Perry Rhodan-Paket 7: M 87 (Teil 1) -  - E-Book

Perry Rhodan-Paket 7: M 87 (Teil 1) E-Book

0,0
59,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Die Zeitpolizisten mit ihren lebenden Raumschiffen wollen die Terraner für ein vermeintliches Zeitverbrechen bestrafen. Mit seinem Flaggschiff CREST IV wird Perry Rhodan in die Galaxis M 87 verschlagen und erfährt dort die Ursprungsgeschichte der Haluter. In den Magellanschen Wolken machen die Terraner die Auftraggeber der Zeitpolizei unschädlich.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB

Seitenzahl: 6822

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Nr. 300

Alarm im Sektor Morgenrot

Sie jagen den König der Freihändler – dann werden sie selbst gejagt

von K. H. SCHEER

Liebe Perry-Rhodan-Leser und SF-Freunde!

Am 26. März 1961 wurde der erste Roman der Perry-Rhodan-Serie beendet und an den Moewig-Verlag zur Drucklegung abgeliefert.

Damals, vor mehr als sechs Jahren, hatten die Verlagsleitung, das Autorenteam und das Lektorat nach sorgfältiger Planung damit begonnen, eine Geschichte der MODERNEN MENSCHHEIT zu veröffentlichen.

Die Perry-Rhodan-Serie entstand!

Zu jener Zeit ahnte noch niemand, welch gewaltige Problemstellung auf alle Beteiligten zukam. Teamautoren, Geschäftsführung, Lektorat und die koordinierende Redaktion erkannten erst ein halbes Jahr später in voller Konsequenz, wie schwierig es war und noch immer ist, eine unter vielen möglichen Entwicklungen der Menschheit exakt, logisch, sprachlich einwandfrei und in denkbarer Ausweitung technischer Erkenntnisse zu schildern.

Das ist gelungen! Perry Rhodan ist zur größten und bedeutendsten Weltraumserie der Welt geworden. Den vielen Freunden dieser modernen Menschheitsgeschichte soll an dieser Stelle und anläßlich des Jubiläumsbandes 300 für ihre Treue zu Perry Rhodan gedankt werden.

Wir, die am Perry-Rhodan-Werk Beteiligten, danken auch für die vielen, vielen Leserzuschriften und Vorschläge, die im Verlauf dieser sechs Jahre bei den Autoren und der Redaktion eingegangen sind. Gleichzeitig bitten wir unsere Leser wegen der Nichtbeantwortung vieler Briefe sehr herzlich um Entschuldigung.

Dies gilt besonders für die Teamautoren und die Redaktion. Niemand unter uns ist auch nur annähernd in der Lage, die Berge von Zuschriften, Fragen und Vorschläge aller Art zu bearbeiten; es sei denn, wir würden die verfügbare Zeit nur noch für die Beantwortung Ihrer Briefe verwenden.

Wir bitten um Verständnis und Toleranz. Selbstverständlich wird jede Zuschrift gelesen und – falls sie gute Ideen enthält – sogar in die Serie eingebaut. Unser Stillschweigen soll und darf niemals mit Unachtsamkeit, Gleichgültigkeit oder gar Überheblichkeit identifiziert werden. Wir wissen, daß die Zuschriften der Rhodan-Freunde schon wegen der darin enthaltenen Kritik unschätzbar wertvoll sind. –

Nunmehr, sechs Jahre nach Erscheinen des ersten Bandes, beginnt der siebte Zyklus in der Geschichte der modernen Menschheit. Das Jahr 2435 n. Chr. stellt Perry Rhodan und die mit ihm handelnden Personen vor Probleme, die niemand ersehnte und die dennoch auf das Solare Imperium zukommen.

Der Menschheit sind nur dreißig Jahre der Ruhe, des Friedens und des internen Aufbaues gegönnt worden. Dann unterliegt sie wieder einem ungeschriebenen Gesetz, dem alle bedeutenden Völker der Milchstraße unterworfen sind. Eine galaktische Großmacht vom Range des Solaren Imperiums kann immer nur eine gewisse Zeit unangefochten ihren Weg gehen. Danach aber wird sie unausbleiblich in den Strudel von Ereignissen gezogen werden, die deshalb nicht ignoriert werden können, weil diese Großmacht ihre mühevoll aufgebaute Position wahren muß, wenn sie nicht untergehen will.

Auch Perry Rhodan muß erkennen, wie schwer die Verantwortung für das Wohlergehen von Milliarden Menschen zu tragen ist.

Dies zu schildern, ist nach wie vor die Aufgabe und Zielsetzung aller Männer, die am Entstehen der Perry-Rhodan-Serie beteiligt sind.

Wir geben unser Bestes – Für SIE und für alle Menschen in dieser Welt, die sich auf Grund ihrer Lebenseinstellung schon heute TERRANER nennen dürfen.

Wir verbleiben mit herzlichen Grüßen an alle Perry-Rhodan-Freunde,

Ihre

PERRY-RHODAN-Redaktion

(Original-Vorwort von 1967)

Die Hauptpersonen des Romans

Perry Rhodan – Großadministrator des Solaren Imperiums.

Atlan – Der Lordadmiral wird zum Duell gefordert.

Roi Danton – König der kosmischen Freihändler.

Oro Masut – Ertrusischer Diener und Leibwächter »König« Dantons.

Rasto Hims – Stellvertretender Kommandant des Freihändlerschiffs FRANCIS DRAKE.

Major Kary Akanura – Kommandant des Leichten Kreuzers KOBE.

Oberst Don Redhorse

Prolog

Nach dem siegreichen Abschluß des Kampfes gegen die Meister der Insel im Februar 2406 hatten die führenden Männer der Menschheit erkannt, daß das Solare Imperium im Verlauf der Abwehrschlachten die Grenzen seiner wirtschaftlichen und militärischen Macht überschritten hatte.

Die außenpolitische Situation im Gebiet der Milchstraße und die finanziellen Aufwendungen beim Ausbau neuentdeckter Welten machten es erforderlich, die im Andromedanebel operierenden Verbände der Solaren Flotte sofort zurückzuziehen. Das Sternenreich stand vor dem Ruin.

Perry Rhodan, Großadministrator des Solaren Imperiums (Aktivatorträger), gelang es durch die Fürsprache des Arkoniden Atlan, Regierender Lordadmiral der USO (Aktivatorträger), das im Februar 2406 unterzeichnete Nichtangriffs- und Beistandsabkommen mit den Maahks zu einem dauerhaften Friedensvertrag und Freundschaftsbündnis mit Handelsrechten auszudehnen.

Rhodans Streben nach interner Solidität und Vermeidung bewaffneter Auseinandersetzungen hatte fast dreißig Jahre lang Erfolg. Die Menschheit erlebte eine Blütezeit ungeahnten Ausmaßes; Stellung, Ansehen sowie wirtschaftliche und militärische Macht des Solaren Imperiums erreichten einen neuen Höhepunkt.

Die solare Außenpolitik wurde auf das Ziel ausgerichtet, den Frieden unter allen Umständen zu wahren. Kleinere Revolten wurden auf dem Verhandlungswege beigelegt.

Zu Beginn des Jahres 2435 n. Chr. beherrschte oder verwaltete das Imperium 1151 von Menschen besiedelte Sonnensysteme.

Der Geschichtsschreibung ist nicht überliefert, von welchem terranischen Staatsmann der Plan stammte, das Autarkiegesetz zu reformieren und es mit bemerkenswerten Änderungsvorschlägen dem Solaren Parlament vorzulegen. Der Antrag wurde von den demokratisch gewählten Vertretern der Menschheit mit Zweidrittel-Mehrheit gebilligt und erlangte somit Gesetzeskraft.

Die bisher gültige Verordnung zur Autarkiegewährung für neubesiedelte Welten stieß lediglich bei jenen jungen Kolonialvölkern auf Widerstand, denen es aller Voraussicht nach gelungen wäre, nach dreißigjähriger Besiedlungsdauer die industrielle, ökonomische und kulturelle Unabhängigkeit von der Mutterwelt Terra zu erreichen.

Mit der Verabschiedung des neuen Autarkiegesetzes wurde die Zeitspanne bis zur Unabhängigkeitsgewährung von ehemals dreißig Jahren auf hundert Jahre hinaufgesetzt, gerechnet vom ersten Tage der Landung an.

Die innenpolitischen Vorteile, die das Imperium damit errang, waren nicht zu übersehen. Terra besaß plötzlich das Recht, alle Neuwelten sieben Jahrzehnte länger zu kontrollieren und unerwünschte Entwicklungen rechtzeitig in geordnete Bahnen zu lenken.

Etwa zwanzig Jahre vor diesen Ereignissen, zu Beginn des Jahres 2415, stießen terranische Wachschiffe unverhofft auf die ersten Kugelraumschiffe der Kosmischen Freihändler.

Zahlreiche Kontrollen bewiesen, daß diese hochmodernen Handelsfahrzeuge ausschließlich von Besatzungen menschlichen Ursprungs bemannt wurden. Wenig später wurde von der Solaren Abwehr ermittelt, daß die Freihändler, auch Freifahrer genannt, über einen Stützpunktplaneten mit umfassenden technischen Einrichtungen, Ersatzteillagern und Automatwerften verfügten.

Da kein Freihandelskapitän jemals seine menschliche Abstammung dazu benutzte, um seine Rechte auf die solare Raumfahrt-Zulassungspolice mit allen Zoll-, Hafen- und Gebührenvergünstigungen geltend zu machen, war es dem Imperium nicht möglich, die für die private Raumschiffahrt geltenden Gesetze auch im Falle der Freifahrer zur Anwendung zu bringen.

Das Vorhaben terranischer Schiffahrtsgesellschaften und anderer Monopolbetriebe, die Freifahrer auf dem Klagewege aus dem Raum zu verdrängen, schlug fehl.

Ein gewaltsamer Versuch der Springer, die bis zum Jahre 2415 das Privileg in Anspruch nahmen, alleine freien Handel betreiben zu dürfen, wurde von den Kosmischen Freifahrern überraschend zerschlagen. Die Raumschlacht im Urbtridensektor zwischen Springern und menschlichen Freifahrern endete mit schweren Verlusten für die aus den Arkoniden hervorgegangenen Springer. Die Solare Flotte griff nicht ein.

Die galaktische Position des Freihändler-Planeten blieb geheim. Als sich nach fünfjähriger Kontrollarbeit der solaren Nachrichtendienste erwies, daß die Freihändler niemals gegen die fundamentalen Sicherheitsgesetze verstießen und niemals versuchten, das Wohl der Menschheit zu schädigen, wies Perry Rhodan die Abwehr und die Flottenführung an, die Freifahrer unbehelligt zu lassen.

