Perry Rhodan Neo 299: Planet ohne Zeit - Rüdiger Schäfer - E-Book

Perry Rhodan Neo 299: Planet ohne Zeit E-Book

Rüdiger Schäfer

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Beschreibung

Vor sieben Jahrzehnten ist Perry Rhodan auf Außerirdische getroffen. Seither ist die Menschheit zu den Sternen aufgebrochen und hat fremde Welten besiedelt, wird aber oft in kosmische Konflikte verwickelt. Ende 2108 kehren Terra und Luna, die seit sechseinhalb Jahren um eine 34.000 Lichtjahre entfernte Sonne kreisten, ins Solsystem zurück. Allerdings geht dabei etwas dramatisch schief. Milliarden Menschen auf Erde und Mond sind offenbar in einem Stasisfeld gefangen. Nur rings um Rhodan existiert eine winzige Schutzzone. Mit seiner Frau Thora und Alaska Saedelaere, dem Mann mit der Maske, bricht er nach Terrania auf, wo sie die Ursache für das Phänomen vermuten. Dabei werden sie von einem unbekannten Gegner attackiert. Perry Rhodan lässt sich jedoch nicht entmutigen. Denn wenn seine Mission scheitert, bleibt die Erde womöglich für immer ein PLANET OHNE ZEIT ...

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Band 299

Planet ohne Zeit

Rüdiger Schäfer

Cover

Vorspann

Prolog: Alaska Saedelaere

1. Perry Rhodan

2. Perry Rhodan

3. Perry Rhodan

4. Perry Rhodan

5. Perry Rhodan

6. Perry Rhodan

7. Perry Rhodan

8. Perry Rhodan

9. Perry Rhodan

10. Perry Rhodan

11. Perry Rhodan

12. Perry Rhodan

13. Perry Rhodan

14. Perry Rhodan

15. Perry Rhodan

Epilog: Alaska Saedelaere

Impressum

Vor sieben Jahrzehnten ist Perry Rhodan auf Außerirdische getroffen. Seither ist die Menschheit zu den Sternen aufgebrochen und hat fremde Welten besiedelt, wird aber oft in kosmische Konflikte verwickelt.

Ende 2108 kehren Terra und Luna, die seit sechseinhalb Jahren um eine 34.000 Lichtjahre entfernte Sonne kreisten, ins Solsystem zurück. Allerdings geht dabei etwas dramatisch schief.

Milliarden Menschen auf Erde und Mond sind offenbar in einem Stasisfeld gefangen. Nur rings um Rhodan existiert eine winzige Schutzzone. Mit seiner Frau Thora und Alaska Saedelaere, dem Mann mit der Maske, bricht er nach Terrania auf, wo sie die Ursache für das Phänomen vermuten.

Dabei werden sie von einem unbekannten Gegner attackiert. Perry Rhodan lässt sich jedoch nicht entmutigen. Denn wenn seine Mission scheitert, bleibt die Erde womöglich für immer ein PLANET OHNE ZEIT ...

»Kein Mensch ist perfekt. Falsch! Alle sind es!

Dies sagt Weidenburn.«

Prolog

Alaska Saedelaere

Das ist ein Traum! Das kann unmöglich echt sein! Ich muss nur aufwachen, und alles ist vorbei!

Ich renne durch einen Wald. Die Bäume erinnern mich an irdische Tannen oder Fichten. Allerdings sind ihre Nadeln steinhart und verdammt scharf. Sie dringen sogar durch das Spezialgewebe meines leichten, aber eigentlich sehr robusten Raumanzugs.

Hinter mir höre ich das Knurren und Schnaufen meiner Verfolger. Ich kann nicht mit Sicherheit sagen, ob es sich bei den Kreaturen mit dem schwarzem Fell und den riesigen Hauern um Tiere oder intelligente Wesen handelt. Jedenfalls scheinen sie kein Interesse an einer Verständigung zu haben. Sie sehen aus wie aufrecht gehende Wildschweine und sind mit weit aufgerissenen Mäulern und aggressivem Grunzen auf mich zugestürmt, kaum dass sie mich gesehen hatten.

Der Wald wird dichter. Ich finde immer weniger Lücken, die mir erlauben, meine Flucht fortzusetzen. Nach ein paar Minuten hängt mir meine Schutzmontur nur noch in Fetzen vom Körper, und die Baumnadeln reißen mir die Haut auf. Auf meiner Stirn bilden sich Schweißtropfen, die mir in die brennenden Augen rinnen. Unter der starren Maske ist das besonders unangenehm; trotzdem scheue ich mich, sie abzunehmen.

