Perry Rhodan Neo 188: Die Bestie in mir - Kai Hirdt - E-Book

Perry Rhodan Neo 188: Die Bestie in mir E-Book

Kai Hirdt

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Beschreibung

Im Jahr 2036 entdeckt der Astronaut Perry Rhodan auf dem Mond ein außerirdisches Raumschiff. Damit öffnet er den Weg zu den Sternen – ein Abenteuer, das den Menschen kosmische Wunder offenbart, sie aber immer wieder in höchste Gefahr bringt. Zeitweilig muss sogar die gesamte Erde evakuiert werden. 2058 ist die Menschheit mit dem Wiederaufbau ihrer Heimat beschäftigt und findet immer mehr zu einer Gemeinschaft zusammen. Die Terranische Union, Motor dieser Entwicklung, errichtet bereits Kolonien auf dem Mars und dem Mond. Auf Luna tauchen mysteriöse Fremdwesen auf. Sie können sich unsichtbar machen, werden deshalb Laurins genannt und sind extrem gefährlich. Kurz darauf bläht sich die Sonne auf, ihre Glut bedroht die inneren Planeten. Perry Rhodan verfolgt die Laurins bis zum Rand der Milchstraße. Dort scheint sein Raumschiff, die MAGELLAN, auf einmal verschwunden zu sein. Zur gleichen Zeit bekämpft ein Freund der Menschheit einen inneren Feind: Es ist DIE BESTIE IN MIR ...

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Band 188

Die Bestie in mir

Kai Hirdt

Cover

Vorspann

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Impressum

Im Jahr 2036 entdeckt der Astronaut Perry Rhodan auf dem Mond ein außerirdisches Raumschiff. Damit öffnet er den Weg zu den Sternen – ein Abenteuer, das den Menschen kosmische Wunder offenbart, sie aber immer wieder in höchste Gefahr bringt. Zeitweilig muss sogar die gesamte Erde evakuiert werden.

2058 ist die Menschheit mit dem Wiederaufbau ihrer Heimat beschäftigt und findet immer mehr zu einer Gemeinschaft zusammen. Die Terranische Union, Motor dieser Entwicklung, errichtet bereits Kolonien auf dem Mars und dem Mond.

Auf Luna tauchen mysteriöse Fremdwesen auf. Sie können sich unsichtbar machen, werden deshalb Laurins genannt und sind extrem gefährlich. Kurz darauf bläht sich die Sonne auf, ihre Glut bedroht die inneren Planeten.

Perry Rhodan verfolgt die Laurins bis zum Rand der Milchstraße. Dort scheint sein Raumschiff, die MAGELLAN, auf einmal verschwunden zu sein. Zur gleichen Zeit bekämpft ein Freund der Menschheit einen inneren Feind: Es ist DIE BESTIE IN MIR ...

1.

Die Zentrale der DOLAN lag im Halbdunkel. Ein wenig indirektes Licht aus dem Boden, reflektiert von den bronzebraunen Wänden der Kuppel, reichte für Icho Tolot. Wenn er Menschen zu Gast hatte, war es heller. Er selbst indes sah auch in annähernder Dunkelheit alles Wichtige. Er fand, dass die Düsternis das Irrelevante verblassen ließ und seinen Verstand frei hielt für die Fragen, mit denen er sich dringend beschäftigen musste.

Im Moment hieß das, herauszufinden, wer eine Flotte von zweihundert Kugelraumern ins Kriiyrsystem entsandt hatte. Tolot hatte eine Ahnung, erheblich finsterer als seine bevorzugte Lichtstimmung. Aber es konnte nicht sein. Es konnte nicht, und es durfte nicht.

Als die FERNAO unter der Leitung von Perry Rhodan nach der Mission im Ranaarsystem zurückgekehrt war, um sich beim Kriiyrsystem mit der MAGELLAN zu treffen, war das terranische Expeditionsraumschiff spurlos verschwunden gewesen. Stattdessen hatte die Besatzung der FERNAO fremde Raumschiffe im Umfeld der Laurinwelt Layl geortet. Icho Tolot, der mit der DOLAN der FERNAO vorausgeflogen war, hatte dies bereits früher entdeckt. Er hatte sich daraufhin im Ortungsschatten einer der Schlackeballungen im System verborgen und dort das Eintreffen der FERNAO abgewartet. Sofort nach deren Ankunft hatte er Verbindung mit den Menschen aufgenommen und sich zu Rhodans Einsatzschiff gesellt.

