»Fragen, Fragen, Fragen! Jedes Mal löcherst du mich damit!« Worats Zunge strich über die hornigen Lippen. Sie war dicker als die eines Menschen, und sie stank. »Halt gefälligst den Mund und genieße dein Glück! Du bist auserwählt. Der Wohltäter Pranav Ketar hat dir ein weiteres Leben geschenkt. Sei dankbar und triff diesmal die richtige Wahl! Dann wirst du an der Größe der Allianz teilha...«

Das Echsenwesen brach ab, als der Boden unter ihnen erzitterte. Abrupt kam der Trupp zum Stehen. Die Soldaten rissen ihre Waffen hoch, wirbelten so schnell auf der Stelle herum, dass Rhodan nur noch Schemen erkennen konnte. Sie zielten in die leere Luft, als könne jeden Augenblick ein Feind aus dem Nichts erscheinen.

»Was ist los?«, rief Rhodan.

Worat gab keine Antwort. Er hatte den Helm erneut zugeklappt. Daten huschten über die Innenseite. Das Echsenwesen zischte einen Befehl, den Rhodan nicht hören konnte, aber per Funk an die Soldaten ging.

Sie aktivierten die Flugaggregate. Worat klappte den Helm wieder ein. Er packte Rhodan und drückte ihn eng an sich. Seine knochigen Klauen bohrten sich schmerzhaft in Rhodans Leib. Worat war stärker als er, obwohl er ihm nur bis zur Brust reichte.

»Unsere vorgesehene Route ist versperrt«, zischte er. »Halt dich fest!«

Worat beschleunigte, bis sie zu einem engen, vertikalen Schacht gelangten, gerade groß genug, um ihnen Durchlass zu gewähren.

Sie schwebten schnell in die Höhe. In kurzen Abständen passierten sie Öffnungen zu weiteren Stockwerken. Rhodan zählte mit. Nach neun Etagen verließ Worat den Schacht und raste durch die Korridore, auf einen weiteren, deutlich größeren Schacht zu. Drei Etagen später schossen er und Worat aus dem Schacht hinaus in einen sich weitenden Trichter.

Eine weiße Sonne stand schräg am Himmel und warf lange Schatten über die Landschaft.

Einen Moment lang glaubte sich Rhodan in Irland oder Schottland wiederzufinden. Unter ihm erstreckte sich ein mit kleinen grünen Kuppen übersätes Tal. Ein Fluss wand sich schäumend den Hang hinab und mündete schließlich in das, was Rhodan für eine Klippe hielt. Übergangslos brach das Land ab, gab den Blick frei auf eine dunkle See, die sich bis zum Horizont erstreckte. An den drei übrigen Seiten stiegen die Flanken zunehmend schroffer an, um schließlich in Felsgrate zu münden, lückenlos gesäumt von einer Mauer, die ihn an die Zinnen einer irdischen Burg erinnerte.

Worat zischte einen Befehl. Die Soldaten drehten ab und kehrten zu dem Trichter im Boden zurück.

Worat nahm Kurs auf den Fluss. An seinem jenseitigen Ufer erkannte Rhodan jetzt eine Siedlung: einige Dutzend Hütten verteilten sich auf Terrassen in den Hängen. Sie waren winzig und primitiv, die begrünten Dächer unterschieden sich kaum von der Umgebung.

Worat landete und ließ Rhodan los. Der Boden unter ihm war weich, wie ein Teppich, und zugleich hart. Rhodan beugte sich vor. Das war kein Gras, sondern eine Art Moos, dessen Triebe in sich verdrehte Dreiecke bildeten. Er befühlte es. Das Moos gab nach, aber nur bis zu dem Punkt, an dem sich die Triebe ineinander verkanteten.

»Denk an meine Worte, Rhodan Nummer siebzehn!«, sagte Worat. Das Echsenwesen aktivierte das Flugaggregat und gab Vollschub. Innerhalb weniger Augenblicke hatte es den Burgring erreicht.

»Perry!« Der Ruf erscholl aus der Ferne. Er war freudig.

»Perry, endlich!« Rhodan drehte sich um, suchte die Richtung ab, aus der die Rufe kamen. Eine Frau rannte den Hang hinunter, ihm entgegen. Sie winkte ihm zu, machte weite Sätze und blieb schließlich vor ihm stehen. Sie schnappte keuchend nach Luft. Ihr Gesicht glänzte vor Schweiß.

»Willkommen zurück, Perry!«

Es war eine Arkonidin. Die roten Augen und das weiße Haar, auch wenn es untypisch kurz geschnitten war, waren unverkennbar. Sie war jung, noch keine dreißig, und in ihrer Miene las Rhodan etwas, was ihn verblüffte: Durchtriebenheit.

»Was soll das heißen?«, brachte er heraus. »Kennen wir uns?«

Sie grinste. »Das könnte man sagen.«

»Bitte entschuldigen Sie. Ich kann mich nicht an Sie erinnern. Wer sind Sie?«

»Theta, deine Geliebte.«

»Ich kenne Sie nicht.«

3.

»Mädchen, eine Umarmung ist deine stärkste Waffe!«

Ihin da Achran, die Meisterkurtisane und spätere Rudergängerin des Imperialen Trosses, hatte es Theta unermüdlich eingebläut. Damals, als Theta kaum mehr als ein Kind gewesen war und dennoch dazu bestimmt, als Kurtisane zu einer Figur im Spiel der Kelche zu werden. Jenem Machtspiel des arkonidischen Adels, das ihr damals als das Wichtigste im ganzen Universum erschienen war.

Wie naiv sie gewesen war. Wie dumm sie alle gewesen waren.

Doch die harte Schule da Achrans hatte sich für Theta ausgezahlt. Sie hatte überlebt. Um schließlich, als sich unverhofft die Möglichkeit geboten hatte, nach dem Thron Arkons zu greifen. Aus der Kurtisane war Ihre Hoheit, die Imperatrice Emthon V., Herrscherin über das Große Imperium der Arkoniden geworden.

Aber das war Vergangenheit, lag viele Leben hinter ihr.

»Hier entlang!« Sie zeigte auf einen mit groben Steinen gepflasterten Pfad, der das Tal hinaufführte.

Perry Nummer siebzehn folgte ihr. Wie seine Brüder vor ihm. Was hätte er sonst tun sollen? Er war neugeboren, und zugleich plagten ihn die Erinnerungen an das Leben, aus dem man ihn vor wenigen Momenten erst gerissen hatte. Perry war allein, an einem fremden Ort. »Ein Fremder in einer fremden Welt«, wie sich einer seiner Brüder selbst bezeichnet hatte.

»Wohin gehen wir?« Er ließ ihre Hand nicht los.