Perry Rhodan Neo Paket 23 - Perry Rhodan - E-Book

Perry Rhodan Neo Paket 23 E-Book

Perry Rhodan

0,0
24,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Seit Perry Rhodan im Jahr 2036 auf dem Mond die Arkoniden Thora und Crest getroffen hat, verbindet die Menschen und das Imperium eine wechselvolle Geschichte. Ende Dezember 2089 bricht eine neue Epoche an: Im Imperium nehmen die Machtkämpfe zu, ein offener Bürgerkrieg droht. Perry Rhodan bricht mit der MAGELLAN, seinem Raumschiff, nach Arkon auf. Doch seine Mission, den Frieden zu stiften, führt ihn hinein in Intrigen und Kämpfe. Die Menschen müssen feststellen: Eine Gefahr aus ferner Vergangenheit ist erwacht – und die Zukunft des Großen Imperiums steht auf dem Spiel ...

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB

Seitenzahl: 2171

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Seit Perry Rhodan im Jahr 2036 auf dem Mond die Arkoniden Thora und Crest getroffen hat, verbindet die Menschen und das Imperium eine wechselvolle Geschichte. Ende Dezember 2089 bricht eine neue Epoche an: Im Imperium nehmen die Machtkämpfe zu, ein offener Bürgerkrieg droht.

Perry Rhodan bricht mit der MAGELLAN, seinem Raumschiff, nach Arkon auf. Doch seine Mission, den Frieden zu stiften, führt ihn hinein in Intrigen und Kämpfe. Die Menschen müssen feststellen: Eine Gefahr aus ferner Vergangenheit ist erwacht – und die Zukunft des Großen Imperiums steht auf dem Spiel ...

Cover

Vorspann

Band 220 – Imperium am Abgrund

Vorspann

TEIL I – Grabreden

1. Böses Erwachen

2. Flaschenpost

3. Kondolenzbesuch

4. Ein Totengräber für den Protektor

5. Testamentseröffnung

6. Sieben Tage

7. Requiem

8. Die Stimme des Monds

9. Der König ist tot

TEIL II – Die Endliche Nacht des Mentro Kosum

10. Klärende Worte

11. Hela Ariela

12. Alte Götter, neue Freunde

13. Kira Ariela

TEIL III – Die Wiederkehr

14. Des Falken Flug

15. Zeremonien der Unschuld

16. Der Ruf des Falkners

17. Das Innerste zerbricht

18. Im weiten Kreise

19. Die Flut bricht los

20. Nur die Besten

21. Der Zerfall

Band 221 – Ein neuer Feind

Vorspann

1. Am Abgrund

2. Die Fannon-Karawane

3. Inspektion

4. Keon'athor

5. Auf der Suche nach dem Besun

6. Celista

7. Das Besun

8. Erwischt, verurteilt und gerichtet

9. Imperatrice

10. Ein Abgang und eine Ankunft

11. Zum Gespinst

12. Zorn

13. Gespinst

Band 222 – Welt der Mehandor

Vorspann

Prolog: Neuer Feind

1. Gefährliche Stromschnellen

2. Verfolgungsjagd

3. Gute Geschäfte

4. Fallende Masken

5. Anliegen

6. Ansprüche

7. Landeanflug

8. Inspektion

9. Willkommen auf Archetz

10. Die Goldenen Grotten

11. Besun in Sicht

12. Alarm

13. Täuschungsmanöver

14. Ein Mehandor verschwindet

15. Dorr'arokh

16. Durch die Gänge

17. Vierundvierzig Lichtjahre

18. Todesurteil für einen Planeten

19. Zeitbeben

20. Erstalarm

21. Weltenende

22. Alleinherrscher

23. Getrennt

Epilog: Bestrafung

Band 223 – Die Planetenmaschine

Vorspann

Teil I: Rätsel

1. Nirgendwo: Aus der Tiefe ans Licht

2. Luna: Entladung

3. Schwund

Teil II: Wege

4. Siga: Impfpflicht

5. Die Abberly-Protokolle I

6. Castorsystem, Olymp: Ungebetener Besuch

7. Die Abberly-Protokolle II

8. Siga: Mediengewitter

9. Die Abberly-Protokolle: III

10. Siga: Das Aalproblem

11. Siga: Gefährlicher Weg

12. Siga: Impulsverwirrung

13. Die Abberly-Protokolle IV

14. Siga: Bruchstücke

15. Die Abberly-Protokolle V

16. Siga: Impulsklarheit

17. Siga: Hinterher!

18. Die Abberly-Protokolle VI

19. Siga: Auf zum Schlund

Teil III: Die Maschine

20. Siga: Tiefenrausch

21. Die Abberly-Protokolle VII

22. Siga: Am Boden und darunter

23. Die Abberly-Protokolle VIII

24. Siga: Im Schlund

25. Die Abberly-Protokolle IX

26. Siga: Deep Noon

27. Die Abberly-Protokolle X

28. Siga: Das Ende

Band 224 – Besuch aus Andromeda

Vorspann

1. Perry Rhodan

2. Perry Rhodan

3. Mirona Thetin

4. Perry Rhodan

5. Perry Rhodan

6. Perry Rhodan

7. Rufus Darnell

8. Mirona Thetin

9. Perry Rhodan

10. Rufus Darnell

11. Conrad Deringhouse

12. Perry Rhodan

13. Conrad Deringhouse

14. Perry Rhodan

15. Conrad Deringhouse

16. Perry Rhodan

17. Perry Rhodan

18. Perry Rhodan

Band 225 – Der neue Imperator

Vorspann

1. Arkon I, Kristallpalast

2. MAGELLAN

3. Wie man sich als Imperator bewirbt

4. Glück oder Schock

5. Vorbereitungen

6. Das Ding

7. Ein stolzer Name

8. Bankett mit Folgen

9. Eine neue Allianz?

10. Das Spiel ist eröffnet

11. Beschwichtigungen

12. Zwischenfall

13. Test

14. Eine Unterredung mit Folgen

15. Meister der Intrige

16. Karaketta!

17. Die Folgen

18. Das nächste Kapitel

Band 226 – Erbe des Kristallthrons

Vorspann

1. Kristallscherben

2. Traditionen

3. Prinzessin

4. Happy New Year

5. Codes

6. Männlicher Zorn

7. In der Maske

8. Mission Naat

9. Mission Arkon

10. Letzte Kontrolle

11. Das Dahondra

12. Enterkommando

13. Niras Entscheidung

14. Kommando Freigeist

15. Der richtige Moment

16. Arkon erwacht

17. Flucht auf der Baustelle

18. Der Empfang

19. Flucht durch den Kristallpalast

20. Segen und Fluch

21. In einem verlorenen Himmel

22. Imperators Wut

Band 227 – Samfonnan, der Gefallene

Vorspann

Prolog: Das Ende

1. Samfonnan di Quennion

2. Atlan da Gonozal

3. Samfonnan di Quennion

4. Perry Rhodan

5. Atlan da Gonozal

6. Sofgart

7. Perry Rhodan

8. Perry Rhodan

9. Samfonnan di Quennion

10. Perry Rhodan

11. Samfonnan di Quennion

12. Samfonnan di Quennion

Epilog: Am nächsten Morgen

Band 228 – Das Elysische Fragment

Vorspann

Intarsien

1. Die Augen Arkons

2. Geheime Pfade

3. Unerwartete Besucher

4. Radikale Lösungen

5. Entrée

6. Elysium

7. Hilfsbereitschaft

8. Was da kommt ...!

9. Chaos auf dem Weg

10. In der Brandung

11. Hilf!

12. Save Our Souls!

13. Unser Leben für Arkon

14. Ein neuer Versuch

15. Audienz

16. Erinnerungen an die Zukunft

17. Jemanden zurücklassen

Band 229 – Die Schwarze Flut

Vorspann

1. Perry Rhodan

2. Perry Rhodan

3. Thora Rhodan da Zoltral

4. Perry Rhodan

5. Thora Rhodan da Zoltral

6. Perry Rhodan

7. Thora Rhodan da Zoltral

8. Perry Rhodan

9. Thora Rhodan da Zoltral

10. Perry Rhodan

11. Thora Rhodan da Zoltral

12. Perry Rhodan

13. Thora Rhodan da Zoltral

14. Perry Rhodan

15. Thora Rhodan da Zoltral

16. Perry Rhodan

17. Thora Rhodan da Zoltral

18. Perry Rhodan

19. Thora Rhodan da Zoltral

20. Perry Rhodan

Impressum

PERRY RHODAN – die Serie

Band 220

Imperium am Abgrund

Oliver Plaschka

Gut fünfzig Jahre nachdem Perry Rhodan auf Außerirdische getroffen und die Menschheit zu den Sternen aufgebrochen ist, haben sich terranische Siedlungen auf verschiedenen Welten entwickelt. Die Solare Union bildet die Basis zu einem Sternenreich der Menschheit.

Ende 2089 kehrt Perry Rhodan von einer Fernexpedition nach Hause zurück. Die Besatzung der FANTASY bringt wertvolle Erkenntnisse über das rätselhafte Dunkelleben mit. Auf der Erde muss sich Rhodan aber einer ungewohnten Herausforderung stellen: Er hat sich über ein ausdrückliches Verbot der terranischen Regierung hinweggesetzt – ihm drohen massive Konsequenzen.

Zugleich dringen beunruhigende Nachrichten aus dem Imperium der Arkoniden zur Erde. Mysteriöse »alte Herrscher« wollen dort die Macht ergreifen, mit unwägbaren Folgen für die Menschheit. Rhodan will der Sache nachspüren, um einen neuen Krisenherd zu verhindern – aber am Zielort erwartet ihn bereits ein IMPERIUM AM ABGRUND ...

Turning and turning in the widening gyre

the falcon cannot hear the falconer;

things fall apart; the centre cannot hold;

mere anarchy is loosed upon the world,

the blood-dimmed tide is loosed, and everywhere

the ceremony of innocence is drowned;

the best lack all conviction, while the worst

are full of passionate intensity.