»Bist du bereit?« Perry Rhodans Gesicht im Hologramm verriet die gleichen Sorgen, die Tolot plagten.

»Im Rahmen des Möglichen«, antwortete Tolot. »Wenn man ignoriert, dass der Einflug ins System lebensgefährlich ist und wir nicht eindeutig wissen, wer uns dort erwartet, lautet die Antwort sogar ›Ja‹.«

Rhodan hob die Brauen.

»Was?«, fragte Tolot.

»Sarkasmus steht dir nicht, mein Freund. Das passt nicht zu dir.«

Rhodan hatte recht, wie meistens, gestand sich Tolot ein. Die Reise in den Monoceros-Ring forderte ihren Tribut. Er hatte die Geschehnisse auf Altin längst nicht verarbeitet, und nun begann der nächste hochriskante Einsatz. Riskant jedenfalls, wenn sich bewahrheitete, was er ...

Aber das konnte nicht sein.

»Ich breche auf«, verkündete Tolot. »Ich versuche, in Kontakt zu bleiben. Allerdings befürchte ich, dass die astrophysikalischen Verhältnisse im System einen unauffälligen Richtfunkstrahl unmöglich machen.«

»Verstanden«, bestätigte Rhodan. »Wir freuen uns, von dir zu hören, rechnen aber nicht damit.« Er zögerte. »Geh kein unnötiges Risiko ein.«

Tolot zeigte seine Zähne. Wenn er nicht sarkastisch sein durfte, war dies ein perfekter Moment, um gar nichts zu sagen.

Seine DOLAN löste sich von der FERNAO, in der die Menschen auf seine Rückkehr warten würden. Und auf die ihres verschollenen Mutterschiffs. Wohin die MAGELLAN verschwunden war, das war ein Rätsel für später. Tolot zog aus, um herauszufinden, was sie vertrieben hatte.

Das Kriiyrsystem war astrogatorisches Gefahrengebiet. Zwei Pulsare umkreisten einander, die ausglühenden Reste zweier größerer Gestirne, die sich in Novae verwandelt, extrem ausgedehnt und das komplette Planetensystem gegrillt hatten. Die inneren drei von einstmals vier Welten waren nicht mehr als hochdichte Schlackebrocken.

Die vierte Welt, Layl, war nach normalen Maßstäben ebenfalls unbewohnbar. Nur galten diese Maßstäbe nicht für die Laurins. Die seltsamen Wesen aus dem Creaversum, die sich selbst Naiir nannten, hatten den Planeten besiedelt und ein fremdartiges Habitat errichtet. Wahrscheinlich, um dem Nexus nahe zu sein – jener chaotischen Zone, in der unter bestimmten, extremen Bedingungen ein Übergang zwischen Normalraum und der Dimension möglich war, aus der die Crea und die Laurins ursprünglich stammten. Ein Portal in die Heimat, sozusagen – nur uralt und mittlerweile unbenutzbar. Aber dennoch vorhanden, und die unerklärlichen physikalischen Verhältnisse in seinem Umfeld trugen ihren Teil zur Einzigartigkeit des Systems bei.

»Sind wir bereit, Taravat?« Tolot stellte die gleiche Frage wie zuvor Rhodan.

»Im Rahmen des Möglichen.« Die Steuerintelligenz seines Raumschiffs hatte also ebenfalls keine klare Prognose, wie ihre Reise ausgehen würde. Aber es half nichts. Wenn sie nicht erfuhren, was mit der MAGELLAN geschehen war, war ihre Expedition in dem schmalen Sternenring knapp außerhalb der Milchstraße gestrandet. Zumindest würde die Rückkehr zur Erde viele Jahre dauern.

»Wir brechen auf!«, befahl Tolot.

Taravat steuerte das Schiff in das gleiche wahnwitzige Manöver, das schon wenige Tage zuvor einen unbemerkten Vorstoß nach Layl ermöglicht hatte: Die DOLAN tauchte in einen der fast lichtschnellen Partikelströme ein, die von den Pulsaren ausgingen, was das Raumschiff vor Ortung schützte.

Im Grunde war es Wahnsinn, in diesem Medium zu fliegen. Aber die FERNAO hatte es geschafft, und Icho Tolots DOLAN stand dem Menschenschiff in Widerstandskraft um nichts nach. Im Gegenteil verfügte es über einige Möglichkeiten, von denen die Menschen mit ihrem eher eingeschränkten technischen Entwicklungsstand bislang nur träumen konnten. Das war der Grund, weshalb Tolot statt der Menschen diese Erkundungsmission auf sich nahm.

