Perry Rhodan Neo 177: Die Kavernen von Impos - Oliver Plaschka - E-Book

Perry Rhodan Neo 177: Die Kavernen von Impos E-Book

Oliver Plaschka

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Beschreibung

Im Jahr 2036 entdeckt der Astronaut Perry Rhodan auf dem Mond ein außerirdisches Raumschiff. Damit erschließt er der Menschheit den Weg zu den Sternen. In den Weiten der Milchstraße treffen die Menschen auf Gegner und Freunde; es folgen Fortschritte und Rückschläge. Nach 2051 wird die Erde unbewohnbar, während Milliarden Menschen zu einem unbekannten Ort transportiert werden. 2055 reist Rhodan mit dem riesigen Fernraumschiff MAGELLAN in die Galaxis Andromeda, findet dort aber keine Spur zur vermissten Erdbevölkerung. Er kehrt in die Milchstraße zurück – doch die Passage schlägt fehl. Die MAGELLAN strandet in der sogenannten Eastside. Die Besatzung begegnet den fremdartigen Blues und knüpft nach anfänglichen Konflikten erste Freundschaften. Auf einem Mond des riesigen Planeten Moloch entdeckt Perry Rhodan überraschend die Weltraumarche, in der die verschollenen elf Milliarden Menschen im Tiefschlaf ruhen. Um sie zu bergen, entsendet er eine Expedition in DIE KAVERNEN VON IMPOS ...

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Band 177

Die Kavernen von Impos

Oliver Plaschka

Cover

Vorspann

1. Zehnter Gesang

2. Perry Rhodan

3. Eric Leyden

4. Conrad Deringhouse

5. Neunter Gesang

6. Eric Leyden

7. Perry Rhodan

8. Eric Leyden

9. Achter Gesang

10. Perry Rhodan

11. Siebter Gesang

12. Eric Leyden

13. Conrad Deringhouse

14. Sechster Gesang

15. Eric Leyden

16. Fünfter Gesang

17. Der Kommandant

18. Eric Leyden

19. Perry Rhodan

20. Eric Leyden

21. Vierter Gesang

22. Conrad Deringhouse

23. Eric Leyden

24. Dritter Gesang

25. Eric Leyden

26. Perry Rhodan

27. Zweiter Gesang

28. Perry Rhodan

29. Erster Gesang

Impressum

Im Jahr 2036 entdeckt der Astronaut Perry Rhodan auf dem Mond ein außerirdisches Raumschiff. Damit erschließt er der Menschheit den Weg zu den Sternen.

In den Weiten der Milchstraße treffen die Menschen auf Gegner und Freunde; es folgen Fortschritte und Rückschläge. Nach 2051 wird die Erde unbewohnbar, während Milliarden Menschen zu einem unbekannten Ort transportiert werden.

2055 reist Rhodan mit dem riesigen Fernraumschiff MAGELLAN in die Galaxis Andromeda, findet dort aber keine Spur zur vermissten Erdbevölkerung. Er kehrt in die Milchstraße zurück – doch die Passage schlägt fehl.

Die MAGELLAN strandet in der sogenannten Eastside. Die Besatzung begegnet den fremdartigen Blues und knüpft nach anfänglichen Konflikten erste Freundschaften.

Auf einem Mond des riesigen Planeten Moloch entdeckt Perry Rhodan überraschend die Weltraumarche, in der die verschollenen elf Milliarden Menschen im Tiefschlaf ruhen. Um sie zu bergen, entsendet er eine Expedition in DIE KAVERNEN VON IMPOS ...

1.

Zehnter Gesang

Die Dunkelheit lichtete sich, und er erwachte.

Das Erwachen war langsam: ein widerstrebendes, qualvolles Empordämmern aus einem weiten Meer brennenden Schmerzes und peinvoller Erinnerung. Sein ganzer Körper fühlte sich an, als hätte man ihn in Brand gesteckt und die Flammen viel zu spät wieder gelöscht. Die Schmerzen waren erträglich gewesen, solange er geschlafen hatte – nun kehrten sie mit Macht zurück.

Schlimmer war jedoch die Qual, die er empfand, sobald er den Erinnerungen Einlass gewährte und die Gesichter seiner verlorenen Gefährten an seinem geistigen Auge vorüberzogen: Tanlai Jecesseri ... Lorentil Falts ... Pasadir Reol – bei allen Kreaturen, Pasadir ...!

Er schlug die Augen auf, damit die Wirklichkeit die Geister verdrängte. Erst sah er nichts als einen hellen Schemen – die beschlagene Scheibe eines der Schlaftanks, die Gilan entdeckt hatte. Dann öffnete sich der Tank mit einem Zischen, und die Scheibe wurde beiseitegeklappt.