William Butler Yeats, The Second Coming

TEIL I

Grabreden

1.

Böses Erwachen

Die letzte Stunde einer Reise ist wie die letzte Stunde eines Traums. Noch hatte einen das Erlebte fest im Griff, doch man ahnte bereits, dass sich alles ändern würde, sobald man erwachte. Was man noch nicht wusste, war, wie viel von dem Geträumten Bestand haben würde und wie viel verwehen würde wie gefallenes Laub.

Perry Rhodan ließ den Blick durch die Zentrale der FANTASY schweifen. So viel kam ihm weiterhin vor wie ein Traum: die Erlebnisse mit den fremdartigen Bewohnern des Omnitischen Compariats und auf der Forschungswelt Lashat, die Begegnung mit dem sterbenden, uralten Callibso, der einst ein erbitterter Feind gewesen war. Verglichen damit erschienen ihm die unwirklichen Quallenwesen, die sich in der Kuppelwölbung des Außenbeobachtungshologramms bewegten, beinahe vertraut.

Unter diesem Schauspiel der hyperdimensionalen Linearraumeffekte ruhte der Emotionaut Mentro Kosum auf seiner Liege und steuerte die FANTASY kraft seiner Gedanken, unterstützt von Laura und Sophie Bull-Legacy, Alberto Pérez sowie der übrigen Zentralebesatzung. Rhodan stellte sich vor, wie es für Kosum sein musste, das Raumschiff mit allen Sinnen zu erfahren, ganz als wäre es der eigene Körper: die beiden Triebwerksgondeln wie ausgebreitete Schwingen, der Libraschirm wie eine zweite Haut über dem stählernen Rumpf; er teilt die Energien des Hyperraums wie Wellen unter dem Bug eines Seeschiffs. Der Schneeklang in den Korridoren knistert wie glitzernde Gischt. Doch das Herz des Schiffs schlägt nur noch schwach – die Hyperkristalle zerfallen, der Wandeltaster blickt mit blindem Auge dem Zielstern entgegen. Wenn die FANTASY das nächste Mal in die Wirklichkeit stürzt, wird sie darin stranden.

Die Oproner hatten den Menschen geholfen, das Raumschiff noch einmal notdürftig instand zu setzen – für eine letzte große Reise: den Flug nach Hause. Trotzdem war die FANTASY längst kaum mehr als ein besseres Wrack. Denn die Reparaturen hatten nichts am grundlegenden Problem der Lineartriebwerkstechnologie geändert.

Der experimentelle Antrieb würde immer zu Fehlsprüngen führen: Massive Gravitations- und Hyperenergiequellen wie zum Beispiel Schwarze Löcher im galaktischen Umfeld des Austrittspunkts störten durch unberechenbare Fünf-D-Ausbrüche jegliche zuverlässige Kontrolle der Rücksturzsequenzen. Die Energien überluden zwangsläufig das Triebwerk, was spätestens bei längeren Flugetappen die Hyperkristallmatrizen zerstörte und eine fatale Rückkopplungskaskade auslöste. Massive Schäden an den Systemen des Schiffs waren die Folge.

Der Linearantrieb funktionierte genau einmal über größere Distanzen – und auch dann nur mit unkalkulierbaren Risiken.

Lange hatten sich die Spezialisten auf der FANTASY dagegen gesträubt, diese Wahrheit anzuerkennen. Jahrelange Forschung warf man nicht achtlos über Bord. Inzwischen hatten sie sich aber mit ihrem Scheitern abgefunden und klammerten sich wenigstens an diesen Erkenntnisgewinn – schon damit die Opfer, die der Flug gefordert hatte, nicht vergebens gewesen waren.

Auch Rhodan versuchte es so zu sehen, doch es fiel ihm nicht leicht. Die bittere Ironie war, dass es ihm persönlich gut ging – seine Gesundheit war der Hauptgrund des Flugs gewesen: der Krieg von Viren und Dunkelleben in seinem Körper, der drohende Ausfall seines Zellaktivators.

Nun war er geheilt. Und im Gegensatz zur FANTASY anscheinend auf Dauer – hatte ihm zumindest die Chefärztin Pari Sato bestätigt. Von den verschiedenen Infektionen war keine Spur geblieben, und Rhodan fühlte sich besser als je zuvor. Er wusste nicht, wem er für diesen Zustand zu danken hatte; vielleicht Callibso, vielleicht noch geheimnisvolleren Kräften, die innerhalb des Zeitbrunnens wirkten, den Rhodan durchquert hatte.

Als er nach seinem Treffen mit Callibso wieder durch den Brunnen zurückgekehrt war, war zudem sein Zellaktivator verschwunden gewesen – jenes verwunschene Stück alter, unverstandener Technik, das stets Fluch und Segen zugleich gewesen war. Seine positiven Auswirkungen auf Rhodans Gesundheit aber waren geblieben. Es hatte nicht viel mehr als eine schlaflose Nacht, ein paar Drinks und einen Schnitt in den Finger gebraucht, das herauszufinden. Ungewiss war, was nun aus ihm werden würde. Hatten höhere Mächte entschieden, dass er ewig zu leben hatte, bis er so alt wie Atlan, Mirona Thetin oder Callibso war? Würde er wie nach einer Zelldusche in dreiunddreißig Jahren schlagartig altern und zu Staub zerfallen? Rhodan wusste keine Antwort, und er wusste auch nicht, was ihm lieber wäre.

Er wusste nur, dass sie einen hohen Preis für ihren Flug gezahlt hatten. Die Bedenken, die er vor ihrem Aufbruch geäußert hatte, waren mehr als berechtigt gewesen. Doch seine Freunde hatten ihn überredet, hatten ihm gar keine andere Wahl gelassen, als diesen letzten Versuch zu seiner Rettung zu unternehmen. Dafür hatten sie Gesetze gebrochen und ihre Karrieren riskiert; Rhodan hatte sie nicht davon abhalten können. Allerdings hatte er die Schuld an der Mission allein auf sich genommen. Sie hatten die FANTASY gestohlen, um alles auf eine Karte zu setzen – und wie befürchtet, hatten sie Menschenleben verspielt. Nun kehrten sie zurück nach Hause und mussten sich ihrer Verantwortung stellen.

Perry Rhodan schloss die Augen. Noch einmal stellte er sich vor, er wäre die FANTASY, doch diesmal spürte er nicht das Schiff, sondern seine Besatzung. All die Techniker, Wissenschaftler und Flottenmitglieder, die während der zurückliegenden Wochen seine Familie gewesen waren. Die sich nun fragten, was sie daheim erwartete, ob die Reise es wert gewesen war. Ob sie die Rätsel, die sie vorgefunden hatten, je verstehen würden. Er spürte ihre Unsicherheit, ihre Erschöpfung, ihren unerschütterlichen Optimismus. Vor allem aber ihre Freude, endlich nach Hause zu ihren Familien und Freunden zurückzukehren.

Auch Rhodan teilte diese Vorfreude. Er dachte an Thora, an Thomas und Farouq. Mehr als alles andere wünschte er sich, sie wieder in die Arme zu schließen.

»Normalraumwiedereintritt in zehn Minuten«, gab die Erste Offizierin Gabrielle Montoya über Bordkom bekannt. Überall auf dem Raumschiff, vom Maschinenraum bis zur Krankenstation, machten sich die Frauen und Männer bereit, falls die Technik doch noch einmal versagte und ihnen eine neuerliche Katastrophe blühte.

Die letzten Minuten des Flugs verstrichen in gespanntem Schweigen. Rhodan trat hinter den Sitz von Kommandant Conrad Deringhouse und beobachtete die Bewegungsmuster der imaginären Quallen im Holo, die so oft schon Schwierigkeiten mit dem Triebwerk angezeigt hatten. Die Illusionen wirkten transparent und unscharf wie die ferneren Luftbläschen in einem Wasserglas.

Dann hauchten die Projektoren dem Libraschirm ein letztes Mal Atem ein, und im selben Moment stieß Kosum ein bedauerndes Seufzen aus wie ein Schläfer, der nur widerwillig erwachte. Der Schneeklang verwehte, und das Licht in der Zentrale hellte sich auf.

»Ende der Superposition«, meldete Montoya.

»Bericht!«, erbat Deringhouse, und in Windeseile gingen die Statusmeldungen der einzelnen Stationen ein. Die Versprechen der Oproner hatten sich erfüllt: keine Schäden außer dem erwarteten Verschleiß – sofern man das totale Versagen aller Überlichtsysteme noch als Verschleiß bezeichnen mochte. Entgegen der insgeheim gehegten Befürchtung war es jedoch zu keinem weiteren Unglück mehr gekommen. Der Traum vom Linearantrieb starb nicht mit einem Knall, sondern verwehte mit einem stillen Abschied.

»Es ist vorbei«, sagte Kosum und zog sich die SERT-Haube von seiner rostroten Mähne. »Wir sind wieder im Solsystem.« Offenbar hatte der Emotionaut beschlossen, dass man seine Fähigkeiten für den restlichen Flug mit Unterlicht nicht mehr brauchte. Der große Mann schwang die Beine von der Liege und sah sich blinzelnd um, als wüsste er nicht recht, wo er sich befand. »Ich glaube, wir kriegen gleich Besuch«, setzte er noch hinzu.

»Wir werden angefunkt!«, bestätigte Pérez. »Es ist die SAN DIEGO. Kommandantin Rushmore für Perry Rhodan.«

»Stellen Sie sie durch«, bat Rhodan und nahm Haltung an. Sie hat nicht meinen Rang genannt, registrierte er. Wenn er sich nicht sehr täuschte, war die SAN DIEGO eins der Kampfschiffe, die er bei dem überstürzten Aufbruch des Experimentalraumers vor zweieinhalb Monaten zur Umkehr gezwungen hatte. Damals hatte Rhodan geblufft und behauptet, er allein habe die FANTASY entführt und das Leben der ganzen Besatzung stünde auf dem Spiel. Es war keine sehr glaubhafte Lüge gewesen, aber sie hatte die nötigen Sekunden erkauft, um zu entkommen.