Wach auf!, befehle ich mir wieder und wieder. Du hast einen Albtraum! Beende ihn! Aber es funktioniert nicht.

Obwohl sich die Schnitte, die mir die winzigen Nadeln beibringen, sehr real anfühlen und höllisch wehtun. Heißt es nicht, dass man im Traum keinen Schmerz empfinden kann?

Eine Wurzel – vielleicht auch ein im weichen Waldboden verborgener Stein – bringt mich zu Fall. Ich stürze und beiße mir auf die Zunge, habe plötzlich den Geschmack von warmem Metall im Mund.

Hämoglobin, zuckt es durch meinen dröhnenden Schädel. Das Blutprotein enthält Eisenionen, an die sich der Sauerstoff bindet, der durch die Arterien transportiert wird. Deshalb schmeckt Blut für gewöhnlich wie ein Stück unlackiertes Eisen.

Seltsam, was einem in Extremsituationen alles durch den Kopf schwirrt ...

Hastig komme ich wieder auf die Beine und hetze weiter. Ich spüre ein heftiges Stechen in der Brust und den Seiten. Ich bin nie besonders sportlich gewesen; meine Kondition ist nicht die beste. Während meiner Zeit bei der Terranischen Flotte habe ich die vorgeschriebenen Trainingseinheiten eher widerwillig absolviert. Dazu kommt eine Ernährung, die aus zu viel Zucker und ungesunden Fetten besteht. Das hat mir bei den medizinischen Routineuntersuchungen immer wieder vorwurfsvolle Blicke der diensthabenden Ärzte eingebracht – und gute Ratschläge, die ich längst auswendig kannte. Mit der Theorie habe ich keine Probleme; es ist die Umsetzung in die Praxis, an der es hapert.

Endlich lichtet sich der Wald und geht in eine mit Büschen und Gras bewachsene Felslandschaft über. Das hilft mir zwar nicht sonderlich, aber wenigstens werde ich nicht mehr von Baumnadeln lebendig gehäutet.

Ich versuche, mich zu erinnern, wie das alles begonnen hat. Wie komme ich hierher? Wo bin ich überhaupt? Aber mein Kopf ist leer. Ich kenne nur meinen Namen: Alaska Saedelaere.

Ich bin nichts Besonderes. Vor ein paar Jahren war ich Techniker auf der SOL, einem der faszinierendsten Raumschiffe, mit dem Menschen jemals durch den Weltraum geflogen sind. Ich war glücklich und zufrieden. Aber das ist ein Zustand, der selten lange anhält. Das Schicksal scheint es nicht zu mögen, wenn ein Leben allzu lange geradlinig und ohne Komplikationen verläuft. Also legt es einem Steine in den Weg – nun, in meinem Fall waren es eher ein paar ziemlich große Felsbrocken.

Es gibt sicher nicht viele, die es schaffen, zehntausend Jahre in die Vergangenheit zu reisen und dort zu stranden. Und noch weniger kriegen es hin, wieder in ihre angestammte Gegenwart zurückzukehren – mit einem ... Ding im Gesicht, dessen Anblick jedes andere Lebewesen vor Angst sterben lässt. Ich werde deshalb für den Rest meines Lebens eine Maske tragen müssen. Eine plumpe Maske aus kristallinem Bor, weil dies das einzige Material zu sein scheint, das von meiner Gesichtshaut nicht abgestoßen wird.

Ja, das Schicksal hat mich zu einem Freak gemacht, zu einem Außenseiter, einem Sonderling, den jeder verstohlen anstarrt und hinter dessen Rücken man sich dumme Gerüchte und krude Behauptungen zuflüstert. Gewollt habe ich das alles natürlich nie, aber danach hat keiner gefragt.

Vor mir taucht ein schmaler Wasserlauf auf. Für einen Moment hege ich die absurde Hoffnung, dass ich ihn nur überqueren muss, damit die Verfolger meine Spur verlieren. Aber das ist Unsinn. Die Wildschweinhorde bricht soeben aus dem Wald hervor und hat mich sofort im Blick. Ich kann den Tieren nicht entkommen. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis sie mich einholen.

