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Bei der Pflege von Demenzkranken geht es nicht nur um technisch einwandfreie Pflege, sondern vor allem auch um die Wahrung der Menschenwürde. Der Mensch mit Demenz, seine Angehörigen und die Pflegenden brauchen Wertschätzung (Validation), einfühlendes Verstehen, Akzeptanz und Güte. Auch die 5. Auflage dieses Standardwerkes orientiert sich an diesen Werten und gibt ihnen eine Grundlage. So wurden neue Erkenntnisse zur Krankheit Demenz eingearbeitet; die Aspekte Zuwendung, Wertschätzung, basale Kommunikation und ABEDL-Konzept werden besonders betont. Mit aktuellem Wissen und wertschätzender Haltung lässt sich die Pflege von Demenzkranken verbessern. Es entsteht eine gute Pflegequalität, ohne dass die Kreativität und Individualität der Pflege zu kurz kommt. Es geht immer um die individuelle Lebensqualität des Menschen mit Demenz. Es ist seine Situation, die den Rahmen vorgibt und das Ziel der Pflege definiert.
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Seitenzahl: 232
Veröffentlichungsjahr: 2015
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Erich Grond
Pflege Demenzkranker
Impulse für eine wertschätzende Pflege
5., aktualisierte Auflage
Der Autor:
Dr. Erich Grond arbeitet heute als Psychotherapeut und Dozent für Gerontopsychiatrie in Altenpflegeseminaren und in der Palliative Care-Ausbildung. Er war von 1980–1994 Professor für Sozialmedizin und Psychopathologie in Köln.
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der DeutschenNationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet überhttp://dnb.ddb.de abrufbar.
ISBN 978-3-89993-814-2 (Print)ISBN 978-3-8426-8497-3(PDF)
© 2014 Schlütersche Verlagsgesellschaft mbH & Co. KG,Hans-Böckler-Allee 7, 30173 Hannover
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Reihengestaltung:
Groothuis, Lohfert, Consorten | glcons.de
Satz:
PER Medien+Marketing GmbH, Braunschweig
Druck:
Druck Thiebes GmbH, Hagen
Vorwort zur 5., aktualisierten Auflage
Teil IMenschen mit Demenz besser verstehen
1Grundlagen zur Enttabuisierung von Demenz
1.1Häufigkeit
1.2Primäre und sekundäre Demenzen
1.2.1Primäre Demenzen
1.2.2Sekundäre Demenzen
1.2.3Klassifikation der Demenzen nach ICD-10-GM 2012
1.3Klinisches Geschehen bei einer Demenz vom Typ Alzheimer
2Diagnose einer Demenz
2.1Kernkriterien einer Demenz
2.1.1Kernkriterien nach NIA-AA
2.1.2Diagnostische Kriterien nach DSM-IV-TR
2.2Erforderliche Untersuchungen
2.2.1Psychometrische Tests zur neuropsychologischen Diagnostik
2.3Symptome einer Demenz
2.3.1Kognitive Störungen
2.3.2Verhaltensstörungen
2.4Menschen mit Demenz fühlen mehr als sie denken
3Abgrenzung der Demenzen
3.1Normaler Alterungsprozess und Demenzerkrankung
3.2Leichte kognitive Beeinträchtigung und Demenzerkrankung
3.3Depression und Demenzerkrankung
3.4Akute Verwirrtheitszustände oder Delir
3.4.1Symptome eines Delirs
3.4.2Risikofaktoren
3.4.3Ursachen eines Delirs
3.4.4Therapie eines Delirs
3.5Demenz vom Typ Alzheimer und andere Demenzen
3.5.1Vaskuläre Demenz und Demenz vom Typ Alzheimer
3.5.2Demenzen mit Bewegungsstörungen
3.5.3Demenzen bei anderen Erkrankungen
4Demenz – ursächliche Faktoren
4.1Demenz-Risikofaktoren
4.1.1Genetische Faktoren oder familiäre Belastung
4.1.2Risikofaktoren
4.1.3Schutzfaktoren
5Schweregrade und Verlaufsstadien bei Demenz
6Verhaltensstörungen – ursächliche Faktoren
6.1Schmerzen
6.1.1ECPA
6.1.2Schmerzmittel
6.1.3Schmerzursachen: Dekubitus und Stürze
6.2Andere organische Faktoren von Verhaltensstörungen
6.3Psychische Notlagen
6.4Sinnkrisen
6.5Soziale Faktoren
6.6Ökonomische Faktoren
6.7Umweltfaktoren: Anregungs- und Reizmangel
6.8Gesellschaftliche Vorurteile sind zu enttabuisieren
6.9Migrationshintergrund
7Folgen einer Demenz
7.1Folgen für den Menschen mit Demenz
7.2Folgen für die Angehörigen
7.3Folgen für beruflich Pflegende
7.4Folgen für Nachbarn und Mitbewohner
7.5Folgen für die Gesellschaft
8Behandlung von Menschen mit Demenz
8.1Nichtmedikamentöse Hilfen
8.1.1Psychosoziale Hilfen
8.1.2Hirnleistungstraining – »use or lose it«
8.1.3Aktivierung alltagspraktischer Fähigkeiten
8.1.4Kreative therapeutische Hilfen
8.1.5Ergotherapie
8.1.6Soziale Hilfen
8.1.7Milieutherapie oder Lebensweltgestaltung
8.1.8Komplementäre Therapien
8.2Medikamentöse Hilfen
8.2.1Antidementiva
8.2.2Medikamente gegen Verhaltensstörungen
Teil IIPflege von Menschen mit Demenz
1Pflege durch Angehörige
1.1Phasen der familiären Pflege
1.2Reaktionen der Angehörigen auf die Übernahme der Pflege