Im Jahre 2435, kurz nach der Verabschiedung der Autarkiereform, wiesen die Freifahrer nach, daß sie über eine Flotte von etwa 7500 bewaffneten Handelsraumschiffen modernster Bauart verfügten. Sie waren zu einer unübersehbaren Wirtschaftsmacht in der Milchstraße geworden.

Ihr Oberhaupt, der sogenannte »Kaiser« Lovely Boscyk, stellte mit Beginn des 25. Jahrhunderts den Antrag auf politische Anerkennung durch das Imperium. Perry Rhodan lehnte mit der Begründung ab, die Freifahrer könnten weder als terranische Kolonisten noch als Nachkommen einer ursprünglich vom Imperium gegründeten Handelsgesellschaft angesehen werden. Durch diesen Beschluß blieben die Freifahrer eine politisch außenstehende Gruppe ohne Stimmrecht ihres Abgeordneten im Solaren Parlament.

In den Akten der Abwehr wurden sie nach wie vor als »suspekt« bezeichnet.

Die Geschichtsforschung beweist jedoch, daß die Freihandelskapitäne, die sogenannten »Fürsten«, niemals ernsthaft gegen das menschliche Wohl verstießen. Fälle verbrecherischer Tätigkeit wurden nicht bekannt. Allerdings stellt die Chronik fest, daß sich fast alle Kapitäne und Schiffseigner in vielen Fällen an den Grenzen des Erlaubten bewegten. Für die »Fürsten« war es selbstverständlich, bei neuentdeckten Primitivvölkern billige Gebrauchswaren gegen kostbare Rohstoffe und Konsumgüter aller Art einzutauschen.

Man nannte die Freihändler »charmante Gauner«, die es immer wieder verstanden, durch die Maschen des Gesetzes zu schlüpfen.

Die bemerkenswerteste Persönlichkeit unter den Freifahrern war als Roi Danton bekannt.

Während »Kaiser« Lovely Boscyk lediglich die Rolle eines mit Repräsentationsaufgaben betrauten Oberhauptes spielte, fungierte Roi Danton allem Anschein nach als Befehlshaber der Freihändler.

Niemand wußte, wer Roi Danton tatsächlich war, woher er stammte und wo er seine hervorragende Ausbildung als Kosmonaut und Hochenergietechniker erhalten hatte.

Roi hatte den Namen eines Revolutionärs angenommen, der im Frankreich des 18. Jahrhunderts bei der Beseitigung der menschenunwürdigen Feudalherrschaft entscheidend mitgewirkt hatte.

Roi Danton war grundsätzlich nach der Mode des ausgehenden 18. Jahrhunderts gekleidet. Er gab und bewegte sich wie ein seinerzeit lebender Feudalherr, ahmte die einem modernen Menschen abartig erscheinenden Gesten und Redewendungen nach und schockierte damit seine Umwelt. Dennoch konnte die Solare Abwehr, vordringlich aber die USO, schon 2435 feststellen, daß dieser undurchsichtige »König« der Freihändler ein loyal denkender Mensch war, dem außer kleinen Täuschungsaffären auf unbekannten Primitivplaneten keine verwerflichen Taten nachzuweisen waren.

Am 25. August 2435 n. Chr. wurde das Imperium nach einer dreißigjährigen Periode des Friedens und des internen Aufbaues plötzlich in ein kosmisches Geschehen verwickelt, das innerhalb weniger Wochen zu einer katastrophalen Bedrohung wurde. Der Großadministrator war erneut gezwungen, die Solaren Notstandsgesetze anzuwenden und die absolute Macht im Staate zu beanspruchen.

Mit Rhodans Startbefehl für die Heimatflotte begann die siebte Epoche in der Geschichte der modernen Menschheit.

1.

Leutnant Gazil Rhombat, Offizier vom Dienst und für die Zeitspanne von zwölf bis achtzehn Uhr Befehlshaber der »Innenwache«, traute seinen Augen nicht.

Es war 17:26 Uhr, am 25. August 2435. Rhombat hatte sich vor zehn Minuten entschlossen, die beiden Posten an der Pforte des kleinen Privatparks zu inspizieren. Die Grünanlage war den Wohnräumen des Großadministrators angegliedert und diente zur Erholung des am meisten beschäftigten Mannes im Imperium.

Weit entfernt starteten und landeten die bläulich schimmernden Kugelriesen der Heimatflotte. In der Luft lag ein dumpfes Grollen und Rumoren, das eigentlich niemals ganz verstummte. Man hatte sich daran gewöhnt. Die Einwohner Terranias, der größten und modernsten Stadt der Erde, bezeichneten es spöttisch als »Göttergesang«.

Das war es aber nicht, was Leutnant Rhombat den Atem verschlug.

Er hatte die Posten kontrolliert, die Sauberkeit der Uniformen überprüft, und war dann einige Schritte in den Park hineingegangen. Die Wachsoldaten hatten ihm mitgeteilt, Perry Rhodan hätte vor einer halben Stunde Arbeitsraum III über die breite Freitreppe verlassen, um – wie es schien – die Fische in dem prächtigen Zierteich zu füttern.

Rhombat beabsichtigte keineswegs, den Großadministrator in irgendeiner Form zu stören. Er wollte nur einmal nachschauen, ob alles in Ordnung war. Es gehörte zu seinen Aufgaben.

Wenn er dieses »Nachschauen« von Rhodan unbemerkt erledigen konnte, hatte er seine dienstlichen Obliegenheiten geschickt und gewissenhaft erfüllt.

Also schritt der Offizier der Innenwache auf den Zehenspitzen über den breiten Kiesweg und lugte vorsichtig um die Ecke eines Gewächshauses herum, in dem Rhodan oft Ablenkung suchte.

Bei diesem Blick um die Ecke wäre Rhombat vor Schreck beinahe in den Boden versunken.

Perry Rhodan, das Idol von Milliarden Menschen, gefiel sich darin, eine bildhübsche junge Dame zu umarmen, ihr über die dunkelblonden Haare zu streichen und sie sogar zu küssen.

Leutnant Gazil Rhombat war nur ein Mensch; dazu noch ein Mensch, der seinen Oberbefehlshaber liebte und verehrte.

Es kam Rhombat nicht in den Sinn, Rhodan für dieses Verhalten verantwortlich zu machen. Rhombat war felsenfest davon überzeugt, daß sein Chef in die Fänge eines gewissenlosen Geschöpfes geraten sei.

Selbstverständlich besaß er nicht das Recht, wie ein Racheengel zu erscheinen und seinen Chef darauf aufmerksam zu machen, daß Mory Rhodan-Abro mindestens eintausend Lichtjahre entfernt weilte und daher ein Treuebruch in dieser Form noch widerwärtiger sei, als wenn Mory im Gästehaus der Administratur von Terrania gewohnt hätte.

Nein – das stand Rhombat nicht zu! Da er jedoch zur Solaren Abwehr und überdies zur speziell geschulten Leibwache des Großadministrators gehörte, handelte er auf andere Weise.

Rhombat zog sich leise zurück und rannte zu den beiden Posten hinüber. Die Männer entsicherten automatisch ihre Thermostrahler, als sie ihren Wachoffizier im Sprintertempo näherkommen sahen.

Rhombat blieb stehen, umfaßte die Oberarme der verblüfften Soldaten und zog sie vom Tor weg. Seine Stimme klang erregt.

»Hören Sie genau zu! Der Chef hält es für richtig, eine junge Dame zu küssen. Halten Sie den Mund, Sergeant. Jetzt rede ich! Ich habe keine Ahnung, wer dieses Frauenzimmer ist, das sich hier erdreistet, die menschlichen Schwächen unseres Chefs auszunutzen. Er muß sie durch einen der Geheimgänge eingelassen haben, oder wir hätten sie bemerkt. Sie sollen immer noch den Mund halten, Sergeant!«

Rhombat schaute nervös zur Pforte hinüber und zog die Männer noch tiefer in die Sichtdeckung blühender Ziersträucher.

»Hier Ihre Befehle. Sie lassen niemand in den Park hinein, egal, wer immer den Eintritt fordern mag. Verweigern Sie jede Auskunft. Verschanzen Sie sich hinter meinem Befehl. Ich verantworte das. Niemand darf den Chef in dieser verfänglichen Situation beobachten. Ist das klar? Ich verpflichte Sie zu unverbrüchlichem Stillschweigen. Ein Wort, und ich bringe Sie wegen Eidesverletzung vor ein Kriegsgericht der Abwehr. Ich meine es verdammt ernst! Sie haben über alles zu schweigen, was Sie während Ihrer dienstlichen Tätigkeit sehen und hören. Noch Fragen?«

»Endlich«, seufzte der Sergeant. »Sie hätten mir nicht dauernd das Wort verbieten sollen, Sir. Da hinten kommt Solarmarschall Julian Tifflor. Es sieht ganz so aus, als wollte er in den Park. Was nun, Sir? Wir können doch nicht einen Marschall ...!«

»Schweigen Sie«, unterbrach der Leutnant. Er war blaß. »Gehen Sie ans Tor zurück und sperren Sie den Zugang. Ich spreche mit dem Marschall.«

Julian Tifflor, groß, schlank und infolge seines Zellaktivators noch immer jungenhaft wirkend, wunderte sich über die verkrampften Gesichter der drei Männer. Rhombat grüßte in vorbildlicher Haltung.

Tifflor legte flüchtig die Hand an den Schirm der Dienstmütze und ging so selbstverständlich auf die Pforte zu, wie er immer darauf zugegangen war.

Rhombat rannte an ihm vorbei und stellte sich ihm mit ausgebreiteten Armen in den Weg.

Der junge Leutnant wußte, daß er Rang, Ansehen und Laufbahn aufs Spiel setzte. Tifflor gehörte zu den wenigen Vertrauten, die Rhodan jederzeit ohne besondere Anmeldung aufsuchen durften.

»Sir – es tut mir außerordentlich leid, aber ich muß Ihnen den Eintritt verwehren«, sagte er hastig. Sein schmales Gesicht zuckte in innerer Erregung.

Julian Tifflor verhielt den Schritt und betrachtete erstaunt das schweißüberströmte Gesicht des Wachoffiziers.

»Wie bitte? Was müssen Sie?«

»Sir, es tut mir leid, Sie dürfen heute nicht den Park betreten. Sir, bitte, seien Sie vernünftig. Vielleicht in einer Stunde, ich meine ...!«

Rhombat suchte nach Worten. Es war ungeheuerlich, einem der höchsten Offiziere des Imperiums zu raten, er solle »vielleicht in einer Stunde« wiederkommen.

