Perry Rhodan Neo 145: Hafen der Pilger - Rüdiger Schäfer - E-Book + Hörbuch

Perry Rhodan Neo 145: Hafen der Pilger E-Book und Hörbuch

Rüdiger Schäfer

4,0

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Beschreibung

Im Jahr 2036 entdeckt der Astronaut Perry Rhodan auf dem Mond ein außerirdisches Raumschiff. In der Folge beginnt für die Erde ein neues Zeitalter – zuletzt allerdings unterbrochen durch die Invasion übermächtiger Fremdwesen. Ende Juni 2051 beginnt der Wiederaufbau der verwüsteten Erde. In dieser Situation werden Perry Rhodan, Atlan und Tuire Sitareh von einer unbekannten Macht entführt. Kurz darauf melden sich die Memeter, Angehörige einer Hochkultur, die vor Jahrzehntausenden auf der Erde existierte. Sie stellen eine unerhörte Forderung – die gesamte Menschheit soll an einen fremden Ort umgesiedelt werden. Währenddessen werden Perry Rhodan und Tuire Sitareh von dem mysteriösen Geisteswesen ES auf eine Mission geschickt, um die Milchstraße vor einer großen Gefahr zu retten. In der Zwerggalaxis Sagittarius sollen sie METEORA aufspüren – die erste Station auf ihrer Suche ist der HAFEN DER PILGER ...

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Zeit:5 Std. 50 min

Sprecher:Hanno Dinger

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Band 145

Hafen der Pilger

Rüdiger Schäfer

Im Jahr 2036 entdeckt der Astronaut Perry Rhodan auf dem Mond ein außerirdisches Raumschiff. In der Folge beginnt für die Erde ein neues Zeitalter – zuletzt allerdings unterbrochen durch die Invasion übermächtiger Fremdwesen.

Ende Juni 2051 beginnt der Wiederaufbau der verwüsteten Erde. In dieser Situation werden Perry Rhodan, Atlan und Tuire Sitareh von einer unbekannten Macht entführt.

Kurz darauf melden sich die Memeter, Angehörige einer Hochkultur, die vor Jahrzehntausenden auf der Erde existierte. Sie stellen eine unerhörte Forderung – die gesamte Menschheit soll an einen fremden Ort umgesiedelt werden.

Währenddessen werden Perry Rhodan und Tuire Sitareh von dem mysteriösen Geisteswesen ES auf eine Mission geschickt, um die Milchstraße vor einer großen Gefahr zu retten. In der Zwerggalaxis Sagittarius sollen sie METEORA aufspüren – die erste Station auf ihrer Suche ist der HAFEN DER PILGER ...

Prolog

Unser Leben währet siebzig Jahre, und wenn's hoch kommt, so sind's achtzig Jahre, und wenn's köstlich gewesen ist, so ist es Mühe und Arbeit gewesen; denn es fährt schnell dahin, als flögen wir davon.

(Bibel, Altes Testament, Psalm 90,10)

Unsterblichkeit.

Perry Rhodan ließ die dünne Kette langsam zwischen den Fingern seiner rechten Hand entlanggleiten. Angeblich war sie unzerreißbar. Ihre einzelnen Glieder waren nur zu erkennen, wenn er sie dicht vor die Augen hielt.

Vor einigen Jahren hatte der Arkonide Atlan seinen Zellaktivator für eine Reihe von Scans im Labor von Professor Oxley zur Verfügung gestellt. Laut dem Hyperphysiker bestand die Kette aus einer unbekannten Legierung, deren Zusammensetzung selbst moderne Hochfrequenznanografen nicht exakt ermitteln konnten. Das galt erst recht für den eiförmigen, keine fünf Zentimeter durchmessenden Aktivator selbst.

»Mit irdischen oder arkonidischen Mitteln ist so etwas nicht mal im Ansatz herzustellen«, hatte der Professor berichtet.

Eine Aussage, die niemanden wirklich überraschte. Damals hatte man angenommen, dass die geheimnisvollen Geräte aus den Werkstätten des Geisteswesens ES stammten.

Inzwischen wusste man, dass die Zellaktivatoren ursprünglich von den Memetern entwickelt und hergestellt worden waren. Aus einem Teil dieses Volks war ES hervorgegangen. Später hatten die Liduuri einige der Geräte nachgebaut. Sie stellten das Nonplusultra einer Technik dar, die allem, was Menschen oder Arkoniden jemals geschaffen hatten, um Jahrtausende voraus war.

