Perry Rhodan Neo 60: Der Kristallpalast - Rüdiger Schäfer - E-Book + Hörbuch

Perry Rhodan Neo 60: Der Kristallpalast E-Book und Hörbuch

Rüdiger Schäfer

4,8

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Beschreibung

Als der Astronaut Perry Rhodan im Juni 2036 zum Mond aufbricht, ahnt er nicht, dass sein Flug die Geschicke der Menschheit in neue Bahnen lenken wird. Rhodan stößt auf ein Raumschiff der technisch weit überlegenen Arkoniden. Es gelingt ihm, die Freundschaft der Gestrandeten zu gewinnen - und schließlich die Menschheit in einem einzigen, freiheitlichen Staat zu einen: der Terranischen Union. Perry Rhodan hat das Tor zu den Sternen geöffnet. Doch die neuen Möglichkeiten bergen neue Gefahren: Von dem Gelehrten Crest da Zoltral erfährt er, dass die Koordinaten der Erde im Epetran-Archiv auf Arkon gespeichert sind. Mit einigen Gefährten startet Rhodan unverzüglich ins All. Er muss die Koordinaten löschen, bevor sie in die falschen Hände geraten und die Macht des Großen Imperiums die Erde zerschmettert. Rhodan erkennt: Er und seine Begleiter müssen in den Kristallpalast eindringen, das Zentrum der arkonidischen Macht - und der Schauplatz des gnadenlosen Spiels der Kelche …

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Zeit:5 Std. 41 min

Sprecher:Axel Gottschick
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Band 60

Der Kristallpalast

von Rüdiger Schäfer

Als der Astronaut Perry Rhodan im Juni 2036 zum Mond aufbricht, ahnt er nicht, dass sein Flug die Geschicke der Menschheit in neue Bahnen lenken wird.

Rhodan stößt auf ein Raumschiff der technisch weit überlegenen Arkoniden. Es gelingt ihm, die Freundschaft der Gestrandeten zu gewinnen – und schließlich die Menschheit in einem einzigen, freiheitlichen Staat zu einen: der Terranischen Union.

Perry Rhodan hat das Tor zu den Sternen geöffnet. Doch die neuen Möglichkeiten bergen neue Gefahren: Von dem Gelehrten Crest da Zoltral erfährt er, dass die Koordinaten der Erde im Epetran-Archiv auf Arkon gespeichert sind. Mit einigen Gefährten startet Rhodan unverzüglich ins All. Er muss die Koordinaten löschen, bevor sie in die falschen Hände geraten und die Macht des Großen Imperiums die Erde zerschmettert.

Rhodan erkennt: Er und seine Begleiter müssen in den Kristallpalast eindringen, das Zentrum der arkonidischen Macht – und der Schauplatz des gnadenlosen Spiels der Kelche ...

1.

Das Bild auf dem Panoramaholo wirkte verschwommen. Perry Rhodan blinzelte und wischte sich mit dem Handrücken über die Augen. Sofort gewann die Wolkendecke, die sich auf dem Monitor wie ein weißer weicher Teppich in alle Himmelsrichtungen erstreckte, an Konturen.

Die bis auf den letzten Platz besetzte Fähre ging schnell tiefer. Auf dem Bildschirm sah es beinahe so aus, als würde sie abstürzen. Die von den Absorbern neutralisierten Andruckkräfte relativierten diesen Eindruck allerdings wieder.

Zwei Sitze weiter hatten Ishy Matsu und Iwan Goratschin Platz genommen. Die Hand der zierlichen Japanerin, die noch immer erschöpft und von ihren Erlebnissen auf Iprasa gezeichnet war, ruhte in der riesigen Pranke des Zündermutanten. Keiner der beiden bemerkte seinen Blick. Sie hatten ihre Augen wie gebannt auf den großen Schirm gerichtet.

Neben ihm saß Onat da Heskmar. Der greise Arkonide verfolgte den Landeanflug mit einer Gleichgültigkeit, die Rhodan ihm nicht abkaufte. Auch für da Heskmar musste dieser Moment etwas Besonderes sein. Wann war er das letzte Mal hier gewesen? Wann hatte er seinen Fuß zum letzten Mal auf den Boden seiner Heimatwelt gesetzt?

Crests ehemaliger Weggefährte hatte die Lider halb geschlossen, was sein ausgemergeltes Gesicht mit der sonnenverbrannten Haut noch abgelebter erscheinen ließ. Mit seinen fast zweihundert Lebensjahren war er auch für arkonidische Verhältnisse uralt.