Tifflor musterte den jungen Mann unbewegt. Er bemerkte auch, daß Rhombat offenbar unbewußt an seiner Waffentasche herumfingerte und den Sicherungsschalter des Impulsstrahlers auf Feuerstellung schob.

Tifflor beherrschte sich. Nur seine Stimme klang sehr kühl.

»Sie müssen entweder geistig verwirrt oder betrunken sein. Im ersten Falle werde ich Ihnen verzeihen und Sie zu einem Arzt schicken. Sollten Sie jedoch betrunken sein, werde ich Sie mit aller Härte bestrafen. Melden Sie sich sofort beim Chef des Palastkommandos. Sie werden abgelöst. Und nun geben Sie gefälligst den Weg frei.«

Rhombat handelte nun tatsächlich wie ein Geisteskranker. Er zog seine Waffe und richtete die Mündung auf den Marschall. Tifflor verfärbte sich. Hilfesuchend sah er zu den Soldaten hinüber, doch sie trafen keine Anstalten, ihm behilflich zu sein.

»Ist – ist das eine Revolte?« erkundigte sich Tifflor stockend.

»Nein, Sir, nein, um Himmels willen nein. Sir, mir bleibt keine andere Wahl! Bitte, entfernen Sie sich. Ich ...!«

»Zu spät, Leutnant«, sagte der Sergeant plötzlich laut. »Drehen Sie sich um. Der Chef kommt soeben um das Gewächshaus herum – mit dieser Person!«

Rhombat ließ die Waffe sinken. Seine Schultern zuckten. Tifflor sah zu dem langsam näherkommenden Paar hinüber und winkte geistesabwesend. Er begann erst zu begreifen, als Rhombat fast schluchzend sagte:

»Sir, ich wollte verhindern, daß der Chef mit – mit diesem verworfenen Geschöpf gesehen wird; egal von wem. Sir, der Chef ist verheiratet!«

Tifflor riß Mund und Augen auf. Seine Lippen begannen verdächtig zu zucken. Schließlich sagte er mit schwankender Stimme:

»Sie sind der größte Hammel des Solaren Imperiums, Leutnant! Das ›verworfene Geschöpf‹ ist Rhodans Tochter, die wieder einmal ihren Vater besucht. Was haben Sie denn?«

Rhombat sah nur noch rote Nebel vor seinen Augen wallen. Als er ohnmächtig wurde, fing ihn der Sergeant auf.

Perry Rhodan erreichte die Gruppe. Sein bisher freudestrahlendes Gesicht wurde sofort ernst.

Ehe er Fragen stellen konnte, erklärten Tifflor und der Sergeant den Vorfall. Die beiden Posten standen steif und starr wie Statuen. Rhodan wechselte mit der hochgewachsenen jungen Frau einen langen Blick.

Suzan Betty Rhodan, geboren am 16. August 2405, bückte sich und wischte dem Offizier den Schweiß von der Stirn. Als sie wieder aufsah, war sie sehr nachdenklich.

»Mir scheint, Papa, als würde mit diesem jungen Mann ein zukünftiger Flottenführer oder großer Staatsmann heranreifen. Weißt du überhaupt, wie sehr dich deine Männer verehren? Er hat alles aufs Spiel gesetzt. Es grenzt an Selbstmord, einen Solarmarschall mit der Waffe zu bedrohen, nur um dich nicht zu kompromittieren. Tiff, tue mir den Gefallen und vergiß die Sache.«

Rhodans Augen, dachte Tifflor. Sie hat die Augen ihres Vaters.

Laut fügte er hinzu:

»Hinsichtlich der Umstände ist das selbstverständlich. Rhombat und diese beiden Posten haben mehr persönlichen Mut bewiesen als mancher Schlachtenheld, der nur deshalb zum Helden wurde, weil ihm sein Selbsterhaltungstrieb keine andere Wahl ließ. Seit wann hältst du mich für einen Unmenschen, Krausnase?«

Suzan lachte. Ihr herbes Gesicht entspannte sich und wurde fraulich weich.

»Krausnase! Das habe ich schon lange nicht mehr gehört. Fassen Sie mal mit an, Sergeant.«

Leutnant Rhombat erwachte. Er kam so schnell zu sich, daß er mit einem Aufschrei hochsprang und wankend nach einem Halt tastete. Es sprach für Rhodans Menschlichkeit, daß er dem jungen Mann unter die Arme griff und beruhigend sagte:

»Nun mal langsam mit den jungen Gäulen, Rhombat. Ich möchte mich sehr herzlich bedanken.«

»Be... danken, Sir?« stammelte Rhombat fassungslos.

»Genau das. Nach der Dienstordnung hätte ich Sie nun vor ein Gericht zu stellen. Da Marschall Tifflor jedoch auf eine Klage verzichten will, sehe ich keinen Grund, einem jungen Freund Schwierigkeiten zu machen. Vergessen Sie die Geschichte. Da vorn kommt Ihre Wachablösung. Gehen Sie sofort zum Arzt.«

»Jawohl, Sir. Verzeihen Sie, Sir – aber mir ist noch nie übel geworden.«

»Das weiß ich. Sonst gehörten Sie nämlich nicht zu meiner Garde. Ich befördere Sie hiermit zum Captain. Helft ihm, Jungens!«

Die beiden Posten traten ab und führten ihren Wachoffizier zum nächsten Palasteingang hinüber. Die Soldaten, die nach ihnen den Dienst antraten, erfuhren nichts von dem eigentümlichen Vorfall.

Suzan Rhodan, ihr Vater und Julian Tifflor schritten gemächlich in den Park hinein. Suzan war fast so groß wie ihr Vater. Er betrachtete sie von der Seite, und wieder erschien das Lächeln auf seinen Lippen.

Suzan schaute nachdenklich zu Boden.

»Die drei Männer haben dich angesehen, daß mir die Worte fehlen, um es zu schildern. Sie würden für dich ihr Leben opfern. Weißt du das?«

»Ja.«

»Das freut mich. Du mußt zu der Zeit, als Michael und ich noch nicht geboren waren, Wunder vollbracht haben.«

»Beinahe-Wunder«, berichtete Perry trocken.

Sie schüttelte den Kopf.

»Es waren Wunder, wie sie nur ein großer Mensch vollbringen kann. Vielleicht verstehst du auf Grund dieses kleinen Vorfalls, warum mein Bruder und ich den Entschluß faßten, nach unserer Ausbildung im Raum zwischen den Sternen unterzutauchen, um zu versuchen, aus eigenen Kräften so zu werden, wie du es ebenfalls aus eigenen Kräften geworden bist. Besonders Michael litt unter dem Gedanken, in deinem Schatten und mit deinem Familiennamen behaftet auf den Lebensweg geschickt zu werden. Schon seine akademische Ausbildung war für ihn deprimierend. Niemand wagte es, ihm schlechte Zensuren zu geben.«

»Er hatte nur gute verdient«, erklärte Perry unwillig. »Ich habe selten bessere Arbeiten gesehen.«

»Zugegeben. Mache aber einmal einem jungen Akademieschüler wie Michael klar, daß er tatsächlich mehr leistet als seine Altersgenossen. Das glaubt niemand, der Michael Reginald Rhodan heißt. Er mußte unerkannt untertauchen, wenn er seinen inneren Frieden nicht ganz verlieren wollte. Ich habe gegen deinen Willen einen Wissenschaftler geheiratet, der hier, auf Terra, als Phantast verschrien war. Ich liebe und achte ihn immer noch.«

»Es tut mir leid, Kleines. Es war mein Fehler. Wie geht es Dr. Geoffry Abel Waringer?«

»Wie das klingt!« lächelte Suzan. »Ich hätte an deiner Stelle den Begriff ›Schwiegersohn‹ gebraucht. Es geht uns gut.«

»Und wo ist er zu finden?«

Suzan sah den hochgewachsenen Mann fest an.

»Das verrate ich dir nicht. Mutter hat uns einen bestimmten Planeten zur Verfügung gestellt. Dort arbeiten und wohnen wir. Dort sind wir glücklich. Du wirst eines Tages noch von Geoffry hören. Er ist ein hyperphysikalisches Genie, das euren sagenhaften Professor Kalup in den Schatten stellen wird.«

»Falls dieses Genie der Menschheit zugute kommt, habe ich nichts dagegen«, warf Tifflor mit einem launigen Auflachen ein. »Mich würde es interessieren, wo Michael Unterschlupf gefunden hat. Du und er – ihr seid Zwillinge. Du wirst mir nicht erzählen wollen, du wüßtest nichts von ihm und seinem Aufenthaltsort.«

»Natürlich weiß ich, was er treibt und wo er zu finden ist. Das werde ich aber ebenfalls nicht verraten.«

»Wir sollten einen Telepathen auf meine liebe Tochter ansetzen«, meinte Perry.

Suzan winkte ab.

»Zwecklos. Dagegen bin ich präpariert. Michael ebenfalls. Ich soll dir sehr herzliche Grüße von ihm bestellen. Mike ist sehr zufrieden und sehr glücklich. Du hast ihm ein großartiges Fachwissen mitgegeben, das er nun gut gebrauchen kann.«

»Hat – hat er meinen, ich meine – hat er seinen Namen abgelegt?« fragte Rhodan innerlich aufgewühlt. »Mike ist mit vierundzwanzig Jahren plötzlich verschwunden. Seinen Abschiedsbrief habe ich mittlerweile tausendmal gelesen.«

Suzan legte den Arm um die Schultern ihres schlanken, jugendlich aussehenden Vaters.

»Das wissen wir. Ja, Michael trägt einen anderen Namen; jedoch nicht deshalb, weil er seinen Vater verachtet.«

»Darüber bin ich sehr glücklich. Er will ganz von unten anfangen, nicht wahr?«

Sie schaute Perry flüchtig an. Trotzdem erkannte sie das Leuchten in seinen Augen.

»Soeben sind Sie durchschaut worden«, fiel Tifflor trocken ein. »Suzan dürfte nicht Ihre Tochter sein. Krausnase – dein Vater ist auf dich, besonders aber auf Mike stolzer, als ihr es euch vorstellen könnt. Natürlich kann er Mikes Handlung verstehen. Wahrscheinlich hätte er an seiner Stelle nicht anders gehandelt. Ganz bestimmt sogar!«

»Sie sind widerlich, Tiff«, warf Perry dem Marschall vor.

Tifflor lachte.