Rhodan legte sich das in mattem Grau gehaltene Ei auf die Handfläche und betrachtete es im Licht seiner Kabine. Während sich die Kette metallisch kühl anfühlte, schien von dem Aktivator selbst eine kaum merkliche Wärme auszugehen. Seine Oberfläche war an mehreren Stellen zerkratzt. Die Kratzer reichten nicht tief, waren jedoch deutlich erkennbar.

Wer hat diesen Aktivator vor mir getragen?, fragte er sich. Und warum hat er ihn abgelegt? Hat er das freiwillig getan, oder wurde er dazu gezwungen? Musste er auf das ewige Leben verzichten, weil jemand der Meinung war, ich hätte es mehr verdient?

Rhodan stieß zischend die Luft aus. Wie oft hatte er in den vergangenen Tagen in seiner Unterkunft an Bord des liduurischen Wasserschiffs gesessen und über diese Fragen gegrübelt? Die Uja, die Künstliche Intelligenz des Yms, wie Fahrzeuge dieser Art von ihren Erbauern genannt wurden, wusste angeblich nichts über die Aktivatoren und ihre Geschichte. Das mochte stimmen – oder auch nicht.

Rhodan hatte das Schiff aus einer Laune heraus auf den Namen ZODIAC getauft. Er erschien ihm irgendwie passend. Nach dem Flug durch den Sonnentransmitter des Huutsystems, in dem der Planet Dismon lag, hatte das Ym Kurs auf Amrydon genommen – identisch mit der von den Menschen Sagittarius genannten Zwerggalaxis, welche die Milchstraße in einem polaren Orbit umlief. Laut der Uja würde es etwa eine Woche dauern, um die Randgebiete der Sterneninsel zu erreichen, die von der Erde rund 70.000 Lichtjahre entfernt war. Eine weitere Angabe der Schiffsintelligenz, die Rhodan glauben musste, weil sie nicht zu überprüfen war.

Er nutzte die Zeit, um neue Kräfte zu sammeln. Zumindest versuchte er es, doch immer wieder machten ihm seine quälenden Gedanken einen Strich durch die Rechnung. Da war sein überraschendes Verschwinden, nein, seine Entführung durch ES, was die Verantwortlichen im Sonnensystem – allen voran seine Familie – ohne Zweifel mit vielen Fragen zurückgelassen hatte. Da war sein Auftrag, die Suche nach METEORA, wer oder was auch immer sich hinter diesem Begriff verbergen mochte. ES verlangte von Rhodan, dass er METEORA nach Hause brachte, weil angeblich nicht nur das Schicksal der Menschheit, sondern auch die Zukunft zweier Galaxien davon abhing – nicht gerade eine geringe Verantwortung, die ihm das Geisteswesen damit aufbürdete.

Und schließlich war da der Zellaktivator, ein Gerät, das seinem Träger die relative Unsterblichkeit verlieh – ein Geschenk, das Rhodan bereits zweimal abgelehnt hatte. Seitdem trug er es meistens in der Innentasche seiner Jacke mit sich herum, brachte es jedoch nicht über sich, es wieder anzulegen.

»Geschenk?« Perry Rhodan sprach das Wort laut aus, weil er die Stille um sich nicht mehr ertrug. »Warum arbeitest du so beharrlich darauf hin, dass ich mir dieses verdammte Ding um den Hals hänge, ES? Weil du mich dann am Haken hast? Weil ich dir dann etwas schulde?«

»Fühlst du dich nicht wohl, Rach?«, hörte er die sanfte Stimme der Uja, die weder weiblich noch männlich klang.

»Mir geht es großartig«, gab Rhodan bissig zurück. »Ich führe lediglich ein paar Selbstgespräche. Stört dich das?«

»Aber nein«, versicherte das künstliche Bewusstsein. »Selbstgespräche können durchaus der Motivation förderlich sein und dazu dienen, die Gedanken zu fokussieren.«

»Ja.« Rhodan nickte. »Den ein oder anderen Fokus könnte ich gebrauchen.«

Die Aktionen von ES ergaben auf den ersten Blick nicht viel Sinn, und der Umstand, dass das schon immer so gewesen war, machte die Sache nicht besser. Warum hatte ES ihn nicht direkt nach Amrydon versetzt? Warum war er zunächst nach Dismon gebracht worden, auf eine Welt, die von Kolonialarkoniden bewohnt war und in deren interne Konflikte man ihn hineingezogen hatte?

Weil du dort den Zellaktivator in Empfang nehmen solltest, beantwortete er sich seine Frage selbst. Und weil dort ein Ym verfügbar war, mit dem du zu deinem tatsächlichen Einsatzort fliegen konntest.