Einer der Gründe zumindest.

»Statusbericht!«, forderte Tolot.

Aber Taravat antwortete nicht. Ein Zeichen, dass die Schiffsintelligenz sämtliche Kapazitäten benötigte, um den Höllenritt zwischen geladenen, fast lichtschnellen Leptonen und Baryonen zu überstehen. Statt einer eingängigen Zusammenfassung zeigte sie nur die Daten im Holo, die ihre Sensoren ohnehin aufzeichneten. Tolot musste die relevanten Informationen selbst herausfiltern. Die Feldlinien, denen der Strahl folgte, hatten in menschlicher Terminologie eine Stärke von mehr als hundert Millionen Tesla. Dazu kam die Radiostrahlung.

»Bekommen wir von außerhalb des Jetstrahls Feinortungsdaten aus dem Nahbereich herein?«, fragte er.

»Nein.« Taravats Auskunft fiel knapp aus, aber immerhin konnte die Schiffsintelligenz wieder sprechen. Ein Fortschritt – je mehr sie sich von den Neutronensternen entfernten, desto mehr würde sie ihre Handlungsfähigkeit zurückgewinnen.

Tolot studierte das Muster der Magnetfelder. Rund drei Millionen Kilometer entfernt gab es eine Interferenz. Dort schnitten sich die Wirklinien beider Pulsare und schufen eine Zone relativer Ruhe. Somit gab es eine Möglichkeit, in der Randzone des Jetstrahls anzuhalten und zu orten, ohne selbst in Entdeckungsgefahr zu geraten.

Tolot erteilte die entsprechenden Kommandos. Die DOLAN änderte den Kurs um wenige Grad, bremste, erreichte Sekunden später das Zielgebiet und verharrte dort.

Nur langsam konkretisierten sich die Ortungsbilder. Taravat musste immense Störeinflüsse herausrechnen. Aber in einigen Sekunden würde Tolot Gewissheit haben. Zweihundert Kugelraumer ... Die Haluter benutzten diese Raumschiffsbauform, die Arkoniden, die Menschen, die Liduuri. Es gab keinen Grund, anzunehmen, dass ausgerechnet ...

Die bisher von der FERNAO und DOLAN angemessenen Emissionssignaturen der Fremdflotte hatten der bekannten Allianztechnik entsprochen – obwohl die Profile nicht komplett und die Ortungsergebnisse verwaschen waren. Nun klärte sich das Bild. Icho Tolot sah seine schlimmsten Befürchtungen bestätigt. Zweihundert Kugelraumer ohne Ringwulst, jeweils einhundertzehn Meter im Durchmesser. Nur ein Volk, das er kannte, verwendete solche Raumschiffe: Im Kriiyrsystem hatten sich die Bestien breitgemacht.

Was Icho Tolot sah, spottete jeder Wahrscheinlichkeit. Er hatte nicht gewusst, dass überhaupt noch zweihundert Bestien lebten – die biologischen Kampfmaschinen der Allianz, die aus Halutergenen gezüchtet worden waren, galten als Fehlschlag. Sie waren zu aggressiv, zu unberechenbar für ihre Schöpfer. Das Zuchtprogramm war vor Jahrtausenden eingestellt worden – zumindest nach Kenntnis der Haluter. Stimmte das nicht? Was er gerade erblickte, sprach jedenfalls dagegen. Offensichtlich hatte jemand wieder damit begonnen, diese Monstren zu erschaffen. In großem Maßstab sogar.

Das führte Tolot zur nächsten Ungereimtheit. Bestien waren Einzelgänger. Sie akzeptierten keine Vorgesetzten, egal aus welcher Spezies. Zweihundert von ihnen, die gemeinsam und augenscheinlich koordiniert an einem kollektiven Ziel arbeiteten – das konnte nicht sein! Sie würden einander eher binnen weniger Tage gegenseitig umbringen, als dass sie Weisungen von jemandem aus ihrer Mitte oder gar von außen annahmen. Wenn sie tatsächlich zusammen agierten, geschah da etwas Außerordentliches.

Tolot hatte kein Gefühl dafür, wie lange er das Ortungsbild anstarrte. Er wusste nun, dass er sich am gefährlichsten Ort der Galaxis befand, nicht nur wegen der absurden lokalen Physik, die jedes Raummanöver zu einem Wagnis machte. Er musste etwas unternehmen. Jedes einzelne dieser Wesen war eine lebende Massenvernichtungswaffe, ebenso mächtig wie brutal. Zweihundert ... Diese Armee vermochte Sternensysteme auszulöschen. Es war seine Pflicht als Haluter, die Milchstraße davor zu schützen. Wie konnte er ...