»Bedrückt Sie etwas, Rhodan?«, fragte Onat da Heskmar leise und ohne den Kopf zu wenden. Der größte Teil seines Schädels war von einer grauen Kapuze bedeckt, die er vermutlich trug, um seine schwarzen Haare zu verbergen. Nach eigener Aussage verdankte er diese für Angehörige seines Volkes ungewöhnliche Färbung dem hohen Alter. Arkoniden, die sich dem Ende ihres zweiten Lebensjahrhunderts näherten, so hatte da Heskmar Rhodan und seinen Begleitern auf Iprasa eröffnet, waren oft von einer ganzen Reihe körperlicher Veränderungen betroffen. Der Wechsel der Haarfarbe war dabei noch eine der harmloseren.

»Ich bin mir ehrlich gesagt nicht sicher«, antwortete Perry Rhodan.

»Unsicherheit besteht zum größten Teil aus grundloser Furcht.«

»Wovor sollte ich mich fürchten?«

Onat da Heskmar verzog die dünnen Lippen zu einem feinen Lächeln und lachte leise. »Ich habe viele junge Männer gekannt«, sagte er dann. »Die meisten waren wie Sie. Forsch, entschlossen, abenteuerlustig – und furchtlos.«

»Gepaart mit ein bisschen Verstand sind das nicht die schlechtesten Eigenschaften.«

»Da mögen Sie recht haben.« Da Heskmar nickte bedächtig. »Aber lassen Sie uns weitere philosophische Erörterungen zurückstellen. Wir sind da. Willkommen auf Arkon I!«

Die Fähre durchstieß die bislang scheinbar undurchdringliche Wolkenschicht. Das Fahrzeug hatte seine Sinkgeschwindigkeit deutlich verringert, und der Nebel auf dem Panoramaschirm verschwand, als hätte jemand einen Vorhang beiseitegezogen. Rhodan erkannte eine weitläufige Parklandschaft. Inseln aus hohen, ausladenden Nadelbäumen, die an irdische Pinien erinnerten, wechselten sich mit sorgfältig gestutzten Rasenflächen ab. Beete mit ebenso exotischen wie farbenprächtigen Blumen säumten breite Kieswege, die sich in sanften Kurven durch die allgegenwärtige Blütenpracht wanden. Dazwischen schimmerten die silbernen Oberflächen künstlich angelegter Teiche, die über ein mäanderndes Netz schmaler Kanäle miteinander verbunden waren.

Als hätte sich die Natur höchstpersönlich dazu entschlossen, Rhodans erste Eindrücke der Zentralwelt des Großen Imperiums so imposant wie möglich zu inszenieren, riss die Wolkendecke plötzlich auf. Das Licht der gerade erst aufgegangenen Sonne erweckte die unter der Fähre dahinziehende Landschaft auf geradezu magische Weise zum Leben. Es brach sich in Milliarden winziger Tautropfen, die in den Nadeln und Zweigen der Waldinseln hingen, und machte jedem Besucher auf diese Weise bewusst, warum man den Planeten unter anderem als Kristallwelt bezeichnete.

In unregelmäßigen Abständen ragten die Trichterbauten in den Himmel. Rhodan kannte diese typisch arkonidische Architektur bereits. Die Hochhäuser waren ausnahmslos so harmonisch in die Landschaft integriert und von üppiger Vegetation überwuchert, dass sie auf den ersten Blick wie besonders große Bäume wirkten. Lediglich an den riesigen Dachterrassen, die von kuppelförmigen Gewächshäusern, Springbrunnen und Blumenrabatten beherrscht wurden, sah Rhodan, dass dort jemand wohnte.

Der gewaltige Garten erstreckte sich über eine Reihe sanft ansteigender Hügel hinweg bis zum Horizont. Als die Fähre weiter an Höhe verlor, konnte Rhodan die ersten Arkoniden ausmachen. Zu dieser vergleichsweise frühen Stunde waren es nicht viele. Sie spazierten ohne Hast durch die Grünanlagen oder sahen kugelförmigen Robotern dabei zu, wie sie Büsche stutzten, Rasenkanten beschnitten oder neue Beete anlegten. Niemand schien es besonders eilig zu haben; nach Raumschiffen, Gleitern oder gar bodengebundenen Fahrzeugen suchte er vergeblich.

»Ein Paradies, nicht wahr?«

Perry Rhodan zuckte beim Klang von Onat da Heskmars Stimme zusammen, so tief war er in den Anblick der fremden Welt unter sich versunken gewesen. Irrte er sich, oder schwang da ein Hauch von Spott in den Worten des alten Arkoniden mit?

