Perry Rhodan Neo Paket 22 - Perry Rhodan - E-Book

Perry Rhodan Neo Paket 22 E-Book

Perry Rhodan

0,0
24,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Das Compariat Im Sommer 2089 steht der Start eines neuen Raumschiffes bevor: Mit der FANTASY soll ein neues Triebwerk ausprobiert werden – der Flug durch den Linearraum als Alternative zu bisherigen Antrieben. Das Ziel, das Perry Rhodan und seine Gefährten anstreben, ist das sogenannte Compariat, ein Sternenreich in den Tiefen der Milchstraße. Nur dort kann man Rhodans Leben retten. Doch beim ersten Flug gibt es technische Probleme, die FANTASY strandet. In einer Entfernung von über 20.000 Lichtjahren von der Erde müssen die Menschen an Bord erneut den Heimweg zur Erde finden …

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB

Seitenzahl: 2187

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Im Sommer 2089 steht der Start eines neuen Raumschiffes bevor: Mit der FANTASY soll ein neues Triebwerk ausprobiert werden – der Flug durch den Linearraum als Alternative zu bisherigen Antrieben.

Das Ziel, das Perry Rhodan und seine Gefährten anstreben, ist das sogenannte Compariat, ein Sternenreich in den Tiefen der Milchstraße. Nur dort kann man Rhodans Leben retten.

Doch beim ersten Flug gibt es technische Probleme, die FANTASY strandet. In einer Entfernung von über 20.000 Lichtjahren von der Erde müssen die Menschen an Bord erneut den Heimweg zur Erde finden ...

Cover

Vorspann

Band 210 – Rettet Rhodan!

Vorspann

TEIL I – Die Bürde des Zeitträgers

1. Perry Rhodan

2. Thora Rhodan da Zoltral

3. Perry Rhodan

4. Thora Rhodan da Zoltral

TEIL II – Verliebte, Verschwörer und andere Diebe

5. Silvia Taussig

6. Thomas Rhodan da Zoltral

7. Ronald Tekener

8. Reginald Bull

9. Silvia Taussig

TEIL III – Ein fast perfekter Plan

10. Perry Rhodan

11. Thora Rhodan da Zoltral

12. Thomas Rhodan da Zoltral

13. Reginald Bull

14. Ronald Tekener

15. Silvia Taussig

16. Ronald Tekener

17. Perry Rhodan

TEIL IV – Helden

18. Mentro Kosum

19. Perry Rhodan

20. Mentro Kosum

21. Silvia Taussig

22. Perry Rhodan

Band 211 – Der Schreiende Stein

Vorspann

Prolog

1. Erschöpfung

2. Damoklesschwert

3. Unheilvolle Träume

4. Der Brunnen in der Wüste

5. Zeichen

6. Menschliches Versagen

7. Traumtaucher

8. Ian Munroes Albtraum

9. Toteninsel

10. Spieler

11. Ausfälle

12. Nightmare

13. Gewebte Albträume

14. Weber

15. Geisterschiff

16. Der Schreiende Stein

17. Nachbeben

Band 212 – Welt der Hoffnungslosen

Vorspann

1. Galduta

2. Der Acker

3. Zum gelobten Land

4. Der Weg zur Legende

5. Die Tödlichen

6. FANTASY – Galaktische Southside

7. Annäherung

8. Der Weg hinein

9. Keinen Schritt weiter

10. Im Zentrum

11. Der Quaderbau

12. Wer Hilfe braucht

13. Stille Kammern

14. Gefangen

15. Das Treffen

16. Wer erpresst wen?

17. Endlich Hilfe

18. Der Vimatar

19. Hakruveen

20. Galduta

21. Alarm

Band 213 – Der letzte Flug der KORRWAK

Vorspann

Prolog: Woggrill: Wie es war ...

1. Mentro Kosum: Emotionautik und mehr

2. Cameron Canary: Was heißt schon gesund ...?

3. Mentro Kosum: Das Pirschen durch Strahlung

4. Cameron Canary: Oz-Land

5. Woggrill: Des Künstlers Brot

6. Mentro Kosum: Im Innern eines heißen Schwamms

7. Perry Rhodan: Es wird grau ...

8. Woggrill: Neulinge

9. Cameron Canary: Krankheit und Tod

10. Mentro Kosum: Was man findet ...

11. Perry Rhodan: Panikattacken

12. Woggrill: Was tun mit Fremden?

13. Mentro Kosum: Kontaktzone

14. Woggrill: Tür auf!

15. Cameron Canary: Von Blumen und Ghulen

16. Mentro Kosum: Abgänge

17. Perry Rhodan: Von Grau zu Schwarz

18. Mentro Kosum: ... darf man behalten?

19. Woggrill: Leckerlichkeit

20. Cameron Canary: Erste Hilfe

21. Perry Rhodan: Krankentransport

22. Mentro Kosum: Konflikte mit Unsichtbaren

23. Woggrill: Darben

24. Mentro Kosum: Er kommt!

Band 214 – Der Zorn der Shafakk

Vorspann

Prolog: Mentro Kosum: Was soeben geschah ...

1. Gucky: Die dunkle Seite

2. Mentro Kosum: In letzter Sekunde

3. Sork: Der Ausgestoßene

4. Gucky: Unheilvolle Verwandtschaft

5. Perry Rhodan: Vom Regen in die Traufe

6. Perry Rhodan: Ausgeliefert!

7. Sork: Neid und Leid

8. Perry Rhodan: Im Bauch der Bestie

9. Woggrill: Glücklichkeit verweht schnell

10. Sork: Die Felllosen

11. Perry Rhodan: Für Gäste nur das Beste

12. Gucky: Allein an Bord

13. Sork: Ilt und Ilt

14. Woggrill: Auf der Flucht

15. Perry Rhodan: Zeit für Plan B

16. Gucky: Das rote Licht

Band 215 – Botschafter des Imperiums

Vorspann

1. Amatae

2. Tamanur da Gonozal

3. Thora Rhodan da Zoltral

4. Amatae

5. Tamanur da Gonozal

6. Farouq Rhodan da Zoltral

7. Amatae

8. Farouq Rhodan da Zoltral

9. Tamanur da Gonozal

10. Thora Rhodan da Zoltral

11. Amatae

12. Farouq Rhodan da Zoltral

13. Tamanur da Gonozal

14. Amatae

15. Farouq Rhodan da Zoltral

16. Tamanur da Gonozal

17. Farouq Rhodan da Zoltral

18. Farouq Rhodan da Zoltral

19. Thora Rhodan da Zoltral

Band 216 – Geburt einer Torkade

Vorspann

1. Alte Freunde, neue Feinde

2. Kashiks Aufbruch

3. In der Gefangenenhalle

4. Rhodans Entscheidung

5. Lauras Spiegelbild

6. Fremde Impulse

7. Kashiks Prüfung

8. Sophies Welt

9. Rebbens Wut

10. Ertappt

11. Kashiks Unschuld

12. Isoliert

13. Der junge Oproner

14. Die Kar Bajata

15. Fedors Kampf

16. Feggits Strafe

17. Todesstrafe

18. Das Lied der Oproner

19. Der Kampf der Schwestern

20. Kampfwahn

21. Kashiks Enthüllungen

22. Guckys Rache

23. Stampede

24. Die Wirkung des Steins

25. Alarmstart

Band 217 – Die zerborstene Welt

Vorspann

Prolog: Die Augen der Ewigkeit

1. Die Seuche

2. Der Fund

3. Im Sonnenschatten

4. Der brodelnde Kessel

5. Kurz zuvor auf der FANTASY

6. Sabotage!

7. Die Seele der Maschine

8. Rhodans Abstieg

9. Drei im Streite

10. Entdeckt!

11. Im Kern

12. Unerwünschter Besuch

13. Gucky, der Shafakk

14. Schattenspiel

15. Kurs Lashat!

Band 218 – Abstieg in die Zeit

Vorspann

1. In aeternam ...

2. Conrad Deringhouse: Sprünge ohne Ende

3. Laura Bull-Legacy: Krankenbesuch

4. Hollquasch: Probleme, Untergebene und alles zusammen

5. Froser Metscho: Schwarze Gedanken

6. Laura Bull-Legacy: Schattenspiel I

7. Conrad Deringhouse: Opronergespräch

8. Froser Metscho: Krankschreibung

9. Hollquasch: Der Vorago

10. Conrad Deringhouse: Warteposition

11. Laura Bull-Legacy: Kontakt

12. Froser Metscho: Der Weg nach draußen

13. Sophie Bull-Legacy: Am Ziel

14. Conrad Deringhouse: An der Leine

15. Laura Bull-Legacy: Behandlung I – Anamnese

16. Froser Metscho: Abwärts

17. Laura Bull-Legacy: Behandlung II

18. Conrad Deringhouse: Warten

19. Sophie Bull-Legacy: In der Grube

20. Laura Bull-Legacy: Behandlung III – Nachlese

21. Conrad Deringhouse: Aus der Distanz

22. Sophie Bull-Legacy: Treffen am Abgrund

23. Sophie Bull-Legacy: Schattenspiel II

24. Conrad Deringhouse: Aus der Distanz

25. Laura Bull-Legacy: Die Fremde

26. Conrad Deringhouse: Das Ende

27. Ex aeternam ...

Band 219 – Callibsos Weg

Vorspann

1. Perry Rhodan

2. Callibso

3. Callibso

4. Callibso

5. Callibso

6. Callibso

7. Callibso

8. Callibso

9. Perry Rhodan

10. Callibso

11. Callibso

12. Callibso

13. Callibso

14. Callibso

15. Callibso

16. Callibso

17. Callibso

18. Callibso

19. Perry Rhodan

20. Perry Rhodan

Impressum

PERRY RHODAN – die Serie

Band 210

Rettet Rhodan!