»Nein«, raunte Taravat schlicht.

Tolot fühlte sich ertappt. Natürlich hatte die Schiffsintelligenz recht. Gegen eine Bestie hätte er vielleicht eine Chance gehabt, mit viel Glück jedenfalls. Nie und nimmer aber gegen diese Übermacht. Kein Wunder, dass die MAGELLAN geflohen war. Ihr Kommandant war ein erfahrener Mann. Er würde sich und seine Mannschaft nicht opfern, um einen längst verlorenen Posten zu verteidigen.

Tolot selbst würde sich auch nicht in einen aussichtslosen Kampf stürzen. Obgleich beim Thema Bestien die mittlerweile sprichwörtliche Friedfertigkeit der Haluter an ihre Grenzen stieß.

Die Ortungsbilder wurden detailreicher. Taravat hatte neben dem Raumsektor rund um Layl nun auch eine riesenhafte Konstruktion bei dem alten Transfernexus ins Visier genommen. Der Dimensionsriss lauerte in größerer Entfernung im Außenbereich des Kriiyrsystems auf der Seite, die den aktuellen Positionen der DOLAN und der FERNAO radial gegenüberlag. Dort schwirrte offenbar ebenfalls ein Teil der Bestienschiffe herum. Besonders aussagekräftig waren die Daten noch nicht, die Störungen waren zu heftig. Tolot begriff, dass die Bestienraumer nur deshalb so klar zu erkennen waren, weil Taravat die Ortungsergebnisse mit den bekannten Daten zu diesem Raumschiffstyp ergänzte. Für das unbekannte Konstrukt jedoch, das beim Nexus im Raum schwebte, gab es solche Hilfestellungen nicht.

Insofern war Tolot auf Wahrscheinlichkeiten und Hochrechnungen angewiesen. Nur einige Dutzend Baugruppen waren groß genug und deutlich genug erkennbar, um Rückschlüsse auf das angestrebte Endprodukt zu ermöglichen. Vermutlich entstanden dort zwei gewaltige, technikbestückte Ringe mit leicht unterschiedlicher Weite, die ineinander und senkrecht zueinander angeordnet waren, wodurch eine Kugelform angedeutet wurde. Ein Gebilde von etwa zweihundert Kilometern Durchmesser, wie Taravat nun anzeigte. Welchem Zweck diente diese gigantische Anlage?

Überall an den Ringsektionen wurde gearbeitet. Verwaschene Punkte in der Ortung umschwirrten sie wie Insekten, mutmaßlich Baustofflieferungen und Transportkapseln für Arbeitskräfte oder Roboter. Ihre Zahl ging in die Millionen, Tolot konnte den rasanten Baufortschritt beinahe wie in einem Zeitrafferfilm mitverfolgen. Es erinnerte den Haluter an ein Riesenheer winziger Ameisen, das in wundersamem Tempo einen mächtigen Hügelbau errichtete. Das erklärte zumindest, wie dieses Konstrukt in der kurzen Zeit seit Tolots vorherigem Besuch im Kriiyrsystem aus dem Nichts geschaffen worden war.

»Können wir einen Zwischenbericht an die FERNAO geben?«

Taravat versuchte, das Menschenschiff anzufunken. Doch wie schon beim Aufbruch befürchtet, kam kein Kontakt zustande, solange jedes Normal- oder Hyperfunksignal als Richtstrahl im Partikelstrom versteckt blieb. Jedes andere Verfahren hätte die Bestien aufmerksam gemacht und verbot sich somit von selbst.

»Wir müssen mehr darüber herausfinden, was hier passiert«, verkündete Tolot.

»Unsere Optionen sind eingeschränkt«, gab Taravat zu bedenken.

Tolot stellte zufrieden fest, dass die Stimme seines Schiffs wieder in ganzen Sätzen sprach. Taravat war mehr als eine Künstliche Intelligenz: Sie war gewissermaßen das Gehirn der DOLAN, das lebende Bewusstsein eines lebenden Raumschiffs. Sie besaß eigene Intelligenz sowie Intuition und hatte Tolot mit ihrer eigenen Betrachtungs- und Analyseweise schon des Öfteren vor dem einen oder anderen gefährlichen Fehlschluss bewahrt.

»Deshalb sollten wir scharf nachdenken, bevor wir etwas tun«, schlug Tolot vor. »Bist du bereit?«

Taravat bejahte.