»Allerdings«, gab er zurück. »Sieht es überall auf Arkon I so aus wie hier?«

»Soweit es den Hauptkontinent Laktranor betrifft, ja. Gos'Ranton ist das Juwel der drei Welten, die Wiege der arkonidischen Kultur. Hier hat alles angefangen. Hier haben die meisten Legenden ihren Ursprung. Der Planet ist über die Jahrtausende zu einer reinen Wohnwelt geworden, und man achtet peinlich darauf, dass nichts den Eindruck von imperialer Ruhe und Erhabenheit stört.«

Rhodan nickte und konzentrierte sich wieder auf den Bildschirm. Das alles erinnerte ihn ein wenig an das Gelände des Faehrl-Instituts auf Iprasa – nur in einem vielfach größeren Maßstab. Am Horizont glaubte er die Silhouetten einiger hoher Türme zu erkennen. Ihre Entfernung ließ sich jedoch unmöglich abschätzen, da ein leichter Morgennebel wie ein Schleier über der Landschaft lag.

Sie waren erst vor wenigen Stunden auf Shulukai, dem größten Raumhafen Laktranors, gelandet. Onat da Heskmar hatte ihnen nicht nur passende Kleidung besorgt, sondern auch vier Passagen auf einem der Zubringer gebucht, die regelmäßig zwischen der Kristallwelt und den meisten anderen Planeten des Arkon-Systems verkehrten.

Chabalh spielte wieder einmal die Rolle des Haustiers. Leider hatte man am Raumhafen darauf bestanden, dass der Purrer den Flug zum Thek-Laktran, dem Hügel der Weisen, im Frachtraum der Fähre zurücklegte.

Rhodan hatte versucht, da Heskmar über ihr Ziel auszufragen. Der Arkonide hatte lange Zeit nicht nur auf Arkon I, sondern sogar im Gos'Khasurn, dem Kristallpalast und Sitz des Regenten, gelebt. Die Antworten des alten Mannes waren jedoch einsilbig und nichtssagend ausgefallen. Rhodan gewann schnell den Eindruck, dass da Heskmar nicht an seine Vergangenheit erinnert werden wollte.

Die Fähre neigte sich nach rechts und beschrieb eine großzügige Kurve. Auf dem Panoramaschirm rückte eine Ansammlung flacher Gebäude ins Blickfeld, die aussahen, als hätte jemand eine Handvoll überdimensionaler Würfel in die Parklandschaft geworfen. Zwischen den Bauten lag ein viereckiges Landefeld, auf dem bereits mehrere andere Fähren parkten. Einige Arkoniden in roten Uniformen kümmerten sich um die aussteigenden Passagiere und lotsten sie in das größte der Gebäude, offenbar eine Art Empfangszentrum.

Aus den Augenwinkeln bemerkte Rhodan, dass da Heskmar mit der rechten Hand in die Tasche seiner Jacke griff. Er zog jedoch nichts daraus hervor, sondern schien an etwas herumzuspielen – eine nervöse Geste, die Rhodan nicht zum ersten Mal auffiel. Sofort kehrte das Misstrauen zurück.

Er kannte da Heskmar erst seit wenigen Tagen, wusste praktisch nichts über ihn. Dennoch hatte er sein Schicksal und das seiner Gefährten in die Hände des greisen Arkoniden gelegt. Sicher, da war die Botschaft Crests, der sozusagen für seinen alten Freund bürgte, doch ein gewisses Unbehagen blieb. Die Suche nach dem Epetran-Archiv und somit das Wohl und Wehe der Erde und ihrer Bewohner standen und fielen mit dem Erfolg ihrer Mission auf Arkon I. War es klug, sich in dieser Hinsicht einzig und allein auf einen Mann zu verlassen, der entscheidende Informationen bestenfalls häppchenweise preisgab?

Perry Rhodan atmete tief durch, während die Fähre den ihr zugewiesenen Landeplatz ansteuerte. Wie so häufig in den letzten Wochen hatte er keine Wahl. Nicht er, sondern die Notwendigkeiten diktierten sein Handeln. Onat da Heskmar hatte ihnen Papiere besorgt. Sie gaben sich nach wie vor als Gha'essold, als Schatzjäger, aus, eine Tarnung, die damals aus der Not geboren worden war und die ihnen schon im Artekh-System nicht mehr viel genutzt hatte. Auf Arkon I, daran hatte da Heskmar keinen Zweifel gelassen, wären sie innerhalb kürzester Zeit aufgeflogen, denn dort waren die Kontrollen praktisch lückenlos.

Auf Rhodans Frage, wie der Arkonide an Ausweisdokumente herankam, die diesen Kontrollen standhielten, hatte dieser nur gelächelt – und damit einen Grund mehr geliefert, ihm mit einer guten Portion Argwohn zu begegnen.