Oliver Plaschka

Fünfzig Jahre nachdem die Menschheit zu den Sternen aufgebrochen ist, haben Kolonisten Siedlungen auf dem Mond und Mars sowie auf mehreren Planeten außerhalb des Sonnensystems errichtet. Der Weg ins Weltall war mühsam und abenteuerlich. Aber geleitet von Perry Rhodan, haben die Menschen bislang jede Gefahr überstanden.

Doch im Jahr 2089 werden sie mit einem Gegner konfrontiert, der nicht fassbar erscheint. Das rätselhafte Dunkelleben bedroht die Solare Union, beeinflusst auf unheimliche Weise Einzelpersonen ebenso wie ganze Welten.

Sogar Perry Rhodan ist betroffen und dem Tode nahe. Um das Dunkelleben zu enträtseln, müssen Rhodan und seine Mitstreiter eine Expedition auf die andere Seite der Milchstraße wagen – in das geheimnisvolle Compariat. Aber sie haben nicht die Unterstützung der Erdregierung.

Rhodans treue Freunde entwickeln dennoch einen verwegenen Plan. Ihre Mission ist: RETTET RHODAN!

TEIL I

Die Bürde des Zeitträgers

1.

Perry Rhodan

Am 17. August des Jahres 2089 brach Perry Rhodan früh am Morgen auf, um einen Spaziergang am Rand des Goshunsees zu machen. Er ging allein, weil er viel nachzudenken hatte und ungestört sein wollte.

Worüber er nachzudenken hatte, war die Tatsache, dass er sterben würde.

Er verließ den Bungalow, in dem er viele glückliche Jahrzehnte mit seiner Frau und seinen Kindern verlebt hatte, und ihre private Insel im Tosoma Islands Archipel, wo auch Reginald Bull sein Haus besaß. Mit einem kleinen Schnellboot setzte er zum anderen Ufer über, wo die Bereiche endeten, die der Prominenz von Terrania vorbehalten waren.

Das Wachpersonal grüßte höflich. »Ein schöner Tag, Sir«, sagte die alte McMasters, die schon seit mehreren Jahren ihren Dienst am Kontrollpunkt versah. »Zurück an die Arbeit?«

»Nein«, sagte Rhodan und erwiderte den Gruß. »Heute habe ich frei.«

Sobald er die Sicherheitskontrolle passiert hatte, aktivierte er sein Spiegelfeld.

Normalerweise war es nicht seine Art, sich wie der Kalif von Bagdad verkleidet unters Volk zu mischen, aber er wollte an diesem Tag kein Aufsehen erregen, und er wollte keine Sicherheitseskorte zur Begleitung.

So wanderte er eine Stunde in Sichtweite des Seeufers, vorbei an Villen und Anlegestellen, bis er das öffentliche Naherholungsgebiet erreichte. Der Salzsee war in den vergangenen Jahren mehrfach erweitert worden, so wie auch die Stadt an seinen Ufern stetig wuchs. Hier hatte alles angefangen: Rhodans Traum von einer geeinten Menschheit, der Weg zu den Sternen. Es war nur passend, dass die Reise hier auch zu Ende ging.

Er berührte den Zellaktivator unter seiner Kleidung. Das kleine, eiförmige Gerät hatte ihn die letzten Jahrzehnte nicht mehr altern lassen. Perry Rhodan war neunzig Jahre alt, doch er war so gesund, wie man um die fünfzig nur sein konnte. Der Aktivator hatte ihm die Kraft geschenkt, unvorstellbare Strapazen zu überstehen und selbst nach Nächten ohne Schlaf noch vollen Einsatz zu bringen. Woche für Woche, Jahr für Jahr.

Rhodan hatte für Erde und Menschheit gekämpft, gegen Invasoren und Gefahren galaktischen Ausmaßes. Er hatte die Große Ruptur geschlossen, das Geisteswesen ANDROS verbannt und den Machtkampf entschieden, der die Kulturen der Milchstraße und Andromedas über Jahrzehntausende in einen blutigen Konflikt gezwungen hatte, um immer gefährlichere und tödlichere Waffen zu entwickeln. Rhodan hatte das Ringen beendet. Das allein war mehr, als ein einzelnes Wesen aus Fleisch und Blut je vollbracht hatte – und wog den Preis auf, den er nun zahlen musste.

Von einem kleinen Hügel sah er den Raumschiffen über der Stadt zu, die kraft ihrer Antigravfelder wie stolze Ballone im Ozean der Lüfte hingen. Darunter die wilde Landschaft von Wolkenkratzern: Korallenriffe aus Glassit und exotischeren Materialien, begrünt und durch lebende Brücken verbunden. Dazwischen zerteilte der Orbitallift des Stardust Towers wie eine Halbgerade den Himmel, schaffte unermüdlich Güter ins All und wieder herab.

Schmerzlich wurde sich Perry Rhodan bewusst, dass ihm der Weg zu den Sternen verwehrt war. Das Verschließen der Ruptur ließ alle technischen Artefakte, die auf die Eigenschaften des Creaversums angewiesen waren, nach und nach versagen – auch das lebensverlängernde Gerät um seinen Hals. Dessen Aussetzer hatten zu einer Reihe medizinischer Komplikationen geführt, welche die Ärzteschaft als »ZA-Syndrom« zusammenfasste. Transitionen machten es schlimmer.

Die einzige Chance auf Heilung lag auf der geheimnisvollen Forschungswelt Lashat, von der ihm der Oproner Merkosh erzählt hatte. Und seine einzige Möglichkeit, Lashat zu erreichen, war die FANTASY mit ihrem neuen Experimentalantrieb. Doch diese Aussicht hatten die Vollversammlung und der Unionsrat ihm genommen.

Rhodan wandte den Kopf in die Richtung der Tagungsstätte der Terranischen Union, der schneckenhausförmigen Union Hall, umgangssprachlich auch Waschmaschine genannt.

Ihr Gegenstück, das kubistische Solar Administration Building der Solaren Union, lag an den Rändern der Metropole am Militärraumhafen.

Er konnte den TU-Gremien den Beschluss nicht verübeln. Der Linearantrieb war noch unausgereift, seine Benutzung eine Gefahr für die Besatzung; das hatte der erste Testflug gezeigt. Und selbst wenn sich genug Freiwillige fanden, war Rhodan entschlossen, sich dem Beschluss zu beugen. Er hatte nicht ein halbes Jahrhundert darum gekämpft, die Menschheit zu einen und ihr aus der Kinderstube ihres Planeten zu helfen, um sich über ihre demokratischen Institutionen hinwegzusetzen. Diese beiden Gebäude, in denen die Geschicke eines Großteils der Weltbevölkerung und ihrer Kolonien verhandelt wurden, waren Monumente seiner Vision. Die Männer und Frauen, die darin tagten, waren nicht seine Feinde – sie waren sein Triumph.

Im Westen, dicht über dem Horizont, sah er die Ahnung des blassen Monds, der sich in den glänzenden Fassaden spiegelte. Rhodan lächelte. Dorthin könnte er vielleicht noch einmal zurückkehren. Er dachte daran, wie er das erste Mal zum Mond gestartet war. Mit Reg und Eric und Clark. Gott, wie lange hatte er nicht mehr an Clark oder Eric gedacht? Der Gedanke brachte im Handumdrehen all die Freunde zurück, die vor viel zu langer Zeit von ihm gegangen waren: Lesly Pounder. Allan D. Mercant. Homer G. Adams.

Er verließ den Hügel und wanderte weiter. Sein Blick fiel auf einen alten Mann, der auf einer Bank am Parkrand saß und selbstvergessen ins Leere starrte. Wie alt mochte er sein? Achtzig, neunzig? So alt, wie Rhodan eigentlich sein müsste. Dank des medizinischen Fortschritts wurden die meisten Menschen inzwischen mehr als hundert Jahre alt. Dennoch änderte es nichts daran, dass man ab einem bestimmten Alter Menschen zu verlieren begann. Freunde, Familie – sie starben weg, bis es niemanden mehr gab, für den sich auszuharren lohnte. Alles, was blieb, war die Schuld des Gebliebenen, diese besondere Form von Überlebenden-Syndrom.

Seine Gedanken kehrten zurück zu Crest, dem alten Wissenschaftler und Ziehvater Thoras. Als ES, dieses unbegreifliche Wesen, ihnen zum ersten Mal die Unsterblichkeit angetragen hatte, war Rhodan klar gewesen, dass ein solches Geschenk immer mit einem Preis verbunden sein musste. Crest hatte diese Bedenken nicht geteilt – und es war ihm schlecht bekommen. Heute kannte Rhodan diesen Preis besser denn je. Er bestand nicht nur darin, geliebten Menschen beim Altern zuschauen zu müssen. Oder sich zum Spielball kosmischer Mächte zu machen, die genau wussten, wer sich da in ihre Angelegenheiten einmischte. Der Preis war auch, die Kontrolle über sich selbst abzugeben. Mittlerweile konnte er weder mit noch ohne Aktivator. Was wohl geschähe, wenn er ihn einfach in den See warf?

Rhodan passierte zwei Familien, die am Ufer ihre Picknickdecken ausbreiteten. Die Eltern waren um die fünfzig, ihre Kinder vielleicht zehn. Er dachte daran, wie seine Welt vor vierzig Jahren ausgesehen hatte. An seine eigenen Kinder, Tom und Farouq, die inzwischen so alt waren wie er, als ihn der Aktivator aufs Kreuz der Ewigkeit genagelt hatte. ES hatte ihn einen Zeitträger genannt. Wie lange er wohl noch zu tragen hatte? Perry Rhodan war der Ansicht, er hatte diese Bürde lange genug geschleppt. Hatte sich lange genug gegen den natürlichen Gang der Dinge gestemmt.