Tolot begann zu dozieren. »Fakt eins: Layl ist eine Welt der Laurins, der höchsten Hierarchieebene der Allianz. Fakt zwei: Die Allianz führt seit Jahrzehntausenden Krieg gegen humanoide Völker, und zwar im Auftrag des Geisteswesens ANDROS. Fakt drei: Die Laurins haben sich aller Wahrscheinlichkeit nach von diesem Auftrag und von ANDROS losgesagt. Fakt vier: Die Bestien, die wir bislang getroffen haben, haben alle das ursprüngliche Ziel der Allianz verfolgt: die Vernichtung aller Humanoiden. Und zwar nicht nur, weil sie einen entsprechenden Auftrag erhalten haben, sondern aus tiefster Überzeugung. Habe ich die Informationslage korrekt wiedergegeben?«

»Dies stimmt mit den mir vorliegenden Daten überein«, bestätigte Taravat.

Das überraschte Tolot nicht sonderlich. Interessanter würde sein, was für Schlussfolgerungen man aus diesen Daten zog.

»Da die Naiir die Goldenen ermordet haben, die zweithöchste Führungsebene der Allianz, müsste man davon ausgehen, dass die Laurins und die Bestien inzwischen auf entgegengesetzten Seiten in diesem Konflikt stehen.«

»Nicht zwingend«, wandte Taravat ein. »Es könnte sein, dass die Bestien ebenfalls die Seiten gewechselt haben.«

»Und jetzt nicht mehr auf Vernichtung allen Lebens aus sind, das ursprünglich einmal von der Erde stammte?«, führte Tolot den Gedanken zweifelnd zu Ende.

»Denkbar, aber extrem unwahrscheinlich«, gestand Taravat zu. »Bis zum Beweis des Gegenteils sollten wir die Bestien als blutrünstige Massenmörder qualifizieren, die Bestrebungen zur friedlichen Einigung als widernatürlich und als Verrat empfinden.«

Tolot war zufrieden, dass Taravat diese Annahme bestätigte. Computergleiches Haluter-Planhirn hin oder her – in Bezug auf die Bestien war Tolot nicht zu objektiven Urteilen fähig. Gerade deshalb war die Schiffsintelligenz als objektiver Sparringspartner für ihn so wichtig.

»Dann sehe ich zwei andere mögliche Erklärungen für das, was wir hier beobachten: Erstens, nur ein Teil der Laurins hat sich von ANDROS losgesagt. Andere erfüllen weiter die Aufträge des Geisteswesens und kooperieren mit den Bestien.«

Taravat schwieg.

»Zweitens«, fuhr Tolot fort, »die Bestien haben die Laurins zu Gegnern erklärt und sie aus dem Kriiyrsystem vertrieben.« Nach kurzem Nachdenken fügte er hinzu: »Oder sie getötet.«

»Beides ist möglich«, sagte Taravat. »Ohne weitere Indizien lässt sich allerdings nicht berechnen, was davon wahrscheinlicher ist.«

»Gibt es Anzeichen für Laurinaktivität im System?«, fragte Tolot.

»Keine«, antwortete die Schiffsintelligenz. »Aber die Laurins verfügen über exzellente Tarnmethoden, sodass sie selbst unter optimalen Umständen nicht oder kaum zu orten sind. Von optimalen Umständen sind wir jedoch weit entfernt. Ich vermag nicht zu sagen, ob die Laurins geflohen sind oder eine ganze Flotte ihrer Raumschiffe Seite an Seite mit den Bestien operiert.«

Tolot brummte missmutig. Die eingeschränkte Ortung entwickelte sich allmählich vom Ärgernis zum echten Problem. »Wir müssen in Erfahrung bringen, was die Bestien hier eigentlich tun«, stellte er fest.

»Es ist dringend davon abzuraten, mit der DOLAN den Ortungsschutz ...«

»Habe ich nicht vor«, unterbrach Tolot. »Ich denke an einen Kundschafter.«

Taravat schwieg. Tolot war nicht entgangen, dass das ohnehin schwache Licht in der Zentrale bei seinem Satz kurz geflackert hatte.

»Wir sind vorsichtig«, versicherte er. »Wir bringen den Kundschafter nicht in Gefahr.«

Konventionelle Sonden hatten bei dieser Mission keine Chance auf Erfolg. Sie waren zu leicht ortbar. Ein Kundschafter hingegen war ein lebendes Wesen, ein Kind der DOLAN gewissermaßen: ein winziger organischer Ableger, der stets in Verbindung mit seinem Mutterschiff – im doppelten Sinne – blieb.