Letztlich konnte er nicht einmal sicher sein, dass sich das Epetran-Archiv tatsächlich auf Arkon I respektive im Kristallpalast befand. Es waren allenfalls Indizien, die in diese Richtung wiesen, und Rhodans Hoffnung, dass Onat da Heskmar wusste, wo das Archiv zu finden war, hatte sich nicht erfüllt.

»Crest und ich haben viel Zeit im Gos'Khasurn verbracht«, hatte der greise Arkonide gesagt. »Wir haben nach geheimen Gängen und vergessenen Kammern gesucht, nach den Geheimnissen und Rätseln, die uns unsere Vorfahren hinterlassen haben. Einige konnten wir entdecken, unzählige andere blieben uns verborgen. Wenn Crest das Mysterium des großen Epetran wirklich ergründet hat, kann unser Ziel nur die Perle Arkons sein!«

Perry Rhodan war davon nicht überzeugt, aber was sonst konnte er tun? Die Fährte, die Crest gelegt hatte, war bemerkenswert vage. Oder hatte er etwas übersehen? Hatte er die Hinweise des Wissenschaftlers falsch interpretiert? Er sah wieder zu da Heskmar hinüber.

Als dieser die verstohlenen Blicke seines Sitznachbarn bemerkte, zog er die Hand aus der Tasche; eine Spur zu hastig, wie Rhodan fand.

»Sie wirken nachdenklich, Sirran«, sagte der alte Arkonide und sprach Rhodan dabei bewusst mit seinem Tarnnamen an.

»Wir leben in Zeiten, die einiges an Nachdenken erfordern, finden Sie nicht?«

»Wohl wahr. Allerdings sollten Sie sich in den kommenden Tagen nicht mit Alltäglichem belasten. Wir sind hier, um die Rückkehr des Regenten zu feiern. Der Tross unseres gütigen Herrschers ist wohlbehalten aus Debara Hamtar heimgekehrt. Wenn das kein Grund zur Freude ist ...«

Rhodan nickte und setzte ein gekünsteltes Lächeln auf. Wollte ihn da Heskmar lediglich ablenken? Oder befürchtete er unsichtbare Spione, die ihre Gespräche belauschten und die keinen Verdacht schöpfen sollten?

»Sie haben natürlich recht, Onat«, sagte er. »Die Ankunft des Regenten ist der denkbar beste Anlass, alle Sorgen zu vergessen. Ich kann es kaum erwarten, die Perle Arkons endlich mit eigenen Augen zu sehen.«

»Sie werden nicht enttäuscht sein«, gab der Arkonide zurück. »Das kann ich Ihnen garantieren.«

Der Bildschirm erlosch, und die bislang gedimmten Leuchtfelder in der Decke der Passagierkabine wurden aktiviert. Augenblicklich setzte das typische Durcheinander ein, das stets entstand, wenn eine auf begrenztem Raum gepferchte Gruppe von Individuen ihre Habseligkeiten zusammensuchte und danach strebte, die erzwungene Enge möglichst schnell hinter sich zu lassen.

»Bleiben Sie ruhig noch sitzen, Sirran!«, sagte Onat da Heskmar. »Die Expressgleiter zum Hügel der Weisen starten alle drei Minuten. Es besteht kein Grund zur Eile.«

»Wie weit ist der Thek-Laktran noch entfernt?«, wollte Rhodan wissen. »Ich habe während des Landeanflugs nichts gesehen.«

»Das wundert mich nicht«, entgegnete der alte Arkonide. »Der Kristallpalast, also das Zentrum des Hügels der Weisen, liegt gut zweihundert Kilometer von hier. So groß ist die Flugverbotszone, die rund um den Gos'Khasurn gilt. Wer ins Herz des Großen Imperiums vorstoßen will, muss einem uralten Sprichwort zufolge zehntausendundeins Schritte tun. Danken wir den She'Huhan, dass man diese Strecke inzwischen auch mit einem Gleiter zurücklegen darf.« Er machte eine kurze Pause. »Vielleicht danken wir aber auch lieber dem Hochadel«, fügte er dann mit einem kaum merklichen Lächeln hinzu. »Das Phlegma und die Bequemlichkeit der arkonidischen Elite hat schon vielen Traditionen aus der Frühzeit meines Volkes den Garaus gemacht.«

»In diesem Fall begrüße ich das. Ein mehrstündiger Fußmarsch ist das Letzte, was ich im Moment brauche – egal wie schön die arkonidischen Parkanlagen auch sein mögen.« Rhodans Finger strichen unbewusst über das schmale blaue Armband an seinem linken Handgelenk. Ishy Matsu, Iwan Goratschin und Onat da Heskmar trugen ähnliche Exemplare. Selbst Chabalh hatte eines erhalten.