1.3Angehörige als Opfer: Demenz als schleichender Tod
1.4Pflege des demenzkranken Partners
1.5Pflege eines demenzkranken Elternteils
1.6Klärung der Motivation zur Pflege
2Entlastungen für pflegende Angehörige
2.1Gesetzliche Hilfen
2.2Hilfen für die häusliche Pflege
2.3Tagespflege
2.4Nachtpflege
2.5Kurzzeitpflege
2.6Ambulant betreute Wohngemeinschaften für Menschen mit Demenz
2.7Vernetzte gemeindenahe Psychiatrie
3Die stationäre Unterbringung in Einrichtungen der Altenhilfe und die Angehörigen
3.1Angehörigenbetreuung vor der Heimaufnahme
3.2Angehörigenbetreuung bei der Heimaufnahme
3.3Angehörigenbetreuung in der stationären Einrichtung
3.4Die Angehörigen im System der stationären Einrichtung
3.5Formen der Angehörigen-Mitarbeit
4Professionelle Pflege von Menschen mit Demenz
4.1Qualitätsmanagement
4.1.1Strukturqualität
4.1.2Prozessqualität
4.1.3Schritte des Pflegeprozesses
4.1.4Dokumentationssystem
4.1.5Ergebnisqualität
4.1.6Grenzen der Qualitätssicherung
4.1.7Qualitätsmängel durch ungesunde Strukturen
Teil IIIZuwendung zu Menschen mit Demenz
1Beziehungspflege von Menschen mit Demenz
1.1Rollenkonflikte in der Pflegebeziehung
1.2Übertragungen
1.3Die Grundlage jeder Beziehungspflege: einfühlendes Verstehen (Empathie)
1.4Echtsein und Kongruenz
1.5Konstanz und Vertrautheit
1.6Wohlbefinden durch normalen Umgang (Normalitätsprinzip)
1.7Suchhaltung
2Interaktion zwischen Pflegenden und Pflegebedürftigen
3Interdisziplinäre Kooperation
4Konzepte und Methoden einer personzentrierten Pflege
4.1Dementia Care mapping (DCM)
4.2Best-Friends-Modell
4.3Validation
4.3.1Validation nach Feil
4.3.2Validierende Pflege nach Scharb
4.3.3Integrative Validation (IVA) nach Nicole Richard
4.4Erlebnisorientierte Pflege nach Cora van der Kooij
5Biografiearbeit
6Begegnung durch Kommunikation
6.1Die Bezugsperson als Empfänger
6.1.1Verstehen des Kranken aus seinen verbalen Mitteilungen
6.1.2Verstehen des Kranken aus nonverbalen Mitteilungen
6.2Die Bezugsperson als Sender
6.2.1Begegnung mit verbaler Kommunikation
6.2.2Begegnung mit nonverbaler Kommunikation
6.2.3Begegnung mit Basaler Kommunikation (Sinnestherapie)
6.3Snoezelen
7Personzentrierte individualisierte Pflege – die 3-Z-Pflege
7.1Berührungen (high touch – low tech)
7.2Einreibungen und Massagen
8Kommunikationsförderung durch Gruppenaktivitäten
Teil IVGanzheitliche professionelle Pflege von Demenzkranken
1Von Orem zu Juchli
2Das ABEDL®-Pflegemodell
2.1Pflegerische Begleitung nach den ABEDL®
2.1.1Der Bereich »Lebensaktivitäten realisieren können«
2.1.2Der Bereich »Soziale Kontakte und Beziehungen aufrecht erhalten können«
2.1.3Der Bereich »Mit existenziellen Erfahrungen des Lebens umgehen und sich dabei entwickeln können«
3Pflege bei herausforderndem Verhalten
3.1Aggressives Verhalten
3.2Anhänglichkeit, Anklammern, Hinterherlaufen
3.3Enthemmtes Verhalten
3.4Verstecken, Horten oder Herumstöbern
3.5Unruhezustände, Agitiertheit, Antriebssteigerung
3.6Weglaufen, Laufzwang, zielloses Umherirren
3.7Schreien
3.8Probleme durch Gedächtnisverluste
3.9Verlust der Selbstständigkeit
3.10Psychische Störungen bei Demenz (Komorbidität)
4Pflege gemäß der Demenzstadien
4.1Reaktivierende rehabilitative Pflege bei leichter Demenz
4.2Pflege bei mittelschwerer Demenz
4.3Pflege bei schwerer Demenz
5Palliative Care bei Demenz
6Selbstpflege der Pflegenden – die Erste Hilfe gegen Burnout
6.1Hilfen und Vorbeugung gegen Burnout
6.2Persönliche Burnout-Prophylaxe
Teil VRechtliche Fragen
1Patientenverfügung
2Vorsorgevollmacht
3Betreuungsverfügung
4Einwilligungsfähigkeit des Demenzkranken
5Zivilrechtliche Aspekte
5.1Geschäftsunfähigkeit
5.2Testierfähigkeit
5.3Führen von Kraftfahrzeugen (vgl. Seite 183)
6Haftungsrecht
7Aufsichtspflicht
8Freiheitsentziehende Maßnahmen
9Strafrechtliche Aspekte
9.1Schuldfähigkeit
9.2Schweigepflicht
9.3Sterbehilfe
10Finanzielle Ansprüche an Versicherungsleistungen
10.1Leistungen der Pflegeversicherung
11Schwerbehindertenausweis
Literatur
Anhang
Websites
Register
Aktuelle Schätzungen gehen davon aus, dass allein in Deutschland die Zahl der Menschen mit Demenz von derzeit 1,4 Millionen bis auf drei Millionen im Jahr 2050 steigen wird.1
Umso wichtiger ist es, dass bei der Pflege der Mensch mit seinen Bedürfnissen und Gefühlen im Mittelpunkt steht und weniger die Demenzkrankheit. Wer aber konsequent Bedürfnisse und Gefühle in den Mittelpunkt stellt, muss sie zunächst erfahren – bspw. durch eine einfühlsame Kommunikation. Dies ist eine der wichtigsten Aufgaben für Angehörige, Pflegende und das interdisziplinäre Team.