»Du gefährdest nicht unser Leben«, stellte Taravat fest. »Dafür ein anderes.«

»Das werde ich nicht!«, widersprach Tolot heftig.

Taravat projizierte eine Raumkarte. Tolot erkannte die Welt Altin im Ranaarsystem. Kaum vernarbte Erinnerungen drängten empor: Vor nicht mal zwei Tagen hatte er dort einen Hyperimpuls auslösen müssen, der sämtliche neu gezüchteten Goldenen getötet hatte. Er hatte damit das Leben aller Menschen auf der FERNAO gerettet, und nicht zuletzt sein eigenes und das von Taravat. Aber er hatte eben auch Dutzende, vielleicht Hunderte intelligente Lebewesen umgebracht.

»Das war eine Notlage!«, rief Tolot. »Hättest du dich an meiner Stelle anders entschieden?«

»Nein«, räumte Taravat ein. »Aber wie klassifizierst du die jetzige Situation? Eine überlegene, hochgefährliche Macht baut ein gewaltiges technisches Gerät unbekannter Funktion. An einer Raumposition mit hochkomplexen und gefährlichen physikalischen Eigenschaften. Es ist davon auszugehen, dass dunkle Motive dahinterstehen. Wir sind in ausgerechnet diesem Raumsektor gestrandet, auf uns allein gestellt und wissen nicht, wie viel Zeit uns zum Handeln bleibt. Würdest du auch diese Situation als Notlage einstufen?«

»Ja«, gab Tolot widerwillig zu.

»Wenn du die Wahl hast, natürlich geborenes oder künstlich geschaffenes Leben zu opfern, was ist deine Präferenz?«

»Ich habe keine!«, rief Tolot. »Leben ist Leben, und jedes Leben verdient denselben Respekt!« Doch noch während er sprach, fragte er sich, ob das wirklich stimmte.

Taravat jedenfalls glaubte ihm nicht. Die Schiffsintelligenz projizierte ein neues Holo: Ausschnitte aus einem Gespräch, das Tolot nur Tage zuvor mit Perry Rhodan an Bord der MAGELLAN geführt hatte.

»Ich hadere insgesamt mit dem Konzept künstlich geschaffener Wesen«, sagte Tolots früheres Ich in der Projektion. »Müssten wir für Wesen, die wir in die Existenz gerufen haben, nicht Verantwortung übernehmen? Sie hegen, schützen, zur Entfaltung bringen? Statt sie zu benutzen und zu töten, wenn sie nicht mehr gebraucht werden?«

»Wir sind anders«, antwortete Rhodan. »Wir handeln nicht wie die Allianz.«

»Eben das bestreite ich, Rhodanos«, sagte der Tolot im Hologramm. »Wir Haluter tragen Mitschuld an der Existenz der Bestien. Und glaube mir, wenn ich einer Bestie begegne, hege und schütze ich sie nicht. Ich werde sie jagen und töten. Ohne jede Gnade. Weil es das einzig Richtige ist.«

Taravat beendete die Vorführung.

2.

Seka Ow leitete die Landung auf Layl ein. Seine kleine Kuriereinheit senkte sich durch die Farbspiele der Edelgasatmosphäre, die, angeregt von den ständigen Strahlungsschauern im Kriiyrsystem, rote, grüne, blaue und weiße Lichtwolken produzierte. Der schwarze Boden unter ihm blitzte in unregelmäßigen Abständen blau auf, als stünde er unter Strom.

Ow wusste, dass das nicht der Fall war, dass es sich vielmehr um ein natürliches Phänomen mit ungefährlich geringer Spannung handelte. Dennoch wirkte es bedrohlich. Dabei lag die wirkliche Gefahr auf Layl ganz woanders.

Er steuerte die Anlage an, die der Statthalter errichten ließ. Roboter und Hilfsmaschinen waren dort pausenlos mit voller Kraft zugange, um die Bauarbeiten, die bereits deutlich weiter gediehen waren als die Konstruktionstätigkeit am Synchrofark, schnellstmöglich abzuschließen. Die aus einer anthrazitfarbenen Stahllegierung errichteten Türme in den fertig gestellten Bauabschnitten fügten sich stimmig in die zerklüftete Oberfläche der schwarzen, schillernden Welt aus Siliziumkarbid ein.

Die riesige Installation wucherte in alle Richtungen um einen leeren Kreis in ihrer Mitte herum. Die einzige andere freie Fläche war das Landefeld, Ows Ziel. Ein Leitstrahl wies ihm den Weg. Den Weg zu den Bestien.