Doch nach wie vor blieben zu viele Fragen offen. Was war mit Atlan und Tuire Sitareh geschehen? Sie waren gemeinsam mit ihm verschwunden; das hatte er noch mitbekommen. Sollten auch sie nach METEORA suchen? Hatte sich ES dreifach abgesichert, in der Hoffnung, dass zumindest einer der unfreiwilligen Detektive erfolgreich war?

Warum bedurfte es überhaupt eines so illustren Trios, um METEORA aufzuspüren? Wusste ES womöglich selbst nicht genau, wo sich dieses Etwas oder dieser Jemand versteckte? Und warum war METEORA so entscheidend für das Schicksal der Menschheit?

All diese Fragen hatte Rhodan auch der Uja gestellt, jedoch keine Antworten erhalten. Entweder wusste die Schiffsintelligenz tatsächlich nichts, oder sie hatte klare Anweisungen, was sie ihm sagen durfte und was nicht. Alles in allem eine Situation, die Rhodan abwechselnd ärgerte und frustrierte – und ihm damit den Schlaf raubte.

Er hatte die Uja gebeten, einige Trainingsgeräte zu erschaffen, und sich daran abgearbeitet. Die körperliche Anstrengung hatte ihm gutgetan, hatte ihm dabei geholfen, die mächtigen Gedankenberge in seinem Kopf zumindest für ein paar Stunden zur Seite zu schieben. Ansonsten verlief die Reise in nervtötender Monotonie, und er war noch nie jemand gewesen, der längere Zeit einfach untätig herumsitzen konnte.

1.

Das von der Uja projizierte Holo füllte fast den gesamten hinteren Teil der Zentrale aus. Perry Rhodan hatte sich von der Schiffsintelligenz einen breiten Sessel und ein halbkreisförmiges Steuerpult mit einigen rudimentären Kontrollen errichten lassen, um zumindest das Gefühl zu haben, in einem Raumschiff mit halbwegs vertrauter Technik zu reisen und dessen Kurs beeinflussen zu können. Die beiden Objekte waren wie üblich aus dem Nichts erschienen. Das liduurische Wasserschiff war, wie er aus Erfahrung wusste, in der Lage, sich in seinem Innern praktisch beliebig umzugestalten und sich den Wünschen seiner jeweiligen Passagiere anzupassen.

»Sind wir angekommen?«, fragte Rhodan.

Das Holo zeigte eine beachtliche Sternenfülle. Er versuchte, irgendwo in dem Gewimmel das leuchtende Band der Milchstraße auszumachen, doch falls das da vor ihm tatsächlich die Zwerggalaxis Sagittarius war, hatte sich die ZODIAC ihr so weit angenähert, dass ihre rund eine Milliarde Sonnen alles andere überstrahlten.

»Nein«, antwortete die Uja. »Wir haben zwar den Hyperraum verlassen, aber wir sind am Rand des Kugelsternhaufens materialisiert, den die Menschen Messier vierundfünfzig nennen.«

Soll ich mich darüber wundern, woher ihr die irdische Nomenklatur für astronomische Objekte bekannt ist?, schoss es durch Rhodans Kopf. Er schob den Gedanken beiseite und kramte stattdessen in seinem Gedächtnis.

»Wenn ich mich nicht irre, galt der Haufen noch bis 1993 als der Milchstraße zugehörig«, sagte er. »Dann entdeckte man, dass er in Wirklichkeit Sagittarius umkreist. Oder Amrydon, wie ES die Zwerggalaxis nennt.«

Er hatte im Stillen gehofft, die Uja mit seiner letzten Bemerkung zu verleiten, zusätzliche Informationen bezüglich seiner Mission herauszugeben, doch er sah sich getäuscht. Wie die nächsten Sätze der Schiffsintelligenz bewiesen, gab es derzeit ohnehin drängendere Probleme.

»Unser Hyperraumaustritt ist unplanmäßig erfolgt. Außerdem hat uns ein starker Traktorstrahl erfasst. Er zieht uns in Richtung eines Asteroiden ...«

In einem zweiten Holo erschien das Abbild eines länglichen, rund zwei Kilometer großen Gesteinsbrockens mit graublauer, von zahlreichen Kratern übersäter Oberfläche. Er wies keinerlei Eigenrotation auf; für Objekte dieser Art äußerst ungewöhnlich.