Der greise Arkonide hatte sie ihnen noch auf Iprasa überreicht und erklärt, dass sie sie auf keinen Fall ablegen durften, solange sie auf Arkon I weilten. Sie dienten nicht nur als eine erste optische Identifikation, sondern enthielten zudem Speicherdaten, die von den diversen Kontrollgeräten, die es auf der Kristallwelt im Überfluss gab, ausgelesen werden konnten.

Wenige Minuten später verließen sie die Fähre über eine breite Rampe und folgten dem Strom der Passagiere in eines der flachen Gebäude, das sie schon aus der Luft gesehen hatten. An mehreren halbkreisförmigen Pulten standen jeweils zwei Arkoniden in den bekannten roten Uniformen und starrten stur auf eine Batterie von Holoschirmen. Rhodan vermutete, dass dort die in den Armbändern gespeicherten Daten analysiert, aufbereitet und abgeglichen wurden. Die laut schwatzende, lachende Menge um ihn herum würde keinerlei Schutz bieten, wenn mit den von Onat da Heskmar organisierten zusätzlichen Legitimationen etwas nicht in Ordnung war.

Ein knappes Dutzend Naats, die sich strategisch über die Halle verteilt hatten, wirkten in dieser Hinsicht sehr einschüchternd. Die bis zu drei Meter großen Riesen mit ihren breiten Leibern, den kurzen, säulenartigen Beinen und den haarlosen Kugelköpfen ließen die Neuankömmlinge nicht aus den jeweils drei Augen. In den langen Armen hielten sie schwere Strahlenkarabiner. Durchgehend schwarze Uniformen mit dem rot leuchtenden Imperiumssiegel auf der Brust unterstrichen ihr ohnehin schon martialisches Äußeres.

Rhodans Blick fiel auf Ishy Matsu. Er machte sich bereits seit ihrem Aufbruch von Iprasa Sorgen um die Mutantin. Die Entführung durch die Taa und der exzessive Einsatz ihrer Parafähigkeit hatten sichtbare Spuren hinterlassen. Ihre Haut schimmerte im Licht der Empfangshalle grau; auf ihrer Stirn glänzte ein dünner Schweißfilm. Iwan Goratschin hatte die junge Frau um die Hüfte gepackt und stützte sie, so gut es ging.

»Wir benötigen in absehbarer Zeit einen Ort, an dem sich Ishy ausruhen und erholen kann«, wandte er sich mit leiser Stimme an Onat da Heskmar. »Ich weiß nicht, wie lange sie noch durchhält.«

»Zwei bis drei Stunden wird sie noch durchhalten müssen«, gab der alte Arkonide zurück. »Wenn wir erst einmal im Palast sind, wird sich alles Weitere finden.«

Rhodan seufzte innerlich. Der Kristallpalast. Das Ziel ihrer Reise. Der Ort, an dem sich mit einiger Wahrscheinlichkeit das Epetran-Archiv verbarg. Es lief immer wieder auf das Gleiche hinaus: Ihre ganze Hoffnung ruhte auf Onat da Heskmar. Der Aufenthalt im Gos'Khasurn – so die zugegebenermaßen optimistische Erwartung – würde im Idealfall weitere Erinnerungen in dem alten Arkoniden freisetzen, die neue Hinweise auf die Position des Archivs brachten. So weit die Theorie.

Gehen Sie voran, Perry Rhodan, hatte Crest in seiner letzten Nachricht gesagt. Die Antwort auf all Ihre Fragen liegt in den Arkoniden selbst. Suchen Sie die Erkenntnis! Und suchen Sie den Mann, der die Erkenntnis auf anderem Weg fand.

Er war vorangegangen. Und er hatte Onat da Heskmar gefunden, einen fast zweihundert Jahre alten Greis, den mit Crest offenbar weit mehr als nur eine gemeinsame Vergangenheit am Hof der arkonidischen Imperatoren verband. Nun galt es, den nächsten Schritt zu tun.

»Träumen Sie, Sirran?«

Die Stimme da Heskmars riss Rhodan aus seinen Gedanken. »Nein«, sagte er. »Auch wenn mir das, was ich sehe, wie ein Traum vorkommt.«

2.