Zwei fremde Gesichter blickten ihn an.

Die Gesichter waren fremd in jeder Hinsicht – keine Azaraq, sondern Andersartige. Fremdweltler. Ihre Köpfe waren rundlich wie Eier, ihre Hälse kurz und plump. Nur zwei Augen saßen in ihren höckerigen Gesichtern, und auf ihren Häuptern wuchs strähniges Haar, hell und etwas kürzer bei dem einen, beim anderen kupferfarben und grau. Dieser scheckige Fremdweltler war deutlich älter als sein Begleiter und trug eine Art Andrix auf der Stirn, das wie ein Vogel aussah.

War es die kupferfarbene Kreatur des Glücks, die ihn gerettet hatte? Die graue der Tatkraft? Pasadirs Andrix war der grauen Kreatur geweiht gewesen ...

Unwillkürlich suchte er den Raum nach seinem Freund ab, doch Pasadir war nicht mehr da. Nur ein kleiner Roboter machte sich an den Steuerkonsolen zu schaffen. Davon abgesehen, war die Umgebung genauso kalt und stählern leer, wie er sie in Erinnerung hatte. Was war geschehen? Hatten die Fremden diese Anlage erforscht? Erobert?

Wie viel Zeit war vergangen?

Wie viel Zeit blieb ihm noch?

Er versuchte, zu sprechen, doch er fühlte sich zu schwach und wusste nicht, wo er beginnen sollte.

»Ganz ruhig«, sagte der Kupfergraue mit heiserer Stimme und half ihm vorsichtig, sich aus dem leicht nach hinten gekippten Tank zu befreien. »Sie haben sehr lange geschlafen ... Haben Sie Hunger? Durst?«

Er bejahte beide Fragen mit einer matten Geste, und der Kupfergraue griff hinter sich und reichte ihm ein milchfarbenes Getränk.

Es schmeckte scheußlich, aber er spürte, wie seine Kräfte zurückkehrten.

»Sobald Sie sich erholt haben, können wir reden«, äußerte der Kupfergraue. »Ich bin sicher, Sie haben eine faszinierende Geschichte zu erzählen. Was ist das Letzte, woran Sie sich erinnern?«

2.

Perry Rhodan

»Wie gehen Sie damit um?«

Der Funkspruch riss Perry Rhodan aus seinen Gedanken. Die Stimme gehörte Nadine Bellusca, der aus Palermo stammenden Polizistin und Anführerin der Eisbrecher, wie sich die kleine Gruppe von Menschen nannte, welche die gestrandete Memeterarche AVEDANA-NAU verteidigte. Die Arche war jenes gigantische, zigarrenförmige Raumschiff von zwölf Kilometern Länge, das vor bald vier Jahren die gesamte Menschheit, elf Milliarden Personen, aus dem Sonnensystem entführt und damit Palermo und alle Städte der Erde zu Geisterstädten gemacht hatte.

Und nun war auch Rhodan an Bord. Auf Impos. Gestrandet auf einem von zweiundvierzig Monden einer unmöglichen, tödlichen Welt, umzingelt von alles verwüstenden Bestien – und weiter von einer Antwort auf ihre Fragen und einer Rettung aus ihrer Not entfernt denn je.

Rhodan waren diese Fakten permanent bewusst, in jeder wachen Sekunde, selbst wenn er wie gerade eben einen Moment lang das Zeitgefühl verloren hatte. Daher musste er nicht nachhaken, was Bellusca mit ihrer Frage gemeint hatte.

»Genau wie Sie, nehme ich an«, antwortete er, riss sich vom hypnotischen Anblick des unerschöpflichen Gestöbers aus Schneeflocken und Kreell jenseits des Abwehrwalls los und machte sich auf den Weg zum nächsten Kontrollpunkt. »Ich versuche, mich auf die naheliegenden Probleme zu konzentrieren. Einen Schritt nach dem anderen zu tun. Und dabei nicht meinen Weg zu verlieren.«

Es waren Binsenweisheiten, natürlich – aber ihm war auch bewusst, in was für einer bizarren, außergewöhnlichen Situation sie sich gemeinsam befanden. Für Bellusca und ihre kleine Gruppe von Mitstreitern war Perry Rhodan eine Berühmtheit: der Mann aus den Nachrichten, der vor neunzehn Jahren ein außerirdisches Raumschiff auf dem Mond entdeckt, eine Stadt in der Wüste gebaut und den Menschen den Weg zu den Sternen gewiesen hatte – und damit zu unglaublichen Wundern und ungeahntem Leid. Kein Mensch der jüngeren Geschichte hatte den Lauf der Welt so radikal verändert wie er.