Er erreichte den Rand der Gedenkstätte, die an die Opfer außerirdischer Invasionen erinnerte. Die Vertreibung durch die Memeter, die Schreckensherrschaft der Sitarakh, das arkonidische Protektorat und das Chaos, das die fremdartigen Fantan angerichtet hatten. In diesem Teil des Parks wuchsen sogar noch einige der Bäume, die der Fürsorger Satrak vor einem halben Jahrhundert am Goshunsee gepflanzt hatte. Nicht nur Gutes war von den Sternen gekommen, und mehr als einmal hatte sich Rhodan seiner Rolle als Protektor nicht gewachsen gefühlt. Dennoch hatten die Menschen sich immer behauptet: indem sie zusammengehalten und sich den Glauben an ihre Werte bewahrt hatten. Wurde Rhodan überhaupt noch gebraucht? Die Gedenkstätte war ein Mahnmal gegen die Fremdherrschaft. Um die Menschen zu schützen, musste man einer der ihren sein. War er das denn noch?

Als eine plötzliche Müdigkeit ihn befiel, nahm er Platz auf einer Bank. Aus einer nahen Pagode drangen die ruhigen Trommelschläge einer Zeremonie an sein Ohr. Er spürte seinen Herzschlag, der sich langsam beruhigte. Wieder umschloss seine Hand den Aktivator unter seiner Kleidung. Kaltes Metall. Nicht zum ersten Mal fragte er sich, was im Innern dieses kleinen Geräts vor sich ging – und ob es ihn bald im Stich lassen würde.

»Ist hier noch frei?« Die Stimme riss ihn ins Hier und Jetzt zurück.

Rhodan sah auf und blickte in das Gesicht einer jungen Frau mit asiatischen Zügen, die einen Buggy mit einem unruhigen Kleinkind schob – die beneidenswerte Generation, die keins der Ereignisse, an die dieser Teil des Parks erinnerte, erlebt hatte. Die Frau wirkte gestresst und hatte ihm seine schlechte Verfassung wohl nicht angesehen.

Perry Rhodan wollte, dass es dabei blieb. Also riss er sich zusammen und zwang sich zu einem Lächeln. »Sicher«, sagte er und rutschte beiseite.

»Danke«, murmelte sie und nahm neben ihm Platz. Dann hob sie das Kind aus dem Buggy, setzte es neben sich und gab ihm etwas Wasser zu trinken, wobei sie beruhigend auf es einredete. Rhodan registrierte nicht die Sprache, weil sein Translator für ihn übersetzte. Sie aktivierte die Benutzeroberfläche ihres Komgeräts und widmete sich ihren Nachrichten oder Terminen. Ganz offensichtlich hatte sie andere Probleme als den Fremden, der entkräftet neben ihr auf der Bank saß und sich um das Schicksal des Universums sorgte.

Weswegen sie es auch zu spät bemerkte, als das Kind seine Flasche über ihn schüttete.

»Oje!«, rief sie aus, als er aufschreckte. »Wie peinlich! Warten Sie, lassen Sie mich ...« Hektisch versuchte sie, Rhodans nasses Hosenbein mit einer Serviette zu trocknen, während sie gleichzeitig bemüht war, dem Kind die Flasche abzunehmen und es vor einem Sturz von der Bank zu bewahren.

»Schon gut«, beschwichtigte Rhodan. »Nichts passiert. War nur Wasser.«

»Danke.« Sie lächelte. »Kommen Sie öfter her? Ich hab Sie noch nie hier gesehen.«

»Selten.« Er hatte ein schlechtes Gewissen, sie an der Nase herumzuführen, aber sich nun zu erkennen zu geben, würde alles nur schlimmer machen. Außerdem war klar, dass sie nur Small Talk hielt, um von ihrem Missgeschick abzulenken.

»Er ist einfach nicht zu bändigen zurzeit.« Das Kind hatte inzwischen einen Krümel oder Papierfetzen entdeckt und wollte ihn sich in den Mund schieben. »Tage wie heute ...« Sie lächelte noch einmal, dann schnappte sie sich den Jungen und redete auf ihn ein.

Rhodan hörte nicht mehr zu, weil ihm in diesem Moment wieder schwindlig wurde. Der Schweiß brach ihm aus, und das Rauschen der Blätter wurde laut wie ein Sturm. Geblendet von der hellen Sonne auf dem Wasser, schloss er die Augen. Nur undeutlich hörte er das protestierende Geschrei das Kinds und das Scharren von Füßen.

Als er die Augen wieder aufschlug, war die junge Mutter verschwunden. Perry Rhodan schob den Ärmel hoch und warf einen Blick auf sein Multifunktionsarmband. Wie viel Zeit war vergangen? Sie musste ihn für einen Betrunkenen gehalten haben ...

Da bemerkte er eine Fehlermeldung. Rhodan erstarrte. Das Spiegelfeld war ausgefallen. Wie lange schon? Es ließ sich nicht feststellen.

Das hieß, jeder Spaziergänger, der in den vergangenen Minuten vorbeigekommen war, hatte den halb bewusstlosen Protektor auf der Parkbank liegen sehen. Vielleicht würde sein Bild in einer Viertelstunde über alle Kanäle laufen ...

Er warf einen raschen Blick nach links und rechts. Ein älteres Paar studierte ein Holo über die Zeit der Besatzung. Ein Jogger mit Hund. Niemand nahm von ihm Notiz.

Er justierte das Spiegelfeld neu und aktivierte es.

Dann kam ihm ein anderer Gedanke: Wenn das Spiegelfeld schon länger ausgefallen war, hieß das, dass die gestresste junge Mutter ihn wirklich nicht erkannt hatte.

Und dieser Gedanke erheiterte ihn. Er erheiterte ihn, weil es ihm vorkam, als fiele auf einmal die Last all der Jahre, der Jahrzehnte, die er so lange geschultert hatte, von ihm ab. Er war nicht unersetzlich. Er hatte seine Aufgabe erfüllt und die Menschheit nach bestem Wissen und Gewissen beschützt. Andere würden sein Lebenswerk fortführen. Menschen wie diese Mutter hatten ihr junges Leben gemeistert, ohne sich für Rhodan zu interessieren, und würden das auch weiter schaffen. Ihr Kind würde Perry Rhodan vielleicht nur aus Geschichtsbüchern kennen und nie erfahren, dass es ihm einmal Wasser über die Hose geschüttet hatte.

Rhodan lachte. Er lachte, bis ihm die Luft wegblieb, und als er endlich bemerkte, dass er gerade einen neuerlichen Anfall durchlitt und ihm das Herz im Verlangen nach Sauerstoff bis zum Hals schlug, hatte er schon nicht mehr die Kraft, sich zu sorgen. Perry Rhodan hatte seinen Frieden gemacht, in diesem Moment, auf dieser Bank am Rand des Goshunsees.

Das Rauschen in seinen Ohren kehrte mächtiger denn je zurück, so laut wie das Tosen eines Gleiters, der gekommen war, ihn abzuholen. Vielleicht war es Reg, der ihn auf einen Ausflug mitnahm, oder Thora. Ein letztes Mal hinauf zu den Sternen ...

2.

Thora Rhodan da Zoltral

Der Klang der Stöcke hallte durch den Trainingsraum. Die Wucht der Schläge brachte Thoras Muskeln und Sehnen zum Singen, als wären sie gespannte Saiten, auf denen die Waffe ihres Trainers eine mitleidlose Melodie schlug. Dann endete der Ansturm so plötzlich wie Sommerregen. Thora atmete unter ihrer Maske durch und ging zurück in die Harr-Ghoult, die Ausgangsstellung des Dagor.

Normalerweise war Dagor eine Mischung aus Meditation und unbewaffnetem Kampf. Thora hatte es im Laufe ihres Lebens bis zur Großmeisterin gebracht und mit gemischtem Erfolg versucht, ihren Söhnen Thomas und Farouq etwas beizubringen. Aber da ihr Leben als Botschafterin, Mutter und Kommandantin stets aus mehr als nur Dagor bestanden hatte, brauchte es stetes Training und neue Impulse, um nicht abzubauen.

Matthew Zack war ein solcher Impuls. Vor allem war er ein hervorragender Sparringspartner zum Abreagieren.

Der junge Amerikaner war ein Halbarkonide wie Thomas. Sein Vater war ein einfacher Essoya, der während des Protektorats auf der Erde gedient und nach dem Ende der Besatzung geblieben war. Schon in jungen Jahren war Zack ein Kampfsportnarr gewesen, und im Gegensatz zu Thora hatte er sonst keine Interessen, was ihn zu einem fordernden Gegner machte. Die bescheidenen Künste seines Vaters hatte er aufgesogen und mit irdischen Techniken kombiniert. Das Ergebnis hatte nichts mehr mit den traditionsreichen Ursprüngen des Dagor gemein – war aber auf boshafte Weise effektiv.

Es war der Gang der Dinge, reflektierte Thora in den Sekunden vor dem nächsten Angriff, während sie die Reserven ihres Körpers aktivierte. Nichts blieb sich treu. Wer verlor, fiel dem Vergessen anheim, und den Gewinnern gehörte die Zukunft. War dies ein Mantra? Wenn nicht, dann sollte es vielleicht eins sein.

Mit einem wütenden Aufschrei griff sie ihren Partner an und ließ die angestaute Kraft aus sich herausströmen. Fast glaubte sie, einen Anflug von Furcht in Zacks Augen zu sehen. Ein seltener Anblick. Mit einer schnellen Folge von Hieben drängte sie ihn in die Defensive, dann wirbelte sie um die eigene Achse, verpasste ihm einen Drehkick gegen die Rippen und schickte gleich die nächste Salve Schläge hinterher.

Der Oberkörper war der arkonidischen Brustplatte wegen keine gängige Trefferzone, aber Thora hatte in ihrer Zeit unter anderen Humanoiden dazugelernt. Es sollte keiner sagen, der kulturelle Austausch führe zu nichts.

Zack sog scharf die Luft ein und parierte die Schläge. Nach den ersten Überraschungstreffern gelang es ihm, seine Deckung wieder hochzunehmen und einen geschickten Konter zu setzen. Thora aber schlug seinen Stab beiseite und hieb ihm den eigenen gegen die Schulter, direkt unterhalb des Helms.