Der Mensch mit Demenz, seine Angehörigen und die Pflegenden brauchen Wertschätzung (Validation), einfühlendes Verstehen, Akzeptanz und Güte. Lassen wir einen Menschen mit Demenz selbst zu Wort kommen: »Ich möchte, dass man mit mir vom Leben spricht und nicht von der Krankheit. Ich möchte, dass man mich mit Respekt und Liebe behandelt, als ein Subjekt und nicht als Objekt. Ich möchte, dass man mich als lebendig ansieht und nicht als tot.«2
Auch die 5., aktualisierte Auflage will nach wie vor diesen Anspruch erfüllen. So wurden neue Erkenntnisse zur Krankheit Demenz eingearbeitet; die Aspekte Zuwendung, Wertschätzung, basale Kommunikation und ABEDL®-Konzept werden besonders betont.
Das Buch will dazu beitragen, die Pflege von Demenzkranken zu verbessern, zu professionalisieren; kurzum: eine gute Pflegequalität zu sichern, ohne die Kreativität und Individualität der Pflege zu schmälern. D. h. die Hinweise zur Pflege, die hier nur stichpunktartig gegeben werden können, sind stets der individuellen Lebensqualität des Menschen mit Demenz und seiner Situation anzupassen.
Nach wie vor informiert dieses Buch umfassend und doch kompakt Angehörige und beruflich Pflegende über die verschiedenen Aspekte der Demenz. Das Leitthema ist dabei immer die ganzheitlich fördernde Prozesspflege.
Danken möchte ich allen Pflegenden und besonders meiner Lektorin Claudia Flöer, die mich zu Veränderungen angeregt haben.
Hagen, im Januar 2014
Dr. Erich Grond
_______________
1 Freter, H.-J. (2013). Demenz – den Weg gemeinsam gehen. Pressemitteilung zum Welt-Alzheimertag 2013. Im Internet: http://www.deutsche-alzheimer.de/ueber-uns/aktuelles/artikelansicht/artikel/gemeinsame-pressemitteilung-zum-welt-alzheimertag--2013.xhtml [Zugriff am 24. September 2013]
2 Zimmermann 1989
TEIL I
MENSCHEN MIT DEMENZ BESSER VERSTEHEN
Definition
»Demenz« setzt sich aus den lateinischen Wörtern »mens« (= Verstand) und »de« (= abnehmend) zusammen. »Demenz« bedeutet so viel wie »abnehmender Verstand« oder chronisch fortschreitender Hirnabbau mit Verlust früherer Denkfähigkeiten. Als »Demenz« bezeichnet man eine über sechs Monate anhaltende Störung der höheren Hirnfunktionen.
Nach der Berliner Altersstudie (1996) ist Demenz bis zum 90. Lebensjahr nach Depressionen die zweithäufigste und nach dem 90. Lebensjahr die häufigste psychische Erkrankung. Nach Bickel (2002) steigt die Zahl der demenzkranken Menschen nach Altersgruppen aufgeschlüsselt so an, wie Tabelle 1 zeigt.
Tabelle 1: Anstieg der Demenz nach Altersgruppen
Altersgruppen
Anteil der an Demenz erkrankten Menschen
65–69
1,2 %
70–74
2,8 %
75–79
5,8 %
80–84
13,3 %
85–89
22,6 %
über 90
33,5 %
In Deutschland leiden derzeit etwa 1,3 Millionen Menschen an Demenz. Rund 20 000 von ihnen sind unter 65 Jahre alt, leiden also an der sog. präsenilen Demenz. 60 bis 70 % leiden an Alzheimer, 15 bis 20 % an vaskulärer Demenz und 10 bis 30 % an Mischformen. Von den über 100-Jährigen erkranken 58,9 % an Demenz.3 Von den über 95-jährigen Frauen haben 49 %, von den über 95-jährigen Männern 32 % eine Demenz.
Die Überlebenszeit bei Alzheimer-Kranken beträgt etwa sechs Jahre und verkürzt sich mit zunehmendem Alter. Beginnt die Erkrankung vor dem 65. Lebensjahr, so beträgt die Überlebenszeit etwa zehn Jahre, bei Beginn zwischen dem 65. und 70. Lebensjahr verringert sich die Überlebenszeit auf etwa acht Jahre, nach dem 75. Lebensjahr auf sechs Jahre. Bei einem Beginn nach dem 85. Lebensjahr verkürzt sich die Überlebenszeit auf vier Jahre und bei einem Beginn nach dem über 90. Lebensjahr auf zwei Jahre.