Auf den ersten Blick fühlte sich Rhodan an eine überdimensionierte Kartoffel erinnert. »Willst du mir damit sagen, dass du dich nicht aus eigener Kraft befreien kannst?«

»Ich habe es versucht«, bestätigte die Uja. »Die Wirkungsintensität des Zugstrahls passt sich der Leistung meiner Triebwerke automatisch an. Ich orte mehrere starke Energieerzeuger im ungefähren Mittelpunkt des Asteroiden. Die entsprechenden Zielkoordinaten habe ich bereits erfasst und ...«

»Du wirst auf keinen Fall Waffen einsetzen!«, stieß Rhodan scharf hervor. »Zumindest jetzt noch nicht. Hast du das verstanden?«

»Du hast laut genug gesprochen, Rach.«

Irrte er sich, oder klang die Uja tatsächlich ein wenig verschnupft? Rhodan hatte der Bordintelligenz bereits zweimal angeboten, ihn mit seinem Vornamen anzureden doch sie hatte den Vorschlag schlicht ignoriert.

»Ich empfange einen Funkspruch«, meldete die Uja.

Gleich darauf erklang eine dunkle, kehlige Männerstimme, die von der Schiffsintelligenz für Rhodan automatisch ins Englische übersetzt wurde. »Sie stehen im Begriff, in das Territorium der Ambaphalitischen Autarkie einzudringen. Das Territorium umfasst zur Gänze Suurt, den vorgelagerten Kugelsternhaufen der Galaxis Astar. Das Durchfliegen des Territoriums ist ausnahmslos nur ambaphalitischen Raumschiffen gestattet. Fremdschiffen ist der Einflug untersagt. Allein Passagen zur Pilgerwelt Ambaphal können gegen Gebühr gewährt werden. Sie werden in Kürze von der nächstfliegenden Kombattantenpatrouille aufgesucht und vom zuständigen Dignitar gemäß der Sakrosankten Totalität beurteilt werden.«

Eine Automatikdurchsage, erkannte Rhodan, während der unbekannte Sprecher seinen Monolog von vorn begann. Gleichzeitig aktivierte sich ein neues Holo, das ein höchst ungewöhnliches Wesen zeigte.

Der Fremde war eindeutig humanoid. Der mächtige Schädel mit den schräg stehenden Katzenaugen wurde von einer wallenden Mähne umgeben, die weit über die Schultern bis zum Rücken hinunterreichte. Die Haarpracht schimmerte rotgolden und wurde von hinten effektvoll beleuchtet – vermutlich, um größtmöglichen Eindruck beim Betrachter zu schinden.

Unter der niedrigen Stirn saß eine breite Nase. Der Mund bewegte sich schnell, wobei die fleischigen Lippen immer wieder Teile eines imponierenden Raubtiergebisses entblößten. Auch das Gesicht war von mehr oder weniger dichtem Haarwuchs bedeckt. Die Ähnlichkeit des Manns mit einem Exemplar der irdischen Tierart Panthera leo – einem Löwen – war verblüffend.

»Was sagt die Ortung?«, fragte Rhodan. »Kannst du Schiffe in der Nähe entdecken?«

»Nein«, lautete die Antwort. »Wir sind allein. Ich kann weder Fahrzeuge irgendwelcher Art ausmachen noch auf dem Asteroiden selbst Anzeichen für organisches Leben feststellen.«

»Dann sind wir also nicht in unmittelbarer Gefahr.« Rhodan hatte vornehmlich zu sich selbst gesprochen. Dennoch fühlte sich die Uja bemüßigt, etwas zu sagen.

»Diese Schlussfolgerung ist übereilt, weil ihr nicht alle notwendigen Fakten zugrunde liegen. Es sind durchaus Szenarien denkbar, in denen sich ...«

»Was sollten wir deiner Ansicht nach tun?«, unterbrach Rhodan brüsk. »Das Feuer eröffnen und uns damit gleich zu Beginn jeglicher diplomatischen Alternative berauben?«

»Wir werden angegriffen!«

»Nein, das werden wir nicht«, widersprach Rhodan. »Man hält uns fest, weil wir im Begriff stehen, in das Territorium einer fremden Kultur einzufliegen. Das ist kein Angriff, sondern Vorsicht. Ich würde genauso vorgehen, wenn sich ein unbekanntes Raumschiff unangemeldet der Erde nähert.«

»Wie sollen wir uns also verhalten, Rach?«, wollte die Uja wissen.