Egal wie die neuen Befehle der Kommandantin lauteten – diese Unterhaltung konnte keinen erfreulichen Verlauf nehmen.

»Rhodan hier«, sagte er. Im Kommunikationsholo erschien das Gesicht einer hageren Frau mit grauem Haar, die ihn streng musterte. »Wir sind gekommen, uns zu stellen.«

»Dann desaktivieren Sie alle Waffen- und Verteidigungssysteme, und folgen Sie uns mit zwanzig Prozent Lichtgeschwindigkeit zur Lunar Research Area. Betrachten Sie dies als direkten Befehl von Administratorin Michelsen und Systemadmiral Bull! Sie haben sich für schweren Diebstahl, die Gefährdung von Flottenmitgliedern, Missachtung des Rats und eine Reihe weiterer Delikte zu verantworten. Jeder Versuch, sich uns zu widersetzen, wird schwerwiegende Konsequenzen haben.«

»Verstanden«, sagte Rhodan, ohne zu zögern. Ein geschickter Schachzug, Reginald Bull in diese kleine Rede mit einzubeziehen. Rhodan hatte keine Fürsprecher mehr auf der Erde, sollte das heißen. Er hegte keinen Zweifel daran, dass Reg das anders sah ... war sich aber ebenso gewiss, dass seinem ältesten Freund keine andere Wahl blieb. Davon abgesehen, war es immer Rhodans Absicht gewesen, für seine Taten geradezustehen. »Du hast die Kommandantin gehört«, wandte er sich deshalb an Deringhouse, ehe dieser sich auf Diskussionen einließ.

Grimmig gab der alte Kommandant Laura und Sophie ein Zeichen, und die beiden NATHAN-Interpreterinnen, die mit den Systemen der FANTASY so vertraut waren wie kaum jemand sonst, übernahmen die Steuerung.

»Weitere Schiffe sind auf dem Weg«, meldete Pérez. »Sie meinen es wirklich ernst.«

»Wir bieten ihnen keinen Vorwand für Ärger«, machte Rhodan klar. »Wir gehen mit – freiwillig und erhobenen Hauptes, mit großem Geleit.« Die Männer und Frauen ringsum tauschten Blicke. Offenbar war Rhodan nicht der Einzige, der gerade das Gefühl hatte, in Handschellen abgeführt zu werden.

Die SAN DIEGO und ihre Begleitschiffe eskortierten die FANTASY bis in den von Transitionsdämpfern geschützten Bereich rings um Terra und weiter zum Erdmond. Keine Viertelstunde nach der Ankunft im Solsystem setzte der Experimentalraumer zur Landung in demselben Hangar an, aus dem Schiff und Mannschaft damals geflohen waren.

Sie hatten wieder den Ausgangspunkt ihrer Reise erreicht.

Rhodan sah zum MINSTREL hinüber – der schwebenden, aus vielen kleinen Metallkuben bestehenden Sphäre, die den Flug in NATHANS Auftrag begleitet hatte. Wusste die Hyperinpotronik schon, dass sie zurück waren? Mit Sicherheit. Es deutete vieles darauf hin, dass NATHAN die ganze Reise über im Hintergrund die Fäden gezogen hatte.

Die FANTASY sank durch den weiten Vertikalschacht in den lunaren Untergrund hinab und setzte mit sanftem Stoß auf dem Hangarboden auf.

Rhodan warf einen letzten Blick in die Runde. »Danke«, sprach er, weil er nicht wusste, was sonst noch blieb. Es kam nicht häufig vor, dass ihm die Worte fehlten. »Für alles.« Dann machte er kehrt und verließ die Zentrale, begab sich ins Heck zur Hauptausstiegsrampe, um sich dem Unvermeidlichen zu stellen.

Als er sah, wer draußen am Fuß der Rampe auf ihn wartete, wurde ihm einen Moment lang schwer ums Herz. Reginald Bull war unrasiert und hatte in den vergangenen Wochen offenbar ein paar Pfunde zugelegt. Rhodan erinnerte sich noch deutlich, wie sie bei ihrem Abschied böse Worte getauscht hatten, halb im Spaß, halb im Ernst. Bull war wütend gewesen, weil Rhodan Bulls Hilfe zwar unter Protest angenommen, ihm aber die Mitreise verwehrt hatte. Rhodan bedauerte seinen Entschluss jedoch nicht, auch nicht im Nachhinein.

Sobald Bulls Blick auf seine beiden Töchter fiel, die hinter Rhodan auf die Heckschleusenrampe traten, hellte sich seine Miene auf.

»Laura!«, rief er. »Sophie!«

Die beiden Frauen eilten an Rhodan vorbei und fielen ihrem Vater um den Hals, der in der zweifachen Wolke roter Locken beinahe verschwand. Rhodan wartete geduldig, wollte diesen Moment nicht stören. Gerade Sophie hatte eine Menge durchgemacht und erst kürzlich ihr Sprechvermögen wiedererlangt. Rhodan empfand tiefe Dankbarkeit – er hätte seinem Freund nicht unter die Augen treten können, hätten seine Töchter bleibenden Schaden erlitten.

Er fragte sich, wo Thora und seine Söhne steckten. Hinter Bull scharten sich mehrere Raumsoldaten, die Waffen im Holster, doch die Gesichter so hart, dass kein Zweifel an ihrer Entschlossenheit bestand. Und vom Ende der Halle näherte sich ein Mann, den Rhodan schon lange nicht mehr gesehen hatte, an dem die Jahre jedoch anscheinend spurlos vorübergingen: Leibnitz, der geheimnisvolle Schiffbrüchige aus Andromeda, der inzwischen zum Sprecher NATHANS und Majordomus der Lunar Research Area, der LRA, avanciert war. Hinter ihm schwebte nicht minder mysteriös die Posbi Monade, mit der Leibnitz in ständiger quasitelepathischer Verbindung stand. Der MINSTREL glitt lautlos die Rampe hinab und schwebte den beiden entgegen.

Laura und Sophie lösten sich von ihrem Vater.

»Hallo, Perry!« Bulls Augen waren so klein, dass man nicht erkennen konnte, ob Tränen der Trauer oder der Freude in ihnen standen.

Perry Rhodan ging auf seinen Freund zu und umarmte ihn. Die Raumsoldaten machten ihnen Platz, rührten aber sonst keinen Muskel.

»Gut siehst du aus«, sagte Bull leise. »Wie geht es dir?«

»Besser«, antwortete Rhodan und wählte seine Worte mit Bedacht – denn natürlich durften sie nicht zugeben, dass sein Flug nach Lashat eigentlich Bulls und Thoras Idee gewesen war. »Man sagt mir, ich sei wohl geheilt. Und du? Hattet ihr Schwierigkeiten?«

Bull schüttelte den Kopf. Anscheinend hatte niemand ihm und den anderen eine Beteiligung am Diebstahl der FANTASY nachweisen können. Rhodan fiel ein Stein vom Herzen.

Bull drückte ihn noch einmal, dann ließ er Rhodan los.

Rhodan kannte ihn lange genug, um zu sehen, dass dem Freund etwas auf der Seele lag. »Was ist mit dir? Wo drückt der Schuh?«

Kurz sah es aus, als wollte Bull es als Nichtigkeit abtun, dann gab er nach. »Thora. Sie und deine Jungs sind mit der CREST II nach Arkon geflogen.«

Rhodans Magen krampfte sich zusammen. »Nach Arkon? Wieso das?«

»Es gab ein offizielles Ersuchen ihrer kristalldurchlauchten Animosität, Theta der Wichtigen«, ulkte Bull. »Und glaub mir, ich bin ebenso wenig begeistert davon wie du. Aber Thora wollte unbedingt. Und Michelsen hat es ihr erlaubt – sie kann dir alles Weitere erklären.«

»Ich werde sie kontaktieren, sobald ...«

»Perry Rhodan«, unterbrach da der Anführer der Raumsoldaten, der die Abzeichen eines Leutnants trug und sich bisher zurückgehalten hatte. »Sie stehen unter Arrest! Im Namen der Terranischen Union werden Sie aufgefordert, uns ohne Widerstand zur Erde zu begleiten, um sich vor dem Rat zu verantworten. Bis dessen Urteil ergeht, sind Sie all Ihrer Ämter enthoben.«

Rhodan verstummte. Das war es also. Was ihn zu Hause erwartete, und der Grund, weshalb man ihn nicht mit »Protektor« angesprochen hatte. Nun, es traf ihn nicht unvorbereitet.

Bull warf dem Leutnant, der keine Miene verzog, einen säuerlichen Blick zu. Als Systemadmiral war Bull eigentlich der oberste Befehlshaber aller Raumflottenangehörigen. Es war offensichtlich, wie wenig ihm die Situation gefiel und dass er sie sich nicht ausgesucht hatte.

»Tolles Timing«, lobte er den Leutnant. »Guter Mann.«

»Lass es gut sein«, lenkte Rhodan ein, ehe sich sein Freund in einen seiner berüchtigten Wutausbrüche hineinsteigerte. »Ich habe nicht vor, mich zu widersetzen.« Etwas leiser fügte er hinzu: »Conrad wird dir vollständigen Zugriff auf unsere Logbücher geben. Mach dir am besten selbst ein Bild, in Ordnung? Und ... sag John und Belle Bescheid! Belle soll sich auf eine Überraschung einstellen.«

Inzwischen hatte sich ein großer Kreis um sie gebildet: die Besatzung der FANTASY auf der einen Seite, die ungeduldigen Soldaten und das Hangarpersonal der Lunar Research Area auf der anderen. An der Grenze beider Gruppen standen Leibnitz und Monade, die noch mit dem MINSTREL konferierte. Nur die Farbreflexe auf ihrer nachtschwarzen Oberfläche und das endlose Spiel der kleinen Kuben verrieten die lautlose Unterhaltung der beiden Maschinenwesen.