»Wenn ich noch nie widerlicher war, dann soll es mir recht sein. Ich bewundere den Jungen. Er ist jetzt dreißig Jahre alt. Er muß zu sich selbst finden, ehe er an die Seite des großen Vaters treten kann. Lassen Sie ihn gewähren, Perry. Ich kenne ihn von frühester Jugend an. Mike wird niemals gegen die Interessen der Menschheit arbeiten. Das sollte doch vollauf genügen.«

»Sie sagen es, Tiff«, fiel Suzan ein. »Ich fühle mich auf Terra sehr wohl. Es ist schön hier. Die Menschen sind tolerant, aufgeschlossen und liebenswürdig.«

»Du hättest sie einmal ums Jahr 1970 erleben sollen«, meinte Rhodan. »Die Gutwilligen und Toleranten mußte man fast mit der Lupe suchen.«

»Überwundene Kinderkrankheiten«, meinte Suzan mit einer Handbewegung. »Jedes galaktische Volk muß erst reifen. Bei der Menschheit hat es nicht einmal lange gedauert. Wird uns Atlan besuchen?«

Rhodan fuhr bei diesem plötzlichen Themawechsel zusammen. Es war, als erwache er aus einem Traum.

»Was soll plötzlich diese Frage?«

»Oh, merkst du etwas, Tiff? Soeben hat der Großadministrator gesprochen. Meine Frage hat keine besonderen Hintergründe, Papa. Ich möchte Atlan gerne wieder einmal sehen.«

»Da hast du Pech, Krausnase«, fiel Tifflor ein. »Atlans Funkspruch ist der Grund meines Kommens. Er steht mit einem gemischten Verband aus USO- und solaren Streitkräften im Sektor Morgenrot und ist dort mit diesem sogenannten ›König‹ Danton zusammengetroffen.«

»Mit dem Freifahrerchef?« warf Rhodan ein.

»Ja. Es gab Schwierigkeiten. Atlan hat sich infolgedessen mit ihm zu beschäftigen. Ich werde in einer halben Stunde starten, um mir dieses Unikum einmal anzusehen. Ich bin ihm noch nie begegnet. Ich war auf einen Menschen selten so neugierig wie auf Roi Danton. Von ihm erzählt man sich Wunderdinge. Unsere Besatzungen finden stundenlang Gesprächsstoff, wenn nur sein Name erwähnt wird. Er muß trotz seiner Schrullen ein außergewöhnlicher Mensch sein.«

»Er hält sämtliche Kommandanten zum Narren«, behauptete Perry ärgerlich. »Diese Freifahrer werden allmählich zu einem ernsten Problem. Berichten Sie bitte genauer. Was hat dieser Bursche im geheimen Aufmarschgebiet der Flotte zu suchen? Ist das Zufall?«

»Das ist die Frage, Sir. Danton tut sehr verwundert, und Atlan kann ihn nicht zu einer wahrheitsgemäßen Aussage zwingen. Ich bin davon überzeugt, daß Danton nicht zufällig in unseren südlichen Aufmarschsektor gekommen ist.«

»Ich werde Sie begleiten«, entschloß sich Perry. »Ich kenne ihn nämlich ebenfalls noch nicht. Möchtest du mitkommen, Suzan? Es ist nicht weit von hier.«

»Roi Danton, hmm ...!« überlegte Suzan laut. »Lieber nicht. Ich bin verheiratet, und er soll ein Mann von unwiderstehlichem Charme sein. Ich sehe mir mittlerweile die großen Städte der Erde an. Einverstanden?«

Rhodan blickte Suzan nachdenklich an.

»Wenn meine Tochter so eigentümlich lächelt wie jetzt, führt sie etwas im Schilde. Was hast du vor?«

2.

Vor zehn Minuten war die KOBE, ein Leichter Kreuzer der Solaren Flotte, noch ein schönes Schiff gewesen. Jetzt glich sie einem Schrotthaufen.

Von der hundertfünfzigköpfigen Besatzung lebten nur noch fünfundvierzig Mann. Sie hielten sich zumeist in der hermetisch abgeriegelten, ebenfalls kugelförmigen Panzerzentrale im genauen Schnittpunkt des Schiffes auf.

Die Katastrophenautomatik hatte die Zentralkugel zusätzlich mit einem Energieschirm abgeriegelt, um die vielen Treffer absorbieren zu können.

Major Kary Akanura, Kommandant der KOBE, wußte, daß ihm nur noch ein Wunder helfen konnte. Er war unverhofft in einen Verband revoltierender Blues hineingeflogen, die hier, auf der sogenannten Eastside der Galaxis, sogar das Recht hatten, unwillkommene Eindringlinge unter Feuer zu nehmen. Genau das hatten sie getan, als die KOBE bei ihrer Rückkehr aus der linearen Zwischenzone in den Einsteinraum zwischen den Linien der Blues-Schlachtschiffe erkennbar geworden war.

Es war Akanuras Fehler gewesen, die letzten Geheimdienstnachrichten über die Flottenbewegungen der Tellerköpfe zu wenig beachtet zu haben. Ehe die KOBE erneut in den schützenden Halbraum hatte gehen können, war sie von etlichen Großkampfschiffen beschossen worden.

Die normallichtschnellen Impulstriebwerke waren schlagartig ausgefallen. Die Kalupschen Überlichtflugaggregate näherten sich zehn Minuten nach dem ersten Schuß der Auflösung. Die Kraftwerke hatten automatisch abgeschaltet, als ihre Steuergehirne feststellten, daß die Stromverbraucher nicht mehr arbeiteten. Dem Vorgang des Ausschaltens war schon bei der nächsten Salve die Zerstörung gefolgt.

Jetzt arbeitete nur noch die Notstation dicht unterhalb der Kugelzentrale. Sie wurde vom Ersten Offizier ferngesteuert und lieferte den Arbeitsstrom für den inneren Katastrophenschirm und die Funkstation.

Diese Funkstation war die letzte Chance für die Überlebenden der KOBE. Nur wenige Lichtjahre entfernt mußten die schlagkräftigen Geschwader der USO stehen. Lordadmiral Atlan persönlich fungierte als Oberbefehlshaber.

Major Akanura war es rätselhaft, was die Blues so nahe der terranischen Ausfallzone mit der Tarnbezeichnung Morgenrot suchten. Grundsätzlich betrachtet, konnte es dem Kommandanten gleichgültig sein, was die Beherrscher der Eastside in dieses Gebiet geführt hatte. Wahrscheinlich hatten sie keine Ahnung, daß der Sektor Morgenrot schon vor fünfzig Jahren mit einigen planetarischen Stützpunkten eingerichtet worden war, um bei einer eventuellen Großoffensive durch die Blues als Sprungbrett dienen zu können.

Die KOBE strahlte mit höchster Leistung ihre Notrufe ab, gab ihre genaue Position bekannt und sendete überdies pausenlos Peilzeichen, um eine Ortung durch eigene Schiffe zu erleichtern.

Kary Akanura hoffte inbrünstig, der Chef des Bluesverbandes würde die Sendung folgerichtig auswerten. Eigentlich mußte er daraus ersehen, daß die KOBE in diesem Raumsektor nicht alleine war.

Akanura blieb keine andere Wahl, als den wahrscheinlichen Selbsterhaltungstrieb der Blues in seine Hoffnungen einzubauen. Jeder Tellerkopf, ob Admiral oder Hilfstechniker, kannte die grenzenlose Überlegenheit der terranischen Waffen. Wenn die KOBE noch eine halbe Stunde durchhielt, war sie gerettet. Wenn ...!

»Funken Sie weiter«, schrie Akanura in sein Helmmikrophon. »Auf keinen Fall unterbrechen. Kommt denn von unseren Schiffen nichts herein?«

»Kein Piepser«, antwortete der Diensthabende aus der Funkzentrale. »Dafür kommen die Thermoschüsse der Blues herein. Sir, wir sollten aussteigen, solange die KOBE noch existiert.«

»Lassen Sie das meine Sorge sein. Erster – wann kommen Sie endlich mit der Waffenfernsteuerung klar? Jeder terranische Schiffsbauingenieur kann Ihnen bestätigen, daß es bei einem Ausfall der Feuerleitzentrale möglich ist, die Geschütztürme von der Zentrale aus zu bedienen. Warum begreifen Sie das nicht?«

Der Erste Offizier fluchte. Zwei neue Treffer schlugen in den allmählich aufglühenden Körper des Leichten Kreuzers ein und wirbelten ihn um seine Polachse.

»Es liegt nicht am Begreifen«, entgegnete der I. O. erbittert. »Die Notschaltung hat etwas gegen die Theorien unserer Ingenieure. Ich kann nicht mehr tun, als auf die Knöpfe drücken.«

»Peilkontakt«, brüllte jemand. Die Stimme überschlug sich fast. »Sir, wir werden von der Dreiundachtzigsten Ultraflotte, Kommandeur Admiral Dant, angerufen. Vierzig Schiffe sind schon im Anflug. Sir, so hören Sie doch! Ich ...!«

»Halten Sie Ihren Mund«, sagte Akanura müde. »Es gibt weder eine Dreiundachtzigste Ultraflotte noch einen Admiral Dant. Die Blues erlauben sich einen üblen Scherz.«

Akanura hatte noch nicht richtig ausgesprochen, als zwischen den im Rotsektor stehenden Bluesschiffen plötzlich eine künstliche Sonne aufging. Sie dehnte sich mit ungeheurer Schnelligkeit aus und verschlang drei Großkampfschiffe auf einmal.

Zwei weitere Kunstsonnen entstanden so haargenau vor den Bugspitzen der anderen Einheiten, daß erneut fünf große Schiffe ins Verderben rasten. Keinem Raumschiff, das mit wenigstens einem Zehntel der einfachen Lichtgeschwindigkeit flog, konnte noch ein Ausweichmanöver gelingen, wenn dicht vor ihm eine etliche hunderttausend Kilometer durchmessende Sonne aus spontan freigewordener Kernenergie aufleuchtete. Dann konnten nur noch hervorragende Schutzschirme helfen; aber die besaßen die Blues nicht.

Nach dem Aufblenden der dritten Riesenexplosion ahnten die fünfundvierzig Überlebenden der KOBE, daß sie dem sicheren Tode gerade noch einmal entronnen waren.