Voriges Jahr habe ich meinen fünfzigsten Geburtstag gefeiert. Allein. Damals hat mich das nicht gestört. Ich bin kein besonders geselliger Mensch, und die Zeit, die ich an Leticrons Seite verbracht habe, hat mich den Wert von Stille und Einsamkeit gelehrt. Das Leben hat die furchtbare Eigenschaft, einem mit fortschreitendem Alter die eigenen Unzulänglichkeiten immer deutlicher vor Augen zu führen. So lange, bis man sich nicht mehr ertragen kann und darüber nachzudenken beginnt, ob der Tod nicht die bessere, die gnädigere Alternative ist.

Was ist das? Ein Haus? Es hat den Anschein, als sei es einfach aus dem felsigen Boden emporgewachsen. Zumindest habe ich es bisher nicht bemerkt. Ein weiteres Indiz dafür, dass ich das alles nicht wirklich erlebe, egal wie realistisch es sich anfühlt.

Beim Näherkommen erkenne ich, dass das Haus aus ... Lebkuchen besteht. Ich blinzle ungläubig, aber das Bild bleibt. Nein, ich irre mich nicht! Das Haus sieht tatsächlich genau aus wie die Zeichnung aus dem Märchenbuch, aus dem mir meine Mutter früher vorgelesen hat. Natürlich auf Dänisch, weil mein Vater darauf bestand, dass ich die Sprache unserer Vorväter erlerne. »Hans og Grete« war immer meine Lieblingsgeschichte.

Ich verspüre den irrationalen Drang zu lachen, aber dafür fehlt mir die Luft. Stattdessen renne ich mit schmerzenden Seiten und stechenden Lungen auf das Häuschen zu. Ein Häuschen, dessen Dach aus Teigschindeln besteht, die dick mit weißem Zuckerguss bedeckt sind. Dazu kommt eine Fassade aus Kuchenplatten, gebacken aus Honig, Butter, Eiern, Mehl, Zimt und Muskatnuss – dekoriert mit winzigen Keksen, bunten Schokoladenstreuseln und Puderzucker.

Ich bemerke die Risse in der Glasur des Materials. Um sie herum ist der Teig grau und hart geworden. Da und dort schimmert er schon grünlich. An mehreren Stellen sind die Verzierungen aus Mandeln und Schokolinsen abgesplittert und zerbrochen.

Dann höre ich die Hilferufe – und mein Herz setzt ein paar Schläge aus. Auf einmal sind meine Verfolger vergessen. Ich schaue nicht mal über meine Schulter, um zu überprüfen, wie nah sie mir bereits sind. Stattdessen trete ich mit aller Kraft gegen die Tür des Lebkuchenhauses. Das Backwerk ist morsch und bricht sofort.

Im Innern erwartet mich flackernde Helligkeit. Es ist viel zu warm. In einer Ecke steht ein riesiger Ofen, aus dem Flammen schlagen. Ihm gegenüber sehe ich einen Käfig – und Katrinka! Ihre Stimme habe ich sofort erkannt.

Die Mehandor sieht genauso aus, wie ich sie in Erinnerung habe. Ihr wunderschönes Gesicht ist blass, die Lippen weisen einen bläulichen Schimmer auf. So habe ich sie damals auf Arkon I in den Armen gehalten, nachdem ein gedungener Mörder sie mit einem Mikropfeil vergiftet hatte und das Leben aus ihr herausfloss. Immerhin weiß ich nun sicher, dass ich träume, denn die Frau im Käfig kann unmöglich die echte Katrinka sein.

Als ich aus dem Augenwinkel eine Bewegung wahrnehme, fahre ich herum. Im ersten Moment erkenne ich die Gestalt nicht, die da mit gebeugtem Rücken und in ein Kleid aus bunten Lumpen gehüllt auf mich zuhumpelt. Es ist zweifellos die böse Hexe, und auch wenn im Märchen eigentlich Hans und nicht Grete im Käfig sitzt, ist mir längst klar, dass sich diese Scheinrealität aus meiner Erinnerung bedient. Dann hebt die Hexe den Kopf und grinst mich spöttisch an. Ihre raubtierhaften Züge mit dem kurzen, glatten Fell sind unverwechselbar.

Dao-Lin-H'ay! Storkat. Die Katzenfrau.

Die Kartanin hebt ihre Arme und fährt die Krallen aus. Das ist der Moment, in dem die erste der Wildschweinkreaturen durch die Tür kommt. Sie braucht nur einen Lidschlag, um sich zu orientieren. Dann stürzt sie sich mit lautem Grunzen auf mich.