Es fiel ihr schwer, die Genugtuung zu verbergen, als Zack vor Schmerz aufschrie. Eigentlich mochte sie den Jungen. Aber der Ausdruck der Verblüffung auf seinem Gesicht war einfach zu befriedigend. Einem schmächtigeren Gegner hätte ihr Schlag wahrscheinlich das Schlüsselbein gebrochen.

Keuchend nahm Zack die Maske ab und warf den Stock beiseite. »Ganz schön geladen heute, was?«

Thora tat es ihm gleich und befeuchtete sich die Lippen. Kurz überlegte sie, sich zu entschuldigen, dann entschied sie sich dagegen. Zack mochte erst in Thomas' Alter sein, aber sein Schrank war voller Pokale, und er brauchte keine Schonung.

»In einem Wald von Mauern war das die Pforte«, übertrug sie ein altes Mantra ins Englische, da Zacks Arkonidisch zu schlecht war.

»Ich werde mir Mühe geben, künftig besser abzuschließen«, scherzte er.

Thora ging an ihm vorbei und tat, als wolle sie ihm kameradschaftlich auf die Schulter klopfen, aber er wehrte die Geste mühelos ab. Wenigstens verstand er Humor, wenn er schon kein Arkonidisch verstand.

Sie hätte nie gedacht, dass solche Kleinigkeiten sie störten, aber manchmal machte es sie wütend, wenn sie sah, wie sorglos Halbarkoniden wie er mit dem Erbe ihrer Eltern umgingen. Zwar war die Besatzung nichts, worauf man stolz sein konnte, aber das hieß ja nicht, dass man Jahrtausende kulturellen Vorsprungs einfach über Bord werfen musste.

Doch auch das war wohl der Gang der Dinge. Die Menschen hatten gewonnen, die Arkoniden verloren. Zacks eigenen Kindern – zwei bezaubernde Mädchen, beinahe Teenager – sah man ihr Erbe kaum noch an.

Manchmal fragte sie sich, ob Toms Kinder eines Tages auch so aussehen würden.

Sie verabredeten sich wie immer für nächste Woche, dann verabschiedete sich Thora und trat nach kurzer Dusche hinaus aufs Dach, auf dem ihr privater Gleiter wartete. Ausgebreitet vor ihr lag die diesige Silhouette Terranias, das Glitzern des Goshunsees deutlich sichtbar zwischen den Hochstraßen und Türmen.

Sie öffnete die Glassitglocke, warf ihre Sporttasche auf die Rückbank und stieg ein. Der Gleiter war ein Privileg – keine Düsen, sondern echtes Antigrav, mit eigenem Reaktor für den immensen Energieverbrauch. Nur ein paar Tausend solcher Luxusgefährte existierten in der Metropole mit ihren hundertfünfzig Millionen Einwohnern, die überwiegend vom öffentlichen Verkehr und erneuerbaren Energien bewegt wurde. Auch die paradiesischen Zustände Terranias konnten nicht über die allgemeine Ressourcenknappheit hinwegtäuschen, unter der die Erde nach wie vor litt. Ein Privatgleiter wie Thoras, der noch dazu raumtauglich war, war die reinste Verschwendung.

Thora hasste es, sich zügeln zu müssen.

Mit Inbrunst hieb sie auf den altmodischen Schalter, der die Startsequenz einleitete, und fuhr den heulenden Reaktor hoch. Dann desaktivierte sie den Autopiloten, rief die holografische Steuerumgebung auf und lenkte den Gleiter in den Flugverkehr zwischen den Bürogebäuden, ohne sich um Leitstrahlen und die aufgeregten Funksprüche der Luftraumüberwachung zu scheren.

Bei den Sternengöttern – in einem früheren Leben hätte sie sich den Weg durch all die Drohnen und Flugtaxen schlicht freigeschossen!

Sie mäßigte ihren Flugstil, sobald sie sich dem Tosoma Islands Archipel näherte. Das Wohngebiet der terranischen Prominenz war gut gesichert, und sie hatte sich persönlich für die Installation einer Batterie von Boden-Luft-Raketen starkgemacht, deren Sprengkraft sie sehr genau kannte. Gehorsam wartete sie, bis die Bodenkontrolle ihren Autorisationscode akzeptiert hatte, dann steuerte sie den Gleiter auf den See hinaus.

Dort draußen lag ihre Insel. Ihr Refugium, das man ihnen zugestanden hatte. Ihr Gefängnis.

Thora fluchte. Dafür waren sie also noch gut genug. Sie durften gern in einem luxuriösen Domizil auf dem See im Herzen der Stadt leben, aber wehe, sie baten diese verdammte Regierung darum, ihnen Zugang zu medizinischer Hilfe zu gewähren.

Thora sah ja ein, was die Menschen an der Demokratie fanden: Man geriet nicht mehr ganz so oft an einen wahnsinnigen Herrscher – man musste erst so blöde sein, ihn zu wählen. Trotzdem standen die Ränke im Unionsrat dem Spiel der Kelche, wie es der arkonidische Hochadel spielte, in nichts nach. Manchmal wünschte Thora, Perry wäre Imperator. Dann würde sich die Sache sehr einfach darstellen: Der Imperator musste nach Lashat, dafür brauchte er die FANTASY – also nahm er sie, flog los und Ende der Debatte.

Aber nein, ihr Mann würde den Kristallthron selbst dann noch ablehnen, wenn er der einzige freie Sitzplatz in einem Symposium zu Vergleichender Politikwissenschaft wäre.

Manchmal verstand sie ihn wirklich nicht. Und dass er nicht bereit war, ihre Argumente anzuhören, ärgerte sie maßlos.

Sie funkte die Positronik ihres Bungalows an, damit diese wusste, wer zur Landung ansetzte.

Die Positronik reagierte nicht, und den Sensoren zufolge war der Bungalow verlassen.

Thora fluchte abermals. Das war der dritte Aussetzer in dieser Woche, und eigentlich hätte die Positronik in der Frühe repariert werden sollen. Aber schön – wenn sie immer noch nicht funktionierte, würde sie wenigstens auch nicht die Polizei rufen. Tag der offenen Tür im Hause Rhodan – sollte landen, wer wollte. Es war nicht das Einzige, was in ihrem Leben gerade schieflief.

Sie setzte den Gleiter unsanft auf das Landefeld. Dann nahm sie ihre Sporttasche und eilte hinüber zum Haus. Für arkonidische Verhältnisse war der Bungalow bescheiden – verglichen mit den Kabinen eines Raumschiffs war er geradezu prunkvoll. Zumindest betonten Thomas und Farouq das gern, als ob es irgendwas daran aussetzen gäbe. Ja, Thora mochte den Bungalow.

Aber was verdammt hatte sie davon, wenn sie bald allein darin wohnte?

Sie entriegelte die Vordertür manuell und trat ein. Das Haus begrüßte sie mit Stille. Und zum ersten Mal machte diese Stille ihr Angst.

Tom und Farouq führten längst ihre eigenen Leben. Nathalie war vermisst. Und Perry hatte vielleicht nur noch ein paar Wochen zu leben.

Thora hätte nie gedacht, dass sie einmal eine dieser Frauen sein würde ...

Nun, vielleicht würde es bei ihr auch nicht mehr lange dauern.

Sie warf die Sporttasche in den Flur und ging in die Küche, die einen prachtvollen Blick über den See bot. Sie wusste wahrhaftig nicht, was ihre Kinder daran auszusetzen hatten. War es vielleicht ihre Schuld, dass von den fünfzehn Milliarden Menschen, die inzwischen auf der Erde lebten, nicht jeder eine Küche mit Seeblick haben konnte? Die Menschheit brauchte einfach mehr Kolonien. Kolonien mit Seen ...

Sie kontaktierte den Kontrollpunkt am Festland über ihr privates Kom, denn der erste Versuch über die defekten Haussysteme blieb erfolglos.

»Ich bin ja so froh, dass Sie anrufen!«, meldete sich die alte McMasters.

Etwas an der Eröffnung und dem Tonfall der Frau machte Thora stutzig. »Wieso, was ist los?«

McMasters stockte. »Sie wissen es nicht? Ich dachte, Sie können uns vielleicht schon mehr ...«

»Wovon reden Sie?«, unterbrach sie.

»Der Protektor. Er hat den Kontrollpunkt vor drei Stunden verlassen, zu Fuß, und ist nicht ...«

Thora war, als wiche alles Blut aus ihrem Kopf. Ihr wurde schwindlig, und sie musste sich am Tresen festhalten. »Perry ist zu Fuß los? Allein? Verdammt, McMasters, wussten Sie denn nicht, dass er ... Wo steckt er?«

»Es tut mir leid«, sagte die ältere Frau. Die Panik in ihrer Stimme machte Thora mehr Angst als alles andere. »Ich wollte nichts andeuten! Ich habe nur gehört, dass es einen medizinischen Notfall am Friedenspark gegeben hat. Und vor einer halben Stunde kam ein Anruf von Ihrem Schiff ...«

»Der CREST II?«, schnappte sie. Als ob sie noch weitere Schiffe im Orbit geparkt hätte!

»Doktor Tifflor fragte, ob Sie schon wieder zu Hause sind. Ich sagte Nein und fragte, ob ich etwas bestellen solle, und er sagte Nein, aber er könne Ihre Wohnung nicht erreichen und wolle Sie nicht auf dem privaten Kom kontaktieren. Er wolle nur sichergehen, dass Sie sich keine Sorgen machen. Aber falls Sie nach Ihrem Mann fragten, solle ich sagen, dass alles in Ordnung sei.«

»Das war alles?«

»Das war alles«, bestätigte McMasters.