Patienten mit vaskulärer Demenz haben eine kürzere Überlebenszeit, bedingt durch Faktoren wie männliches Geschlecht, Schwere der Demenz und ein höheres Maß an körperlicher Komorbidität4. Nach Hochrechnungen werden 2050 in Deutschland rund 3 Millionen Menschen mit Demenz leben.
1.Degenerative, abbaubedingte Demenz wie Alzheimer, Lewy-Körper-Demenz und frontotemporale Demenz
2.Vaskuläre, gefäßbedingte Demenz wie subkortikale Demenz Binswanger, Multi-Infarkt-Demenz und Mischformen
Sekundäre Demenzen sind die Folgen anderer Erkrankungen. Die Ursachen dieser teilweise reversiblen Demenzen sind nach Beyreuther (2002) in abnehmender Häufigkeit:
•Depression, die nicht erkannt oder falsch behandelt wird;
• Medikamente (anticholinergisch wirkende Neuroleptika, Antidepressiva);
• Stoffwechselstörungen (Schilddrüsenunterfunktion, Vitamin-B12- und Folsäure-Mangel, Leberschädigung);
• Normaldruckhydrozephalus (Liquor wird nicht resorbiert);
• Hirntumore, subdurales Hämatom, Alkohol, Infektionen, z. B. HIV;
• chronisch-obstruktive Lungenkrankheit (COPD), Schlafapnoe-Syndrom.
• F00 Demenz vom Alzheimer Typ DAT
• F00.0 Demenz bei Alzheimer mit frühem Beginn (präsenile Demenz)
• F00.1 Demenz bei Alzheimer mit spätem Beginn (senile Demenz)
• F01 Vaskuläre Demenz VD
• F01.1 Multi-Infarkt-Demenz MID
• F01.2 Subkortikale vaskuläre Demenz
• F02 Demenz bei andernorts klassifizierten Krankheiten
• F02.0 Demenz bei Pick-Krankheit
• F02.1 Demenz bei Creutzfeldt-Jakob-Krankheit
• F02.2 Demenz bei Chorea Huntington
• F02.3 Demenz bei primärem Parkinson-Syndrom
• F02.4 Demenz bei HIV-Krankheit
• F02.8 Demenz bei andernorts klassifizierten Krankheitsbildern: Demenz bei Epilepsie, Hypothyreose, Intoxikation, Multipler Sklerose, Urämie, Vitamin-B12-Mangel,
• F06.7 Leichte Kognitive Störung
• F07.2 Organisches Psychosyndrom nach Schädelhirntrauma Klinisches Geschehen bei einer Demenz vom Typ Alzheimer
Die Symptome der Alzheimer-Demenz sind Folgen einer fortschreitenden Hirnatrophie. Dabei sterben vorwiegend im Schläfen- und Scheitellappen Nervenzellen ab; Synapsen gehen unter, sodass die Vernetzungsdichte abnimmt.
Chemisch passiert bei einer Demenz vom Typ Alzheimer Folgendes: Das normale Amyloidvorläuferprotein APP wird in krankhaftes ß-Amyloid umgewandelt und als Plaques (siehe Abb. 1) in Synapsen und um kleine Gefäße in der Hirnrinde herum abgelagert, sodass die Glukoseverwertung der Nervenzellen gestört ist. So ist es nicht verwunderlich, dass viele Menschen mit Demenz einen Heißhunger auf Süßigkeiten entwickeln.
Das normale Tau-Protein wird umgewandelt und verfilzt die Neurofibrillen in den Nervenzellen zu Bündeln (Tangles). Der Nervenzelluntergang im Meynert-Basalkern führt zu einem erheblichen Acetylcholin-Mangel, d. h. zum Gedächtnisverlust, dem die Hippokampusatrophie (im Kernspintomogramm messbar) entspricht. Die überhöhte Glutamatfreisetzung wirkt toxisch auf Nervenzellen, sodass Alltagsfunktionen gestört werden. Die entzündungshemmenden Mikrogliazellen (Stützzellen) werden geschädigt.
Die Hirnveränderungen beschrieb Braak (1991) in folgenden Stadien:
• Vorklinisches Stadium I und II: Neurofibrillenveränderungen im Riechhirn;
• Stadium III und IV: zusätzliche Veränderungen im limbischen System;
• Stadium V und VI: messbare klinische Veränderungen in der Großhirnrinde des Schläfen- und Scheitellappens.
Die Symptome der Alzheimer-Demenz treten erst im letzten Drittel des gesamten Krankheitsprozesses auf, der Jahre zuvor stumm beginnt.
Grundsätzlich ist bei einer Demenz vom Typ Alzheimer das Gleichgewicht der Botenstoffe gestört: Die Acetylcholin-Synthese ist im Meynertkern vermindert und wird durch Anticholinergika weiter gehemmt. Acetylcholin-Abbauhemmer (wie Aricept®, Reminyl® und Exelon®) verhindern den weiteren Acetylcholin-Abbau. Die Vermehrung des Glutamats im Gehirn wird durch Memantine-Präparate wie Ebixa® oder Axura® gehemmt.
Abb. 1: Hirnatrophie und feingewebliche Veränderungen bei Alzheimer.
Abb. 2: Mangel an Acetylcholin bei Alzheimer.