Noch im Zurückweichen reiße ich mir die Maske vom Kopf. Ich habe mir zwar geschworen, mein Gesicht niemals als Waffe einzusetzen, doch da das alles nur ein Traum ist ...

Das Grunzen der Kreatur wird augenblicklich zum hohen Quieken. Der Aufprall ihres schweren Körpers schleudert mich quer durch den Raum und gegen die Gitterstäbe des Käfigs. Ich spüre ein scharfes Stechen im Rücken. Als ich mich aufrapple, sehe ich, dass das Schweinewesen zuckend am Boden liegt. Seine Augen sind dennoch wie gebannt auf mich gerichtet. Es scheint sie nicht abwenden zu können. Das Gesicht ist eine verzerrte Fratze. Sie verrät blankes Entsetzen.

Zwei weitere Verfolger stürmen in den einzigen Raum des Hauses. Sie gehen dabei so ungestüm vor, dass Teile des Türrahmens und der angrenzenden Wand zerbrechen. Dann fällt auch ihr Blick auf mein Antlitz. Die blutrünstige Wut, die eben noch ihre primitiven Gesichtszüge geprägt hat, verwandelt sich in nackte Panik. Was sehen sie in diesem Augenblick? Was kann so schrecklich und Furcht einflößend sein, dass man daran stirbt?

Ich habe keine Zeit, über diese Fragen nachzudenken, denn plötzlich schlingen sich zwei dünne Arme um meinen Hals und ziehen mich mit roher Gewalt nach hinten. Ich bekomme keine Luft mehr, habe das Gefühl, in die Fänge eines großen Tintenfischs geraten zu sein, der mir mit seinen Tentakeln den Kehlkopf zerquetscht.

»Katrinka?«, bringe ich mühsam heraus. »Was ... machst du?«

»Du bist schuld!«, zischt die Mehandor dicht neben meinem Ohr. »Deinetwegen bin ich tot! Du hast mich umgebracht!«

Sie hat recht, denke ich. Ich habe erst ihre Karriere zerstört und sie auf Archetz zurückgelassen und dann nach Arkon Eins gebracht, wo sie ermordet wurde!

Vor meinen Augen tanzen bunte Sterne. Dazwischen kann ich Dao-Lin-H'ay erkennen, die langsam auf mich zukommt. Der Anblick meines unmaskierten Gesichts macht ihr nichts aus. Sie hebt ihre krallenbewehrten Hände, holt weit aus ...

... und ich erwache schreiend!

Es dauert lange Sekunden, bis ich mich einigermaßen gefangen und wieder beruhigt habe. Um mich herum sehe ich weiße Wolken, die vor einem pastellblauen Himmel treiben. Es sind Holoprojektionen, denn im Hintergrund erkenne ich ein paar medizinische Geräte.

In meinem Schädel jagen sich die Gedanken. Für einen kurzen Augenblick liegt die Zukunft wie eine große, weite Ebene vor mir. Was ich auf ihr sehe, lässt mir das Blut in den Adern gefrieren.

1.

Perry Rhodan

»Dieses seltsame Stasisfeld hat keine exakt definierbare Grenze, Sir.« Sinclair Marout Kennon schob mehrere Messholos ineinander und erzeugte dadurch ein Gebilde, das einer Wolke mit verschwommenen und ausgefransten Rändern ähnelte. An einer Stelle waren zwei schmale Bereiche ausgespart. Es sah aus, als schwebten dort zwei kleine Perlen.

Perry Rhodan betrachtete die dreidimensionale Projektion nachdenklich. »Das sind wohl die beiden Zonen, in denen das Feld nicht wirkt«, sagte er. »Eine im Herzen NATHANS, wo der Zeitbrunnen rotiert, und die zweite, die ich rund um unsere Space-Disk erzeuge ...«.

Der Kybernetiker und ehemalige Technoläufer wandte kurz den Kopf. Sein kindliches Gesicht hatte einen ernsten Ausdruck angenommen. Er war deutlich kleiner als Rhodan, und die genetischen Defekte, an denen er litt, hatten seinen Körper gezeichnet.

»Richtig, Sir«, bestätigte Kennon. »Ich denke, wir haben nun endgültig etabliert, dass die negativen Effekte des Zeitfelds in Ihrer unmittelbaren Nähe erheblich abgeschwächt, anscheinend sogar vollständig negiert werden. Was mir größere Sorgen bereitet, ist die ... Sprunghaftigkeit, die diesem Phänomen innewohnt.«

Rhodan runzelte die Stirn und sah Kennon fragend an. Der schien sich plötzlich unbehaglich zu fühlen.