Thora starrte auf die Weite des glitzernden Sees hinaus. Einen Augenblick vergaß sie, wo sie war und mit wem sie gerade sprach. Alles, was sie sah, war Perrys Gesicht, in gestochener Klarheit, das Funkeln des Salzsees in seinen Augen.

Mit einer fahrigen Geste der Hand versuchte sie, ihr Raumschiff über das Hauskom zu kontaktieren.

Das Kom funktionierte immer noch nicht, so wie alles in ihrem Leben gerade nicht funktionierte.

3.

Perry Rhodan

Das Dunkel war tief und allumfassend. Und irgendwo in diesem Dunkel glomm Perry Rhodans Bewusstsein, ein schwacher Lebensfunke. Er spürte die Last des Dunkels wie ein Taucher den Druck auf den Ohren. Doch das Dunkel war nicht bloß außerhalb. Es durchdrang ihn, erfüllte ihn. Es drängte nach draußen, nach oben, voran; doch gleichgültig, in welche Richtung es drängte, es sah sich eingesperrt. Irgendetwas hielt es an Ort und Stelle, wann immer es versuchte, dem Gefängnis seiner Existenz zu entkommen. Das Dunkel war allein und alles, was es kannte, und es gab keinen Ort, an den es gehen konnte. Dabei wünschte es sich nichts sehnlicher, als auszubrechen. Das war seine Bestimmung, sein einziger Daseinszweck, doch dieser wurde ihm verwehrt.

Rhodan verspürte Zorn. Es war der Zorn des Dunkels darüber, gefangen zu sein, doch er spürte es wie seinen eigenen. Es war die Wut und Verzweiflung, diesem dunklen Meer nicht entrinnen zu können. Irgendwo dort oben war anderes Leben – es musste so sein –, mit dem es galt, sich zu vereinen. Doch er war auf den Grund des Ozeans verbannt wie ein Verurteilter mit einem Gewicht an den Füßen.

Vage erinnerte er sich an das, was er zuletzt erlebt hatte: seinen Spaziergang am Rand des Goshunsees, die Begegnung mit der jungen Mutter auf der Parkbank. Dann der plötzliche Schwächeanfall. War er vielleicht tatsächlich in den See gefallen? War die Last auf seinem Verstand die Last der Tiefe, das Brennen in seiner Brust Salzwasser in den Lungen? Fühlte sich so das Ertrinken an? Hielt ihn der Zellaktivator irgendwie am Leben – oder dem, was das Gerät dafür hielt –, während der letzte Sauerstoff aus seinem Blut längst aufgesaugt war, sein Gehirn schon zu sterben begann?

Eine neuerliche Woge des Zorns schwoll in ihm an. Es war nicht rechtens, dass man ihn in diesen Kerker gesperrt hatte. Und getrieben von derselben evolutionären Kraft, die einen Sämling aus der Erde, einen Baum in die Höhe trieb, sprengte Perry Rhodan seine Fesseln und stieg zur Oberfläche auf. Dort oben war Raum, die Verheißung von Dasein ...

Ein diffuses Licht breitete sich über ihm aus und wurde rasch heller. Er glaubte nun wirklich, aus der Tiefe eines Sees oder Meers aufzuschießen, und er wusste, dass es gefährlich war, dies zu schnell zu tun, doch das Verlangen in ihm war zu unbändig. Es war nur natürlich, der Enge zu entkommen, in die Welt hinaus zu explodieren ...

Prustend, keuchend durchbrach Rhodan die Barriere aus Licht, schoss hoch und riss die Augen auf.

Zuerst war es so hell, dass er fast nichts erkannte. Er nahm nur Hände wahr, die fest seine Schultern griffen, und Stimmen, die beruhigend auf ihn einsprachen. Er kannte die Stimmen. Der Schmerz in seiner Brust flammte einige Sekunden noch heiß und wurde dann erträglicher. Langsam schälten sich Umrisse aus der Helligkeit.

Perry Rhodan sah in die ernsten Gesichter von Drogan Steflov, dem Chefarzt der CREST II, und Julian Tifflor.

»Julian!«

Sein alter Freund blickte auf ihn herab. Julian Tifflor lebte seit gut fünf Jahren im Ruhestand. Gelegentlich nahm er noch eine Gastprofessur an der Akademia Terrania wahr oder wurde als Berater für das Variable Genome Project auf Mimas tätig. Einen Posten als TU-Koordinator, wie ihn sein Vater William lange innehatte, hatte er abgelehnt, ebenso einen Winterschlaf-Aktivator. Vielleicht, überlegte Rhodan, war Tifflor weiser gewesen als er. Es war Wunschdenken gewesen, zu glauben, dass sie die Tür ins Creaversum schließen und gleichzeitig die Wunderwerke der Memeter und Liduuri weiterverwenden konnten, die genau auf diese Verbindung angewiesen waren. Und für seine vierundsiebzig Jahre war Tifflor noch überaus fit und aktiv.

Dennoch konnte Rhodan nicht anders, als hinter dem faltenzerfurchten Gesicht nach dem jungen, tatendurstigen Mann von einst zu suchen, und der Anblick schmerzte ihn.

»Du hast ziemliches Glück gehabt«, sagte Tifflor. »Was fällt dir ein, einfach so im Park umzukippen? Willst du unbedingt in die Schlagzeilen kommen?«

»Die Ansprüche sinken mit dem Alter«, scherzte Rhodan. »Früher brauchte es eine Pressekonferenz oder Raumschlacht, damit die Medien einem zuhörten. Heute reicht es also, wenn ich umfalle.« Er sah sich um. »Wo bin ich? Ist das die Krankenstation der CREST II?«

»Hier sind wir am besten darauf eingestellt, die Symptome des ZA-Syndroms zu behandeln«, bestätigte Steflov. »Und wenn ich das anmerken darf: In jedem anderen Krankenhaus hätten wir den Kampf schon verloren.«

Rhodan schluckte. So ernst war es also. Nun gut, es war immer von Vorteil, wenn man wusste, woran man war.

»Das ZA-Syndrom wird also schlimmer?«

»Ja und nein«, antwortete Steflov. »Wir sollten nicht vergessen, dass dieser Begriff nur eine Hilfestellung ist, die Gesamtheit Ihrer physiologischen Probleme zu erfassen: die partiellen Alterserscheinungen, das drohende Organversagen. Und diese Probleme nehmen zu. Die einzelnen Symptome interagieren auf komplexe Weise.«

Rhodan wusste, worauf Steflov hinauswollte: Der Ausfall seines Aktivators allein reichte nicht, alle Symptome zu erklären. Normalerweise konnte ein Aktivatorträger das Gerät durchaus eine Weile ablegen, ohne gleich einen Zusammenbruch fürchten zu müssen. Ein gelegentliches Stottern sollte an sich kein Problem sein.

»Was ist die Ursache?«, fragte er und dachte an die machtvollen Eindrücke von Finsternis und Zorn, die er empfunden hatte. »Liegt es am Dunkelleben?« War es möglich, dass er diese fremdartige Form von Existenz in sich gespürt hatte?

Tifflor schnaubte gutmütig. »Liegt es am Alter? Der Zeit? Dem Universum? Sicher, es liegt auch am Dunkelleben. Oder hast du gedacht, es wäre gesund, so was im Körper zu haben?« Er hob eine Braue. »Aber selbst ›Dunkelleben‹ ist ein sehr allgemeiner Begriff.«

»Dann wissen wir gar nichts?«, fragte Rhodan.

»Das würde ich so auch nicht sagen. Wir haben ein paar neue Tests durchgeführt, während du weg warst.«

Tifflor trat zum Positronikterminal am nächsten Arbeitsplatz und rief ein Holo auf, das Rhodans Körper in halb transparenten Umrissen zeigte.

»In dir kämpfen, wie du weißt, Dunkelleben und Lashat-Viren um die Vorherrschaft. Und die Waffen, mit denen dieser Kampf geschlagen wird, sind wirklich spannend.« Er vergrößerte einen Ausschnitt und startete eine Simulation. »Ich weiß, das willst du als Patient nicht hören, aber aus medizinischer Sicht bist du eine Fundgrube.«

»Immer gern«, murmelte Rhodan und verfolgte, wie ein Sturm schwarzer Punkte eine Wolke roter Partikel im Holo verjagte. Es sah aus wie ein Krieg zweier Vogelschwärme.

»Ich habe ein paar neue Programme entwickelt«, erläuterte Tifflor. »Das Dunkelleben zeigt virusähnliche Strukturen, aber bislang unbekannte Eigenschaften. So kann es andere Viren – in diesem Fall die Lashat-Viren – angreifen und zerstören.«

»Aber nicht komplett«, sagte Rhodan. »Was gut für mich ist ... Richtig?«

»In deinem Fall ja«, stimmte Tifflor zu. »Bemerkenswert ist, dass es Viren überhaupt zerstören kann. Gängige Medikamente wie unsere Virostatika hemmen lediglich die Vermehrung von Viren und geben dem Immunsystem Zeit, mit der Infektion fertigzuwerden. Ein Wirkstoff, der Viren wirklich vernichtet ... das wäre eine kleine Sensation.«

»Freut mich, dass ich behilflich sein kann.«

»Auf Aralon wären wir eine große Nummer«, stellte Tifflor in Aussicht. Sie lachten, bis Steflov sich räusperte.

»So verlockend das sein mag, Ihr gegenwärtiger Zustand steht einem Ausflug nach Aralon leider entgegen.«

»Glauben Sie mir«, beteuerte Rhodan. »Das ist mir bewusst.«

»Im Moment halten sich ausgelöschte und neu entstehende Lashat-Viren die Waage. Eine Pattsituation. Das Dunkelleben kann sich nicht ausbreiten, weil es von den Viren daran gehindert wird, und die Viren können sich nicht vermehren, weil das Dunkelleben sie immer wieder dezimiert.«

»Klingt anstrengend«, kommentierte Rhodan.