In dieser Hinsicht war er wohl ein Held für sie.

Andererseits hatte er nicht verhindern können, dass die Memeter die Menschheit – angeblich zu ihrem eigenen Wohl – erst entführt hatten und dann in der Hölle des Ovisystems mit dessen immensen hyperphysikalischen Kräften und interdimensionalen Verwerfungen havariert waren. Seit mehr als drei Jahren kämpften Bellusca und ihre bunte Gruppe von Gefährten ums Überleben – für ihr eigenes ebenso wie für das aller anderen Menschen an Bord: der hünenhafte Sam Turgeon, der zwiespältige Ambrose Escher, der vorlaute Emerald Roscoff und die greise »Mama« Suk. Rhodan war der Neuankömmling in der Gruppe. Er war der, der erst noch lernen musste, wie man auf Impos überlebte, und der ihnen die Erlösung, die sich alle von ihm erhofften, bislang schuldig geblieben war.

In dieser Hinsicht war er wohl ein Versager.

Rhodan indes wollte von seinen neuen Verbündeten weder vergöttert noch verteufelt werden. Sie mussten auf Augenhöhe miteinander arbeiten – sonst waren sie verloren. Deshalb versuchte er, ihnen Hoffnung zu geben, und hatte Geduld mit ihren Fragen und ihren Gewohnheiten.

»Es ist nicht die schlechteste Sichtweise«, gab Bellusca nach kurzer Pause zurück. »Das Problem ist nur – wie soll ich wissen, ob ich meinen Weg verliere, wenn ich weder vor noch zurückkann?«

Touché, dachte Rhodan. Es war schwierig, eine Antwort hierauf zu finden.

Tatsächlich war ihre Lage nahezu ausweglos: Die Arche war ein gigantisches Schiff und ohne Hilfe ihrer memetischen Besatzung kaum zu reparieren. Die aber schlief, und der Versuch, sie zu wecken, barg unabsehbare Risiken. Auch die MAGELLAN konnte er nicht zu Hilfe rufen. Er wusste zwar, Kommandant Conrad Deringhouse hätte nur zu gern eine Rettungsmission gestartet. Rhodan konnte jedoch nicht riskieren, dass der Expeditionsraumer womöglich auch noch in den Einflussbereich des Riesenplaneten Moloch geriet und irreparablen Schaden erlitt. Selbst Icho Tolots DOLAN – ein Wunderwerk von einem Raumschiff – hatte schwer kämpfen müssen, ehe sie sicher die Oberfläche des erdgroßen Monds erreicht hatte. Deshalb wollte Rhodan nicht das Leben seiner Freunde beim Versuch aufs Spiel setzen, die hyperphysikalischen Verwerfungen im Umfeld des Planeten in einem gewöhnlichen Beiboot zu bezwingen.

Infolgedessen hatte er Deringhouse angewiesen, bis auf Weiteres sicheren Abstand zu wahren. Stattdessen waren Icho Tolot, Eric Leyden und Tuire Sitareh in die Tiefen der mysteriösen Anlagen vorgestoßen, die ganz Impos untertunnelten und hoffentlich einen Ausweg aus dem Kräftenetz des künstlich geschaffenen Systems wiesen.

Sie waren also vorerst auf sich allein gestellt. Der einzige Trumpf, den sie hatten, war die DOLAN, die wie ein träger Fesselballon am Horizont hing, winzig im Vergleich mit der riesenhaften Arche. Sie und die von ihr gefertigten Flugroboter und Hyperschallemitter waren alles, was derzeit zwischen ihnen und der Flut der albtraumhaften Wesen stand, welche die AVEDANA-NAU umzingelt hatten: die Hornschreckwürmer.

»Wenn es weder vor noch zurückgeht, bleibt wohl nur der Weg nach oben«, mischte sich Turgeon scherzend in die Unterhaltung ein. Der gebürtige Australier war der Dritte in ihrer Schicht. Eine permanente Überwachung des von den Emittern gebildeten Walls war unabdingbar, sonst riskierten die Verteidiger, von den Hornschreckwürmern hinweggefegt zu werden. Millionen, wenn nicht Milliarden der unheimlichen Wesen brandeten wie eine gierige Flut gegen die Arche an. Sie stammten aus dem Kreell und schienen größtenteils auch daraus zu bestehen. Dank ihrer fremdartigen Eigenschaften bahnten sie sich mühelos ihren Weg durch jegliche normale Materie und sogar durch Energieschirme. Nur die Hyperschallimpulse der Emitter und von auf dem gleichen Prinzip basierenden Waffen vermochten sie zu vertreiben – und nichts außer Molkex konnte die tausendfüßlerähnlichen Kriechkreaturen wirklich verletzen.