»Es gibt also doch eine Dreiundachtzigste Ultraflotte unter Admiral Dant«, schrie der Erste Offizier überglücklich. »Wenn das kein erstklassig liegendes Gigafeuer aus terranischen Transformkanonen ist, dann fresse ich einen Ertruser mit Haut und Haaren.«

»Ich wünsche Ihnen guten Appetit«, gab der Kommandant erbost zurück. »Funkzentrale – rufen Sie den Kommandeur des Verbandes an und schildern Sie unsere Situation. Die KOBE muß aufgegeben werden. Wenn sie nicht explodiert, kann man sie vielleicht mit einem Tender bergen. Fragen Sie an, ob man uns eine Korvette schicken kann. Unsere Beiboote sind zerschossen. Legen Sie das Gespräch auf den Kontrollraum um.«

Der Cheffunker bestätigte den Dienstvorschriften entsprechend. Dazwischen pfiff und sang er jedoch wie ein Mann, der nie etwas von der strengen Disziplin auf solaren Schiffen gehört hat.

Der Kommandant achtete nicht darauf. Als jedoch sein Funkchef einige Verwünschungen ausstieß und die Vorfahren eines Unbekannten mit Begriffen aus dem Tierreich beleidigte, wurde selbst der duldsame Akanura hellhörig.

»Unterlassen Sie das«, schrie er wütend. »Wohl verrückt geworden, was?«

Der Funker antwortete ungerührt:

»In Ordnung, Sir, es waren die Nerven. Sie hatten recht! Es gibt wirklich keine Dreiundachtzigste Ultraflotte. Wir sind von einem einzigen Schiff herausgehauen worden. Soeben verschwindet der letzte der Blues panikartig im Linearraum. Unser Retter kommt mit hoher Fahrt auf. Ein Riesenkasten, Sir. Noch etwas größer als ein Schlachtschiff der STARDUST-Klasse. Wenn das kein Freihändler ist, will ich nicht mehr Bobby heißen. Woher, zum Teufel, hat der Kerl die Transformkanonen? Ich hatte bisher angenommen, nur wir verfügten über diese Dinger. Oder waren das etwa keine Gigabomben, mit denen der Freifahrer die Tellerköpfe verjagte?«

Major Akanura stockte für einen Moment der Atem. Ihm wurde mit einem Gefühl der Beschämung bewußt, daß er diese Beobachtung weitermelden mußte, auch wenn er damit gegen die selbstverständlichsten Regeln der Dankbarkeit verstieß. Er ließ die Frage des Funkoffiziers unbeantwortet und konzentrierte sich auf das bevorstehende Funkgespräch. Es wurde höchste Zeit, die KOBE zu verlassen. In den Maschinenräumen erfolgten bereits vereinzelt Explosionen. Das Schiff war wahrscheinlich nicht mehr zu retten.

»Befolgen Sie meine Anweisung und bitten Sie um Bergungshilfe«, sagte er schroff. »Bezüglich der Transformkanone sollten Sie Ihre Mutmaßungen für sich behalten. Wenn die fremde Besatzung nicht eingegriffen hätte, wären wir jetzt tot. Worauf warten Sie noch?«

Die Überlebenden warfen sich vielsagende Blicke zu. Sie bemerkten jetzt erst, welche Probleme sich aufwarfen.

Wenn der Freifahrer tatsächlich die geheimste Waffe der Menschheit besaß, würde er unangenehmen Fragen und Untersuchungen kaum aus dem Wege gehen können.

»Ich weiß nicht, ob ich unter diesen Umständen einem zerschossenen Terrakreuzer beigesprungen wäre!« meinte ein Orter sinnend. »Der Freihändler hätte ja unsere Notrufe überhören können. Wenn mich jemand fragen sollte – ich habe einwandfrei gesehen, daß die Blues lediglich mit konventionellen Energiewaffen angegriffen und durch ein sehr genaues und massiertes Wirkungsfeuer in die Flucht geschlagen wurden.«

»Mehr habe ich auch nicht gesehen!« entgegnete der Mann neben ihm in einem Ton, der keinen Zweifel zuließ.

»Reden Sie keinen Unsinn«, mischte sich der Ortungsoffizier ein. »Wir sind verpflichtet, Meldung zu machen. Oder würden Sie es gerne sehen, wenn sämtliche Freifahrer im nächsten Jahr Transformkanonen hätten? Damit wäre unsere waffentechnische Überlegenheit überholt. Ich habe eindeutig explodierende Gigabomben von riesigem Kaliber beobachtet. Denken Sie von mir, was Sie wollen. Ich will nicht undankbar sein; aber das geht zu weit.«

Seine Männer schwiegen verbissen, bis der Kontakt zu dem Freifahrerschiff hergestellt war. Es befand sich bereits im Bremsmanöver.

Ehe der Kommandant des unbekannten Schiffes auf den Bildschirmen sichtbar wurde, stellte die Ortung fest, daß er ein Beiboot in der Größenordnung einer terranischen Korvette ausschleuste. Das Sechzigmeter-Schiff raste mit hoher Fahrt auf die treibende KOBE zu.

»Der Bursche denkt aber auch an alles«, stellte der Erste Offizier des Kreuzers bewundernd fest.

Major Akanura drehte sich gereizt um.

»Es ist wohl kein Kunststück, festzustellen, wie es in der KOBE aussieht. Er wird sich denken, daß unsere Beiboote vernichtet wurden.«

»Trotzdem, Sir!« wagte der I. O. brummig zu erwidern. »Der Mann kann etwas.«

»Niemand in der Solaren Flotte hat jemals bestritten, daß die Freihändler Könner sind. Wir sehen ihnen nur deshalb auf die Finger, weil wir ihrer Moral nicht trauen. Ich finde es nicht besonders schön, einem primitiven Wilden Glasperlen für Edelsteine anzudrehen.«

»Geschmackssache, Sir«, entgegnete der I. O. störrisch. Akanuras Auslegungen reizten ihn zum Widerspruch.

Der Kommandant holte tief Luft und beherrschte sich.

»Kommen Sie erst einmal zu sich, ehe Sie mit mir diskutieren«, lehnte er eine weitere Unterhaltung ab. »Funkraum – wo bleibt die Bildsprechverbindung?«

»Läuft schon, Sir. Einfach lichtschnell. Der Freifahrer ist nahe genug. Achtung, Bild kommt herein. Ich schalte auf die Steuerzentrale um.«

Auf dem großen Bildschirm erschien ein junger Mann mit ausgeprägt männlichen Zügen und klaren, durchdringenden Augen.

Der Eindruck der Härte wurde jedoch von den gewellten Haaren gemildert. Sie ließen die hohe Stirn frei, wallten bis zum Nacken hinab und bedeckten dort einen Teil des blütenweißen Spitzenkragens.

Die kräftigen Hände des Mannes wurden bis zur Höhe der Knöchel ebenfalls von kostbaren Spitzen umschlossen. Die Stickereien auf seiner Weste funkelten, als bestünden sie aus Edelsteinen. Das unwirkliche Bild wurde durch einen blutroten Frack nach der Mode des endenden 18. Jahrhunderts und einem Dreispitz mit pelzbesetzten Rändern abgerundet.

»Roi Danton!« ächzte Akanura. »Jetzt verstehe ich alles. Nur er konnte auf die Idee mit der nichtvorhandenen Flotte kommen.«

»So ist es, Monsieur«, klang die Stimme des Freihändlerkönigs aus dem Lautsprecher. »Comment allez-vous, Monsieur?«

»Was? Ich meine – bitte?«

Roi Danton runzelte die Stirn. Er erhob die Rechte, zog mit der anderen Hand ein Spitzentüchlein aus der Hemdmanschette und führte es zum Mund. Affektiert hüstelnd, betupfte er sich die Lippen und sagte dazu vorwurfsvoll über die Schulter hinweg zu einem nicht sichtbaren Mann:

»Oro – warum, um alles in der Welt, ist mein Tüchlein so schwach parfümiert? Muß ich denn ständig leiden?«

Akanura fluchte still in sich hinein. Das war charakteristisch für Roi Danton! Man nannte ihn einen Stutzer und Geck, der sich ganz in die Rolle eines verweichlichten Höflings des 18. Jahrhunderts hineingelebt hatte. Nur wenige Leute in der Solaren Flotte wußten, wie blitzschnell und hart dieser »Stutzer« zuschlagen konnte.

»Ich fragte, wie es Ihnen geht, Herr Major«, klang Dantons Stimme erneut auf. »Es freut mich, Sie bei bester Gesundheit vorzufinden. Mein Beiboot wird in wenigen Minuten anlegen. Es wäre vielleicht empfehlenswert, wenn Sie mit dem Rest Ihrer Besatzung die KOBE verließen. Ich bin gerne bereit, Ihnen Nahrung und Unterkunft zu gewähren. Me comprenez-vous, Monsieur? Verstehen Sie mich?«

»Zum Teil, Sir«, entgegnete Akanura wahrheitsgemäß. »Ich bin Ihnen wirklich dankbar, daß Sie uns ...!«

»Aber bitte, bitte, mein Bester. Ein wahrer Edelmann ist dem gemeinen Volk immer zugetan. Ich hoffe, Sie werden mir mit Ihren Männern nicht die Luft verunreinigen. Wie man hört, soll auf solaren Schiffen mit diesen widerwärtigen Desinfektionsmitteln sehr freizügig umgegangen werden. Oh – jetzt sollten Sie sich aber wirklich beeilen. Le combien est-ce aujour-d'hui?«

»Was ...? Verdammt, ich ...!«

»Aber Monsieur! Sie sind taktlos. Ich fragte nach dem heutigen Datum.«

»Wir schreiben den fünfundzwanzigsten August 2435 Standardzeit«, keuchte Akanura. Sein Erster Offizier hatte die Hände vors Gesicht geschlagen und lachte Tränen. Eigentlich lachte jeder, bis auf den Kommandanten.

»Dann sollten Sie zusehen, daß Sie auch noch den Sechsundzwanzigsten erleben. Ihr Schiff brennt. Benutzen Sie das obere Notluk. Dort scheint noch alles in Ordnung zu sein. Bringen Sie Ihre ›bagages‹ mit.«

Akanura konnte sich nicht mehr bezähmen. Sein aufgestauter Ärger brach sich Bahn.

»Ich habe keine Bagage, sondern eine anständige Besatzung an Bord«, brüllte er außer sich. »Herr, fast möchte ich sagen, es wäre mir lieber gewesen, im Feuer der Blues zu vergehen, als Ihnen zu begegnen.«

Roi Danton schüttelte vorwurfsvoll den Kopf und betupfte sich wieder die Lippen.

»Aber, Monsieur, Sie mißverstehen! Ich habe Ihr Gepäck gemeint.«

Jemand auf dem Freifahrerschiff lachte so laut, daß Roi schmerzhaft das Gesicht verzog.