»Tatsächlich verschlingt dieser Kampf fast sämtliche Ressourcen Ihres Körpers.« Steflov wandte sich dem Holo mit den einander bekriegenden roten und schwarzen Pünktchen zu. »Deshalb auch die Erschöpfung, das Fieber, der geschwächte Kreislauf. Der Aktivator hält dagegen – wenn er jedoch ausfällt, setzen die entsprechenden Symptome schnell wieder ein.«

»Lassen Sie mich zusammenfassen«, bat Rhodan. »Der defekte Aktivator war das Einfallstor des Dunkellebens. Die Lashat-Viren halten das Dunkelleben in Schach. Und überleben tue ich diesen Kampf nur dank des Aktivators.«

»Die Situation ist nicht gerade optimal«, räumte Steflov ein.

Rhodan lachte.

»Die einzige Aussicht, die wir haben, wäre, dich auf Lashat zu behandeln«, schloss Tifflor. »So wie von Merkosh vorgeschlagen. Vielleicht verfügen die Oproner und die Forscher ihres Compariats über die Möglichkeit, dich dauerhaft zu stabilisieren – so wie sie es mit Ronald Tekener getan haben. Oder besser noch, dich zu heilen.«

»Sogar wenn das Compariat es schaffen sollte, mich von Dunkelleben und Lashat-Viren zu heilen«, widersprach Rhodan, »bliebe trotzdem das Problem des versagenden Aktivators bestehen. Ich sterbe an einem Stück Technik, das fehlerhaft funktioniert, seit ich die Große Ruptur geschlossen habe. Letztlich sterbe ich daran, dass ich alt bin, und längst hätte sterben sollen, bedenkt man meinen Lebenswandel.« Er grinste Tifflor an. »Ich bin alt, Julian. Älter als du. Ich lebe dank geborgter Zeit. Und davon kann mich auch das Compariat nicht heilen.«

»Perry ...«, hob sein Freund an.

»Selbst wenn ich mich an dieses Leben klammern, darum kämpfen wollte«, unterbrach Rhodan. »Es gibt keinen Weg für mich nach Lashat. Langstreckentransitionen würde ich nicht überleben, und für einen schonenderen Transport fehlt die Zeit. Die einzige Möglichkeit, Lashat in direktem Flug zu erreichen, wäre die FANTASY – und diese Möglichkeit haben die TU-Vollversammlung und der Unionsrat ausgeschlagen, aus gutem Grund.«

»Ich kenne eine Menge Leute, die das anders sehen«, sagte Tifflor. »Vergib mir, wenn ich mich selbst dazuzähle.«

»Du bist ein Arzt, da gibt es nichts zu vergeben. Es ist deine Aufgabe, um das Leben deiner Patienten zu kämpfen. Selbst wenn sie bereits mehr Leben gehabt haben als du.«

Tifflor schüttelte ratlos den Kopf. »Du klingst, als hättest du dich mit deinem Schicksal schon abgefunden.«

»Ob du's glaubst oder nicht«, sagte Rhodan. »Das habe ich.«

»Perry Rhodan hat sich mit etwas abgefunden?«, versuchte es der Arzt ein letztes Mal. »Wann ist das denn passiert?«

»Vorhin im Park«, antwortete er ernst. »Wann genau auch immer das war.«

»Vor knapp vier Stunden«, half Drogan Steflov aus. »Zum Glück hatten wir Ihre Vitaldaten über Ihr Armband überwacht. Rettungskräfte waren binnen weniger Minuten zur Stelle.«

Rhodan nickte. Viel Aufregung im Park also. Es war wirklich ein Glück, dass offenbar nichts davon an die Presse gelangt war.

Da kam ihm ein anderer Gedanke. »Weiß Thora schon, was passiert ist?«

Tifflor lachte und sah ihn an. »Rate mal. Hat Thora mitgekriegt, dass ihr Mann wider alle Vernunft allein davongewandert und prompt zusammengebrochen ist?«

»Oje«, sagte Perry Rhodan. »Wie schlimm ist es?«

4.

Thora Rhodan da Zoltral

»Er hat mir nicht mal Bescheid gegeben!«

Thora machte keinen Hehl aus ihrem Zorn. Sie spürte, dass ihre verräterischen Arkonidenaugen tränten, hörte ihre Stimme, so rau wie eine Raspel. Reginald Bull waren diese Zeichen bestimmt nicht entgangen, obschon er sich um einen unbeschwerten Tonfall bemühte. Sein vertrautes Gesicht schwebte im Kommunikationshologramm ihres Gleiters, hinter ihm die Dunkelheit des Alls.

»Julian ist Arzt, Thora. Nimm es als gutes Zeichen – Angehörige werden nur verständigt, wenn es Grund zur Sorge gibt.«

»Ich war bei ihm, Reg! Erst wollte Julian mich nicht zu ihm lassen, dann habe ich ihm zu verstehen gegeben, was ich davon halte ...«

»Oh.« Bull fuhr sich besorgt mit den Fingern durchs Haar. Sein Bürstenhaarschnitt war ihm während der vergangenen Wochen zwei Zentimeter zu lang geraten und nutzte die ungewohnte Freiheit schamlos aus. Er sah aus wie ein ungepflegter marsianischer Vorgarten. »Geht es ihm gut?«

»Perry?«

»Julian.«

»Er lebt noch, wenn das deine Frage ist.«

»Gut.« Die Finger glätteten das rote Haar. »Und Perry? Wie ist sein Zustand?«

»Er schläft noch. Julian hat ihm irgendwas gegeben.«

»Das Merkosh-Gel?«

Thora schnaubte. Dass dieser groteske Fremde mit seinen vollmundigen Versprechen inzwischen Perrys beste Hoffnung auf Heilung darstellte, war ihr zuwider. »Ehrlich gesagt, habe ich das nicht gefragt. Ich war eine Viertelstunde bei ihm drin, aber er kam nicht zu sich. Julian hat mir versprochen, dass er morgen wieder der Alte ist. Was auch immer das zurzeit heißt.«

Bull hatte mehr Erfolg damit, seine Gefühle zu verbergen als sie, aber sie kannte ihn lange genug, um zu merken, dass er sich dieselbe Frage stellte.

»Wie lange noch, Reg? Wie lange wird er noch haben?«

Ihr alter Freund gab keine Antwort.

»Was, wenn ihr ihn verlieren?«, setzte sie nach. »Wenn wir ...«

Reginald Bull presste die Lippen zusammen.

»Tut mir leid«, sagte sie, als sie begriff, dass Bull in einer ähnlichen Situation war wie sie: Er sorgte sich um seine Partnerin. Nur dass Autum Legacy das Tragen eines Zellaktivators von vornherein abgelehnt hatte und es nicht gut um ihre Beziehung bestellt war.

Was, wenn wir bald schon allein sind?, beendete sie den Satz in Gedanken und griff nach dem kleinen, teuflischen Ei an ihrer Brust. Die feine Silberschnur, an welcher der ehemals Avandrina di Cardelah gehörende Aktivator hing, war plötzlich schwer wie eine Ankerkette.

»Wo steckst du gerade?«, fragte Bull. Sein holografischer Kopf schob sich aus dem Projektionsbereich des Koms, als er versuchte, an ihr vorbeizuspähen. »Bist du im Orbit?«

Thora seufzte. »Ich wollte mir noch die Möglichkeit offenhalten, einen Angriff auf Julian zu fliegen«, gestand sie.

Bull brauchte bloß eine Sekunde, die Bemerkung als Scherz zu begreifen, aber diese Sekunde war die beste dieses ganzen Tages bislang.

Thora lachte. »Selbst wenn der Gleiter bewaffnet wäre, was er nicht ist – glaubst du ernsthaft, ich würde mein eigenes Raumschiff angreifen? Die CREST II? Mit Perry an Bord?« Menschen waren einfach herrlich.

»Wenn ich eins gelernt habe die letzten fünfzig Jahre, dann dass du zu allem fähig bist«, rechtfertigte sich Bull.

»Wie steht es mit dir?«, fragte sie. »Wozu bist du fähig, Reg?«

»Wie meinst du das?«

Sie biss sich auf die Lippen. Die hohe Kunst der Diplomatie war trotz ihrer Karriere als Botschafterin nie ihre Stärke gewesen – und das, was sie zu sagen hatte und was im Moment nicht mehr als ein halb garer Gedanke war, konnte heikle Konsequenzen haben. Sogar in einem Gespräch mit Bull.

»Perry braucht Hilfe. Sind wir uns da einig?«

»Absolut«, sagte Bull wie aus der Pistole geschossen. »Er sieht das vielleicht noch nicht ein, aber das wäre ja nicht das erste Mal. Natürlich braucht der Mann Hilfe. Ob er will oder nicht.«

»Schön, dass du's so siehst.« Sie schnalzte mit der Zunge. »Und was wäre unseres Wissens die einzige Möglichkeit, ihm zu helfen?«

Bull pustete die Backen auf. »Die, die man uns gerade genommen hat: ihn mit der FANTASY nach Lashat zu bringen.« Er machte eine merkliche Pause. »Thora, wenn du darauf hinauswillst, was ich vermute, sollten wir reden ... aber nicht über Funk.«

Thora nickte lobend. Manchmal war er schneller von Begriff als gedacht. »Bist du daheim?«

»Klar, ich hab frei.«

»Und bist du allein?«

»Autum kommt nachher noch mit den Mädchen vorbei. Wieso ...«

»Ich bin in fünf Minuten da. Gib der Bodenkontrolle Bescheid.«

Sie desaktivierte sämtliche Sicherheitssysteme und leitete eine Sturzsequenz ein, wie man sie Piloten im Großen Imperium für Notfälle beibrachte.

Einen Moment lang dachte sie an das dumme Gesicht des Händlers, bei dem sie den Gleiter damals gekauft und um einen zusätzlichen Hitzeschild im Bugbereich gebeten hatte. Er hatte nicht verstanden, wozu sie den bei einem zivilen Modell brauchte. Perry, der dabei gewesen war, hatte nicht fragen müssen – er kannte seine Frau, wenn sie es eilig hatte.