»Wir tun genau das, zu was wir aufgefordert werden. Wir warten auf die nächstfliegende Kombattantenpatrouille und lassen uns beurteilen – wie immer diese Beurteilung auch ablaufen mag.«

Die Schiffsintelligenz schwieg. Rhodan lauschte erneut den auch beim zweiten Zuhören ungewöhnlichen Formulierungen des Funkspruchs. Die meisten der Begriffe sagten ihm nichts. Astar war fraglos der Name, den die Löwenmenschen Sagittarius gegeben hatten. Den Kugelsternhaufen M 54 nannten sie offenbar Suurt – und er wurde von einer Ambaphalitischen Autarkie beherrscht, die Passagen zu einer Pilgerwelt verkaufte und etwaige Reisende nach den Kriterien eines Regelwerks überprüfte, das die vom Translator etwas sperrig übersetzte Bezeichnung Sakrosankte Totalität trug.

»Ich möchte, dass du die Zeit nutzt und den Asteroiden sowie die nähere Umgebung mit allem abtastest, was deine Technik hergibt!«, ordnete Rhodan an. »Sonden oder Drohnen bleiben allerdings an Bord. Wir tun nichts, was ein etwaiger Beobachter als Provokation auffassen könnte.«

»Der Einsatz von Ortern und Tastern kann durchaus als Provokation interpretiert werden. Es kommt nur darauf an ...«

»Musst du eigentlich immer das letzte Wort haben?«, ließ er die Uja erneut nicht ausreden.

»Wenn du wünschst, dass ich schweige, werde ich das selbstverständlich tun, Rach.« Da war die unterschwellige Verstimmtheit wieder. Diesmal war sich Rhodan sicher: Die Schiffsintelligenz legte eindeutig einen gekränkten Tonfall in ihre Äußerungen. Er seufzte innerlich. »Ich verbiete niemandem den Mund«, sagte er dann. »Oder in deinem Fall die Akustikfelder.«

Der müde Scherz fand kein Echo. Vielleicht war die Uja nun tatsächlich beleidigt.

Gut drei Stunden später sprach die Ortung an. Eine Gruppe von sechs Raumschiffen kam wenige Lichtminuten vom Asteroiden entfernt aus dem Hyperraum und flog in lockerer Formation auf die ZODIAC zu. Die zweihundert Meter langen Einheiten erinnerten in ihrer Form an Birnen mit ausgeprägtem »Bauch«. Kurz vor Erreichen des Yms fächerten sie auseinander. Ihre Schutzschirme waren aktiviert; es gab allerdings keine Anzeichen für einen bevorstehenden Angriff. Die Birnenraumer bremsten ab und kamen in rund 50.000 Kilometern Entfernung zum Stillstand.

»Wir werden angefunkt«, meldete die Uja.

»Das war zu erwarten.« Rhodan hatte es sich in seinem Sessel bequem gemacht und überprüfte ein letztes Mal den korrekten Sitz seiner weinroten Protektorenuniform. Nach den Abenteuern auf Dismon hatte die Uja die Montur gründlich gereinigt und einige beschädigte Stellen repariert. Das Kleidungsstück sah aus, als käme es frisch vom Schneider. »Das dürfte wohl die Kombattantenpatrouille sein.«

Kaum hatte er den Satz zu Ende gesprochen, projizierte die Schiffsintelligenz ein Holo über seiner Konsole. Es zeigte einen Löwenmenschen, der sich nur unwesentlich von jenem Exemplar unterschied, das Rhodan bereits vom ersten Funkspruch her kannte. Die Mähne des Fremden wirkte nicht ganz so voll und üppig, und die Haare im Gesicht hatten sich an mehreren Stellen deutlich gelichtet. Vermutlich handelte es sich um einen bereits älteren Vertreter seiner Art.

»Hier spricht Dignitar Karisch«, eröffnete der Löwenartige das abermals vom Translator des Yms übersetzte Gespräch. »Ich bin der mit allen Vollmachten ausgestattete Mittler der Ambaphalitischen Autarkie für diesen Netzabschnitt. Die ersten Scans Ihres Raumschiffs sind zufriedenstellend verlaufen. Ich begrüße Sie im Namen der Großen Frau im Kerngebiet der Gurrads.«

»Vielen Dank, Dignitar«, sagte Rhodan. »Mein Name ist Perry Rhodan. Es tut mir leid, wenn ich ohne Erlaubnis in das Hoheitsgebiet Ihres Volks eingedrungen bin. Mein Ziel war die Galaxis Astar, doch mein Schiff wurde verfrüht aus dem Hyperraum gerissen.«

»Das geschieht mit jedem Fahrzeug, das sich Suurt bis auf eine bestimmte Distanz nähert.« Bei diesen Worten machte Karisch einen überaus selbstzufriedenen Eindruck. »Unsere Heimat wird von einem dichten Netzwerk aus Asteroiden geschützt, das jeden nicht autorisierten Einflug sofort meldet und das betreffende Schiff bis zur Ankunft einer Patrouille festhält.«

»Das habe ich bemerkt.« Rhodan konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen. Sein Gegenüber war zweifellos sehr stolz auf das Abwehrnetz, auch wenn Rhodan bezweifelte, dass es tatsächlich den kompletten Kugelsternhaufen umschloss. Dafür war ein solches Gebilde einfach zu groß.