»Oro!« sagte er nach hinten. »Beherrsche dich. Die Manieren dieser Subjekte lassen nun einmal zu wünschen übrig. Man kann nicht von jedermann scharfen Geist und geziemendes Benehmen erwarten.«

Akanura war so erregt, daß er die Hände vom Körper streckte, geziert die Finger spreizte und mit gespitzten Lippen nachäffte:

»... geziemendes Benehmen erwarten!«

Roi klatschte zurückhaltend, indem er mit zwei Fingerspitzen die linke Handfläche betupfte.

»Bravo, bravissimo, mein Bester. Sie lernen es allmählich.«

Dann wandelte sich Roi Danton schlagartig. Sein Gesicht verlor das affektierte Lächeln und wurde hart. Er säuselte auch nicht mehr vornehm, sondern schrie:

»Vielleicht trifft Ihre Schlafmützengesellschaft bald in der oberen Notschleuse ein! Ihr Schiff explodiert! Oder meinen Sie etwa, ich hätte die Blues nur angegriffen, um Ihr dummes Gesicht zu bewundern?«

Akanura war erneut fassungslos. Trotzdem begann er jetzt zu handeln. Die Männer rannten zum Preßluftschacht VII hinüber und schwangen sich hinein.

*

Roi Danton schaltete ab. Er hielt sein edelsteinbesetztes Lorgnon vor die Augen und sah sich stirnrunzelnd um.

Die große Zentrale der FRANCIS DRAKE, ein achthundertfünfzig Meter durchmessender, starkbewaffneter Kugelriese, wimmelte von verwegen aussehenden Männern, die nur zum Teil auf der Erde geboren worden waren.

Dantons Erster Offizier, gleichzeitig stellvertretender Kommandant, war ein quadratisch gebauter Epsaler mit wilden Zügen. Nach dem Sprachgebrauch der Freifahrer wurde er mit »Edelmann« angeredet. Dieser Titel stand jedem Offizier zu. Die Kapitäne trugen die Bezeichnung »Fürsten«; die Besatzungsmitglieder »Bauern«.

»Wollten Sie etwas sagen, Rasto Hims?« wurde der Koloß angesprochen.

Hims grinste nur. Er kannte seinen Chef.

»Also nicht. Schön, dann halten Sie sich von der KOBE fern. Sie dürfte bald zu einer Bombe werden. Entschuldigen Sie mich nun.«

Roi stand auf, glättete seinen knielangen Frack und rückte den kostbaren Zierdegen zurecht. Seine Wadenhosen waren aus echtem Samt gefertigt, die weißen Kniestrümpfe aus terranischer Seide, und die Schnallenschuhe wurden von Brillanten und Rubinen verziert.

Roi ging nicht aus der Zentrale, er tänzelte hinaus. Sein Leibwächter folgte ihm auf dem Fuße.

Oro Masut, ein gigantisch gebauter Ertruser mit blaurot vernarbtem Gesicht und Oberkörper, glich einem Ungeheuer in Menschengestalt. Wenn Oro lachte, wurden starke Männer blaß.

Danton blieb hinter dem Panzerschott stehen und wischte sich mit dem Handrücken über die Stirn.

»Das ist aber gar nicht vornehm«, grinste der Ertruser. »Wollen Sie dem Kreuzerkommandanten noch länger auf die Nerven gehen, oder ...!«

Danton unterbrach den Riesen durch eine Handbewegung. Sein Gesicht wirkte etwas abgespannt. Er verzichtete auf seine Maskerade.

»Rede nicht, Großer. Wir sitzen in der Falle. Unser Gigafeuer ist bemerkt worden.«

»Es gab keine andere Möglichkeit, die Blues zu verjagen. Wenn der Kreuzer noch zwei Treffer erhalten hätte, wäre er zerplatzt.«

»Du sagst es, Großer. Das mit anzusehen, brachte ich nicht übers Herz. Solare Schiffe sind zäh, sagt man.«

»Die besten Konstruktionen der Galaxis, außer unseren natürlich.«

»Natürlich«, schmunzelte Roi. »Wir sind schließlich auch Menschen. Dennoch wird man im Imperium sehr hellhörig werden. Freifahrer mit Transformkanonen darf es nicht geben. Kümmere dich um die Tarnung der Geschütze. Wir haben eine peinliche Inspektion zu erwarten.«

Der Ertruser kniff die Augen zusammen.

»Inspektion? Durch wen? Wir nehmen die Überlebenden mit und schleusen sie später auf einem bewohnten Planeten aus. Ganz einfach, Sir.«

Roi seufzte und setzte sich wieder den Dreispitz auf.

»Bewahre dein kindliches Gemüt. Ehe wir unser Beiboot an Bord haben, dürften etliche Superschiffe der USO auf der Bildfläche erscheinen. Man hat die Notrufe der KOBE gehört, jedoch nicht geantwortet, um die Blues nicht zu einer Steigerung ihres Feuers zu bewegen. Wir ...!«

Die Alarmsirenen begannen zu heulen. Der Ertruser fluchte. Roi fuhr ungerührt fort:

»Das sind sie schon, Großer. Verschwinde. Die Tarnung muß erstklassig sein. Wer weiß, wer zu uns an Bord kommt.«

3.

Edelmann Tusin Randta hielt es für ratsam, die plötzlich aufgetauchten und mit hoher Fahrt aufschließenden Raumer anzurufen, ehe in ihnen jemand eventuell auf die irrige Idee kam, das von Randta kommandierte Beiboot könne die Ursache für die Notrufe der KOBE sein.

Tusin Randta fungierte an Bord der FRANCIS DRAKE als Dritter kosmonautischer Offizier. Er hatte von Roi Danton den Befehl erhalten, die Überlebenden des Kreuzers zu bergen. Dies war mittlerweile geschehen.

Die fünfundvierzig erschöpften Männer, deren Gesichter von den Ereignissen gezeichnet waren, hielten sich in der Zentrale des Sechzigmeter-Bootes auf. Es glich einer terranischen Korvette, verfügte jedoch zusätzlich über einige Laderäume, da diese Boote von den Freihändlern zusammen mit den Mutterschiffen als Handelsfahrzeuge eingesetzt wurden.

Die Funkstation war der Zentrale direkt angegliedert. Major Akanura stand neben Tusin Randta und beobachtete dessen Schaltungen.

»Haben Sie plötzlich Platzangst?« erkundigte sich der Terraner anzüglich. »Acht Ultraschlachtschiffe der USO sind ein beunruhigender Anblick, wie?«

»Spotten Sie nicht«, bat der Freifahrer. »Wenn der Chef des Verbandes zu den nervösen Typen gehört, erleben Sie einen zweiten Feuerüberfall. Bitte, bestätigen Sie sofort meine Aussagen.«

Der Funker rief die acht näherkommenden Riesenschiffe auf der gebräuchlichen Hyperfrequenz an. Die Verbindung gelang sofort. Man schien drüben auf einen Anruf gewartet zu haben.

Tusin Randta zog das Mikrophon vor die Lippen und wendete sein Gesicht der Bildaufnahme zu.

»Edelmann Randta, Dritter Offizier des Freifahrerschiffes FRANCIS DRAKE unter Kommandant Roi Danton, ruft Flaggschiff USO-Verband. Bitte melden.«

Es knackte in den Lautsprechern. Akanura lachte. Er stellte sich im Geiste vor, wie man drüben auf den Begriff »Edelmann« reagierte. Wahrscheinlich bekam jetzt irgendein Kommandant einen Tobsuchtsanfall.

Eine Stimme dröhnte.

»Flaggschiff IMPERATOR III an diesen – an diesen Offizier. Was wollen Sie sein? Ein Edelmann? Wer ist Ihr Chef?«

Randta ließ sich nicht beeindrucken.

»König Danton, IMPERATOR, genannt Roi Danton.«

»Der Teufel soll ihn stückweise holen.«

»Seien Sie nicht ungerecht. Wir haben Ihre KOBE aus dem Feuerhagel von elf Bluesschlachtschiffen herausgeholt. Ich habe fünfundvierzig überlebende Terraner an Bord. Das große Schiff, das Sie in Ihrem Grünsektor sehen, ist die FRANCIS DRAKE. Die Blues sind geflohen. Das wollte ich Ihnen nur vorsichtshalber mitteilen. Major Akanura, der Kommandant des Kreuzers, steht neben mir.«

»Sie werden es nicht glauben, Edelmann – wir haben ihn bereits bemerkt. Bleiben Sie am Gerät. Ich schalte um zu Lordadmiral Atlan.«

Tusin Randta wurde blaß. Atlan!

»Auch das noch«, meinte er stockend. »Welcher Ungeist hat Roi geraten, Ihr Wrack vor dem Untergang zu bewahren? Wissen Sie, was uns jetzt blüht?«

Er schaute Akanura an. Der Major wurde ernst. Er verstand die Frage sehr gut. Der Freifahrer dachte an die Transformkanonen.

Ehe der Kreuzerkommandant antworten konnte, wurde Atlans Oberkörper auf dem Bildschirm sichtbar. Der zehntausendjährige Arkonide gehörte ebenso wie Perry Rhodan zu den sagenhaftesten Männern der neueren Geschichte.

Randta erblickte zwei forschende Augen und ein markantes, von den Ereignissen eines langen Lebens gezeichnetes Gesicht. Atlans weißblondes Haar schimmerte auf dem Bildschirm wie ein Gewebe aus Silberfäden.

»Hören Sie mich, Mr. Randta?«

»Ausgezeichnet, Sir. Ich möchte nochmals betonen, daß ...!«

»Sie brauchen nichts zu betonen«, unterbrach Atlan mit einem kaum merklichen Lächeln. »Mir genügt es, daß Sie fünfundvierzig Überlebende an Bord haben. Würden Sie so freundlich sein, die Männer direkt auf der IMPERATOR abzuliefern? Sie können Ihr Boot anschließend auf der DRAKE einschleusen.«

»Ja, natürlich, wenn Sie es wünschen.«

»Danke. Geben Sie mir bitte Major Akanura.«

Der Kreuzerkommandant trat dichter vor die Aufnahme und nahm Haltung an. Randta reichte ihm das Mikrophon.

»Schildern Sie den Vorfall, Akanura«, forderte Atlan.

Der Kommandant berichtete, wie die KOBE unverhofft in den Bluesverband hineingeflogen war. Während er sprach, glaubte Akanura, die Blicke seiner Männer wie glühende Dolche zu spüren.

Als er das Eingreifen der FRANCIS DRAKE erwähnte, hatte Akanura einen Entschluß gefaßt. Er »vergaß« mitzuteilen, welche Waffen Roi Danton benutzt hatte.