»Nach oben?«, erwiderte Nadine Bellusca. »Eine kreative Lösung. Verrätst du mir auch, wie?«

»Ich arbeite daran«, behauptete Turgeon. »Diese Flugaggregate sind noch ein bisschen ... gewöhnungsbedürftig!«

Nach der Fertigstellung des Hyperschallwalls hatte die DOLAN für die Gestrandeten neue Einsatzanzüge und Waffen konstruiert. Wobei erzeugt vielleicht der bessere Ausdruck war – ohne die organische Technologie des halutischen Raumschiffs und seiner phantastischen Fertigungsstätten hätten sie die Arche niemals gegen den Ansturm der gefräßigen Monstren verteidigen können.

»Gehen Sie behutsam damit um«, riet Rhodan. »Selbst unter Idealbedingungen braucht die Steuerung derartiger Anzüge etwas Übung, und die Lage ist alles andere als ideal. Durch die hyperphysikalischen Interferenzen des Kreells kann es jederzeit zu unerwarteten Ausfällen kommen.«

»Keine Sorge«, beruhigte ihn der ehemalige Bauarbeiter. »Als ich vor achtzehn Jahren das erste Mal mit einer arkonidischen Gravitationswalze arbeitete, flog ich mitsamt dem verdammten Ding fast bis zum dritten Stock. Seither bin ich sehr vorsichtig mit so was.«

Rhodan schmunzelte. »Das spart Energie und Nerven.« Er mochte den bodenständigen Mann, mit Abstand der Ausgeglichenste der ganzen Gruppe, und Rhodan hoffte, er selbst strahlte eine vergleichbare Ruhe aus.

»Es ist ein Jammer«, fügte Turgeon nachdenklich hinzu. »Damals, als die Arkoniden kamen, dachten wir, wir stecken bis zu beiden Ohren im Schlamassel. Dann kamen die Sitarakh. Dann die Memeter.«

Rhodans Lächeln erstarb. Fast hörte er die unausgesprochene Frage: Wieso haben Sie das nicht verhindert, Protektor? Wo waren Sie, als die Erde nicht ein, nicht zwei, nein drei Mal zum Spielball außerirdischer Mächte wurde?

Turgeon aber drehte ihm keinen Strick daraus. Er versuchte wohl, witzig zu sein, doch in seiner Stimme klang Schwermut mit. »Was gäbe ich darum, mal wieder eine ordentliche Walze oder einen Kran zu bedienen. Meinen Sie, es gibt auf Vimana Bedarf an neuen Straßen? An Wohnkomplexen, Bürogebäuden? Die Memeter waren in ihren Prospekten leider sehr vage.«

Bellusca schnaubte verächtlich.

Vimana – die sagenhafte neue Heimat, die der Menschheit von den Memetern versprochen worden war. Damals hatten die Terraner die wahren Hintergründe des Sonnenrisses, der die Erde unbewohnbar gemacht hatte, erst zu ahnen begonnen. Inzwischen wussten sie, dass der Riss Teil der Großen Ruptur war, welche durch Milchstraße und Andromeda verlief und eine Nahtstelle zum Creaversum bildete, die immer wieder aufbrach und blutete.

Eine Wunde, die unbedingt geschlossen werden musste.

»Sam«, sagte Rhodan und sprach den Australier mit Vornamen an, so wie alle in der Gruppe der Eisbrecher das taten. »Ich hoffe – nein, ich glaube fest daran –, dass Sie Ihre nächste Straße nicht auf Vimana, sondern auf der Erde bauen werden.«

Er hörte Turgeon schlucken, dann herrschte eine Weile lang Funkstille. Das Schneetreiben nahm zu: ein verwirrender Wirbel weiß-grauer Flocken, die nur teilweise aus Wasser bestanden. Auch das tückische, aus dem Creaversum in den Einsteinraum diffundierende Kreell verbarg sich im Gestöber.