Dann räusperte sich Leibnitz vernehmlich und trat auf Rhodan zu. »Wenn ich Ihnen einen Rat geben dürfte ...« Er hielt Rhodan ein kleines Stück Papier hin. »Reden Sie mit niemandem, ehe Sie nicht von uns hören.«

Unter den achtsamen Blicken der Wachmannschaft nahm Rhodan das Papier entgegen und runzelte die Stirn. Es war eine altmodische Visitenkarte. »Jeremiah Goslin«, stand darauf in fröhlichen Lettern. Und darunter, etwas seriöser: »Rechtsberater«. Daneben war ein stilisierter, schwarzer Melonenhut abgebildet.

Uns?, fragte sich Rhodan, sprach es aber nicht aus.

Leibnitz nickte freundlich.

2.

Flaschenpost

Die Wahrheit war, Reginald Bull mochte den Mond nicht. Das hieß, vielleicht hatte er ihn einmal gemocht – sehr wahrscheinlich sogar, sonst wäre er kaum Astronaut geworden. Aber spätestens seit sich NATHAN auf Luna breitgemacht hatte, bedeutete der Erdtrabant nur noch Schwierigkeiten. Und für all den Ärger, den der Mond machte, war er eigentlich noch immer ein recht hässlicher Brocken.

Luna war der Ort, an dem Bulls Töchter arbeiteten, sodass er sie viel zu selten zu Gesicht bekam. Und die Arbeit hatte sie verändert. Etwas war mit Sophie auf dem Flug der FANTASY geschehen, und obgleich sie ihm versichert hatte, dass es ihr gut ginge und sie ihm später alles erzählen würde, traute er dem Braten nicht. Sie befand sich derzeit auf der Medostation – Routine, natürlich, es war immer alles nur Routine – und Laura hatte irgendwas Dringendes mit NATHAN zu besprechen.

Der Mond war wie eine besonders hässliche Stadt, überlegte Bull, während er den Flur zur Luftschleuse entlangging. Nur dass sie vor einem halben Jahrhundert plötzlich unglaublich wichtig geworden war und er seitdem ständig dienstlich dorthin zurückkehren musste wie ein lustloser Pendler.

Wenigstens war er nicht der Einzige.

Die Schleuse öffnete sich: John Marshall und Belle McGraw traten heraus, beide mit einer Reisetasche über der Schulter.

»Reg!«, rief die Wissenschaftlerin und schloss Bull in die Arme. »Schön, dich zu sehen. Es ist schon wieder so lange her.«

»Stimmt«, gab ihr Bull recht. »Viel zu lange.« Marshall und McGraw waren zwei der wenigen Menschen, bei denen er sich so gut aufgehoben fühlte, dass es ihm beinahe unheimlich war. Wahrscheinlich, weil sie sich buchstäblich nicht verändert hatten – genau wie er. Sie alle trugen Zellaktivatoren. Und genau wie Bull trug McGraw den ihren vor allem deshalb, weil sie andernfalls nach Ablauf der lebensverlängernden Frist ihrer Zelldusche gestorben wäre.

»Gut siehst du aus!«, scherzte sie.

Bull rang sich ein müdes Lächeln ab. »Sehr witzig.«

Sie waren Gauner – das dachte er häufig. McGraw vielleicht noch mehr als er selbst. Sie und der Rest des Leyden-Teams hatten sich damals die Unsterblichkeit ergaunert, es hatte einen Skandal oder zwei gegeben, aber natürlich hatte man die junge Wissenschaftlerin nicht einfach ihrem Schicksal überlassen wollen. Deshalb trugen sie nun alle eines dieser Teufelsdinger, von denen niemand wusste, wie lange sie noch funktionieren würden – nicht mal die Experten am Lakeside Institute, das Marshall immerhin leitete.

»Nun erzähl schon!«, drängte sie ihn. »Weshalb wolltest du uns unbedingt sehen?«

»Das werdet ihr noch früh genug merken«, gab er zurück, dann hob er warnend einen Zeigefinger vor Marshalls Gesicht. »Wage es nicht! Es soll eine Überraschung sein.«

»Natürlich«, beteuerte der Telepath höflich.

Bull führte sie durch eine Reihe von Korridoren, die wie alle Flure in der Lunar Research Area aussahen: eine unangenehme Mischung aus Verwaltungs- und Krankenhausflair.

»Wie geht es Noah?«, erkundigte er sich, um nicht über die Überraschung – die Überraschung, die Überraschung! – nachzudenken, denn er traute Marshall in dieser Hinsicht fast genauso wenig wie Gucky.

»Gut«, sagte McGraw. »Er geht völlig in seinem Studium auf.« Bull erinnerte sich: Der Sohn von John Marshall und Belle McGraw studierte mittlerweile Musik an der Akademia Terrania. Bull konnte sich bloß nie merken, welches Instrument Noah spielte. »Aber irgendwie sehen wir uns kaum noch. Ist das nicht traurig? Wir leben und arbeiten in der gleichen Stadt und haben trotzdem keine Zeit für die Familie.«

»Kenn ich«, brummte Bull.

Sie gelangten zu den Fahrstühlen und traten in eine Kabine.

»Und wie geht es Perry?«, fragte Marshall, während sie nach unten fuhren.

Sie fragen nicht nach meinen Töchtern, registrierte Bull. Sondern nach Perry. Ein schöner Vater bin ich.

»Er steht unter Arrest. Ich bin mir noch nicht sicher, wie ernst sie es damit meinen. Wir hatten bislang kaum Gelegenheit zu reden.«

Marshall machte ein besorgtes Gesicht. Bull musste kein Gedankenleser sein, um zu wissen, was dem Mutanten durch den Kopf ging; Marshall war ebenso in den Diebstahl der FANTASY verstrickt gewesen wie Bull selbst. Perry Rhodan hatte den Kopf für sie hingehalten. Ohne ihn stünden sie wohl längst alle unter Arrest und hätten ihre Jobs verloren. Stattdessen saß die Besatzung der FANTASY zur Stunde noch in Sicherheitsverwahrung und musste endlose Fragen über sich ergehen lassen.

»Ich bin noch etwas geblieben, um hier aufzuräumen«, fügte Bull hinzu. »Perry hat mich darum gebeten.«

Sie erreichten die Etage, wo die wracke FANTASY in ihrem Hangar ruhte, verließen den Lift und passierten einige Wissenschaftler und Techniker, die mit trübsinnigen Gesichtern ihre Gerätschaften umhertrugen. Es war deprimierend. Das einst so stolze Raumschiff war nur noch ein Schrotthaufen, eine Fallstudie, eine Sackgasse der Antriebstechnik.

»Wir sind da.« Bull blieb vor einer geschlossenen Sicherheitstür stehen. »Seid ihr so weit?« Er gab seinen Sicherheitscode ein, dann warf er einen prüfenden Blick in die Gesichter seiner Begleiter.

»Nun mach's nicht so spannend!«, protestierte McGraw. »Diese Geheimniskrämerei ist ja kaum ...«

Bull hieb auf den Öffner. Das Schott glitt zur Seite, das Licht ging an.

»... auszuhalten«, hauchte McGraw.

Im Innern des gesicherten Raums, von zahlreichen Sensoren und Instrumenten bewacht, ruhte der Kreellblock, den die FANTASY von ihrem Flug mitgebracht hatte.

Und eingeschlossen in dem bläulich-transparenten Material wie im Tableau eines verrückten Bildhauers, angestrahlt von gleißend weißen Scheinwerfern unter- wie oberhalb des Blocks, standen Belle McGraws alte Freunde: Eric Leyden, Luan Perparim und Abha Prajapati.

»Ich habe es erst selbst kaum glauben wollen«, gestand Bull, während Marshall und McGraw mit offenen Mündern um den Block wanderten. »Das hat Gucky schon probiert«, schickte er nach, als Marshall vorsichtig die Hand auf das Kreell legte. Wahrscheinlich versuchte er, telepathisch zu den Eingeschlossenen vorzudringen.

»Sie sind älter geworden«, sagte McGraw mit tonloser Stimme und studierte die nur verschwommen erkennbaren Gesichter. »Wie ist das möglich?«

»Wir wissen es nicht«, antwortete Bull. »Aber du denkst vielleicht an das Gleiche wie ich?«

»Tuire Sitareh«, bejahte McGraw. Auch der Aulore war in einem Kreellblock eingeschlossen gewesen und in diesem Zustand um etwa dreißig Jahre gealtert – trotz seines Zellaktivators. Sie sah Marshall an. »Wieso sind immer alle Menschen, die mir lieb und teuer sind, in irgendwas eingeschlossen?«

»In meinem Fall war es kein Kreell«, verteidigte sich Marshall.

»Aber Fremdmaterie!«

Er gab ihr einen Kuss. »Ich verspreche dir, es nie wieder zu tun.«

Sie studierte weiter den Block. »Mit diesem Kreell stimmt etwas nicht. Diese dunklen Stellen da ...«

»Dunkelleben«, erläuterte Bull. »Der Block ist damit infiziert.«

»Wir müssen sie rausholen!«, rief McGraw. »Haben wir nicht irgendwo noch etwas Katlyk übrig?«

Bull schüttelte bedauernd den Kopf. Das seltene Enzym, mit dem sich Kreell zersetzen ließ, konnte nur von den Blues zur Verfügung gestellt werden. Und seit diese von ihrer tödlichen Seuche geheilt worden waren, hatte eine Bevölkerungsexplosion zu neuen Feindseligkeiten zwischen den verschiedenen Gelegen geführt. »Nachrichten aus der Eastside sind derzeit noch spärlicher als aus dem Großen Imperium. Es kann eine Weile dauern, bis wir jemanden finden, der uns noch Katlyk verkauft – falls überhaupt.« Zumal die Entfernungen dorthin gewaltig waren.