Die Bewohner von Terrania würden eine schöne Sternschnuppe zu sehen bekommen.

Der Erdball, wie die Menschen ihn poetisch nannten, raste auf sie zu. Schon heizten die obersten Atmosphärenschichten den Gleiter auf. Erst als die Temperatur des Hitzeschilds kritische Werte erreichte, schaltete Thora den schwachen Schutzschirm zu, ehe ihr die Bodenplatte um die Ohren flog. Jenseits der ionisierten Gase sah sie in der Frontscheibe, von der Positronik durch holografische Einblendungen unterstützt, die eurasische Landmasse, die rasch anwuchs. Mittendrin prangte der kakifarbene Klecks der zentralasiatischen Wüsten, der beinahe wirkte wie der Große Rote Fleck auf Jupiter, und darin wiederum wurde Momente später Terrania sichtbar wie die Iris in einem Auge. Die unmöglich lange Silberlinie des Orbitallifts steckte wie eine Nadel darin.

Thora war mittlerweile fast auf einer Höhe mit dem zivilen Luftverkehr und verzögerte weiter, fiel aber nach wie vor fast senkrecht wie ein Stein. Schon konnte sie das blaue Mosaik des Goshunsees unter sich sehen, das aus dem verwirrenden Netzwerk von Verkehrswegen, Raumhäfen, Wohn- und Geschäftsvierteln wohltuend hervorstach. Sie zielte direkt auf das Tosoma Islands Archipel.

Reginald Bulls Bungalow war etwas bescheidener als ihr eigener, lag aber nicht minder idyllisch. Auch er verfügte über ein privates Landefeld, das Thoras flammende Bremstriebwerke nun einem Härtetest unterzogen. Ein Röhrenfeld schützte dabei die nähere Umgebung. Dann desaktivierte sie den Antrieb und federte in drei Metern Höhe auf ihrem Antigravfeld, unschuldig wie ein Blatt in einem warmen Aufwind.

Reginald Bull stand ungeachtet ihres halsbrecherischen Manövers mit verschränkten Armen aufrecht am Rand des Landefelds. Er wirkte nicht beeindruckt.

Thora ließ den Gleiter auf Bodenniveau sinken und schaltete alle Systeme in den Bereitschaftsmodus. Dann klappte sie die Glassitglocke zurück und atmete tief durch. Die vertraute salzige Seeluft schlug ihr entgegen.

»Geht es dir jetzt besser?«, fragte Bull und kletterte auf den Sitz des Co-Piloten. »Wenn du sichergehen wolltest, dass die komplette Luftraumüberwachung von unserem Treffen erfährt, ist dir das gelungen.«

»Sie sind mich gewohnt«, wehrte sie ab. »Und was auf unseren Inseln passiert, bleibt auf unseren Inseln. Du erinnerst dich? Es gibt sogar ein Gesetz dazu.«

Er grunzte mürrisch. »Schließ den Deckel.«

Sie entsprach seinem Wunsch, verdunkelte das Glassit und drehte sich zu ihm um. »Also?«, fragte sie ohne Überleitung.

Bull schaute sie ernst an. »Du wolltest einen Vorschlag machen.«

Er will, dass ich es ausspreche.

»Perry braucht Hilfe«, resümierte Thora. »Hilfe gibt es auf Lashat. Der einzige Weg dorthin ist die FANTASY. Und wenn uns die TU-Verantwortlichen das Raumschiff, das wir brauchen, nicht geben wollen ...«

Bull hob eine Braue.

»... dann nehmen wir es uns eben«, schloss Thora.

Reginald Bull schien nicht im Mindesten überrascht. »Dir ist klar, dass wir damit womöglich alles zerstören, was wir aufgebaut haben. Unsere Positionen, die Karrieren ... Man wird uns anklagen, verurteilen und einsperren. Oder wir fliehen und können, wenn's blöd läuft, nie mehr ins Solsystem zurück.«

Thora zuckte mit den Schultern. »Wäre nicht das erste System, in dem ich Hausverbot habe.«

»Thora, das ist kein Witz!«

Sie sah ihn an. Die blauen Augen in dem von Sommersprossen und kleinen Narben gezeichneten Gesicht, das so viel erlebt hatte, schauten ihr ruhig entgegen.

»Ich weiß, Reg. Ich weiß das alles. Aber ich kann nicht anders. Verstehst du? Ich kann Perry nicht sterben lassen. Wenn das geschähe ...«

... würde ein zu großer Teil von mir mit ihm sterben.

Bulls Mundwinkel zuckten, ein unsicheres Grinsen. Gefühlsausbrüche waren nicht seine Stärke, es sei denn, es galt, sich über etwas aufzuregen.

»Mir musst du das nicht erklären«, wehrte er ab. »Die Frage ist: Können wir das wirklich von den anderen verlangen?«

Thora zögerte. Ehrlich gesagt, war ihr dieser Gedanke noch nicht gekommen. »Sie werden es genauso sehen. Ohne Perry Rhodan ...«

Bull schüttelte den Kopf. »Perry mag viel für die Menschen getan haben, aber das heißt nicht, dass sie den Gefallen automatisch erwidern.«

Thora verbiss sich einen Protest. Das war eine der Seiten an den Menschen, mit der sie immer gehadert hatte. »Was schlägst du vor? Wir brauchen eine Crew.«

»Und wir werden eine kriegen«, sagte Bull. »Aber nur Freiwillige! Wir fragen alle, denen wir vertrauen können und die qualifiziert sind, die FANTASY zu fliegen ...«

»Also alle, die voriges Mal dabei waren«, schloss Thora. »Was genau das ist, was ich sage. – Reg, ich kann ja verstehen, dass es dir riskant erscheint. Aber ich bin sicher, dass niemand Nein sagt. Was wollen wir wetten?«

»Mit dir wette ich nicht.« Er lachte trocken. »Was ist mit deinen Söhnen? Sind sie mit von der Partie?«

»Keine Frage«, antwortete Thora. »Sagst du deinen Töchtern Bescheid?« Laura und Sophie Bull-Legacy hatten die FANTASY bei ihrem ersten Testflug gesteuert.

»Ich rede mit ihnen.« Er brummte ernst. »Und ich rede mit ihrer Mutter.«

Thora fragte nicht weiter. Sie ahnte, dass das Gespräch mit Autum Legacy der schwierigste Teil des Plans für ihn werden würde. »Was den Rest betrifft ...«

»Ich mache ein paar Anrufe«, versprach Bull. »Und ich rede auch mit Ngata.«

Das alarmierte Thora. Den ehemaligen Administrator der Terranischen Union und nunmehrigen Präsidenten der Solaren Union verband eine lange, komplizierte Partnerschaft mit Perry Rhodan. »Hältst du das für eine gute Idee?«

»Ohne Ngata kommen wir nicht mal in die Nähe des Schiffs«, beharrte Bull. »Und er hat alles für Perry getan, was er konnte. Es ist nicht seine Schuld, dass die Vollversammlung und der Unionsrat gegen ihn gestimmt haben. Ngata steht auf unserer Seite. Vertrau mir.«

»In Ordnung.« Thora griff nach seinem Arm. »Danke, Reg.«

»Ist doch selbstverständlich.« Er zog den Arm weg. »Was mir mehr Sorge macht, sind Merkosh und sein Vitron. Wir brauchen das Gel aus Merkoshs Raumboot, um Perry auf den Beinen zu halten. Auch im Compariat dürfte es nützlich sein. Und das Vitron ist derzeit an Bord der CREST II ...«

»Darum kümmere ich mich.«

Reginald Bull grunzte. »Dann bleibt nur noch eine Frage.«

»Nämlich?«

TEIL II

Verliebte, Verschwörer und andere Diebe

5.

Silvia Taussig

Das Engineers Arms wäre nicht Silvia Taussigs erste Wahl gewesen, um mithilfe einer Kollegin ihren Liebeskummer zu ertränken, aber Nadine hatte das Pub vorgeschlagen und Silvia war dankbar für die Gesellschaft und hatte nicht wählerisch sein wollen. Der Rat der Terranischen Union, der TU, hatte die ganze Besatzung zwei Wochen beurlaubt, damit die Gemüter sich nach dem gescheiterten Testflug wieder beruhigen konnten, und Silvia sowie die meisten Kollegen waren vom Mond nach Terrania zurückgekehrt.

Anscheinend war das Engineers Arms ein Geheimtipp unter Technikern und Raumhafenpersonal, und Nadine hatte wie viele ihrer Zunft eine Schwäche für technische Spielereien. Die Belegschaft des Pubs bestand fast ausschließlich aus Robotern, viele davon berühmten Robotern und Androiden aus Comics und Filmen nachempfunden, die Silvia nie gelesen oder gesehen hatte.

Sie war sich bewusst, dass sie in vielerlei Hinsicht keine »normale« Multitechnikerin war. Das Einzige, was sie mit Nadine Baya gemein hatte, war, dass sie beide in Deutschland aufgewachsen waren und mittlerweile zu jenem erlesenen Team von Menschen gehörten, die an dem spannendsten Raumschiff arbeiteten, das je von Menschenhand gebaut worden war: der FANTASY.

In jeder anderen Hinsicht waren sie sehr unterschiedlich, schon äußerlich: Silvia Taussig war blond und schlank und manchmal, so sagte man ihr, etwas vorlaut; Nadine Baya war dunkel, ein bisschen füllig und ein von Grund auf bescheidener Mensch. Allein wegen dieser oberflächlichen Merkmale gingen die meisten Leute davon aus, dass Silvia ganz mit sich im Reinen war und bestimmt kein Problem hatte, an Dates zu kommen, während Nadine gewiss mit sich haderte und nie einen abbekam.

Die Wahrheit hätte nicht weiter hiervon entfernt sein können.