»Nun, Sir«, sagte er. »Ich dachte, es wäre Ihnen aufgefallen. Wir haben auf dem Weg hierher einige Prallfelder passiert, die sich erst abgeschaltet haben, nachdem die entsprechenden Sensoren innerhalb Ihrer ... Aura lagen. Die Frage ist ...«

»... warum die Prallfelder überhaupt existiert haben«, vervollständigte Rhodan den Satz. »Natürlich. Sie haben völlig recht – wenn auch keine Erklärung dafür, wie ich annehme.«

»Nein, Sir. Allerdings ist dieses Zeit- oder Stasisfeld in vielerlei Hinsicht höchst ungewöhnlich.«

»Ich würde sogar behaupten, es ist paradox«, gab Rhodan zurück.

Die Space-Disk, die sie in einem der sublunaren Hangars gefunden und bestiegen hatten, war eine Standardausführung und durchmaß an ihrer breitesten Stelle 28 Meter. Da sich das Stasisfeld nicht nur auf organische Materie, sondern auch auf technische Systeme auswirkte, war der bevorstehende Flug nicht ganz ungefährlich.

»Na schön!« Rhodan legte den Kopf in den Nacken.

Durch die transparente Panzerplastkuppel der Polkanzel ihres Raumboots sah er hoch über sich das noch geschlossene untere Schott des Flugschachts. Die Startvorbereitungen waren abgeschlossen; alle Holokontrollen glommen in beruhigendem Grün.

»Wir wären dann so weit, NATHAN!«, rief Rhodan ohne große Hoffnung. »Kannst du uns die Tür aufmachen?«

»...standen«, reagierte die Hyperinpotronik stotternd. Im Gegensatz zu einigen Minuten zuvor war sie wieder halbwegs zu verstehen.

Ein weiterer Umstand, der einer Erklärung bedurfte, doch im Moment war Rhodan weniger an akademischen Fakten als vielmehr an handfesten Tatsachen interessiert. Wenn NATHAN ihnen wieder helfen konnte – umso besser!

Über der Space-Disk schob sich ein gewaltiges Stahltor zur Seite und gab den Blick auf eine endlos erscheinende Röhre frei, die sich senkrecht bis hinauf zur Mondoberfläche erstreckte.

Rhodan aktivierte das Antigravaggregat sowie die Schub- und Manövrierdüsen ihres Diskusfahrzeugs, dann ließ er die Landestützen einfahren. Langsam hob die Space-Disk ab und schwebte nach oben – direkt auf den Schacht zu.

»...iel ... ück«, meldete sich NATHAN erneut. »... ich ... ahr ... einlich ... önnen ...« Danach verstummte die abgehackte Stimme endgültig.

Rhodan fluchte innerlich. Soweit sie bisher herausgefunden hatten, eliminierte das geheimnisvolle Feld, das sich nach dem Transfer von Erde und Mond zurück ins Solsystem um den Planeten und seinen Begleiter gebildet hatte, den Faktor Zeit vollständig. Innerhalb des Phänomens herrschte eine Bewegungslosigkeit, die es physikalisch eigentlich nicht gab – nach den Gesetzen der Natur nicht geben konnte. Mit einer einzigen Ausnahme: in der bizarren Welt der Quanten!

Man hatte schon Mitte des 20. Jahrhunderts entdeckt, dass Quanten, jene kleinsten Portionen der Wirklichkeit, zeitlos waren. Erst wenn sie miteinander in Wechselwirkung traten, änderte sich das, und sie produzierten die Zeit – und damit die Bewegung – gewissermaßen als Abfallprodukt. Das war insofern logisch, als es Aktion und Reaktion, und damit Entwicklung, ohne eine chronologische Abfolge nicht geben konnte. Trotzdem gab es selbst unter Fachleuten nicht wenige Wissenschaftler, die dieses Prinzip nach wie vor nicht vollständig nachvollziehen konnten.

»Wir sind fast draußen, Sir«, kommentierte Kennon die einlaufenden Messwerte.