»Es stellt sich auch die Frage, ob sie es überleben würden, wenn wir sie befreien«, gab Marshall zu bedenken. »Eure Zelldusche liegt länger als dreiunddreißig Jahre zurück ...«

»Und jetzt sind sie älter als ich«, begriff McGraw. »Sie sollten entweder überhaupt nicht gealtert oder gestorben sein! Nicht ... so. Außerdem hat Tuire es auch überlebt ...« Dann machte sie große Augen und ging in die Hocke. »Da unten ist ja sogar Hermes!«

Reginald Bull lächelte schwach. Es war grotesk, es war grandios, es war zum Heulen. Er hatte ja lange seine Differenzen mit Eric Leyden gehabt, aber er hatte nie die Genialität des Wissenschaftlers und seines Teams angezweifelt. Nachdem sie vor über dreißig Jahren spurlos verschwunden waren, hatte er irgendwann seinen Frieden damit gemacht, sie wohl nie wiederzusehen. Dass sie nun alle doch noch einmal zueinanderfanden, und unter diesen Bedingungen ... Es war wie ein Gruß aus der Vergangenheit.

»Habe ich zu viel versprochen?«, fragte er.

3.

Kondolenzbesuch

Perry Rhodan saß in seinem Büro im fünfzigsten Stock des Stardust Towers und blickte durch die bodentiefen Panoramafenster auf die Stadt an den Ufern des glitzernden Salzsees hinab. Es waren dieselben Räumlichkeiten, die vor sehr langer Zeit Homer G. Adams und danach Maui John Ngata gedient hatten. Einst war von diesem Ort aus das Schicksal Terranias und der ganzen Erde gelenkt worden, ehe die Regierungsbehörden Gebäude im neu errichteten Stadtviertel Government Garden bezogen hatten. Es war ein Raum, der Geschichte geatmet hatte. Mittlerweile war er fast ohne Bedeutung.

Rhodan wusste nicht, weshalb man ihm ausgerechnet dieses Büro zugewiesen hatte, aber es ließ sich nicht ausschließen, dass es mit Absicht geschehen war. Er stand auf dem Abstellgleis, sagte ihm dieser Raum. Er besaß keine Befehlsgewalt mehr, und wenn es schlecht für ihn lief, würde er noch viel mehr verlieren.

Doch Perry Rhodan gab nicht auf. Wenn schon nicht um seinetwillen, dann seiner Familie wegen. Deshalb verbrachte er seine Zeit, statt nach Hause zu gehen und in seinem leeren Haus auf die Vorladung durch den Rat der Terranischen Union zu warten, mit dem Studium der Berichte, die ihm sein Mitarbeiterstab und Reginald Bull zur Verfügung stellten: das juristische Nachspiel ihres Raumschiffdiebstahls Mitte August; der Absturz des Mehandorfrachters VETRONA auf Triton zwei Wochen später; der Notruf des Arkoniden Tamanur da Gonozal, der zum Einsatz Thoras und seiner Söhne geführt hatte; und schließlich die letzten Worte des Botschafters, als dieser vor Thoras Augen gestorben war: Die alten Herrscher greifen nach dem Imperium. Oder auch: Die ihren Gräbern entstiegenen Herrscher ...

Er konnte es Thora nicht verübeln, dass sie dem Hilfeersuchen der Imperatrice nach Arkon gefolgt war. Er wünschte nur, er wäre früher von seiner Reise zurückgekehrt. Wünschte, er hätte Thora vor ihrem Aufbruch noch sprechen können ... Sie hatten sich um zwei Monate verpasst.

Rhodan dachte an Theta. Die unberechenbare und faszinierende Arkonidin, deren Karriere als Kurtisane im Dienste der Rudergängerin Ihin da Achran begonnen hatte, bis Theta die Gelegenheit der Stunde ergriffen und als Imperatrice Emthon V. den Kristallthron bestiegen hatte. Ihre Wege hatten sich über die Jahrzehnte immer wieder gekreuzt, hatten sie zu Feinden, Verbündeten und mehr gemacht.

Theta hatte die Erde erst besetzen lassen, später dort Asyl gesucht. Sie und Rhodan waren beide Opfer der Allianz und eines geheimen Duplikationsprojekts auf Torran-Gar geworden. Nachdem Rhodan Theta hiervon berichtet hatte, hatte sie versucht, Torran-Gar mitsamt allen Duplikaten zu vernichten, und war gescheitert. Rhodan hatte mit einem geheimen Einsatz mehr Erfolg gehabt, aber nicht halb so viele Leben retten können wie erhofft. Danach hatte er Theta nur mitgeteilt, dass sie keine schlaflosen Nächte wegen dieser Welt mehr haben musste; sie hatte sich bedankt und nicht weiter gefragt.

Schon aufgrund dieser besonderen Verbindung mochte Thora die Imperatrice nicht sonderlich – aber Theta war trotz allem eine bessere Wahl für den Thron des arkonidischen Imperiums als der wahnsinnige Crest oder der abtrünnige Meister der Insel, Regnal-Orton, und die meisten ihrer Vorgänger es gewesen waren. Gemeinsam hatten die Menschen und Theta gegen Agaior Thoton und andere Verschwörer gekämpft. Dabei war es nie allein um Thetas Machterhalt gegangen – eine Gefahr für das Große Imperium war stets zugleich eine Gefahr für die ganze Galaxis.

So wie gegenwärtig. Wer auch immer diese alten Herrscher waren – aus der Vergangenheit des Imperiums konnte nichts Gutes für die Menschheit erwachsen.

Rhodan war deshalb bewusst, dass Thora die logische Wahl für einen Flug nach Arkon gewesen war. Dennoch machte er sich Sorgen um seine Frau – so wie sich Thora auch um ihn gesorgt hatte. Um sie zu schützen, hatte er zwar ihre Hilfe abgelehnt, als sie ihn auf die Mission der FANTASY begleiten wollte. Trotzdem brannte er nun umgekehrt darauf, ihr nachzufliegen. Er wollte helfen ...

Er stieß seinen Sessel zurück, stand auf und tigerte rastlos vor der Fensterfront auf und ab. Suchte er nur nach einer Ausrede, einer Ablenkung von den drohenden politischen Konsequenzen seines Handelns? Vielleicht. Aber er wünschte, der Rat würde ihn einfach absetzen, wenn es das war, was die Politik forderte. Zur Not würde er sich ein kleines privates Raumschiff besorgen – verdammt, es wäre nicht das erste Mal, dass er als Niemand unter falschem Namen, nur mit einem Beiboot ausgestattet, ins Imperium aufbrach ...

Ein tolles Beispiel gibst du ab!, mahnte er sich zur Ruhe. Willst du das wirklich? Zum gesuchten Gesetzesbrecher werden? Wie Atlan die nächsten hundert oder tausend Jahre durch die Galaxis ziehen, wenn dir überhaupt so lange bleibt ... ein Renegat ohne Heimat?

Wütend schlug er mit beiden Händen gegen die Scheibe, legte die Stirn ans Glas und starrte auf den Goshunsee hinaus. Wenn er nur wüsste, was der Rat im Schilde führte. Er fühlte sich wie lebendig begraben ...

Da klopfte es an der Tür.

Rhodan wandte verwundert den Kopf. Selbstverständlich gab es draußen einen Anmeldesummer, und ein simples »Herein« würde dem Besucher bei einer Sicherheitstür wie dieser ohnehin wenig nützen. Dennoch hatte der Unbekannte es vorgezogen, per Hand anzuklopfen.

Perry Rhodan ging zur Tür, gab den temporären Code ein, mit dem man für die Dauer seines Arrests seine Bewegungen überwachte, und öffnete den Zugang.

Vor ihm stand ein fremder Mann von ungewöhnlicher Erscheinung. Genau genommen war es seine Kleidung, die auffällig war – seine Statur und das glatte Gesicht mit den kleinen Bäckchen waren eher gewöhnlich, beinahe nichtssagend. Was dagegen sofort ins Auge sprang, war die schwarze Melone auf dem Kopf – praktisch niemand mehr trug einen solchen Hut. Dazu passend hatte der Besucher einen schwarzen Anzug an, streng wie Trauerkleidung, und hielt einen altmodischen Aktenkoffer in der Hand.

»Mister Rhodan«, grüßte er förmlich und hob das Kinn. »Darf ich eintreten?«

»Mister ... Goslin, nehme ich an«, sagte Rhodan und dachte an die Visitenkarte, die ihm Leibnitz ausgehändigt hatte.

»Jeremiah Goslin, ganz recht. Ihr persönlicher Rechtsberater.«

Rhodan wusste nicht, was er von diesem eigentümlichen Mann halten sollte, und er hatte nicht um einen Anwalt gebeten. Vielmehr hatte er beabsichtigt, sich selbst zu verteidigen. Andererseits hatte er im Moment ohnehin nichts Besseres zu tun. Er beschloss daher, Goslin auf die Probe zu stellen.

»Treten Sie ein. NATHAN schickt Sie?«

Wenn die direkte Frage den Anwalt überraschte, ließ er es sich nicht anmerken. Er ging zu Rhodans Schreibtisch und stellte seinen Aktenkoffer darauf ab. Den Kleiderhaken an der Wand ignorierte er; die Melone saß so unverrückbar auf seinem Kopf, als wäre sie festgewachsen, sogar als er sich weit vornüberbeugte, um den Koffer mit leisem Klicken zu öffnen. »Die Lunar Research Area ist ein sehr vielfältiges Einsatzgebiet«, gab er im Plauderton zum Besten. Seine Stimme war sanft, aber bestimmt, perfekt an die Größe des Zimmers angepasst. »Aber es braucht keine gesonderte Einladung, einen Fall wie Ihren zu übernehmen – sofern Sie unsere Einmischung entschuldigen.«

Da war es wieder, diese kleine »uns«, das auch Leibnitz gebraucht hatte, das einzige Eingeständnis, dass das Mondgehirn Interesse an der Sache zeigte. Vielleicht nicht ganz selbstlos – immerhin hatte NATHAN Rhodans Flucht aktiv unterstützt, indem er seine eigenen Datenspeicher manipuliert hatte. Eine Tatsache, die durchaus zu einer diplomatischen Krise in dem ohnehin sehr bizarren Verhältnis zwischen der Terranischen Union – der TU – und der zur Posbiwallfahrtsstätte avancierten Hyperinpotronik führen konnte.