Multidisziplinäre Zusammenarbeit
Um die Ursachen von Alzheimer und anderen Erkrankungen besser zu verstehen, wird multidisziplinär gearbeitet, etwa im Alzheimer-Forschungszentrum »Helmholtz-Zentrum Bonn – Deutsches Zentrum für neurodegenerative Erkrankungen«. Dort arbeitet man mit sechs Partnerstandorten in Göttingen, München, Tübingen, Magdeburg, Witten und Rostock/Greifswald zusammen, um Ursachen von Alzheimer und Parkinson, Früherkennung, Therapie, Pflege, Versorgung und Prävention zu verbessern. Dieses Ziel hat auch das »Leuchtturmprojekt Demenz« der Bundesregierung. Bei diesem Projekt geht es um die wissenschaftliche Evaluation und Weiterentwicklung von Versorgungsstrukturen für Menschen mit Demenz. So sollen geeignete Projekte bzw. Pflegeeinrichtungen identifiziert und Ressourcen für ihre Weiterentwicklung sowie für die Verbreitung ihrer Konzepte bereitgestellt werden.
_______________
3 Vgl. Weyerer & Bickel 2007
4 Ebd.
Als aktuelle Demenz-Kernkriterien gelten nach NIA-AA (National Institute on Aging, Alzheimer-Association) Kognitions- und Verhaltens-Symptome:
1. Arbeit, gewohnte Tätigkeiten sind beeinträchtigt;
2. Funktionsverschlechterung;
3. nicht durch Delir oder andere psychische Erkrankung bedingt;
4. kognitive Defizite durch Anamnese, Kurztest, neuropsychologisch feststellbar;
5. Kognition und Verhalten sind in mindestens zwei der folgenden Bereiche gestört:
• Informationen aufzunehmen und zu erinnern: Fragen, Verlegen, Vergessen, Verirren;
• denken, komplexe Aufgaben zu planen, zu lösen, richtig zu entscheiden;
• Gesichter, Gegenstände zu erkennen, Vorrichtungen oder Kleidung zu verwenden;
• sprechen, Lesen, Schreiben, Worte finden;
• individuelles Verhalten und Benehmen: Unruhe, Apathie, Antriebsverlust, Rückzug, Empathieverlust, zwanghaftes oder sozial inakzeptables Verhalten5.
A. Entwicklung multipler kognitiver Defizite, die sich zeigen in:
1. einer Beeinträchtigung des Kurz- und Langzeitgedächtnisses;
2. mindestens eine der folgenden kognitiven Störungen;
• Aphasie: Störung der Sprache, meist Wortfindungsstörungen;
•Apraxie: beeinträchtigte Fähigkeit, motorische Aktivitäten trotz intakter Motorik auszuführen;
• Agnosie: Unfähigkeit, Gegenstände trotz intakter sensorischer Funktionen wiederzuerkennen;
• Störungen der Ausführungsfunktionen, d. h. des Planens, Organisierens, Einhaltens einer Reihenfolge und des Abstrahierens.
B. Die kognitiven Defizite beeinträchtigen bedeutsame soziale und berufliche Funktionen und verschlechtern deutlich das frühere Leistungsniveau.
Die kognitiven Defizite bestehen seit mindestens sechs Monaten und Bewusstseinstrübung fehlt. Die DSM-5, die seit Mitte 2013 gilt, erklärt bereits leichte kognitive Störungen zur Krankheit.
Die S3-Leitlinie »Demenz« der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und Neurologie fordert zur Diagnostik der Demenzen folgende Untersuchungen: Klinischer Befund, kurze kognitive Testung, neuropsychologische Diagnostik, BPSD (Behavioral and psychological symptoms of dementia, d. h. Störungen des Erlebens und Verhaltens), kraniales CT oder MRT (Magnetresonanz-Tomografie) sowie folgende Blutuntersuchungen: Blutbild, Elektrolyte, Glukose, TSH (Thyreotropin), GOT, Gamma-GT, Kreatinin, Harnstoff, BKS (oder CRP), Vitamin B12 und Liquoruntersuchung: Sind ß-Amyloid 1–42 vermindert und Tau-Protein (Gesamt- und Phospho-Tau) vermehrt? Damit ist eine Frühdiagnose möglich, die aber u.U. sehr deprimieren kann.
•Reisberg-Skala FAST (Functional Assessment Staging)
1. Fragen nach der Orientierung (je 1 Punkt): Jahr, Jahreszeit, Datum, Wochentag, Monat, Bundesland, Land, Stadt/Ortschaft, Klinik/Praxis/Altenheim, Stockwerk.
2.Merkfähigkeit: Vor- und Nachsprechen drei unterschiedlicher Begriffe (z. B. Auto – Blume – Kerze). Der Klient wird aufgefordert, die drei Begriffe so oft zu wiederholen, bis er sie behält (maximal 3 Punkte).
3.Aufmerksamkeit und Rechenfähigkeit: von 100 immer 7 abziehen (also 93, 86, 79, 72, 65 usw.); jeder richtige Schritt ergibt einen Punkt; der Klient darf nicht wiederholen (maximal 5 Punkte).
4.Erinnerungsfähigkeit: Wiederholung der 3 Begriffe unter Punkt 2 (maximal 3 Punkte).