Atlan hörte aufmerksam zu. Als der Major nichts mehr zu sagen hatte, räusperte sich der Lordadmiral.

»Ich nehme an, Sie haben sich bereits bedankt. Falls das infolge der Umstände vergessen worden ist, möchte ich es hiermit nachholen. Hallo, FRANCIS DRAKE – hören Sie mit?«

»Versteht sich von selbst«, dröhnte die tiefe Stimme des Epsalers Rasto Hims aus den Geräten. »Können wir etwas für Sie tun, Sir? Hier spricht der stellvertretende Kommandant Rasto Hims.«

»Richten Sie Ihrem Chef aus, ich würde ihm gerne einmal die Hand schütteln. Dazu ist es erforderlich, daß ich an Bord der FRANCIS DRAKE komme.«

»Haben Sie nicht so lange Arme, daß Sie nicht zu kommen brauchen?« fragte der Epsaler knurrig zurück. »Unser Chef hat eine feine Nase. Der Desinfektionsduft terranischer Uniformen macht ihn krank. Bei Epsal – warum muß bei euch alles und jedermann nach Astrylol stinken?«

»Wonach riecht es denn bei Ihnen?« erkundigte sich Atlan.

Der Epsaler wurde endlich auf dem Schirm erkennbar. Vorerst sah man jedoch nur ein grinsendes Gesicht. Es füllte die Bildfläche aus.

»Keine Ahnung, wie das Zeug heißt, Sir. Da müssen Sie schon Roi Danton fragen. Er kennt sich da besser aus. Also, Sie wollen wirklich zu uns an Bord kommen?«

»Ich bitte dringend darum. Faszinierende Persönlichkeiten soll man sich nicht entgehen lassen.«

Hims' Augen verengten sich. Das Grinsen verschwand von seinen breiten Lippen.

»So, meinen Sie! Wir haben aber etwas gegen die ewige Schnüffelei. Auf meinem Schiff gibt es weder Rauschgiftballen noch sonstige verbotene Güter. Sie sollten wissen, daß wir uns an die Spielregeln halten.«

»Natürlich tun Sie das. Sonst würden die Freibeuter auch längst nicht mehr existieren.«

»Freifahrer!« berichtigte der Epsaler, und seine Stimme klang etwas lauter.

Atlan schmunzelte unterdrückt.

»Verzeihen Sie. Man verspricht sich so leicht. Sie werden bemerken, daß wir unsere Fahrt fast aufgehoben haben.«

»Allerdings. Ein Anpassungsmanöver zur FRANCIS DRAKE haben Sie auch schon geflogen.«

»Das gehört zur kosmonavigatorischen Routine.«

»Zur Schnüffelei gehört das«, schrie Hims plötzlich. »Sie haben kein Recht, im freien Raum ein von Terra und der USO unabhängiges Raumschiff einzukreisen.«

»Tun wir das? Sie müssen sich irren, Hims.«

»Edelmann Rasto Hims, wenn ich bitten darf. Ich spreche Sie ja auch mit ›Sir‹ an. Etwas mehr Höflichkeit, die Herren von der USO, wenn's gefällt.«

Major Akanura hielt die Luft an. Tusin Randta nickte beifällig. Die Geretteten der KOBE verfolgten den Wortwechsel mit steigender Spannung.

Atlan schaute auf seine Fingerspitzen nieder. Aus einigen Nebengeräuschen ging hervor, daß der Kommandant des USO-Flaggschiffes mit den Zähnen knirschte. Da er ebenfalls ein Epsaler war, klang es wie das Arbeitsgeräusch einer ausgeleierten Mühle.

Atlan sah wieder auf.

»Nun schön, wir wollen die Regeln beachten, Edelmann Hims. Ich bitte also darum, die FRANCIS DRAKE mit einigen Begleitern betreten zu dürfen.«

»Schon besser. Mit wie vielen Begleitern?«

»Mit drei Spezialisten aus meinem Forschungsstab. Wir interessieren uns für Ihre Sitten und Gebräuche.«

»Mon Dieu, was ist denn nun schon wieder los?« rief jemand weinerlich dazwischen. Die klagende Stimme war auf allen Schiffen zu hören.

»Muß das denn sein, Hims? Muß ich denn immer leiden? Kann man niemals Rücksicht auf meine angegriffenen Nerven nehmen? Welcher lourdaud stört meine verdiente Ruhe?«

Atlans Augen begannen zu funkeln. Er beugte sich so weit nach vorn, daß sein Gesicht den Bildschirm ausfüllte.

»War das Roi Danton?« erkundigte er sich.

»Allerdings«, bestätigte Rasto Hims. »Sie haben den König gestört. Begreifen Sie nicht, daß er nach einem schweren Gefecht der Ruhe bedarf?«

Atlan lachte amüsiert.

»Die Type muß ich kennenlernen. Hims – wenn Sie auch nur ein Kilopond Schub freilassen, stehen Sie in einem Gigaring. Damit Sie klarsehen! ›Lourdaud‹ heißt übrigens ›Tölpel‹. Wußten Sie das?«

»Nein!« grinste der Epsaler. »Woher wissen Sie es denn? In Ordnung, ich rühre mich nicht von der Stelle. Kommen Sie also mit Ihrem Inspektionskommando an Bord.«

»Mit meinem wissenschaftlichen Team!«

»Ha ... ha. Sie können doch einen erfahrenen Mann nicht hinters Licht führen. Hallo, Edelmann Randta – liefern Sie die Überlebenden auf der IMPERATOR ab. Passen Sie aber auf, daß man Ihnen keine Robotspione an die Außenzelle klebt. Bei diesen Brüdern ist alles möglich. Ende.«

Atlan schaltete schnell ab, damit der Freifahrer nicht sein schallendes Gelächter vernehmen konnte.

»Haben Sie das gehört?« sprach er den Kommandanten des Flaggschiffes an.

»Man sollte den Kerl in Ketten legen«, erklärte der Oberst. »So eine Frechheit!«

»Wieso? Haben Sie etwa noch nie Robospione in fremde Raumschiffe geschmuggelt? Mir scheint, diese Burschen kennen uns. Ich bin in meinem langen Leben selten so neugierig gewesen. Setzen Sie einen Funkspruch an das Hauptquartier Terra ab. Schildern Sie den Vorfall. Teilen Sie mit, ich würde versuchen, den Freihändlerkönig so lange festzuhalten, bis Perry Rhodan hier ist. Er wird sich für den charmanten Gauner genau so interessieren wie ich. Lassen Sie eine Space-Jet klarmachen.«

Atlan verließ die riesige Zentrale des Ultraschlachtschiffes. Überall bemerkte er heftig diskutierende Männer. Daran glaubte der Lordadmiral feststellen zu können, daß sich Roi Danton innerhalb weniger Jahre einen legendären Ruf erworben hatte.

*

Knapp zwanzig Kilometer Steuerbord querab stand die FRANCIS DRAKE. Roi Danton blickte mit einem eigentümlichen Gesichtsausdruck auf den verblaßten Bildschirm. Oro Masut stand breitbeinig hinter seinem Chef.

»Ich kann mir nicht helfen, Sir – aber dieser Atlan gefällt mir. Er hat Humor in den Augen.«

»Und Stahl in den Händen. Vergiß das nicht. Ich werde mich gehörig anstrengen müssen, um ihm plausibel zu erklären, was wir eigentlich in diesem Raumsektor zu suchen haben.«

»Das geht ihn nichts an.«

Danton wiegte zweifelnd den Kopf und stand auf.

»Ob einen Mann etwas angeht oder nicht, ist mehr oder weniger eine Frage seiner Macht. Atlan ist aber mächtig! Natürlich brennt er darauf, mich mit seinem Intellekt in ein Häufchen Unglück zu verwandeln. Er spricht ein besseres Französisch als ich.«

»Das gibt's ja gar nicht, Sir«, behauptete der Ertruser.

»Das gibt es doch. Atlan hat in der Französischen Revolution eine eigentümliche Rolle gespielt. Man sagt, er hätte bei Beginn des Terrors mehr als einen Adligen vor der Guillotine gerettet. Außerdem kannte er den Mann, dessen Name ich trage. Peinlich, Großer, sehr peinlich. Eine andere Frage – sind die Waffen gut getarnt?«

»Besser geht es nicht mehr. Man müßte schon die Verkleidungen abnehmen, um in den angeblichen Traktorprojektoren Transformkanonen zu erkennen.«

»Hoffentlich kommt er nicht auf die Idee. Schön, begeben wir uns zum Empfang in die Oberdeckschleuse. Wie sehe ich aus?«

4.

Die schwer angeschlagene KOBE war vor drei Minuten explodiert. Dort, wo das Wrack soeben noch im freien Fall den Raum durchrast hatte, breitete sich ein blendender Feuerball aus.

Atlan achtete kaum darauf. Er konzentrierte sich auf das Einschleusungsmanöver.

Die breiten Tore glitten hinter der Space-Jet zu. Der Druckausgleich begann mit dem schrillen Pfeifen einströmender Luftmassen.

Als die Innentore aufschwangen, öffnete Atlan die winzige Schleuse der Jet und sprang auf den Boden. Nach ihm verließen die drei Männer seines Begleitkommandos das Kleinraumschiff.

Rasto Hims stampfte in den Raum und blieb vor den Männern stehen. Er musterte sie kritisch.

»So, Sie sind also Lordadmiral Atlan. Willkommen, Sir. Es freut mich, Sie einmal persönlich kennenzulernen.«

»Ganz meinerseits«, entgegnete Atlan verbindlich.

Hims lachte unterdrückt und wies zum großen Vorraum hinüber.

»Wenn ich bitten darf? Fallen Sie nicht über die Gleitschienen der Schleusentore, gehen Sie dem Erfassungstaster des Verladeroboters aus dem Wege und kippen Sie nicht aus den Stiefeln, wenn Sie in das Schwerefeld treten. Wir arbeiten mit eins-komma-eins Gravos.«

»Gibt es sonst noch irgendwelche Gefahren?« erkundigte sich Dr.-Ing. Malaut, der Hochenergietechniker unter Atlans Begleitern.

»Ich werde rechtzeitig rufen«, versprach Rasto Hims mit einem schiefen Blick auf den kleingewachsenen, kahlköpfigen Mann. »Sie kommen von Notrin, wie? Dort sollen die Leute die Kraft im Gehirn haben; vorausgesetzt, sie haben eins mitbekommen. Worauf warten Sie noch?«

Atlan unterdrückte ein Schmunzeln. Dieser Hims paßte zu seinem Gebieter wie die Faust aufs Auge.