»Kontrollpunkt eins ist sauber«, meldete sich Bellusca etwas später. »Bewege mich weiter zu Position achtzehn.«

Die achtzehn Wachstellungen zogen sich im Abstand von ein bis zwei Kilometern durch die hügelige, unwegsame, aus Eis, Schnee und Kreell bestehende Landschaft. Sie waren gleichzeitig stationäre Hyperschallemitter, die gewissermaßen das Rückgrat ihres Verteidigungswalls bildeten. Er hüllte die gesamte Arche wie ein länglicher Schutzschirm ein. Dazwischen patrouillierten mobile, ebenfalls mit Emittern ausgestatte Drohnen den Wall. Man erkannte die unsichtbare Grenze vor allem an den Heerscharen von Hornschreckwürmern auf der anderen Seite, die auf ihn eindrangen, angelockt von der energetischen Signatur der Arche. Kamen sie dem Wall zu nah, schlug der Hyperschall sie in die Flucht, ihren beständig nachrückenden Artgenossen entgegen, sodass es aussah, als wäre die Landschaft jenseits des Walls permanent in Bewegung. Die Schallwaffen selbst waren für Menschen nicht wahrnehmbar. Das einzige Geräusch, das aus der Nähe des Walls zu hören war, war das unablässige Knistern, Rascheln und Knacken der unterarmlangen, gepanzerten Bestien.

Rhodan mochte das Geräusch genauso wenig wie die Eisbrecher. Sie näherten sich dem Wall stets nur so weit wie nötig – um sicherzustellen, dass keinen Hornschreckwürmern der Durchbruch gelungen war. Denn leider waren die zur Abwehr dieser Kreaturen nötigen Kräfte so fragil, dass die Menschen es sich nicht leisten konnte, sich blind auf die Emitter zu verlassen.

»Kontrollpunkt sieben in Ordnung«, meldete Rhodan und stapfte weiter durch den Schnee. »Gehe weiter Richtung Nummer sechs.« Auch er verzichtete auf das Flugaggregat, solange es nicht unbedingt nötig war. Er riskierte sonst nur einen Unfall und den Appetit der Hornschreckwürmer; außerdem dauerte ihre Schicht mehrere Stunden, während die restlichen Eisbrecher ruhten. Zeit genug, sich die Beine zu vertreten.

»Position dreizehn ebenfalls«, verkündete Turgeon, der sich am anderen Ende der Arche befand. »Weiter Richtung zwölf.«

»Darf ich Sie noch etwas anderes fragen, Sir?«, erkundigte sich Bellusca.

»Wieso auf einmal so förmlich?«, gab er zurück. »Ich bin nicht Ihr Vorgesetzter.«

»Nun ... gewissermaßen schon. Und das berührt, glaube ich, auch den Kern meiner Frage: Wie schaffen Sie es, die Leute dazu zu bringen, dass sie ... na ja, tun, was Sie wollen?«

»Tun sie das denn?«, fragte Rhodan unschuldig. »Die Leute, meine ich.«

»Aber sicher doch. Ihr ganzes Leben lang – Soldaten, Politiker, Diplomaten, Außerirdische, Untergrundkämpfer ... Egal, in welche Gruppe man Sie wirft, früher oder später schwimmen Sie obenauf, wenn ich das so sagen darf.«

Rhodan lachte, aber das Lachen war nicht so aufrichtig, wie er es sich wünschte. »Vielleicht hatte ich die besseren Argumente.«

»Was machen Sie aber, wenn die Leute ... tja, wenn die Leute für Argumente nicht sehr empfänglich sind? Wenn sie stur sind wie ein alter Esel und lieber an einem Hitzschlag sterben, als zwei Schritte in den Schatten zu gehen?«

»Lass es gut sein, Nadine«, mischte sich Turgeon ein. »Du kannst Männer wie Ambrose nicht zu etwas machen, was sie nicht sind.«

Rhodan hatte bereits vermutet, dass es der ehemaligen Polizistin um das komplizierte Verhältnis zu Ambrose Escher ging, der ihre Autorität zu jeder Gelegenheit infrage stellte, und sei es nur aus Langeweile. Rhodans Meinung nach hatte Escher in erster Linie ein Problem mit sich selbst und den Entscheidungen, die er vor vier Jahren getroffen hatte. Dass der Journalist seinen Gefährten verschwiegen hatte, in den Wochen vor der Evakuierung der Erde für die Memeter gearbeitet zu haben, hatte ihn in der Gruppe nicht gerade beliebter gemacht.