Sie entdeckte ihre Freundin an der Bar und winkte ihr zu. Nadine hob ihr Glas und winkte zurück. Ein oktopusförmiger Servierroboter missdeutete die Geste als Aufforderung, das Glas nachzufüllen, und versuchte, einen seiner Tentakel in Nadines Glas zu stülpen, das sie gerade noch rechtzeitig abdeckte.

Silvia fädelte sich durch die Gäste und löste einen kurzen Proteststurm aus, als sie durch den Projektionsbereich einer virtuellen Darbietung trat, die man bloß mit den passenden Implantaten oder Brillen sehen konnte. Zwar waren solche Augmented-Reality-Lösungen seit drei Jahrzehnten durch arkonidische Hologrammtechnologie überholt; andererseits boten sie Kunden gerade auf so engem Raum die Möglichkeit, verschiedene Kanäle zu wählen – und verschiedene Werbung zu konsumieren. Das Engineers Arms etwa war bekannt für sein virtuelles Sportangebot, mit dem man Darts oder Snooker gegen die toten Meister des 20. Jahrhunderts spielen konnte. Andere Gäste wurden durch die Projektionen nicht beeinträchtigt – sie mochten an selber Stelle eine Band, einen Comedian oder eine dekorative Skulptur wahrnehmen.

»Hey«, begrüßte sie Nadine, als sie die Bar erreichte. »Danke, dass du gekommen bist.«

»Na klar.« Nadine Baya lächelte sie an. »Geht's dir wieder besser?«

»Gleich ja.« Silvia Taussig winkte dem Oktopus. »Wie bekommt man hier was zu trinken?« Sie war es nicht gewohnt, an etwas so Grundlegendem wie einem Bestellvorgang zu scheitern.

»Augenblick.« Nadine zog eine zusammengeklappte Brille aus einem Köcher, den der Oktopus um den Hals trug, und reichte sie Silvia.

Sobald Silvia die Brille aufgesetzt hatte, schien die Bar sich in eine andere Welt zu verwandeln. Wo zuvor leere Wände und Säulen gewesen waren, drehten sich auf einmal verschlungene Banner und Grafiken. Sie sah Pflanzenkübel, sogar eine Eule zwischen den Flaschen der Bar, die zuvor nicht dort gesessen hatte.

Und vor dem Oktopus hatte sich eine Getränkekarte entfaltet.

Silvia bestellte sich einen Cosmopolitan, den der Roboter mit den Düsen seiner Arme zusammenmischte und mit einem Schirmchen garnierte, das ebenfalls nur sichtbar war, solange Silvia die Brille trug.

»Und du siehst das die ganze Zeit?«, fragte Silvia, nachdem sie angestoßen hatten. Die Brille hatte sie neben sich auf die Theke gelegt.

Nadine zuckte die Achseln. »Ist praktisch.«

»Erinnert es dich nicht zu sehr an die Arbeit?«

Nadine lachte. »Fragte die Frau, die in ihren Teamleiter verschossen ist!«

Silvia schlug die Hände vors Gesicht. »Oh Gott. Es ist wirklich so offensichtlich, oder?«

»Jetzt schon«, bestätigte Nadine und hob wissend die Brauen. »Also ... du und Giordie? Ernsthaft?«

Silvia zuckte zusammen, als Nadine den vertraulichen Spitznamen benutzte. Sie arbeiteten nicht im selben Team, und für Silvia war ihr Vorgesetzter Giordano Ricci, nicht Giordie.

Silvia zog die Schultern bis an die Ohren und suchte nach Worten, die beschrieben, was in ihr vorging, wenn er ihr im Maschinenraum der FANTASY so nahe kam, dass sie einander fast berührten, oder wenn er sie mit seinen dunklen Augen ansah, dass ihr die Knie weich wurden. Schließlich schüttelte sie den Kopf und trank.

Nadine kicherte. »Er weiß es aber nicht, oder?«

»Ich habe ihn auf einen Drink eingeladen.«

»Du hast ... was?«

»Er saß nach Feierabend allein in der Messe, und ich habe mich zu ihm gesetzt. Mit zwei Drinks.«

»Oh. Mein. Gott«, sagte Nadine. »Das würde ich mich niemals trauen!«

»Ach«, erwiderte Silvia. »Das ist wie mit allem im Leben: Du musst einfach aufs Beste hoffen, aber aufs Schlimmste gefasst sein. Manchmal muss man einfach was riskieren.«

»Und wie hat er reagiert?«

»Er hat gesagt, dass er mich mag und unsere Zusammenarbeit schätzt ...«

»Oje«, kommentierte Nadine.

»... aber Berufliches und Privates nicht vermengen mag«, schloss Silvia und nickte ernst. »Immerhin hat er noch ausgetrunken.«

»Das ist hart. Oh du Arme.« Sie stießen abermals an. »Aber du warst so mutig! So direkt auf jemanden zuzugehen – ohne Witz, das macht dich zu meiner persönlichen Heldin. Und dann auch noch Giordie ...«

»Wen hätte ich denn fragen sollen?«, scherzte Silvia. »Ian Munroe?« Nadine verzog das Gesicht, als Silvia ihren schottischen Verehrer im Team erwähnte. »Froser Metscho?«

Sie prusteten. Der stämmige Plophoser mit dem Vollbart war gerade erst zum Chefingenieur befördert worden.

»Er ist ja niedlich, aber irgendwie wirkt er auf mich immer, als führe er heimlich Selbstgespräche. Er ist entweder sehr genial oder einfach sehr merkwürdig.«

»Ich verstehe immer noch nicht, dass sie ausgerechnet Metscho befördert haben. Und nicht Giordano ... oder dich zum Beispiel.« Silvia grinste.

»Er macht seine Arbeit schon gut«, wiegelte Nadine ab. Silvia sah, dass ihr das Thema unangenehm war. »Und ich wäre eine schlechte Wahl – wahrscheinlich wäre ich die Zweite, die mir nichts, dir nichts von der Bildfläche verschwindet.«

Juna Baharum, Metschos Vorgängerin, war nach dem missglückten Jungfernflug abgetaucht. Angeblich hatte sie Terrania verlassen, aber niemand im Team kapierte, wie man eine solche Stelle einfach wegwerfen konnte. Besonders nicht Nadine, die sich gut mit Baharum verstanden hatte.

Selbst wenn die weitere Zusammenarbeit mit Giordano Ricci ein peinliches Trauerspiel werden sollte – niemals würde Silvia einen derartigen Rückzieher machen.

»Red dir nichts ein«, widersprach Silvia. »Du bist gut. Das sagen alle.«

Nadine wurde noch röter. »Mal schauen, ob sie uns überhaupt noch brauchen. Hast du was von Sammy gehört?«

Ihr Kollege war bei dem Unfall von einer Entladung getroffen worden und hatte einen Herzstillstand erlitten. Seitdem war er zur medizinischen Betreuung auf Mimas.

»Nichts Neues. Aber du glaubst doch nicht ernsthaft, dass sie das Projekt dauerhaft einstampfen? Wegen eines einzigen Verletzten?«

»Immerhin bekämst du dann vielleicht dein Date mit Giordie«, neckte Nadine. »Was wäre dir wichtiger? Job oder Liebe?«

Zu ihrer eigenen Überraschung stellte Silvia fest, dass ihr die Entscheidung schwerfiel.

»Gute Frau!«, lobte Nadine, die Silvias Zögern als Sieg für die Wissenschaft deutete. »So wünsche ich mir meine Techniker.«

»Die FANTASY wird fliegen«, prophezeite Silvia und trank. »Alles andere ist undenkbar.«

»So undenkbar, wie dass der Unionsrat den Protektor lieber sterben lässt, als ein weiteres Unglück zu riskieren?«, fragte Nadine provozierend.

»Du und ich, wir wissen am besten, dass der Fehler keine technische Ursache hatte«, beharrte Silvia. »Damit der Libraschirm derart fluktuiert, muss jemand ernsthaft Mist mit der Programmierung gebaut haben.«

»Vielleicht hast du da deine Antwort, weshalb Metscho neuer Chefingenieur ist«, meinte Nadine.

»Du meinst, Juna hat es verbockt und ist deshalb gegangen?«

»Eigentlich nein. Aber wer weiß?« Nadine hob traurig die Schultern. »In jedem Fall kannst du das einem Politiker nicht erklären. Der Unionsrat sieht nur, wie gefährlich so ein Libraschirm ist – und zieht die Reißleine. Oder sie geben der Technik noch eine Chance, tauschen aber das Team aus.«

»Ich will, dass dieses Raumschiff fliegt«, ereiferte sich Silvia. »Mit uns an Bord. Und Perry Rhodan sollte ebenfalls an Bord sein!«

»Das sieht sein Sohn anscheinend ähnlich.« Nadine deutete auf eine Stelle hinter der Bar. »Setz mal deine Brille wieder auf. Und stell sie auf Kanal drei.«

Silvia gehorchte und sah nun, dass dort auf der Wand gerade die Nachrichten liefen. Thomas Rhodan rügte die TU-Vollversammlung und den Unionsrat in scharfen Worten für ihre Entscheidung und kündigte einen Protestmarsch zur Union Hall für den folgenden Vormittag an. Seine rötlichen Augen schimmerten erzürnt, sein dunkles Haar hing ihm zerzaust in die Stirn.

»Der ist süß«, kommentierte Nadine unvermittelt.

Silvia glaubte erst, sich verhört zu haben. Dann prusteten sie beide los.

»Willst du hin?«, bot sie an. »Morgen, zur Demo?«

»Kommt darauf an.« Nadine lachte.

»Worauf?«

»Wie viele von denen wir noch trinken!« Nadine winkte den Roboter herbei. »Hab ich schon erwähnt, dass ich aus einer streng religiösen Familie stamme? Ich mache eine echte Ausnahme für dich.«

»Ehrlich gesagt, hatte ich nicht vor, mich morgen irgendwohin