»Es gibt nichts, was ich zu entschuldigen hätte, Mister Goslin. Ich frage mich allerdings, was Sie von mir wollen.«

Goslin, der seinem Koffer gerade eine schmale Minipositronik entnahm, wie man sie gelegentlich auf Raumschiffen, aber selten bis nie in Privatbesitz – geschweige denn in einem Aktenkoffer – sah, hielt erkennbar verdutzt inne. »Ihre Verteidigung vorbereiten, natürlich.« Er lächelte freundlich. »Was – wenn Sie mir die Frage gestatten – war denn bislang Ihr Plan?«

Rhodan zuckte ungeduldig die Achseln. »Offen gesagt: die Schuld auf mich nehmen und es hinter mich bringen.«

Goslin schüttelte tadelnd den Kopf, ohne dass das Lächeln von seinen Zügen wich. »Nein, das werden Sie nicht tun. Nicht solange Sie noch einen Lebensfunken in sich haben, und nicht, solange ich Ihr Anwalt bin.«

»Ich habe Sie noch nicht engagiert«, merkte Rhodan an.

»Sie haben mich eingelassen«, erinnerte ihn Goslin, als wäre er ein Vampir, der sich nicht mehr vertreiben lässt, nachdem er erst mal die Schwelle überschritten hat.

Rhodan grinste. Wenn dieser seltsame Kauz vor Stella Michelsen und ihren Koordinatoren ebenso selbstbewusst auftrat, konnte die Verhandlung recht unterhaltsam werden.

Und etwas an Goslins ruhiger Art gab Rhodan das Gefühl, er könne ihm vertrauen, ja alles erzählen. Es war ein Gefühl, wie er es selten bei einem Menschen erlebt hatte. War es eine Mutantengabe? Eins war klar: Vor diesem Mann hieß es, sich in Acht zu nehmen – und Rhodan hatte ihn lieber auf seiner Seite als gegen sich.

»In Ordnung, Mister Goslin. Was schlagen Sie vor?« Er streckte die Hand aus. »Setzen wir uns doch – nicht da, wenn ich bitten darf«, schickte er nach, als der Anwalt hinter dem Schreibtisch im ehemaligen Protektorensessel Platz nehmen wollte.

»Aber natürlich.« Goslin und er tauschten die Plätze. Sobald Rhodan wieder hinter seinem Tisch und sein Besucher auf dem Stuhl davor saßen, zwinkerte der Anwalt. »Sehen Sie? Sie haben schon den wichtigsten Punkt bei unserer Verteidigung gelernt.«

»Nämlich?«, fragte Perry Rhodan.

4.

Ein Totengräber für den Protektor

Reginald Bulls Komgerät klingelte. Sein Kom klingelte ständig, und es war ihm egal – aber auf diesen Anruf hatte er tatsächlich gewartet.

»Was hast du für mich?«, fragte Perry Rhodan.

Bull verzichtete darauf, den Freund darauf hinzuweisen, dass er vor lauter Terminen und Pflichten gerade kaum noch wusste, wo ihm der Kopf stand, während Rhodan seit der Rückkehr der FANTASY die Hände gebunden waren. Außerdem wurde die Leitung, auf der sie sprachen, mit Sicherheit abgehört, weswegen es nicht ratsam schien, seinem Ärger über Rhodans Arrest sowie den Unionsrat und die Administratorin Luft zu machen. Dennoch hasste er es, um den heißen Brei herumzureden.

»Man nennt ihn den Totengräber«, gab Bull stattdessen Antwort. »Und nicht nur wegen seiner Kleidung, sondern weil er seine Gegner gern mal zu Grabe trägt.«

»Du redest von Goslin?«, vergewisserte sich Rhodan.

»Nein, von Gucky«, alberte Bull. »Natürlich von Goslin! Lass dich von seiner Unschuldsmiene nicht täuschen. Das ist genau die Masche, die er auch vor Gericht durchzieht.«

»Dann ist er gut?«, vermutete Rhodan.

Bull prustete. »Mehr als gut, wie's aussieht. Autum hat ein bisschen für mich gewühlt.«

Rhodan war schlau genug, nicht weiter nachzufragen. Bulls Ehe existierte nur noch auf dem Papier, und Autum Legacy – immerhin die Sicherheitschefin der Terranischen Union – war alles andere als begeistert von Rhodans Ausflug nach Lashat und Bulls Unterstützung gewesen. Ehrlich gesagt, war Bull sehr überrascht gewesen, dass sie ihm die Bitte überhaupt erfüllt hatte – insbesondere nach dem letzten Gespräch über Sophie.

»Geboren in Southwark, London. Studierte Rechtswissenschaften in Harvard und München, machte dann seinen Doktor in Rechtspolitik an der University of Melbourne ...« Er überflog Legacys Notizen. »Summa cum laude, kleiner hatte er's nicht. Zusätzlich hat er einen Abschluss in vergleichender Rechtstheorie, Schwerpunkt Exojurisprudenz, was auch immer das sein mag ...«

»Ich schätze mal, das heißt, dass er auch über außerirdische Rechtssysteme Bescheid weiß«, half Rhodan aus.

Bull grunzte. »Würde passen. Er spricht acht Sprachen fließend, darunter Arkonidisch, mag Weißwein, aber keinen roten, und klassische Musik, vor allem einen Burschen namens Bruch, der wohl so eine Art Anti-Wagner war ...«

»Bleib beim Thema«, bat Rhodan.

Bull schaltete das Holo mit seinen Notizen ab. »Nur ist das so ziemlich das bestimmende Thema seines Lebens: Der Kerl ist ein Antagonist, ein Quertreiber, der sich nicht darum schert, was andere von ihm halten. Allein sein Aufzug – den beknackten Hut nimmt er wahrscheinlich nicht mal nachts im Bett ab. Ist so was wie sein Markenzeichen geworden, passt ja auch gut, und 'ne Menge Gerüchte ranken sich darum, was das soll. Vielleicht hält er sich ein Haustier darunter?«

»Gerüchte ranken sich um seinen Hut?«, staunte Rhodan.

»Erst wenn alle Welt über deine Kleider redet, hast du's geschafft«, spöttelte Bull. »Die vergangenen Jahre hielt er sich jedenfalls viel auf dem Mond auf und war mit schuld daran, dass NATHAN dort mittlerweile so ziemlich tun und lassen kann, was er will. Erinnerst du dich noch an die Sache mit dem Posbi voriges Jahr, der bei Michelsens Besuch fast ihren dämlichen Roboterhund in seine Bestandteile zerlegt hätte?«

»Oh ja.« Rhodan machte ein sorgenvolles Gesicht. Bull wusste, er teilte die Antipathie gegen Diamond, Michelsens Hund. »Der Posbi machte diplomatische Immunität geltend, nicht wahr?«

»So in der Art. Außerdem verlangte sein Anwalt ein robotpsychologisches Gutachten von Diamond, und Michelsen musste ihre Eignung als Halterin nachweisen.«

Rhodan ächzte. »Und das war Goslin?«

»Das war Goslin«, bestätigte Bull.

»Michelsen wird begeistert sein, ihn wiederzusehen.«

»Niemand in Juristenkreisen ist je erfreut, ihn zu sehen«, erinnerte ihn Bull. »Er ist der Totengräber.«

»Wie oft hat er denn schon einen Fall verloren?«

»Ein einziges Mal«, antwortete Bull. »Vor achtzehn Jahren. Und der wurde hinterher neu aufgerollt, weil herauskam, dass er eine Affäre mit der Gegenseite hatte. Wahrscheinlich verlor er aus reiner Freundlichkeit. Nachweisen konnte man ihm aber nichts. Ein Jahr lang war er ohne Lizenz – danach verlor er nie wieder.«

»Das heißt dann wohl, er ist ... gut?«, fragte Perry Rhodan.

5.

Testamentseröffnung

»Vertrauen Sie mir«, sagte Jeremiah Goslin, der sogar am Steuer seines Gleiters seine Melone trug und steif wie ein Kutscher auf dem Pilotensitz saß, den aufgeklappten Aktenkoffer auf seinem Schoß.

»Ich würde Ihnen mehr vertrauen, wenn Sie entweder den Autopiloten einschalten oder sich auf den Verkehr konzentrieren würden«, gab Perry Rhodan zurück.

Goslin lächelte entschuldigend. »Sie haben natürlich recht.« Er aktivierte den Autopiloten, wie man einem Kind einen unvernünftigen Gefallen tut, und widmete sich weiter der Positronik in seinem Koffer. Auf seltsame Weise erinnerten Goslins Bewegungen Rhodan an die von Mentro Kosum: Jeder Handgriff saß perfekt, selbst wenn er nicht hinsah, war Teil eines größeren Ablaufs, den Goslin mit unsichtbaren Sinnen zu begreifen schien.

Der Gleiter bremste und orientierte sich fortan am Leitstrahl der Flugverkehrskontrolle. Die beiden Quadrokopter der Terra Police, die sie eskortierten, passten sich der neuen Geschwindigkeit und Flughöhe an.

»Was tun Sie da eigentlich?« Rhodan versuchte, einen Blick auf das kleine Hologramm zu erhaschen, das in Goslins Aktenkoffer schwebte.

»Ich arbeite mich in die psychologischen Profile der Kommission ein. Deren genaue Zusammensetzung wurde erst vor einer halben Stunde bekannt gegeben. Ich habe bereits Beschwerde eingelegt: Intransparenz, Willkür sowie ein klarer Verstoß gegen Paragraf achtundsechzig, Absatz zwei bis vier und die Novelle von 2085.«

»Sie verstehen Ihr Handwerk«, lobte Rhodan, ohne eine Ahnung zu haben, auf welche Gesetze genau Goslin abzielte. Der Gesetzesapparat der Terranischen Union war maßgeblich von William Tifflor in seiner Zeit als Koordinator für Justiz gestaltet worden, hatte sich über die Jahrzehnte aber stetig weiterentwickelt.