Im Holo hatte sich die zweite Perle beständig von der ersten entfernt. Die Space-Disk flog durch die Wolke mit dem zerfaserten Rand, jene rätselhafte Zone ohne Zeit. Für einen Moment war Rhodan versucht, die Geschwindigkeit zu reduzieren, ließ es dann aber sein. Es machte seiner Einschätzung nach keinen Unterschied, ob sie schnell oder langsam flogen.

Aus dem Akustikfelder der Funkanlage drangen ein paar unverständliche Laute. Die Auswirkungen des Stasisfelds machten sich weiterhin bemerkbar. Funkwellen waren elektromagnetische Schwingungen, die sich im freien Raum ausbreiteten. Ohne Zeit war diese Ausbreitung nicht mehr möglich.

Absoluter Stillstand – auch Nullpunktenergie oder Quantenvakuum genannt, dachte Rhodan und musste an sein Studium der Bionik an der University of California in Berkeley denken. Dort hatte er im Jahr 2024 seinen Abschluss gemacht.

Völlige Bewegungslosigkeit gab es in der Natur nicht. Sofern die Prinzipien der Quantenphysik korrekt waren – und daran zweifelte im 22. Jahrhundert längst niemand mehr, der auch nur einen Funken Verstand hatte –, war Bewegung das grundlegendste Element erfahrbarer Wirklichkeit. Wenn man es entfernte, funktionierte die Welt nicht mehr.

»Hinter dem Quantenvakuum liegt nur noch das Nichts«, hatte Professor Tomonaga Shinshiro, einer seiner Lehrer in Berkeley, immer gesagt. »Und dort finden wir genau das: die ultimate Abwesenheit von allem – insbesondere von Wissen und Erkenntnis.«

Elementarteilchen konnten sich nicht nicht bewegen, und es hatte lange gedauert, bis Rhodan das halbwegs verstanden hatte. Eins der grundlegendsten Postulate der Quantenphysik war die Heisenbergsche Unschärferelation. Sie besagte, dass es ausgeschlossen war, Ort und Geschwindigkeit eines Teilchens gleichzeitig exakt zu messen. Bei absoluter Bewegungslosigkeit wäre jedoch genau das möglich.

Lass dich nicht ablenken!, rief er sich zur Ordnung und richtete seine Aufmerksamkeit wieder auf die Kontrollen seiner Steuerkonsole. Die Hologramme hatten sich verändert. Sie zeigten nun so etwas wie Schleier, die aus der milchigen Darstellung des Stasisfelds waberten und wie Geisterfinger nach dem Diskusboot griffen. Auf welchen Messdaten sie basierten, war nicht klar zu erkennen. Rhodan war plötzlich kalt, und daran änderte sich auch nichts, als er sich durch einen schnellen Blick auf die Temperaturanzeige vergewisserte, dass in der Zentrale konstante 21 Grad Celsius herrschten.

Ein Ruck ging durch das kleine Raumfahrzeug. Er spürte über die sensorische Rückkopplung der sanft vibrierenden Pilotensticks, wie sich die Space-Disk erst nach links, dann nach rechts neigte. Dabei kam sie der Schachtwand gefährlich nah. Rhodan korrigierte manuell und glich die Schlingerbewegung aus.

»Die Sensoren melden Abbrüche im Energiefluss«, hörte er Kennon sagen. »Die Positronik kann das mit Speicherenergie ausgleichen. Aber es kommt immer wieder zu Verzögerungen im Nanosekundenbereich, weil die Fluktuationen nicht vorherzusagen sind. Den Reaktor habe ich vorsichtshalber abgeschaltet.«

Rhodan nickte nur. Bei einem Fusionsreaktor konnten Stromschwankungen, sogar wenn sie nur im Bereich von Nanosekunden lagen, das Magnetfeld der Plasmakammer zusammenbrechen lassen. Auch wenn die Technik inzwischen so ausgereift war, dass entsprechende Unfälle extrem selten vorkamen, gehörte das Durchgehen eines Reaktors noch immer zu den übelsten Dingen, die einem an Bord eines Raumschiffs passieren konnten.

Offenbar reicht meine Aura wie vermutet maximal vierzehn, fünfzehn Meter nach allen Seiten – mit graduell nachlassender Wirkung in den Randbereichen, dachte Rhodan. Er saß ziemlich im Zentrum der Space-Disk; die Steuerdüsen sowie die Antigravprojektoren waren entlang des Diskusrands installiert – und von deren Fehlfunktionen waren die Schlingerbewegungen ausgelöst worden.