Zudem kamen ihm die Birnenraumer alles andere als technisch hoch entwickelt vor. Auch die Ortungsergebnisse der Uja bestätigten diesen ersten Eindruck. Nach Rhodans Einschätzung würde ein einzelner Leichter Kreuzer im Ernstfall spielend mit den sechs Gurradbirnen fertig werden. Die Technik, die benötigt wurde, um ein Raumschiff wie die ZODIAC mitten während der Transition aus dem Hyperraum zu reißen und danach festzusetzen, stand dazu in krassem Widerspruch.

»Wenn ich gegen geltende Gesetze verstoßen habe, geschah das unwissentlich«, gab sich Rhodan reumütig. »Ich versichere Ihnen, dass meine Absichten rein friedlicher Natur sind, und hoffe, dass mein Verhalten keinen Schatten auf unsere Begegnung wirft.« Er trug absichtlich ein weniger dicker auf, als es bei einem Erstkontakt üblicherweise seine Art war – und seine Ahnung trog ihn nicht.

Karisch zeigte sich für diese Form von versteckter Schmeichelei offenkundig empfänglich und neigte den mächtigen Schädel. Seine Mundwinkel zogen sich zur Seite und entblößten ein Gebiss, in dem die vier Eckzähne spitz herausstachen; weniger dominant als bei den Löwen auf der Erde, aber nicht zu übersehen. Die Gurrads stammten ganz sicher nicht von Vegetariern ab.

»Amba und Mahapu heißen jeden willkommen, der reinen Herzens ist«, verkündete der Dignitar salbungsvoll. »Sind Sie auf der Suche, Perry Rhodan?«

»Das könnte man so sagen«, gab Rhodan spontan zurück. »Ich bin ein Reisender und am Austausch mit anderen Kulturen interessiert. Mein höchstes Ziel ist das Erlangen von Wissen und der Gewinn von Erkenntnis.«

»Dann sind Sie am richtigen Ort. Eine Pilgerreise nach Ambaphal ist für jeden Suchenden die Erfüllung. Und wenn Sie dem Stein der Weisheit die eine Frage stellen, wird die Große Frau Ihnen antworten.«

Rhodan schwieg, neigte aber ebenfalls den Kopf. Vieles von dem, was Karisch sagte, ergab noch keinen Sinn, weil ihm wichtige Informationen zu den Verhältnissen in Suurt fehlten. Was erwartete ES von ihm? Hatte ihn das Geisteswesen nicht dazu aufgefordert, nach Sagittarius zu reisen? Stattdessen war er weit entfernt am Rand eines Sternhaufens gestrandet, der augenscheinlich von einer Art Sekte beherrscht wurde. Wie würden Karisch und seine Begleiter reagieren, wenn Rhodan sich gegen die angebotene Pilgerreise entschied und den Wunsch äußerte, unbehelligt weiterreisen zu dürfen?

»Ihr Schiff ...«, sagte der Dignitar sanft, »... ist überaus beeindruckend. So etwas habe ich noch nie zuvor gesehen. Ich habe in meiner Rolle als demütiger Diener Ambas bereits viele Fremde begrüßt, aber jemand wie Sie ist mir noch nie begegnet. Darf ich fragen, woher Sie kommen, Perry Rhodan?«

»Meine Heimat liegt in der großen Sterneninsel, um die Astar und Suurt kreisen. Mein Volk nennt sie Milchstraße ... und sich selbst Menschen.«

»Milchstraße«, wiederholte Karisch. »Ein klingender Name. Wir Gurrads bezeichnen die große Spirale als Akantra. Das erklärt vieles. Sie haben wahrlich eine lange Reise hinter sich. Was mich zu einer nicht ganz unwichtigen Frage führt: Ist die Kunde von Ambas Weisheit tatsächlich schon bis in solche Fernen gedrungen, oder sind Sie durch reinen Zufall hier?«

Für einen Moment war Rhodan unsicher. Er durfte sich von Karischs freundlicher Art nicht einlullen lassen. Der Dignitar war alles andere als dumm. Vermutlich beurteilte er tagtäglich potenzielle Kandidaten hinsichtlich ihrer Eignung für eine Pilgerreise nach Ambaphal.