Der Notriner hüstelte erheitert. Dr. Aahl-Parut, der dem Volk der Aras entstammende Chefarzt der IMPERATOR, betrachtete Hims mit prüfenden Blicken. Als er etwas sagen wollte, winkte Atlan ab.

Er ging auf die großen Schleusentore zu, stieg vorsichtig über die Gleitschienen hinweg und absorbierte den Sog der künstlichen Gravitationen.

In der Vorhalle hatten sich etwa fünfzig verwegen aussehende, buntgekleidete Männer eingefunden. Sie lehnten schief an den Wänden, einige kratzten sich die verwilderten Haare, und andere saßen auf mitgebrachten Klapphockern.

Major Skor Kandrete, dem Ersten Feuerleitoffizier und Waffenspezialisten des USO-Flaggschiffes, wurde fast übel. Kandrete war für seine strengen Disziplinforderungen bekannt. Er konnte es nicht unterlassen, vor sich hinzuflüstern:

»Lümmel! Dieses Benehmen ist unerhört.«

Der Gigant stampfte auf einige Männer zu. Sie stießen sich mit den Schultern von den Wänden ab, erhoben sich und nahmen so etwas wie Haltung an.

»Na also«, brummte der Epsaler zufrieden. »Was halten Sie von unserem militärischen Drill, Sir?«

Atlan beherrschte sich krampfhaft. Major Kandrete war blaß vor Wut, und Dr. Malaut war offenbar erschüttert.

Hims begann zu brüllen.

»Aufstehen, Haltung annehmen. Ihr da drüben – drückt nicht die Schotten ein. Ein hohes Tier muß ordentlich begrüßt werden. Na ...?«

Nur der stangendürre Ara ließ sich nicht beeindrucken. Er bemerkte alles und sah alles.

»Phantastisch«, lachte Atlan. »Ich habe selten diszipliniertere Männer gesehen. Meine Hochachtung.«

An seine Begleiter gewendet, fuhr er fort:

»Meine Herren, so etwas ist nur – und ausschließlich nur bei Terranern möglich. Entweder sie reißen sich beim Strammstehen die Fersen ab, oder man wird psychologisch gevierteilt. Kandrete, darf ich Sie an die haargenau liegenden Salven der FRANCIS DRAKE erinnern? Das wird Ihrem verstörten Gemüt guttun.«

»Da irren Sie sich aber, Sir«, sagte ein schwarzbärtiger Hüne. »Ich komme zufällig von einem Kolonialplaneten.«

»Das spielt keine Rolle. Terraner bleiben Terraner. Oder soll ich besser sagen Mensch bleibt Mensch?«

»Achtung, der König kommt!« schrie jemand aus dem Hintergrund.

Atlan wappnete sich innerlich auf die erste Begegnung mit einem Mann, den er bisher nur vom Hörensagen kannte.

Zuerst tauchte ein riesenhaft gebauter Ertruser auf. Sein zernarbter Oberkörper war nackt. Seine Beine steckten in farbenprächtigen Pumphosen, unter denen er rotgestreifte Strümpfe und grüne Stoffschuhe mit nach oben gewölbten Spitzen trug. Sein Haupt wurde von einer Art Turban bedeckt.

Oro Masut schritt gemächlich zwischen den Reihen der Freifahrer hindurch und zerstäubte aus seiner Handspritze Duftwolken.

Ab und zu brüllte er: »Platz dem König.«

Major Kandrete bekam gläsern schimmernde Augen. Dr. Malaut zog seine elektronische Kamera aus der Tasche und begann zu filmen. Sein Gesicht drückte seine Verzückung aus. Malauts zweites Fachgebiet war kosmische Völkerkunde.

Masut blieb vor den Besuchern stehen, starrte sie an und umnebelte sie anschließend mit einer Duftwolke.

Atlan verzog keine Miene.

Roi Danton kam aus dem Gang hervorgetänzelt. Er trug unter dem Dreispitz eine weiße Perücke, hielt mit zwei Fingern den Griff des Kavalierdegens vom Körper ab und wedelte sich mit der anderen Hand Luft zu.

Als er Atlan bemerkte, blieb er stehen, legte theatralisch beide Hände gegen die Brust und säuselte verzückt:

»Bonjour, Sire, willkommen an Bord meines Schiffes. Permettez-vous je me presente? Roi Danton, mon ami. Pardon – Sire.«

Roi schob den linken Fuß vor, winkelte das rechte Knie an, riß den Dreispitz vom Kopf und ließ ihn während einer tiefen Verbeugung durch die Luft sausen. Mit der anderen, vom Körper abgespreizten Hand hielt er die Balance.

Rufe des Entzückens ausstoßend, tänzelte er auf Atlan zu und schwenkte nochmals den Hut.

»Comment allez-vous, Sire? Wie geht es Ihnen, Majestät?«

Atlan musterte den hochgewachsenen Mann mit einem alles umfassenden Blick. Starr in das gepuderte, lächelnde Gesicht sehend, entgegnete er:

»Merci, Monsieur, très bien.«

»Was haben Sie gesagt?« erkundigte sich Kandrete argwöhnisch. »Stimmt etwas nicht?«

»Nein. Ich habe nur bestätigt, daß es mir gutgeht.«

Roi lächelte unverzagt. Er führte seine Lorgnette vor die Augen, sah hindurch und meinte herablassend:

»Gestatten Sie, Monsieur, daß ich Sie lorgnettiere.«

»Ich gestatte überhaupt nichts, was ich nicht verstehe«, regte sich der Feuerleitoffizier auf. »Sprechen Sie zufällig auch Interkosmo?«

Roi fühlte Atlans Blicke wie Nadelstiche.

»Aber natürlich, Monsieur. Sie sollten wirklich nicht meine umfassende Bildung bezweifeln. Oh – wer ist das?«

Roi starrte den Ara durch sein Stielglas an und neigte verbindlich den Kopf.

»Ein Irrenarzt«, grinste Kandrete mit plötzlich erwachendem Humor. »Sie haben doch nichts dagegen?«

»Schändlich, schändlich«, sagte Danton mit einem vorwurfsvollen Blick. Zu Atlan gewendet, fuhr er im gleichen affektierten Tonfall fort:

»Sie sehen mich erstaunt, Sire.«

»Woher kennen wir uns, Monsieur?« fiel ihm der Lordadmiral ins Wort. Seine Augen brannten. »Ich besitze ein fotografisches Gedächtnis.«

»Bewundernswert.«

»Woher kennen wir uns?« wiederholte Atlan. »Ich habe Sie ganz gewiß schon einmal gesehen. Mehr noch – ich muß Ihnen einige Male begegnet sein. Wollen Sie mir nicht helfen?«

Roi breitete bedauernd die Hände aus.

»Sie sehen mich völlig ahnungslos. Je suis très désolé, Sire. Es tut mir sehr leid.«

Atlan erwachte wie aus einem Traum.

»Sie müssen sich sehr verändert haben«, erklärte er sinnend. »Was verschafft mir übrigens die Ehre, mit dem Titel der französischen Könige angesprochen zu werden?«

Roi verdrehte die Augen, stieß einen klagenden Laut aus und nahm mit bebender Hand das Riechfläschchen entgegen, das ihm der herbeispringende Ertruser hinhielt.

»Pardon, Sire. Mir wird neuerdings leicht übel, wenn Terras Frühgeschichte erwähnt wird. Sire – wem außer Ihnen stünde dieser Titel sonst zu? Es ist mir eine Ehre, den ehemaligen Imperator des Arkonidenreiches empfangen zu dürfen.«

Atlan ging zum ersten Psychoangriff über. Sein Lächeln warnte den König der Freihändler.

»Sehr schmeichelhaft, Monsieur. Wie aber vereinbaren Sie dieses Gefühl der Ehre mit dem Namen, den Sie tragen? Sie sollten demzufolge beim Empfang eines ehemaligen absolutistischen Herrschers eher an die Guillotine denken. Ist es nicht so, Monsieur Danton?«

Der Freifahrer betupfte sich die Lippen und sah anklagend zur Decke.

»Sire, Sie haben mit dem Begriff ›ehemalig‹ alles gesagt. Man hat Ihnen verziehen. Außerdem heiße ich nicht Georges Danton, sondern Roi Danton. Ich bin nicht gewillt, das Volk gegen Sie aufzuwiegeln.«

Atlan unterdrückte ein Lachen. Dieser Danton war geschickter, als er gedacht hatte.

»Dennoch verkörpern Sie eine historische Figur, die den Absolutismus haßte. Ich kann mich an Dantons mitreißende Reden erinnern. Sie unterschieden sich etwas von den Aussagen, die er wenig später als Justizminister machte. Was halten Sie von den Septembermorden, die er billigte und zuließ? Es hätte nach gelungener Revolution auch andere Wege gegeben, den Feudalismus zu beseitigen.«

Roi nickte verbindlich. Die umstehenden Männer hörten verständnislos zu.

»Sie sagen es, Sire. Bitte, unterscheiden Sie in der noblen Art eines Kavaliers. Hieße ich Georges, würde ich mich mit jenem Mann völlig identifizieren. So aber nenne ich mich Roi. Dies bedeutet, daß ich alleine seine gute Seite übernommen habe, nämlich den Abscheu gegen die Gewalt. Me comprenez-vous, Sire?«

»Ja, ich verstehe Sie sehr gut. Kommen wir aber nun zu den Dingen der Praxis, Monsieur. Die irdische Geschichte hat Zeit. Darf ich fragen, welche Absichten Sie in diesen Raumsektor geführt haben?«

Rasto Hims fühlte sich indirekt angesprochen. Er kam näher. Diese Sprache verstand er besser.

»Das ist unsere Sache, Admiral«, sagte er grollend. »Haben wir Sie jemals gefragt, was Sie hier suchen?«

Atlan musterte ihn mit einem kühlen Blick.

»Das kann ich Ihnen sogar verraten. Es ist zum Wohle der Menschheit unerläßlich. Genügt Ihnen das?«

Hims biß sich auf die Lippen. Danton wedelte beschwichtigend mit seinem Spitzentüchlein.

»Aber, Hims, ich muß doch sehr bitten. Wahren Sie den Takt.«

Vorwurfsvoll den Kopf schüttelnd, sah er dem davonschreitenden Epsaler nach.

»Er wird nie ein feiner Mann, Sire. Was Ihre Frage betrifft – nun, wie Sie wissen, leben wir vom Handel mit fremden Welten. Wir sind auf der Suche nach unerschlossenen Planeten.«

»Hier, im Gebiet der Blues?«