»Sam hat recht«, sagte Rhodan. »Sie sind nicht Eschers Vorgesetzte, genauso wenig wie ich Ihrer bin. Sie haben den Willen, voranzugehen. Sie haben den Mut, um Ihr und Ihrer Freunde Überleben zu kämpfen. Das ist gut! Aber das heißt nicht, dass alle automatisch Ihre Führungsrolle anerkennen. Solange Sie die besseren Argumente haben, werden Sie Leute wie Escher auch damit überzeugen müssen – selbst in einer Situation wie dieser.«

»Wie wäre es mit: Tu gefälligst, was ich sage, oder geh dich fressen lassen?«, brauste Bellusca auf. »Er hatte vorhin sogar ein Problem damit, als ich ihm mitteilte, dass ich die erste Schicht übernehme, damit er sich ausruhen kann. Stellt sich noch an, wenn ich ihm einen Gefallen tue! Ich kann doch nicht in dieser Lage ... in der so viel ... in der alles auf dem Spiel steht, wegen jeder Kleinigkeit mit ihm streiten wie mit einem kleinen Kind!«

»Streiten ist zwecklos«, gab ihr Rhodan recht. »Lassen Sie sich nicht beirren, Nadine, egal was er sagt. Wenn er sich nicht helfen lassen will, kommt guter Wille zu spät.«

»Ihm nicht helfen zu können, ist eine Sache. Aber können wir es uns denn leisten, auf jemanden zu verzichten, bloß weil es ihm wichtiger ist, mit dem Fuß aufzustampfen? Wir sind nur so wenige – und Suk und Oxford sind keine große Unterstützung ...«

Tatsächlich war die Vietnamesin viel zu alt, um ihnen im Kampf gegen die Hornschreckwürmer beizustehen. Und der memetische Techniker Oxxforraylarij, den alle nur »Oxford« nannten, hatte bei einem traumatischen Erstkontakt mit den Kreaturen beide Beine eingebüßt und lernte gerade erst, mit den neuen Prothesen zurechtzukommen, die ihm die DOLAN gezüchtet hatte. Blieben nur Ambrose Escher, Emerald Roscoff und der versprengte Azaraq Herxxell, der zu den Eisbrechern gestoßen war, kurz nachdem diese erwacht waren. Alle waren sie krank, kämpften seit Jahren gegen das Kreell, das sich auch im Innern ihrer Körper manifestierte und ohne die Medostation der AVEDANA-NAU längst schreckliche Schäden angerichtet hätte.

Von daher überlegte sich Rhodan gründlich, welchen Rat er der Italienerin geben sollte. Prinzipiell hatte er eine sehr hohe Toleranz gegenüber stolzen und exzentrischen Persönlichkeiten – er musste nur an Eric Leyden denken. Oder an Gucky! Der Unterschied war aber, dass er sich auf seine Gefährten bedingungslos verlassen konnte. Ganz gleich, wie verschroben sie sein mochten – er hätte ihnen jederzeit sein Leben anvertraut.

»Nadine«, sagte er. »Falls das Verhalten irgendeines von uns das Leben der elf Milliarden Menschen auf der Arche zu gefährden droht, werde ich alles in meiner Macht Stehende tun, damit sie in Sicherheit sind – das verspreche ich Ihnen. Beantwortet das Ihre Frage?«

Da unterbrach Turgeons aufgebrachte Stimme ihre Unterhaltung. »Hornschreckwürmer bei Kontrollpunkt zwölf!«, rief er laut. Im nächsten Moment gellte ein Alarm über Funk, den auch die übrigen Eisbrecher in der Arche hören mussten. »Sie brechen durch!«

Genau, wovor wir Angst hatten, schimpfte Rhodan innerlich. Es war nur eine Frage der Zeit.

Er hatte bereits das Flugaggregat aktiviert und raste mit höchster Beschleunigung Richtung Südende der Walze, während Bellusca über Funk Verstärkung anforderte. »Emerald! Ambrose! Herxxell! Schluss mit dem Schönheitsschlaf! Wir brauchen alle Hilfe, die wir kriegen können!«

Rhodan hörte ein schrilles Japsen vonseiten des Blues und das erschöpfte Stöhnen des Studenten. Escher gab erst nur ein unwirsches Fluchen von sich.

»Sind schon auf dem Weg!«, bestätigte Herxxell.

Wahrscheinlich war der Blue als Einziger schon wach gewesen; Azaraq brauchten nur wenig Schlaf. Dafür litt der ehemalige Prospektor unter einer Art Kreellgeschwür an seinem Kopf, das ihn viel Kraft kostete.