»Würde das einen Unterschied machen?«, rettete sich Rhodan in eine Gegenfrage. »Nehmen wir einmal an, ich wäre wirklich durch reinen Zufall von Ihrem Abwehrnetz eingefangen worden. Würde das meine Beurteilung negativ beeinflussen?«

»Wenn Sie vor den Stein der Weisheit treten und Ihre Frage stellen möchten, spielt die Art und Weise, auf die Sie von seiner Existenz erfahren haben, keine Rolle«, antwortete der Dignitar. »Vor allem dann nicht, wenn Sie sich die Reise leisten können ...«

Aha, dachte Rhodan. Darauf läuft es also hinaus. Wie in der Milchstraße hat auch in Suurt alles seinen Preis. Vor allem, wenn es um die Anrufung höherer Mächte geht! »Und was würde mich die Passage nach Ambaphal kosten?«, wollte er erfahren.

»In Ihrem Fall könnte ich einen angemessenen Technologietransfer in Betracht ziehen. Ich bin sicher, dass wir uns diesbezüglich einigen können. Wenn Ihr Raumschiff das hält, was der erste Eindruck verspricht, werden Sie die Reise nach Ambaphal bereits in wenigen Tagen antreten können.«

Rhodan nickte. Technologietransfer. War das etwa die Erklärung für das erstaunliche Asteroidennetz der Gurrads? Hatten die Löwenmenschen das für den Schutzwall notwendige Know-how irgendwann als Gegenleistung für einen Flug zur Pilgerwelt erhalten? Er hatte Mühe, sich vorzustellen, dass jemand für eine solche Passage tatsächlich derart hochwertige Technik weitergab. Und selbst wenn Rhodan auf Karischs Angebot einging: Es war fraglich, ob die Uja mit einer solchen Entscheidung einverstanden wäre. Schließlich gehörte Rhodan die ZODIAC nicht.

Er legte sich gerade seine nächsten Worte zurecht, als ein dumpfes, auf- und abschwellendes Brummen ertönte. Der basslastige Ton war so tief und laut, dass er das Gefühl hatte, sein gesamter Körper würde vibrieren.

»Was ...?«, stieß er hervor.

Doch Karisch antwortete nicht mehr. Bevor der Dignitar die Funkverbindung unterbrach, hörte Perry Rhodan einen der anderen Gurrads aus dem Hintergrund der fremden Zentrale noch einen vom Translator nicht übersetzten Begriff rufen: Mutama!

2.

Die zwölf Birnenraumer glichen den Einheiten unter Karischs Kommando aufs Haar – und sie verloren keine Sekunde. Kaum waren sie materialisiert, flackerten die Schutzschirme von zwei der Patrouillenschiffe schon unter schweren Treffern und brachen nur wenige Atemzüge später zusammen. Entsetzt musste Rhodan mit ansehen, wie die Angreifer trotzdem gnadenlos weiterschossen. Ihre Waffenstrahlen schnitten tief in die stählernen Leiber der Gegner und rissen furchtbare Wunden. Die Gurrads der Patrouille hatten keine Chance. Noch bevor sie auch nur daran denken konnten, ihre auseinanderbrechenden Raumer in Beibooten oder Rettungskapseln zu verlassen, vergingen die Schiffe in einer Serie von heftigen Explosionen. Zu diesem Zeitpunkt hatte der Rest von Karischs Streitmacht längst Fahrt aufgenommen. Die vier verbliebenen Einheiten rasten mit maximaler Beschleunigung davon.

All das hatte nicht mal zwei Minuten gedauert, und nun, da die Neuankömmlinge – die Mutama? – die Patrouille erfolgreich in die Flucht geschlagen hatten, wandten sie ihre Aufmerksamkeit dem Wasserschiff zu. Zwei der Birnen änderten bereits den Kurs und näherten sich dem Asteroiden und der ZODIAC.

»Werden wir angefunkt?«, fragte Rhodan und erhob sich aus seinem Sessel.

»Nein«, lautete die knappe Antwort der Uja.

»Na schön, dann übernehmen wir das.« Er räusperte sich. »Hier spricht Perry Rhodan. Ich wende mich an ...«

Der Ruck, der durch die ZODIAC ging, war so heftig, dass er Rhodan straucheln ließ. Bevor er gegen die Konsole prallen und sich verletzten konnte, projizierte die Uja ein paar schützende Prallfelder, die ihn wieder auf seinen Platz zurückbeförderten.