Iwan Goratschin hatte während des Landeanflugs kaum Augen für die gewaltige Parkanlage gehabt, die unter der Fähre hinweggezogen war. Aus den Infodateien über Arkon I, die er sich noch an Bord der TIA'IR angesehen hatte, wusste er, dass ihr Weg über die sogenannte Tarukk-Hochebene führte. Der Hauptkontinent Laktranor wurde von fast allen Seiten von ausgedehnten Gebirgszügen begrenzt, die teilweise weit ins Landesinnere reichten. Westlich der Zentralebene erhob sich das schroffe Profil des Shuluk-Ahaut-Massivs, einer sichelförmigen Anordnung von insgesamt dreißig Gipfeln, jeder einzelne mehr als 4000 Meter hoch. Kaum fünfhundert Kilometer entfernt lag auf einem Hochplateau der Hügel der Weisen, ein annähernd quadratisches Areal mit einer Kantenlänge von beachtlichen 45 Kilometern.

Der Mutant schüttelte unmerklich den mächtigen Schädel. Das alles waren nichtssagende Fakten, geografische Details, die er sich eingeprägt hatte, weil er nicht anders konnte. Während seiner Ausbildung beim Marine Corps der US-Streitkräfte hatte man nicht nur Wert auf körperliche Fitness gelegt, sondern keinen Zweifel daran gelassen, dass ein wacher und leistungsfähiger Geist mindestens ebenso überlebenswichtig sein konnte wie eine belastbare Physis und eine gut gepflegte Waffe.

Im Fahrwasser von Perry Rhodan und Onat da Heskmar hatten Ishy Matsu und Iwan Goratschin die Empfangshalle – gemeinsam mit rund hundert weiteren Passagieren – durchquert. Inzwischen war auch Chabalh wieder zu ihnen gestoßen. Er machte auf den Zündermutanten einen gereizten Eindruck; allerdings war das bei dem Purrer eher die Regel als die Ausnahme.

Der hintere Teil des Gebäudes wies drei Ausgänge auf. Dahinter lagen zwei geschwungene, sanft nach oben führende Rampen, die direkt auf einer Art Ladebühne endeten. Dort hatten mehrere große Gleiter angedockt. Die Fahrzeuge bestanden in der Hauptsache aus mit Schalensitzen bestückten Plattformen, die von transparenten Baldachinen überspannt wurden. An ihrer Vorderseite klebte eine Führerkanzel, die man jedoch nicht einsehen konnte. Goratschin vermutete, dass es sich bei den Gleitern um robotgesteuerte Exemplare handelte.

»Die erinnern mich irgendwie an antike Butterdosen«, sagte Ishy neben ihm. Es sollte wohl ein lockerer Scherz sein, aber der Klang ihrer Stimme verriet, wie es ihr wirklich ging. Sie hätte ihre Schwäche niemals zugegeben, doch Goratschin kannte sie gut genug, um zu wissen, wie sie sich fühlte.

»Ja«, sagte er trotzdem. »Da hast du recht.«

Er suchte zwei Plätze im hinteren Bereich des zweiten Gleiters. Die Japanerin war sichtlich erleichtert, wie sie endlich in die überraschend bequeme Schale sank. Verblüfft stellte Goratschin fest, dass das Material des Sitzmöbels flexibel war und sich seinem verlängerten Rückgrat automatisch anpasste.

»Alles okay?«, fragte er Ishy.

»Wenn du mich das heute noch ein einziges Mal fragst, kriege ich einen Schreikrampf«, antwortete sie. »Hör endlich auf, mich wie ein kleines Kind zu behandeln!«

»Entschuldige, weil ich mir Sorgen um dich mache.«

Die noch freien Plätze füllten sich schnell. Von irgendwoher ertönte ein kaum vernehmliches Summen. Dann stieg der Gleiter mehrere Meter in die Höhe und drehte sich um seine Mittelachse.

Goratschin konnte Rhodan und da Heskmar jedoch nirgendwo entdecken. Vermutlich hatten sie zwei Sitze im vorderen Teil des Fahrzeugs ergattert.

Als der Gleiter langsam Fahrt aufnahm, spürte er den Druck von Ishys kleiner Hand in der seinen. Er wandte den Kopf und sah direkt in ihre großen Augen. Sie trug die langen dunklen Haare offen, was ihre ohnehin schon helle Haut beinahe bleich erscheinen ließ.

»Ich weiß, dass du dir Sorgen machst«, sagte sie leise. »Aber das musst du nicht. Mir geht es gut, auch wenn ich vielleicht nicht so aussehe.«

»Du siehst wie immer blendend aus«, gab Goratschin zurück. Es klang aufgesetzt und lahm, und nachdem er die Worte ausgesprochen hatte, wünschte er sich im gleichen Moment, er hätte es nicht getan. Die Japanerin schien sich jedoch damit zufriedenzugeben, denn sie lächelte ihn an und lehnte ihren Kopf gegen seine Schulter.