5.Sprache und andere Funktionen: Armbanduhr, Bleistift benennen (je 1 Punkt), Nachsprechen des Satzes: »Sie leiht ihm kein Geld« (1 Punkt); Kommandos befolgen (maximal 3 Punkte): Ein Blatt Papier in die Hand nehmen, in der Mitte falten und auf den Boden legen. Schriftliche Anweisung vorlesen und befolgen: »Schließen Sie die Augen« (1 Punkt). Schreiben eines vollständigen Satzes (1 Punkt) und Nachzeichnen einer geometrischen Figur (1 Punkt).
Auswertung:
Maximal-Punktzahl: 30
1.Alter
2. Zeit
3. Adresse
4. Aktuelles Jahr
5. Name des Heimes
6. Erkennen von zwei Personen
7. Geburtstag
8. Zeitpunkt des Ersten Weltkrieges
9. Name der/des aktuellen Bundeskanzlerin/s
10. Rückwärts zählen von 20 bis 1
Auswertung:
Weniger als sieben Punkte gelten als krankhaft und erfordern weitere Klärung.
Der Klient soll in einen vorgezeichneten Kreis das Zifferblatt einer Uhr mit allen Zahlen und Zeigern zeichnen, die Uhr z. B. auf 01:50 Uhr stellen.
1. Der Klient soll in einer Minute mindestens zehn Dinge nennen, die er im Supermarkt kaufen kann.
2. Der Klient soll ein Zahlwort in Zahlen und umgekehrt umwandeln, z. B. die Zahl 2054 in zweitausendvierundfünfzig und das Zahlwort sechshunderteinundachtzig in 681; für jede Umwandlung gibt es einen Punkt.
DemTect gliedert sich in fünf Aufgaben:
1. Der Klient soll sich 20 Worte merken.
2. Der Klient soll Zahlworte in Zahlen und Zahlen in Zahlworte umwandeln.
3. Der Klient soll in einer Minute möglichst viele Gegenstände im Supermarkt benennen.
4. Der Klient soll eine Zahlenfolge rückwärts wiederholen.
5. Die Wortliste aus der ersten Aufgabe wird abgefragt.
Auswertung:
Hinweis
Wegen des langsam fortschreitenden Prozesses und der fehlenden Krankheitseinsicht bleibt eine Demenzerkrankung lange unentdeckt. Zunächst sind es Angehörige, Bekannte oder vertraute Ärzte, die eine frühe Diagnose vermuten. Einige Betroffene interessieren sich nicht für die Diagnose, andere reagieren depressiv auf die Mitteilung, an Demenz erkrankt zu sein. Fakt ist aber, dass eine frühe Diagnose die Lebensqualität verbessern kann.
Bei den Symptomen einer Demenz unterscheidet man kognitive Störungen und Verhaltensstörungen.
Kognitive Defizite sind mögliche Denk-Ausfälle, die sogenannten 7 A:
Amnesie, Kurzzeitgedächtnis- und Merkstörungen
Der Betroffene
• vergisst, verliert, verlegt Sachen, verheimlicht Versagen;
• fragt oder erzählt dauernd dasselbe, ruft ständig um Hilfe;
• ist in der Fremde verwirrt, stellt sich nicht um und irrt herum;
• klammert sich an Angehörige an oder läuft ihnen nach.
Altgedächtnis- oder Erinnerungsstörungen folgen später:
Der Betroffene
• kann sich immer weniger an frühere Erlebnisse erinnern;
•spricht mit Verstorbenen, verwechselt Gegenwart und Vergangenheit (Zeitverschränkung), lebt in seiner eigenen Welt;
• verliert in der Regression Zeitgefühl und Realitätsbezug.
Agnosie
• Der Mensch mit fortgeschrittener Demenz erkennt Angehörige und seinen eigenen Zustand nicht mehr. Die fehlende Krankheitseinsicht vermindert den Leidensdruck.
Aphasie
• Der Betroffene findet für seine Bedürfnisse keine passenden Worte.
Abstraktionsstörung
• Der Betroffene kann nicht mehr rechnen oder abstrakt denken.
Assessmentstörung
• Der Mensch mit schwerer Demenz ist urteilsunfähig und nicht mehr zur Selbstkritik fähig.
Apraxie
• Der Betroffene kann die Aktivitäten des täglichen Lebens nicht mehr planen und durchführen.
Verhaltensstörungen finden sich bei 70 bis 90 % der Kranken mit Alzheimer, wobei die Angaben über die Häufigkeit von Verhaltensauffälligkeiten erheblich schwanken. Wikipedia führte 2011 (Wingenfeld 2004 – Zahlen in Klammern) folgende Verhaltensauffälligkeiten an:
• Apathie 76 %;
• Unruhe 64 % (50 %);
• Aggressivität 63 % (50 %);
• Depression 54 % (70 %);
• Angst 50 % (60 %);
• Wahn 49 % (35 %);
• Halluzinationen 28 % (35 %).
Hirsch (2004) nennt zwei weitere Verhaltensstörungen, die vorzugsweise in stationären Einrichtungen zu beobachten sind: Schreien (20 %) und Umherlaufen (15 %).