»Wir werden angegriffen«, meldete die Schiffsintelligenz lakonisch. Für Perry Rhodan klang es eher wie: »Habe ich es nicht von Anfang an gesagt?«

Eine zweite Erschütterung lief durch das Wasserschiff. Im Holo waren blassblaue Energiebahnen zu sehen, die zwischen den Birnenschiffen und der ZODIAC aufblitzten und wieder erloschen. Anscheinend gehörten die Mutama zu jenen unangenehmen Zeitgenossen, die erst schossen und dann Fragen stellten.

»Sind wir in Gefahr?«, fragte Rhodan.

»Die Belastung meines Schutzschirms liegt bei knapp über zwanzig Prozent«, antwortete die Uja. »Allerdings haben inzwischen auch die anderen Schiffe Kurs auf unsere Position genommen. Dem Beschuss von zwölf Gegnern werde ich nicht unbegrenzt standhalten.«

»Gut. Dann versuchen wir es noch einmal mit einer Kontaktaufnahme ... Hier spricht Perry Rhodan. Ich wende mich an die unbekannten ...«

Auch diesmal gelang es ihm nicht, seine Ansprache zu beenden. Immerhin wurde er nicht erneut durch einen Waffeneinsatz unterbrochen.

Stattdessen drang eine herrische Stimme aus den Akustikfeldern: »Wer Sie sind, tut nichts zur Sache. Ich bin Vanjak. Desaktivieren Sie Ihren Schutzschirm, und öffnen Sie einen Zugang für ein Enterkommando. Sollten Sie meiner Aufforderung nicht innerhalb der nächsten dreißig Sekunden Folge leisten, eröffnen wir erneut das Feuer. Und diesmal mit allen Schiffen!«

»Hören Sie ...«, setzte Rhodan an.

Doch der Gurrad hatte bereits abgeschaltet. Er hatte es nicht einmal für nötig befunden, eine Bildverbindung aufzubauen, sondern lediglich knapp und klar seine Anweisungen diktiert.

»Na schön«, sagte Rhodan grimmig. »Auch meine Geduld hat ihre Grenzen. Zeigen wir unseren unhöflichen Freunden, dass wir nicht wehrlos sind. Ich will, dass du ein paar Warnschüsse abfeuerst! Tu ihnen nicht wirklich weh, aber mach ihnen klar, dass wir im Notfall durchaus in der Lage sind, zurückzubeißen.«

»Das kann ich nicht.« Die Uja klang auf einmal sehr kleinlaut.

»Was soll das heißen: Du kannst nicht?«

»Die Waffensysteme funktionieren nicht. Etwas legt sie lahm, und ich habe keine Ahnung, was es ist.«

Der Asteroid, durchzuckte es Rhodan. Er fesselt uns nicht nur an Ort und Stelle, sondern sorgt auch dafür, dass wir uns nicht mit Gewalt befreien können.

»Schalte den Schutzschirm ab und öffne eine Schleuse!«, befahl er. »Vorerst haben wir keine andere Wahl, als uns zu fügen.«

Die Uja schwieg, befolgte jedoch die Anweisungen. Vermutlich hatte die eigene Hilflosigkeit ihrer forschen Art einen gehörigen Dämpfer versetzt.

Kurz darauf lösten sich zwei klotzig wirkende Fahrzeuge von einem der Birnenschiffe und strebten der ZODIAC entgegen. Die Fähren waren knapp vier Meter lang und kaum mehr als quaderförmige Metallkisten mit Impulsdüsen im Heck und einer transparenten Kommandokapsel im Bug. Noch bevor sie sich dem Wasserschiff auf weniger als fünftausend Kilometer genähert hatten, gab die Uja erneut Alarm.

»Was jetzt?«, fragte Rhodan genervt.

Völlig unvermittelt war ein weiteres Raumschiff erschienen – und es gehörte zweifellos nicht zu den Gurrads. Auch Rhodan war die in dunklem Blau schimmernde Kugel unbekannt. In gewisser Weise ähnelte sie dem Ym, was die folgende Reaktion Vanjaks zumindest in Teilen verständlich machte.

»Das werden Sie bereuen, Perry Rhodan!«, klang die wütende Stimme des Gurrads durch die Zentrale der ZODIAC. »Wenn Sie glauben, die Mutama in einen Hinterhalt locken zu können, haben Sie sich getäuscht ...«

»Sie reden Unsinn!«, rief Rhodan. »Ich kenne dieses fremde Schiff nicht! Wenn ich Sie in einen Hinterhalt hätte locken wollen ...«