»Das gehört zum guten Ton.« Goslin klappte seinen Koffer zu. »Es wird uns in Ihrem Fall jedoch nichts nützen. Bei allem Respekt, Mister Rhodan: Niemand weiß genau, welche Gesetze auf den Protektor der Terranischen Union Anwendung finden – weil es nie einen Protektor vor Ihnen gegeben hat und Sie das erste Mal Ihres Amtes enthoben werden. Vergessen Sie das Nachspiel des arkonidischen Protektorats, vergessen Sie die Invasion der Sitarakh und die Evakuierung der Erde, die vielen Sammelklagen und die peinlichen Untersuchungsausschüsse auf Betreiben von SOLitude. Heute wird Justizgeschichte geschrieben.«

»Jetzt machen Sie mir Angst«, gestand Rhodan.

»Dazu besteht kein Anlass«, beruhigte ihn der Anwalt. »Denn obgleich wir nicht wissen, welche Gesetze Sie schützen, hat bis heute auch noch niemand herausgefunden, an welche genau Sie gebunden sind – aus demselben Grund. Das ist unsere Stärke. Der Kern unserer Verteidigung. Und wenn Sie mir eine Prognose gestatten: Man wird feststellen, dass es gar nicht so leicht ist, einen Protektor zur Rechenschaft zu ziehen.«

Vor ihnen kam Government Garden in Sicht, das weitläufige, begrünte Regierungsviertel mit der wirbelförmigen, volkstümlich »Waschmaschine« genannten Union Hall im Mittelpunkt. Der Autopilot brachte sie zu einem Landeplatz für die oberen Stockwerke, Goslin fuhr die Systeme herunter und sie stiegen aus. Die schattige Parklandschaft, die sie empfing, hätte niemals vermuten lassen, dass sie sich auf dem Dach eines hohen Gebäudekomplexes befanden. Allenfalls der frische Wind stellte einen deutlichen Unterschied zum Boden dar.

Auch die Quadrokopter waren gelandet, und die Polizeibeamten, die Rhodan auf Schritt und Tritt begleiteten, eskortierten sie nach drinnen. Sie mussten sich mehreren Sicherheitskontrollen unterziehen; Goslin lüftete jeweils knapp den Hut – gerade genug, um die Theorie über Haustiere darunter verwerfen zu können – und öffnete auch seinen Koffer, doch niemand widmete ihm mehr als einen flüchtigen Blick, nachdem er sich ausgewiesen hatte. Was für Dokumente und Vollmachten auch immer NATHANS Totengräber präsentierte, sie mussten sehr gut sein. Rhodan passierte den Sicherheitsbereich ebenfalls ohne Probleme – nur einen flüchtigen Moment lang, als er den Metalldetektor durchschritt, wurde ihm erneut bewusst, dass er keinen Zellaktivator mehr trug.

»Denken Sie daran, was wir besprochen haben«, mahnte Goslin, ehe man sie zum Sitzungssaal der Kommission führte. »Sie antworten nur auf direkte Fragen. Die Verteidigung überlassen Sie mir.«

»Wenn es hilft, diese Angelegenheit schnell zu beenden«, murmelte Rhodan. Dann öffnete man ihnen die Tür, und sie traten ein.

In dem Saal saßen etwa zwanzig Personen in einem Halbrund versammelt. Den Vorsitz führte Stella Michelsen, der Rest der eigens einberufenen Kommission bestand aus einer Auswahl Koordinatoren, Vertretern der TU-Staatsanwaltschaft sowie Rechtsexperten. Rhodan und Michelsen tauschten kurz Blicke. Er wusste, die Administratorin hatte bislang immer auf seiner Seite gestanden, von seinem ersten Ersuchen an den Rat bis kurz vor dem Moment, in dem er die FANTASY entführt hatte – vielleicht sogar danach noch. Wenn sie unter sich waren, redeten sie fast wie Freunde. Diesmal jedoch hatte sie eine Rolle zu spielen, eine Erwartung zu erfüllen. Sie hatte gar keine andere Wahl, genauso wenig wie ihre Vorgänger Ngata oder Adams eine gehabt hätten. Rhodan wusste das, und es war einer der Gründe, weshalb er das Administratorenamt nie angestrebt hatte.

Michelsens wacher Blick wanderte weiter und fiel auf Jeremiah Goslin, und da erstarrte ihr Gesicht zu Stein.

Goslin tippte sich kurz an den Hut, den er jedoch nicht absetzte, und führte Rhodan zu zwei Sesseln in der vordersten von drei Reihen, die dem Halbrund gegenüberstanden. Mit ihnen nahmen mehrere Wachleute, Gerichtsdiener und unabhängige Prozessbeobachter Platz. Presse war nicht zugelassen, und Rhodan war dankbar dafür. Diese Angelegenheit hatte das Potenzial, das innere wie äußere Ansehen der Terranischen Union und seines Lebenswerks schwer zu beschädigen. Jeder im Raum war sich dieser Tatsache bewusst.

»Im Namen der Terranischen Union!« Michelsens Sekretär hielt eine knappe Begrüßungsrede, gefolgt von der Staatsanwaltschaft, die eine ausführliche Fassung der bereits bekannten Anklagepunkte verlas: angefangen bei der Missachtung des Rats, aufgehört mit Rhodans grober Lüge – die sich durchaus genauso gut als Drohung auffassen ließ –, dass jeder Versuch, die FANTASY aufzuhalten, das Leben ihrer Besatzung gefährde. Des Weiteren behielt sich auch die Solare Union juristische Schritte gegen Rhodan vor, hatte sein Flug ihn doch zunächst zur Kolonie Cybora geführt, wo er den Emotionauten Mentro Kosum aus dem Gefängnis befreit hatte.

Wieder einmal erwies sich, dass sich aus allem ein Strick drehen ließ, wenn man nur fest genug zwirbelte.

Entgegen seiner Art schenkte Perry Rhodan dem Geschehen kaum Aufmerksamkeit. Er war sich seiner Schuld bewusst und hatte sie mehr als einmal gestanden. Das gegenwärtige Verfahren war somit nur noch eine Formalie – ein Schauprozess für die Regierung, damit man sich hinterher einig war, was man in die Geschichtsbücher schrieb. Seine Gedanken weilten stattdessen bei seiner Familie, wo auch immer sie gerade sein mochte: irgendwo dort draußen zwischen den Sternen, in der Leere zwischen Thantur-Lok und der Milchstraße; unterwegs nach Arkon.

»Rhodan? Mister Rhodan!«, riss ihn Michelsens Stimme in die Gegenwart zurück. »So unerfreulich es ist, aber die Vorwürfe gegen Sie wiegen schwer und müssen geklärt werden. Haben Sie etwas zu Ihrer Verteidigung zu sagen?«

Er sah zu Goslin, der ihn mit gehobenen Brauen erwartungsvoll anschaute. Rhodan nickte. Mit einem Anflug sichtlicher Erleichterung stand Goslin auf.

»Administratorin, geehrte Kommission«, grüßte er freundlich. »Jeremiah Goslin, für den Angeklagten.«

»Mister Goslin!«, sagte Michelsen. »Ich fragte mich schon, wann sich unsere Wege das nächste Mal kreuzen. Sie sind sich hoffentlich bewusst, dass diese Anhörung kein ordentliches Verfahren darstellt und nicht den Ihnen so vertrauten und genehmen Regeln eines Gerichtssaals folgen wird?«

»Natürlich, Administratorin. Und genau da komme ich auch zum Kern meiner Verteidigung. Mit Ihrer Erlaubnis?«

Michelsen machte eine ungeduldige Geste. Sie wirkte verärgert und vielleicht auch ein wenig enttäuscht, dass Goslin anstelle von Rhodan das Reden übernahm. »Bitte sehr.«

»Wie Sie selbst gerade feststellten, ist dies kein echter Gerichtsprozess«, eröffnete Goslin seinen Monolog. »Sie sind keine Richterin und urteilen nicht nach den Regeln des normalen Strafrechts. Es ist aber auch kein Militärtribunal und kein gewöhnliches Amtsenthebungsverfahren, wie es Ihnen oder Ihren Kommissaren im Fall eines Missbrauchs Ihrer Ämter drohen würde.« Er ließ den Blick genüsslich über die Gesichter schweifen. »Tatsächlich kam diese Kommission wohl noch nie in dieser Besetzung zusammen und wird es auch nie wieder. Weshalb ist das so?«

Er drehte leicht den Oberkörper, um mit ausgestrecktem Arm Perry Rhodan zu präsentieren. »Weil Sie mit dem Rang des Protektors eine Position geschaffen haben, die außerhalb des normalen politischen Apparats steht, wie die Traditionen der meisten Demokratien der vergangenen zweitausend Jahre ihn kennen. Es ist ein besonderer Rang, geschaffen für eine besondere Zeit, allenfalls entfernt vergleichbar – und ich wähle dieses Simile mit größter Vorsicht – den für Krisenzeiten ernannten, gesetzmäßigen Diktatoren der Römischen Republik. Und mit diesem Amt kommen besondere Rechte und Pflichten.« Der Anwalt holte Luft und sah zur Decke.

Der Totengräber, dachte Rhodan. Ehe er sich an die Arbeit macht. Er fragte sich nur, wen Goslin gerade beerdigen wollte.

»Perry Rhodan hat die FANTASY gestohlen und ist nach Lashat geflogen, wo man ihm Heilung von seinem Leiden versprach – das, wie Sie wissen, durch das sogenannte Dunkelleben ausgelöst wurde. Deshalb diente die Reise ins Omnitische Compariat auch nur vordergründig der Gesundung des Protektors. Vor allem galt sie der Beschaffung von Informationen über das Dunkelleben selbst. Die Erkenntnisse der FANTASY-Mission lassen darauf schließen, dass die Gefahr einer Infektion die gesamte Milchstraße bedroht. Ich möchte Ihre Aufmerksamkeit insbesondere auf die Zustände in der als Contagiat bezeichneten Seuchenregion der Southside richten, in der sich das Dunkelleben bereits hemmungslos ausgebreitet hat. Unsere opronischen Freunde haben das akribisch dokumentiert ... Zugangscodes zu einem Datenspeicher der LRA mit den entsprechenden Informationen finden Sie in Ihren Posteingängen.«

Ehe die verdutzten Mitglieder der Kommission ihre Komgeräte aktivieren und nachsehen konnten, fuhr Goslin fort.