Als Androide einer frühen Baureihe war Seka Ow nicht besonders empfindungsfähig. Man hatte ihn jedoch mit einem starken Selbsterhaltungstrieb ausgestattet, und das führte zu der vernünftigen Reaktion, dass er in Gegenwart dieser Wesen Angst empfand. Immense Angst. Panik sah seine Grundprogrammierung eigentlich nicht vor, aber Ow war lernfähig. Von Tag zu Tag gelang es ihm besser, diese neue Erfahrung in sein Emotioportfolio zu integrieren. So unangenehm Angst war: Sie brachte ihn seinem Ziel näher, irgendwann zu fühlen und zu handeln wie ein lebendes Wesen.

Bei der Arbeit am riesigen Synchrofark gab es zumindest immer die Möglichkeit, Abstand zu halten. Auf Layl jedoch ging das nicht. Die planetare Anlage war kleiner und im Großen und Ganzen zweidimensional, hatte also viel weniger Volumen als die gigantische Raumkugel draußen beim Nexus. Deshalb würde er nun mit Sicherheit Bestien antreffen. Nicht allein den Statthalter, dem Ow eine Lieferung und eine Nachricht bringen sollte, sondern viele dieser gewaltigen, brutalen, vierarmigen Mordmaschinen. Er fragte sich, ob er sein Ziel überhaupt lebend erreichen würde.

Dennoch: Flucht war keine Option. Seine Programmierung ließ das nicht zu. Nur Hoffnung war ihm gestattet.

Diese zerschlug sich, sobald er das gelandete Raumboot verlassen hatte und mit seiner Ladung in einen Hauptweg zwischen zwei finsteren Anlageblöcken einbog, der vom Landefeld fortführte. Sie warteten auf ihn. Sie waren zu sechst. Zwei der Bestien hatten viele tiefrote Einsprengsel auf ihrer grünen Haut, eine war violett. Zwei wirkten im Schimmer der atmosphärischen Lichterscheinungen schwarzgrün oder dunkelblau. Die letzte stach farblich heraus: Sie war von einem ungewöhnlich hellen Gelb. Darauf sah man die zerklüfteten Narben, die alle dieser Wesen in ihren unbeherrschten Kämpfen davongetragen hatten, besonders deutlich.

»Was haben wir denn hier?«, fragte die gelbe Bestie und lachte dröhnend. »Die Goldenen sollten doch alle tot sein. Müssen wir da etwa nachhelfen?«

»Ich bin kein Goldener.« Seka Ow reckte das Kinn über die große, würfelförmige, dunkle Metallbox, um die Lage besser zu überblicken. Er war versucht, das Paket für den Statthalter abzustellen und sich verteidigungsbereit zu machen. Als hätte er irgendeine Chance, falls es wirklich zu einem Kampf käme. »Ich bin ein Androide, nach dem Abbild der Goldenen geschaffen.«

»Eine Kopie!«, höhnte die gelbe Bestie. »Eine schlechte dazu! Seht euch sein kaputtes Gesicht an! Sein Kinn sprüht Funken, wenn er den Kopf dreht.«

»Ich gehöre zu einer frühen Baureihe«, erklärte Ow, aber es war vergebliche Mühe.

Die Bestien interessierten sich gar nicht dafür. Gemächlich setzten sie sich in Bewegung. Langsam, wie zufällig, kreisten sie ihn ein.

Angst, Angst auf der Schwelle zur Panik. Definitiv eine neue Emotion, und keine, die Ow gefiel. »Ich habe eine dringende Lieferung für den Statthalter«, rief er. Seine Stimme klang höher, als er gewohnt war. »Und eine Nachricht!«

»Eine Lieferung für den Statthalter!«, äffte die gelbe Bestie ihn nach. »Und eine Nachricht noch dazu! Wie lautet sie denn? Ich werde sie ihm ausrichten!«

»Nur ich kann sie dekodieren«, sagte Ow, »und nur auf ausdrücklichen Befehl des Statthalters. Alles andere lässt meine Programmierung ...«

Ein furchtbarer Hieb traf seinen Rücken. Trotz des Gewichts der Metallbox, die er fest umklammert hielt, flog er vier Mannslängen weit und kam kurz vor den Füßen der gelben Bestie zum Liegen. Nun war er froh darum, nicht wirklich zu leben, denn sonst wäre er wohl sofort tot gewesen.