Die Verminderung der Affektkontrolle, des Antriebs und des Sozialverhaltens zeigt sich nach ICD 10 in mindestens einem der folgenden Merkmale: Emotionale Labilität, Reizbarkeit, vergröbertes Sozialverhalten und Apathie. Wallesch und Förstl unterscheiden reaktive und produktive Störungen:
Reaktive Verhaltensauffälligkeiten sind mit 90 % am häufigsten:
•Apathie oder Antriebsstörungen und regressives Verhalten (häufig im Endstadium)
•Rückzug bei Depression kann Verlangsamung und Schlafstörungen erklären (vgl. Seiten 26 und 46)
•Essensverweigerung
Produktive Verhaltensstörungen sind mit 50 % etwas seltener:
•Unruhe wie dranghaft ängstlich-unruhiges Umherlaufen, besonders in der Abenddämmerung (sundowning)
•Weglaufen, Wandern oder zielloses nächtliches Umherirren (Weglaufen), weil der Betroffene »nach Hause oder zur Arbeit will« (Hinlaufen), Realität und Traum nicht unterscheiden kann, tagsüber zu wenig beschäftigt wird, Angst oder Schmerzen hat oder (seltener) sterben will
•Enthemmtes Verhalten wie Schreien, Rufen, Klagen nehmen im Verlauf zu, sexuelle Enthemmung ab
•Aggressionen, Wutausbrüche, impulsives, enthemmtes, zerstörerisches Verhalten und körperliche Gewalt
•Halluzinationen (meist optische) und Wahn (oft Bestehlungswahn) sind oft angstbedingt und können zu aggressivem Verhalten führen
•Verkennungen (Fehlidentifikationen) können unruhig machen: Betroffene halten Menschen im TV für real und Bekannte für einen Doppelgänger, den Partner für eine fremde Person oder erkennen sich selbst nicht im Spiegel (Mirror-Sign), sehen Verstorbene im Raum
•Schlafstörungen und Tag-Nacht-Umkehr (tags schläfrig, nachts hellwach) können auf mangelnde Ermüdung tagsüber folgen
Das Herz (Gefühle) wird nicht demenzkrank. Demenzkranke drücken ihre Gefühle mit Mimik, Gestik, Körperhaltung und Verhalten aus, wenn sie die Worte nicht mehr finden. Sie sind im späteren Krankheitsstadium, nach Verlust der Kritikfähigkeit, oft zufriedener als früher. Sie freuen sich an der Begegnung mit vertrauten Menschen und Kindern, an Körperkontakt, Düften, Kuscheltieren, Natur oder Musik. Sie sind oft dankbarer als nicht demenzkranke Menschen. Sie hoffen, geachtet, verstanden, getröstet oder besucht zu werden. Diese Lebensfreude erhält ihnen ihre Lebensqualität und Würde. Viele Demenzbetroffene zeigen wortlos, aber ausdrucksstark ihre Gefühle, vor allem Trauer über die vielen Verluste, oft aber auch Angst, Ärger und Wut.
Menschen mit Demenz haben Bedürfnisse
Menschen mit Demenz haben ein großes Bedürfnis vor allem nach Liebe, Bindung, Einbeziehung, Beschäftigung, Identität und Trost (nach Kitwood). Nach der Maslow’schen Bedürfnispyramide bleiben physiologische Bedürfnisse nach Nahrung, Luft, Wärme, evtl. nach Sexualität, sowie soziale Bedürfnisse nach Geborgenheit, Kommunikation und Wertschätzung und Ich-Bedürfnisse nach Selbstverwirklichung und Sinnfindung bestehen. Auch Menschen mit Demenz haben ein Recht darauf, ihre Grundbedürfnisse nach Bindung, Orientierung und Kontrolle, nach Selbstwertschutz und nach Lust, z. B. Gaumenlust, zu befriedigen.
Zu den persönlichen Bedürfnissen gehören auch die Beziehungen zur Umwelt und die Teilnahme am kulturellen Leben. Hier sind die Bewohner von stationären Einrichtungen oft benachteiligt, denn der ihnen zur Verfügung stehende Barbetrag (d. h. Taschengeld, § 35 SGB XII) reicht meist nicht für die Befriedigung von Bedürfnissen, die über das Notwendige hinausgehen.
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5 Vgl. Förstl 2011
6 4. Diagnostisch-Statistisches Manual in Textrevision, 2003
Tabelle 2: Abgrenzung zwischen normalem Alterungsprozess und Demenzerkrankung
Alternde Menschen
Demenzbetroffene
vergessen gelegentlich Neues oder Unwichtiges
vergessen häufig Neues, auch Altes und Wichtiges
verlegen Kleinigkeiten zumeist an üblichen Orten
verlegen wichtige Dinge an völlig unüblichen Orten
lernen nur langsamer
lernen kaum noch neue Fähigkeiten
Die Betroffenen oder ihre Angehörigen berichten über eine Verschlechterung kognitiver Leistungen. Erschwert sind Kurzzeit-Gedächtnis, Lernen, Denken, Konzentration und Wortfindung. Diese Beeinträchtigungen dauern mindestens zwei Wochen, sind mit Tests objektivierbar und beeinträchtigen komplexe Alltagsfähigkeiten nur gering, sind aber auch kompensierbar. Emotionale Kontrolle, Sozialverhalten und Antrieb sind nicht gestört. Die Betroffenen sollten jährlich nachuntersucht werden, z. B. mit SIDAM. Untersuchungen zeigen, dass fast die Hälfte von ihnen nach fünf Jahren ein höheres Risiko hat, an einer Demenz zu erkranken. Bei einer leichten kognitiven Beeinträchtigung gibt es eine Reihe von Hilfen:
• Training der Alltagsfertigkeiten;
• Bewegung;
• Geistige Anregung;
• Vermeidung von Nikotin und Alkohol;
• Behandlung von hohem Blutdruck und Diabetes.