Das Antigravaggregat setzte aus, und Rhodan stürzte zehn Meter im freien Fall, ehe es wieder funktionierte. Er spürte sein Herz klopfen und glaubte wie zur Antwort das Pulsieren des Zellaktivators auf seiner Brust zu fühlen. Was die Störung verursacht hatte, war nicht mehr feststellbar. Vielleicht hatte sich eine Kreellflocke im Innern des Aggregats manifestiert. Vielleicht hatte die wund gewetzte Raum-Zeit, in der die deformierte Sonne Ovi, der Riesenplanet Moloch und seine zweiundvierzig Monde hingen wie hässliche Insekten in einem zerfetzten Spinnennetz, auf eben diesem Meter, den Rhodan gerade durchflogen hatte, beschlossen, die Gesetze seines Antriebs außer Kraft zu setzen. Es war gleichgültig.

Vor ihm kam das Heck der gigantischen Arche in Sicht. Das Raumschiff lag unter ihm wie ein biblisches Ungetüm, ein angespülter, blinder Wurm im Schnee.

Rhodan machte seine Waffe bereit. Es war eine simple, aber effektive Armbrust aus hochverdichtetem Material, geformt von den Biowerkstätten der DOLAN nach den Spezifikationen der Eisbrecher, die dank solcher Waffen die vergangenen Jahre überlebt hatten: Spitzen aus Molkex, angebohrt mit dem kostbaren Enzym Katlyk, das unverzichtbar für die molkexbasierte Technologie der Blues war. Darin ein mikroskopisch kleiner Aufschlagsensor, der nach dem Eindringen in das Ziel einen Hyperschallimpuls im Gigahertzbereich aussandte. Dieser geballte Impuls brachte das Ziel zum Platzen und räumte bestenfalls auch die nähere Umgebung, da der Schall die Hornschreckwürmer vertrieb.

Es war das Einzige, was gegen die Bestien half. Herkömmliche Strahlenwaffen prallten von ihren Panzern einfach ab, Schirme und andere starke Energiequellen lockten sie nur an und wurden schnell leer gesaugt. Wie genau sie das anstellten und wieso sie es taten, war unbekannt – doch die fremdartigen Wesen fraßen jegliche Materie und Energie, ohne Unterschied. Der beste Stahl bot keinen besseren Schutz als ein Lebkuchenhaus.

Damit waren der Emitterwall und diese speziellen Hyperschallwaffen unermesslich wertvoll. Doch Herxxells Katlykvorräte waren beinahe erschöpft und die DOLAN mit der Produktion von Emittern und Drohnen für den Wall faktisch ausgelastet. Von daher war auch ihr Vorrat an Projektilwaffen und vor allem Munition begrenzt.

Unter sich im Schneetreiben sah Rhodan den mehrere Meter großen Emittermast von Kontrollpunkt zwölf. Er ragte wie ein gezackter Finger aus dem Eis. Und tatsächlich hatten die Hornschreckwürmer den Schutzring durchbrochen, auf einer Fläche halb so groß wie ein Fußballfeld.

Darüber schwebte in einigen Metern Höhe etwas unbeholfen der Australier und schoss mit einer selbst gebauten Waffe, die wie eine überdimensionierte Zwille aussah, golfballgroße Hyperschallgranaten in die Flut. Wo sie auftrafen, breiteten sich durch die Leiber der wogenden Bestien Wellen aus, die Rhodan an den Anblick einer Explosion unter Wasser erinnerten.

Noch im Flug legte Rhodan einen Bolzen in die Armbrust ein, zielte und schoss. Der Bolzen traf einen der unzähligen Hornschreckwürmer und spießte ihn wie einen Schmetterling auf; die spindeldürren Beine zitterten, der Panzer der Kreatur explodierte, und zurück blieben nur einige vibrierende Kügelchen aus Kreell und Molkex.

»Rhodan!«

Er drehte sich um, sah Bellusca aus der anderen Richtung auf sie zufliegen.

Die Polizistin stieg aus größerer Höhe herab als er und hatte augenscheinlich ebenfalls Probleme mit der Steuerung. Auf dem Rücken trug sie ihren Molkexspeer, in der Hand hielt sie einen Bogen. Gerade legte sie einen Pfeil auf die Sehne. Zwar konnte sie nicht sauber zielen, solange sie so unruhig flog, aber das war bei der Masse an Hornschreckwürmern unter ihnen zweitrangig.

Rhodan schoss einen weiteren Bolzen ab, um eine Freifläche zu sichern. Auch Turgeon verschoss unermüdlich seine Granaten. Gemeinsam drängten sie die Plage zurück und schufen einen Bereich, der groß genug für eine sichere Landung war.

Rhodan kam als Erster auf und reichte der ihm entgegentaumelnden Polizisten die Hand.

»Wie haben die Biester das geschafft?«, fragte sie.