Iwan Goratschin sondierte wie selbstverständlich die unmittelbare Umgebung, eine Angewohnheit, die ihm längst in Fleisch und Blut übergegangen war. Um ihn herum saßen größtenteils Arkoniden. Zwei Reihen weiter erkannte er die dürre, hoch aufgeschossene Gestalt eines Aras. Drei junge Frauen, allesamt in bunte Wickelkleider gehüllt, die um die Taille herum von breiten Gürteln zusammengehalten wurden, steckten immer wieder die Köpfe zusammen, tuschelten miteinander und brachen dann in schrilles Kichern aus.

Die meisten Anwesenden waren vermutlich Touristen, Besucher von anderen Welten des Arkon-Systems, die die Gelegenheit nutzten, um den angekündigten Feierlichkeiten anlässlich der Rückkehr des Regenten in den Kristallpalast persönlich beizuwohnen. Das war unter anderem auch der Grund für ihren eigenen geradezu überstürzten Aufbruch von Iprasa gewesen. Das traditionelle Pekah ti Mestit, das Fest der glücklichen Wiederkehr, gründete sich auf irgendeinen uralten Brauch, von denen in einer über zwanzigtausend Jahre alten Kultur wie der arkonidischen wahrscheinlich viele existierten.

Laut Onat da Heskmar wimmelte es derzeit auf dem Hügel der Weisen – und vor allem im Kristallpalast – von Besuchern. Angehörige der wichtigsten Adelshäuser, Staatsgäste, Offiziere, aber auch zahlreiche Essoya, wie man die Vertreter des einfachen Volkes nannte. Das bedeutete zwar nicht notwendigerweise, dass eine schlampige Tarnung aufflog, doch zumindest hatten die Sicherheitskräfte deutlich mehr zu tun als sonst. Das konnte sich durchaus als Vorteil erweisen.

Die kommenden drei Tage würden von Paraden, Versammlungen, Aufmärschen und zahlreichen anderen Aktivitäten rund um die Person des Regenten geprägt sein. Die wohlhabenden Familien des Hochadels öffneten ihre Stammsitze und organisierten Volksfeste, und auch im Gos'Khasurn selbst waren eine Reihe von Veranstaltungen geplant, darunter das große Grußwort des Herrschers, das sogenannte Tegal Mokat.

Der Gleiter flog inzwischen knapp fünf Meter über dem Boden durch eine Art Canyon. Rechts und links ragten steile Felswände in die Höhe, in deren Ritzen und Spalten bunte Blumen wuchsen. Sie spannten sich wie Girlanden über das graubraune Gestein.

Die Schlucht öffnete sich in ein lang gezogenes Tal. Der Gleiter ging tiefer und strich beängstigend nah an einem herabstürzenden Wasserfall vorbei. Er durchflog eine Gischtwolke, und für einen Moment musste Goratschin die Augen schließen. Das Licht der Sonne zauberte blitzende Reflexe in die Luft, die in sämtlichen Regenbogenfarben leuchteten. Die aus allen Richtungen kommenden Ausrufe des Entzückens ließen keinen Zweifel daran, dass der Pilot – Roboter oder nicht – seinen ungewöhnlichen Kurs ganz bewusst gewählt hatte.

Der Mutant lächelte beim Anblick der Frau an seiner Seite. Ishy hatte die Augen geschlossen und atmete tief und gleichmäßig. Offenbar war sie vor Erschöpfung eingenickt. Gut so. Auch wenn es eine Binsenweisheit war: Schlaf war erwiesenermaßen noch immer die beste Medizin.

Der Gleiter beschleunigte und überflog das Tal in beachtlichem Tempo. Sie ließen ein von großen Vögeln umkreistes Trichtergebäude hinter sich und rasten über einen Binnensee hinweg. Dann änderte ihr Fahrzeug abermals den Kurs. Die Sonne wanderte langsam zum Heck, und vor ihnen zeichneten sich mehrere turmartige Bauten gegen den strahlend blauen Horizont ab. Im Gegensatz zum bisher Gesehenen wiesen sie nicht die typische Trichterform auf, sondern wirkten wie gigantische, krumm und schief aufeinandergestapelte Kisten.

Goratschin fühlte ein wohlbekanntes Kribbeln im Nacken. Möglicherweise entsprang es reiner Einbildung, doch er hatte es früher vor jedem Einsatz gespürt. Nie bei Übungen oder Manövern – stets nur, wenn es ernst wurde. Er nahm es als willkommenes Zeichen, als eine Art Warnsignal – und als stumme Aufforderung, ab sofort mit dem Schlimmsten zu rechnen.