Tabelle 3: Abgrenzung zwischen Depression und Demenzerkrankung
Depression
Demenzerkrankung
Häufig genauer Beginn feststellbar
Schleichender Beginn
Ungleichmäßiger Verlauf
Ständig fortschreitend
Orientierung erhalten
Zunehmende Desorientierung
Keine Wortfindungsstörungen
Wortfindungsstörungen
Vergesslichkeit wird häufig beklagt
Vergesslichkeit wird verleugnet
Antworten häufig »Kann ich nicht« – »weiß ich nicht«
Antworten auf Fragen eher ungenau
Depression häufig morgens ausgeprägter
Gegen Abend deutlich desorientierter
Selbstvorwürfe, Versagensangst
Bestehlungswahn, beschuldigt andere
Ein Delir gehört zu den häufigsten psychischen Störungen im Alter. Etwa ein Drittel aller über 70-jährigen Klinikpatienten und bis zu 80 % der Sterbenden in den letzten Stunden (terminales Delir) können akut verwirrt reagieren.
Der akut Verwirrte fühlt sich wie in einem Strudel vom normalen Alltag weggerissen, ohne Halt, sodass schiere Angst seinen Körper zu steuern scheint. Er erlebt eine psychische Qual, in der er jeden Reiz als Strohhalm ergreift, weil seine Aufmerksamkeit ständig hin- und herspringt. Das Notaggregat der Bewusstseinseinengung schaltet sich ein. Der Betroffene verliert den Bezug zur Realität, kann eine »Rederitis« entwickeln, in der er sonst schamkontrollierte Triebanteile äußern kann.
•Alter über 80
• Seh-, hör- oder gehbehinderte Männer mit transurethralem Dauerkatheter
• Freiheitsentziehende Maßnahmen
• Starke Schmerzen
• Dauernde Bettruhe
• Schwere Schlafstörungen
• Mangel an Flüssigkeit, an Nahrung (Abmagerung) oder an Sauerstoff
• Fieber, Infekte, schwere Verletzungen, Narkose (OP), Hirnerkrankungen
• Entzug oder Wechselwirkung von Medikamenten und Alkohol
• Reaktive Trauer nach Verlust der Bezugsperson, Umzug, Krankenhaus- oder Heimeinweisung
• Schwere Stress-, Panikreaktion
• Isolation
Tabelle 4: Abgrenzung zwischen Delir und Demenzerkrankung
Delir
Demenzerkrankung
Akuter Beginn, häufig nachts
Schleichender Beginn
Bewusstsein getrübt
Bewusstsein klar, erst später verwirrt
Kurzzeitgedächtnis gestört
Kurz- und Langzeitgedächtnis gestört
Sprache: unzusammenhängend
Wortfindungsstörungen bis Aphasie
Halluzinationen bis zum Wahn
Selten Halluzinationen
Schreckhaft, ängstlich, schwankend
Anfangs depressiv
Häufig Zittern, Schwitzen, Pulsrasen Ursache oft körperliche Erkrankung
Zusätzlich möglich
Zustand im Tagesverlauf wechselhaft
Zustand stabil
Zustand hält über Stunden bis Tage an
Zustand hält über Monate und Jahre mit Verschlechterungen an
Prognose: heilbar
leichte Verbesserungen möglich
Dehydratation
Neben einer Demenz oder Schmerzen kann vor allem eine Dehydratation zu einem Delir führen. Diese Abnahme von Körperwasser (Dehydratation) muss differenziert werden:
Hypertone Dehydratation: Austrocknung (Exsikkose), weil Hochaltrige aus Durstmangel zu wenig trinken oder bei Fieber Wasser verlieren. Nierenversagen droht. Frühsymptom ist eine trockene, reibeisenartige Zunge.
Isotone Dehydratation entsteht durch Erbrechen, Durchfall oder unzureichende Wasser- und Salzzufuhr.
Hypotone Dehydratation ist auf das Trinken salzarmer Flüssigkeit, starkes Schwitzen oder Laxanzienmissbrauch zurückzuführen.
Der Betroffene leidet unter dem trockenen Mund (Xerostomie). Die Zunge brennt, die Lippen sind rissig, borkig, das Zahnfleisch blutet, Mundgeschwüre schmerzen beim Schlucken. Der Kranke spricht heiser. Durst wird oft wegen der Bewusstseinstrübung nicht wahrgenommen. Puls und Blutdruck steigen, Schwäche, Schwindel, Müdigkeit belasten zusätzlich. Folgen der Dehydratation sind außer dem Delir Herzinsuffizienz, Bronchitis, Verstopfung, Thrombose- und Dekubitusgefahr und Nierenversagen.
Hinweise zur Pflege
• Lieblingsgetränk anbieten.
• Wenn der Kranke die Aufforderung zu trinken nicht versteht, zuprosten und mit ihm trinken.
• Wenn das Trinken verweigert wird, kann die rektale Zufuhr von Ringerlösung (mit 5 %iger Glukoselösung gegen Unterzuckerung) durch einen dünnen Harnkatheter (10 Tropfen pro Minute) eine Alternative sein.
• Eine subkutane Infusion ist schmerzhaft und gilt ohne Einwilligung des Kranken als Körperverletzung.
• Bei i. v.-Infusion den Arm bequem lagern und die Kanüle fixieren.
• Eine PEG sollte als Einzelfallentscheidung die letzte Maßnahme sein.