Eine Minute später schoss das Raumfahrzeug aus dem Schacht heraus und in den schummrigen Mondhimmel hinauf. Über der Lunar Research Area lag üblicherweise ein schwacher Energieschirm, der eine dünne Atmosphäre festhielt, eine Art Zugeständnis NATHANS an die nach wie vor beträchtliche Anzahl von Menschen, die in der näheren Umgebung der Hyperinpotronik arbeiteten. Dieser Schirm existierte nicht mehr.

Es dauerte nur Sekunden, dann hatte Rhodan die Space-Disk auf achtfache irdische Schallgeschwindigkeit gebracht Die Außenbeobachtungsholos zeigten die von Kratern übersäte Mondoberfläche. Von ihrem derzeitigen Standort aus konnte er die weiter entfernten, bereits besiedelten und urbar gemachten Gebiete nur undeutlich erkennen. NATHAN achtete darauf, dass sein ureigenster Wirkungsbereich vom menschlichen Expansionsdrang weitgehend unbeeinflusst blieb.

»Das Stasisfeld umschließt den Mond bis in eine Höhe von rund 485 Kilometern«, meldete Kennon. Der Leiter der Lunaren Abwehr fungierte als Co-Pilot und behielt die umfangreichen Anzeigen der Space-Disk im Blick. »In ein paar Minuten haben wir es hinter uns.«

Rhodan vollzog die entsprechende Berechnung fast automatisch im Kopf nach. Achtmal so schnell wie der Schall, das waren rund 160 Kilometer pro Minute. In gut drei Minuten würden sie den Raum außerhalb des Stasisfelds erreichen. Natürlich hätte Rhodan weiter beschleunigen können, doch es hatte keine neuen Störungen gegeben und die Space-Disk lag exakt auf Kurs. Auch wenn er es niemals zugegeben hätte, war er als Raumfahrer der ersten Stunde noch immer ein bisschen abergläubisch. Also ließ er die Finger von den Kontrollen.

Never touch a running system, ging ihm eine der uralten Weisheiten irdischer Informatiker durch den Kopf, die sich auch in Astronautenkreisen etabliert hatte.

Die Sekunden verstrichen in quälender Langsamkeit. In der Ferne waren am Boden nun einige Kuppeln zu erkennen. Ihre Außenflächen aus Glassit reflektierten das Sonnenlicht und erzeugten grelle Blitze. Der Mond war der erste Himmelskörper gewesen, den der Mensch außerhalb der Erde in Besitz genommen hatte. Seit bald achtzig Jahren lebten dort bereits dauerhaft Menschen.

Rhodan musste an das beeindruckende Schauspiel denken, dass sich vor wenigen Stunden auf Luna und Terra abgespielt hatte. Die Synchronisation zwischen der Zeitpfütze in der CREST II und den beiden Zeitbrunnen auf dem Altiplano und in den Tiefen NATHANS. Der Kampf gegen Ihin da Achran, die die Rückführung von Erde und Mond hatte verhindern wollen. Ihr Verschwinden in einem Zeitbrunnen. Und schließlich der heroische Einsatz des Paddlers Pelok und seiner Werftplattform. Ein dort deponierter Tesserakt der Posbis hatte die von da Achran verursachten Störungen des Transportvorgangs in letzter Minute ausgeglichen. Das Stasisfeld hatte da schon bestanden.

Ein lauter Warnton riss Rhodan aus seinen Grübeleien. Gleichzeitig rutschte sein Magen in Richtung Kniekehlen. Er schluckte heftig, als brennende Säure durch seine Speiseröhre schoss. Den starken Brechreiz konnte er gerade noch unterdrücken.

Kennon hatte weniger Glück. Er erbrach sich auf seine Konsole. Rhodan fand das ungewöhnlich, weil der Leiter der Lunaren Abwehr eigentlich ein Cyborg war. Sofort huschten zwei tennisballgroße Reinigungsroboter aus Vertiefungen im Boden und begannen mit der Beseitigung des Malheurs.

»Tut mir leid, Sir«, entschuldigte sich Kennon zerknirscht.

»Das muss es nicht.« Rhodan lächelte schwach. »Ich habe Männer gesehen, die sehr viel heftiger auf plötzliche Schwerkraftveränderungen reagiert haben.«

Es blieb der letzte Vorfall dieser Art. Zwei Minuten später war alles vorbei. Die Akustikfelder des Funkgeräts gaben ein paar knackende Geräusche von sich. Dann erklang die vertraute Stimme seiner Ehefrau Thora.