»Ohne Rhodans Alleingang wüssten wir von all dem nichts. Ist das nicht genau seine Amtspflicht: der Schutz der Menschheit? Ohne Wissen um eine Bedrohung mag diese uns eines Tages überwältigen. Denken Sie nur – ganz konkret! – an Iratio Hondro und die isolierte Kolonie Plophos, die vielleicht zur Keimzelle eines weiteren Contagiats geworden wäre, hätte Rhodan uns nicht gewarnt. Daraus lässt sich schwerlich ein Amtsmissbrauch konstruieren. Rhodan hat zu jedem Zeitpunkt im Interesse der Terranischen Union gehandelt.«

»Was genau ist denn Ihr Argument, Mister Goslin?«, fragte Michelsen. »Dass der Zweck alle Mittel heiligt? Oder dass die Geschichte Ihrem Klienten im Nachhinein recht geben wird? Ich hasse es, Sie zu enttäuschen – aber auch der Protektor steht nicht über dem Gesetz. Er kann nicht einfach tun und lassen, was er will.«

»Tatsächlich kann er vor allem nicht lassen«, gab Goslin ohne einen Augenblick des Zögerns zurück. »Er kann es sich nicht erlauben, tatenlos zuzusehen, während sich draußen im All eine Gefahr zusammenbraut. Perry Rhodan hat – das lässt sich nach unserem heutigen Kenntnisstand nicht bestreiten – genau so gehandelt, wie sein Amt es verlangt. Ja, man könnte sogar sagen: Gerade die rückwirkende Legitimation ist typisch dafür. Es ist nicht zweckdienlich, den Protektor in Erfüllung seiner Pflichten mit Rechtfertigungsmodalitäten zu bremsen. Rhodan hat das ihm geschaffene juristische Konstrukt vollkommen korrekt eingesetzt.«

»Diese Argumentation«, unterbrach Kanna Watanabe, die Koordinatorin für Justiz und Menschenrechte, »ist absurd. Und das wissen Sie.«

»Man kann einem Mann, der um sein Leben kämpft, nicht vorwerfen, dass er dies mit allen Mitteln tut«, wechselte Goslin nahtlos die Strategie. »Ja, Rhodan hat Regeln gebrochen. Aber er hat niemanden gezwungen, ihn auf seiner Reise zu begleiten. Jeder, der mit der FANTASY zurückgekehrt ist, wird dies gern unter Eid bezeugen.«

»Was ist mit denen, die nicht zurückgekehrt sind?«, warf Alexandre Lefebvre ein, der Koordinator für Flottenangelegenheiten. »Rhodan mag sie nicht gezwungen haben, oder er mag es verstanden haben, die entsprechenden Beweise zu vernichten. Aber es besteht kein Zweifel daran, dass er diese Männer und Frauen dazu angestiftet hat, die FANTASY zu entführen. Und dass einige davon ihren Fehler mit dem Leben bezahlten.«

Die Blicke der Koordinatoren ruhten auf Rhodan, nicht Goslin. Er erwiderte sie ruhig. Es gab nichts, was er zu seiner Verteidigung hätte sagen können, selbst wenn sein Anwalt ihn gelassen hätte.

Goslin kannte solche Skrupel nicht. »Ihren Fehler?«, wiederholte er. »Ich frage mich, ob all jene, deren Leben durch die Opfer der FANTASY-Besatzungsmitglieder gerettet wurden, es ebenso sähen. Der Linearantrieb ist eine technische Sackgasse. Auch die Auswertung dieser wertvollen, auf dem Flug nach Lashat gewonnenen Daten finden Sie in dem erwähnten Speicher, zusammen mit der Meinung der Oproner hierzu. Ohne Rhodans Tun wären die Trugschlüsse der Parallelspur-Forschung nicht annähernd so schnell identifiziert worden. Wie viele Leben mehr hätten weitere Testflüge womöglich gekostet?«

»Keine vielleicht«, antwortete Emina Muratovi, die Koordinatorin für Wissenschaft und Technik. »Sie stellen hier eine zynische Rechnung auf, Mister Goslin.«

»Ich kann der Koordinatorin nur beipflichten«, bekräftigte Michelsen grimmig.

»Zynisch ist es, dem Protektor mit Ihrem Votum erst Steine in den Weg zu legen und dann das Ergebnis zu kritisieren. Hätten Sie ihn nicht zu seinem Alleingang gezwungen, sondern eine vollwertige Expedition ausgerüstet ...«

»Sie strapazieren meine Geduld«, warnte Michelsen. »Kommen Sie zum Ende, Goslin!«

Der Totengräber schnalzte verstimmt mit der Zunge. Dieser kleine Hauch von Verärgerung war die erste echte Regung, die Rhodan an ihm beobachtete. Dann hatte sich Goslin wieder perfekt im Griff.

»Was auch immer die Kommission entscheiden wird«, sagte der Anwalt lächelnd. »Die gewaltigen Verdienste, die sich Perry Rhodan um die Menschheit und die Terranische Union erworben hat, sollten nicht vergessen werden. Und Sie wissen, wie es um die öffentliche Meinung bestellt ist.«

Rhodan gestattete sich, eine Braue zu heben. Er mischte sich selten in die Arbeit seines Medienteams ein, aber es verschlang einen beachtlichen Teil des Budgets seines Stabes – offenbar zu Recht.

»Dies ist keine Frage der öffentlichen Meinung, sondern der Inneren Sicherheit«, widersprach Ivar Gunnarsson, Koordinator derselbigen, doch sogar Michelsen wirkte nicht überzeugt.

»Meinen Sie?«, entgegnete Goslin. »Perry Rhodan ist die Galionsfigur der Terranischen Union, wenn Sie mir den Vergleich gestatten. Und in dieser Eigenschaft kann er auch in Zukunft mehr für die weitere Einheit der Erde und der Solaren Union erreichen als jeder andere hier im Raum. Die Kommission sollte sich gut überlegen, ob sie sich in Zeiten der Krise eines solch mächtigen Symbols berauben will. Lebend nutzt er Ihnen sozusagen mehr als tot, also fleddern Sie nicht einfach alles, was er aufgebaut hat.«

Rhodan räusperte sich. Teils, weil ihm die Lobpreisungen peinlich und die Vergleiche zu blumig wurden, teils, weil ihm die Ungeduld unter den Nägeln brannte. Michelsen hatte recht – es wurde Zeit.

»Ja, Mister Rhodan?«, nahm Michelsen seine Lautäußerung zur Kenntnis. »Sie möchten doch noch etwas zu dieser Unterhaltung beisteuern?«

»Wenn Sie gestatten.«

Sie nickte, beinahe erleichtert. Goslin musterte ihn kurz prüfend, nahm dann aber Platz und überließ ihm die Bühne.

»Ich bekenne mich schuldig, die Anweisungen des Rats ignoriert und die FANTASY entführt zu haben. Jedes verlorene Leben unserer Fernreise lastet auf mir. Ich möchte, dass die Menschen das wissen. Deshalb werde ich die Schuld öffentlich auf mich nehmen. Ich werde meinen Fehler eingestehen – denn ein Fehler war es – und die Strafe dafür akzeptieren. Ich erkenne die Autorität des Rats und der Vollversammlung uneingeschränkt an und stelle mich hinter die Werte und Ziele der Terranischen Union. Ich werde sagen, was auch immer Sie von mir verlangen – und es wird die Wahrheit sein. Denn ohne die Union bin ich nichts. Ein Niemand.«

Er sprach die Worte nicht demütig, sondern mit Stolz. Aus dem Augenwinkel sah er, wie Jeremiah Goslins Lippen immer schmäler wurden.

»Ich habe nur eine Bitte – lassen Sie mich in einer anderen Sache helfen. Falls auf Arkon wirklich eine Krise droht, hat dies das Potenzial, all unsere gegenwärtigen Probleme zu überflügeln. Dass meine Frau sich noch nicht gemeldet hat, gibt Anlass zur Sorge. Wir sollten keine Zeit verlieren und eine Expedition entsenden!«

»Sie halten die Untersuchung Ihres Amtsmissbrauchs für ... fehlgeleitet?«, erkundigte sich Stella Michelsen unschuldig.

Perry Rhodan kannte die Administratorin jedoch lange genug, um ihre Fallen zu erkennen. »Nein«, sagte er. »Ich halte sie sogar für überfällig.« Er lächelte schwach. »Ich bitte Sie – verurteilen Sie mich. Aber urteilen Sie rasch.«

6.

Sieben Tage

Eine Woche. Eine Woche hatte sich die Kommission gegeben, um ein Urteil zu fällen. Eine Woche des Wartens. Eine Woche der Ungewissheit.

»Eine gewagte Strategie«, hatte Jeremiah Goslin geraunt, während er und Perry Rhodan die Anhörung verlassen hatten. »Ich dachte, wir hätten uns darauf geeinigt, dass Sie nicht einfach so aufgeben?«

»Das tue ich nicht, Mister Goslin«, hatte Rhodan erwidert. »Im Gegenteil. Ich will weitermachen. Aber ich kann mich nicht um die anstehenden Probleme kümmern, wenn ich mich gleichzeitig in einen endlosen Streit um die Vergangenheit verstricke. Die Leute erwarten von mir, dass ich zu meinen Taten stehe, statt mich wegzuducken.«

»Und Ihre Gegner denken, dass sie ein Exempel am Protektor statuieren müssen. Sie haben ihnen einen Freibrief erteilt – hoffen wir, dass wir nicht den Preis dafür zahlen.«

»Fürchten Sie um Ihre makellose Bilanz, Mister Goslin?«

»Meine Sorge gilt lediglich Ihnen, meinem Klienten.«

»Das ist unbegründet«, hatte ihm Rhodan versichert. »Wir haben uns alle lange genug um mich gesorgt – es wird Zeit, wieder an die Arbeit zu gehen.«

Und genau das tat er.