Die Unruhe, die den Mutanten in den vergangenen Stunden erfüllt hatte, war von einem Moment auf den anderen wie weggeblasen. Selbst die Sorge um Ishy trat in den Hintergrund. Es war, als hätte jemand einen Schalter in seinem Kopf umgelegt und eine Maschine namens Iwan Goratschin eingeschaltet.

Wenn der Moment kommt, hörte er die heisere Stimme von Sergeant Major Hank Madsen, seinem Ausbilder im ersten Dienstjahr am Marine Corps Recruit Depot San Diego, haben Sie zwei Möglichkeiten: Sie erkennen ihn und reagieren entsprechend. Oder Sie sterben. Machen Sie sich keine Illusionen. Es gibt keine zweite Chance. Es gibt keine Rücksicht, kein Mitgefühl, keine Nachsicht. Wenn Sie zögern, sind Sie tot. Wenn Sie wegschauen, sind Sie tot. Wenn Sie Ihren Verstand über Ihren Instinkt stellen, sind Sie tot. Und wenn Sie tot sind, betrachte ich das als eine persönliche Beleidigung!

Seltsam. Die Erinnerungen an die Monate der Grundausbildung im Camp hatten sogar dreißig Jahre Koma nahezu unbeschadet überstanden. Er und sein Zwillingsbruder waren damals jung gewesen. Ihr Wunsch, dazuzugehören, hatte sie in die Arme des Militärs getrieben. Iwanowitsch hatte ihn einmal gefragt, ob er diese Entscheidung jemals bereut habe, und er hatte mit Nein geantwortet. Es war die Wahrheit gewesen. Das Korps hatte ihn geformt. Er war nun ein anderer Mensch, aber das war in diesem Augenblick unwichtig.

Hinter den Türmen öffnete sich eine weite, flache Ebene. Der Zündermutant betrachtete fasziniert Hunderte weiß strahlender Lichtsäulen, die sich wie die Ranken von Wasserpflanzen am Meeresgrund langsam hin und her wiegten. Das Phänomen stellte sich dem anfliegenden Gleiter wie eine Mauer entgegen, und Goratschin hatte weder eine Ahnung, was es bedeutete, noch wer oder was es erzeugte.

Um ihn herum hatte sich eine Art kollektiver Verzückung ausgebreitet. Selbst die schnatternden und kichernden Arkonidinnen waren verstummt und starrten mit großen Augen auf die sich schnell nähernde Wand aus Licht.

Als der Gleiter in den Wald der strahlenden Halme eintauchte, zuckten erneut funkelnde Lichtreflexe über das transparente Dach des Fahrzeugs. Zu Goratschins Überraschung blendeten sie jedoch nicht. Stattdessen wurden sie durch das Material der Sichtkuppel vielfach gebrochen und gingen über den Passagieren wie ein Regen aus Sternen nieder.

Sekunden später war alles schon wieder vorbei. Sie hatten weiter an Höhe verloren und waren deutlich langsamer geworden. Unter ihnen lag ein Gewirr aus Hochstraßen, auf denen sich ein schier endloser Strom von Fahrzeugen entlangwälzte. Dazwischen führten Rohrbahnen in alle möglichen Richtungen. Goratschin sah eine Reihe von Schwebeplattformen, die große Container geladen hatten. In unregelmäßigen Abständen wuchsen Trichterbauten wie überdimensionale Pilze aus dem Boden. Sie standen deutlich dichter beisammen als bisher.

Im Vergleich zu der Parklandschaft, die hinter ihrem Gleiter zurückfiel, nahm der Verkehr deutlich zu. Allerdings überschritt kein einziger Gleiter eine Flughöhe von maximal fünfzig Metern. Oberhalb dieser unsichtbaren Grenze fielen Goratschin merkwürdige kugelförmige Objekte auf. Die etwa fußballgroßen Gebilde waren mit Antennen geradezu gespickt und erinnerten dadurch an fliegende Igel. Es handelte sich mit hoher Wahrscheinlichkeit um Überwachungssonden.

Ihr Gleiter neigte sich leicht zur Seite und beschrieb eine lange Linkskurve. Für mehrere Sekunden versperrte der Stiel eines rund zweihundert Meter hohen Trichterbaus die Sicht. Dann flog das Fahrzeug aus dem Schatten des imposanten Gebäudes – und den Passagieren bot sich ein Anblick, den keiner von ihnen jemals wieder vergessen würde.

Iwan Goratschin atmete tief durch. Dann stieß er Ishy an, die noch immer vor sich hin döste. Er weckte sie nicht gern, doch er war davon überzeugt, dass sie es ihm niemals verzeihen würde, wenn sie so den Anflug auf den Kristallpalast verpasste.