Ow wägte seine Optionen ab. Er war nicht so fragil, wie die Wesen um ihn herum vielleicht glaubten. Aber er war auch nicht stark genug, um im Kampf gegen die Bestien bestehen zu können. Wenn er es darauf ankommen ließ, würden sie ihn zerstören.

Die Bestien johlten und ließen ihr brüllendes, donnerndes Lachen hören. Seka Ow schloss mit seiner Existenz ab. Sie hatte lange gewährt, viele Jahrtausende. Irgendwann war es für jeden an der Zeit.

»Ich bin der Statthalter«, behauptete der Gelbe. »Gib mir deine Nachricht. Und die Box.«

»Sie lügen«, stellte Ow resigniert fest. »Ich weiß, wie der Statthalter aussieht. Sie können mir die Lieferung stehlen. Aber meine Programmierung lässt nicht zu, die Botschaft zu verraten, selbst wenn Sie mich töten. Was Sie vermutlich ohnehin vorhaben, egal was ich tue.«

Die anderen fünf Bestien hatten aufgehört zu johlen. Ow konnte sie nicht sehen. Das Gesicht des Gelben mit den drei tiefroten Augen und dem furchtbaren Gebiss füllte Ows ganzes Sichtfeld aus. Wahrscheinlich warteten die fünf gespannt darauf, wie ihr Wortführer mit dem offenen Widerspruch eines schwächlichen Wesens umging.

Weit gefehlt. Auf einmal hatte Ow wieder freie Sicht, denn der Gelbe wurde von einem Schlag davongewirbelt, mehr als doppelt so weit, wie Ow eben selbst geflogen war. Ein Brüllen erklang, lauter, länger, tiefer, wütender, furchtbarer als alles, was er bislang gehört hatte.

»Du bist der Statthalter, Kadmoxx Kerkg?«, verstand Seka Ow. »Du bist der Statthalter? Tot bist du!«

Eine weitere Bestie war wie aus dem Nichts aufgetaucht und hatte den Gelben hinweggefegt. Sie war mehr als doppelt so groß wie Ow. Ihre Haut war von tiefdunklem Türkis und sah bei den lokalen Lichtverhältnissen fast schwarz aus. Tiefe Furchen teilten sie in ein Schuppenmuster aus Sechs- und Dreiecken. Ow erkannte sie von Aufnahmen wieder. Das war der Statthalter.

Er verstand nun, warum die anderen fünf plötzlich geschwiegen hatten. Sie hatten den Neuankömmling früher gesehen als Kadmoxx Kerkg. Und wenn alle Gerüchte über den Statthalter stimmten, sahen sie ihre beste Überlebenschance darin, schweigend und möglichst unauffällig zuzuschauen.

»Du bist kein Statthalter«, grollte Kerkg. »Du bist ein Feigling und ein Witz. Ich sollte als Erster auf die andere Seite gehen! Ich fordere dieses Recht!«

Der Statthalter stürzte sich auf Kerkg. Der Rest der Bestien, dieser Reigen von Furor und Brutalität, nahm respektvoll Abstand ein und markierte mit den gewaltigen Leibern eine kleine Arena.

Auf einmal witterte Ow wieder eine geringe Überlebenschance. Die Zuschauer standen weit genug voneinander entfernt, dass er sich möglicherweise unauffällig zwischen ihnen hätte hindurchmogeln können ... Nur war ihm das nicht möglich. Allein konnte er vielleicht fliehen. Jedoch nicht mit der großen Stahlkiste, die er zu transportieren hatte. Sie zurücklassen durfte er nicht.

Oder? Er hatte sie dem Statthalter bringen sollen. Der Statthalter war da. Hatte Ow seine Pflicht erfüllt?

Nein. Vielmehr musste er die Kiste davor schützen, bei dem nun entbrennenden Gefecht zerstört zu werden. Kerkg hatte seine Überraschung überwunden und wehrte sich. Knapp vor dem nächsten Schlag des Statthalters verhärtete er seinen Körper, bis er fast so starr war wie das schwarze, manchmal blau blitzende Siliziumkarbid unter ihren Füßen.

Die finstertürkise Bestie ließ ihre Fäuste auf die gelbe niederfahren. »Wenn du etwas forderst, verdiene es dir!«

Ein lautes Krachen ertönte, ganz als sei ein Gleiter ungebremst in eine Wand geflogen. Beide Kämpfer brüllten auf. Ow hatte keine Ahnung, was er gerade gehört hatte: Die Armknochen des Angreifers? Die Rippen des Verteidigers? Den splitternden Boden unter ihnen?