»Ich habe keine Ahnung«, antwortete Turgeon knurrig, während er eine neue Granate einlegte. »Aber ich fürchte, der Emitter ist kaputt. Sieh!«

Tatsächlich tanzte alle paar Momente eine schwache Leuchterscheinung wie Elmsfeuer um die Spitze des Konstrukts. Und immer in diesen Momenten wagten die Hornschreckwürmer von der anderen Seite des Walls einen Vorstoß.

»Wenn der Emitter ausfällt, sind wir geliefert«, warnte Bellusca.

»Rhodan an Taravat!«, rief er die Künstliche Intelligenz der DOLAN. »Erbitte dringend Verstärkung des Walls am Kontrollpunkt zwölf. Der Emitter wirkt überlastet.«

Zuerst hörte er nur die allgegenwärtigen Störungen, welche die Kommunikation auf Impos behinderten. Dann bestätigte die KI – aber Rhodan wusste, dass selbst sie nicht aus dem Stegreif Ersatz fertigen konnte. Er und seine Gefährten würden eine Weile durchhalten müssen, bis die ersten Drohnen eintrafen.

»Räumen wir auf!«, rief Bellusca und nahm ihren Speer vom Rücken.

Seite an Seite rückten sie zum leicht erhöht positionierten Emitter vor. Wann immer möglich, sammelten sie dabei ihre verschossenen Projektile wieder auf; die Molkexspitzen mit den Hyperschallemittern waren kostbar und ließen sich mehrfach verwenden, sofern die Hornschreckwürmer sie nicht unter sich begruben. Auf eine herkömmliche Explosionswirkung der Waffen hatten sie bewusst verzichtet, weil sie ihnen ohnehin nichts genutzt hätte.

Bellusca ließ ihren Speer kreisen und stach immer wieder nach den Bestien, wenn diese ihnen zu nah kamen. Jeder Schlag auf den Boden setzte eine Hyperschallkaskade frei, was die Hornschreckwürmer zurückweichen ließ. Aber die Wirkung war nur temporär und nicht so stark wie die der stationären Emitter und der Flugroboter. Für jeden Schritt, den sie vorrückten, mussten sie wieder einen halben zurückweichen.

Dann sahen sie aus der Ferne drei Punkte heranfliegen und rasch größer werden.

»Hierher!«, rief Sam Turgeon und winkte mit dem Arm.

Ambrose Escher, Emerald Roscoff und Herxxell, der Blue, landeten neben ihnen und zückten ihre Waffen. Auch sie waren von der DOLAN neu ausgestattet worden – doch eigentlich kämpften sie seit Jahren auf diese Art um ihr Überleben: geschützt von selbst gebauten Molkexpanzern, mit Schallemittern als einzige Offensivwaffen.

»Schön, euch zu sehen!«, rief Nadine Bellusca ihnen aufmunternd zu.

»Ich hab doch gleich gesagt, drei Mann sind nicht genug für eine Schicht.« Selbst im Kampfeinsatz schien Escher nicht die Lust am Diskutieren zu vergehen. Dann zielte er mit seiner Armbrust und schoss einen Bolzen in die nächste Woge von Hornschreckwürmern, die den Fuß der defekten Emittersäule zu umrunden versuchten.

»Pass auf!«, schrie Bellusca.

Roscoff quietschte entsetzt, als die Italienern mit ihrem Speer haarscharf an ihm vorbeistieß und einen Hornschreckwurm durchbohrte, der es fast bis an die Fersen des jungen Manns geschafft hätte. Die Kreatur platzte unter der Einwirkung des Hyperschalls, doch ein paar Reste blieben an der Spitze des Speers hängen wie die Schale eines großen, besonders hässlichen Krebses. Angewidert hob Bellusca den Kadaver in die Höhe und schlug ihn dann auf den Boden, bis er von der Spitze rutschte.

»Danke«, sagte Roscoff kleinlaut. »Das war knapp.«

»Denk dir nichts dabei.«

Emerald Roscoff hob seinen Bogen und schoss auf die Hornschreckwürmer, wobei er nicht mehr von der Seite der Polizistin wich. Auch Herxxell nahm den Kampf gegen die Übermacht auf.

Gemeinsam schafften sie es, die Stellung zu halten, bis es Taravat gelang, den Schutzwall neu zu konfigurieren und zwei Flugroboter zu ihrer Unterstützung abzustellen. Die Drohnen verharrten neben dem flackernden Emitter und verstärkten den Wall, bis dieser wieder geschlossen war.

»Ob das reicht?«, zweifelte Escher.

»Den Emitter zu reparieren, könnte ein paar Stunden dauern«, sagte Rhodan. »Aber ich denke, dass der Wall bis dahin hält.«