»Endlich!«, sagte sie anstelle einer Begrüßung. »Ich hätte beinahe angefangen, mich zu beunruhigen.«

»Deine Sorge um mich ist wie immer herzerwärmend. Sobald ich an Bord der SOL bin, müssen wir reden. Ruf bitte schon mal die wichtigsten Verantwortlichen zusammen, damit wir keine Zeit verlieren.«

»Ich bin dir weit voraus. Der große Konferenzraum ist bereits als Einsatzzentrum vorbereitet.« Thora Rhodan da Zoltral bewies damit einmal mehr, dass sie in jeder Situation wusste, was zu tun war. »Stella und Reg sind über Holos sofort erreichbar. Sogar Eric Weidenburn hat sich zugeschaltet und arbeitet mit Leyden und Waringer zusammen. Ich konnte ihn nur mit Mühe davon abhalten, mit der STAC zur Erde zu fliegen und nach dir zu suchen.«

Perry Rhodan lächelte. Auf einmal erschien ihm die Lage im Solsystem nicht mehr ganz so verfahren wie noch eine Minute zuvor. Diese unglaubliche Frau an seiner Seite zu wissen, gab ihm jedes Mal neue Kraft und Zuversicht. Gemeinsam hatten sie schon viele Krisen gemeistert. Sie würden auch diese überstehen!

2.

Perry Rhodan

»Endlich, Sir!«

Eric Leyden hatte eben noch auf der anderen Seite des Raums gestanden. Einen Atemzug später schwebte er direkt vor Perry Rhodan, kaum zwanzig Zentimeter entfernt. Instinktiv machte Rhodan einen Schritt zurück.

»Bitte entschuldigen Sie.« Leyden warf einen nervösen Blick in Richtung Thora, die an der Stirnseite des Konferenztischs saß und den Wissenschaftler mit strenger Miene beobachtet hatte.

Besser gesagt seine Projektion angestarrt hatte, denn Leydens Körper steckte noch immer in einem Kreellblock, der irgendwo in den Tiefen des Hantelraumers gelagert und permanent medizinisch überwacht wurde. Es war nach wie vor nicht gelungen, ihn und seine beiden Leidensgefährten, die Anthropologin Luan Perparim und den Exobiologen Abha Prajapati, aus ihrem Gefängnis zu befreien. Ihre drei Gehirne allerdings waren direkt mit dem neuronalen Netzwerk von SENECA verknüpft. Der Bordrechner der SOL stellte den Wissenschaftlern seitdem Holokörper zur Verfügung, die kaum von echten unterscheidbar waren.

»Die finale Kalibrierung meiner Positionssensoren ist noch immer nicht abgeschlossen.« Leyden wirkte tatsächlich zerknirscht. »Tut mir leid, Sir. Ich wollte nicht aufdringlich erscheinen.« Seit Thora ihm damit gedroht hatte, seine Bewegungsfreiheit einzuschränken, wenn er seiner Umgebung weiterhin so impertinent auf die Pelle rückte, bemühte sich der Hyperphysiker erkennbar um Zurückhaltung.

Rhodan nickte gnädig. Der Konferenzraum war bis auf den letzten Platz besetzt. Neben den verfügbaren Offizieren der Schiffsführung war auch eine Reihe von Experten aus dem Team von Geoffry Abel Waringer anwesend. Der hagere Plophoser wirkte in seinem Sessel wie so oft ein wenig verloren. Rhodan wusste, dass Waringer sich in seinem Labor am wohlsten fühlte. Größere Menschenansammlungen waren seine Sache nicht.

Am Tischrand schwebten die lebensgroßen Hologramme der Abbilder von Stella Michelsen, Reginald Bull und Chart Deccon. Da nach wie vor Systemalarm herrschte, waren sie an ihren jeweiligen Wirkungsstätten unabkömmlich und konnten nicht persönlich anwesend sein. Die wichtige Lagebesprechung wollten sie sich dennoch nicht entgehen lassen.

»Fangen wir gleich an«, übernahm Rhodan die Initiative. »Ich gehe davon aus, dass alle meinen Bericht über die Vorfälle der vergangenen Stunden zumindest überflogen haben. Der Rücktransport von Erde und Mond ins Solsystem ist zwar geglückt, doch dabei ist etwas entstanden, das wir mangels besserer Alternativen erst mal als Stasisfeld