Phaidros oder Vom Schönen - Platon - E-Book

Phaidros oder Vom Schönen E-Book

Platón

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Beschreibung

Dieses eBook: "Phaidros oder Vom Schönen" ist mit einem detaillierten und dynamischen Inhaltsverzeichnis versehen und wurde sorgfältig korrekturgelesen. Der Phaidros ist ein in Dialogform verfasstes Werk des griechischen Philosophen Platon. Wiedergegeben wird ein fiktives, literarisch gestaltetes Gespräch von Platons Lehrer Sokrates mit seinem Freund Phaidros, nach dem der Dialog benannt ist. Sokrates veranschaulicht seine Deutung des erotischen Begehrens mit einer mythischen Erzählung vom Schicksal der unsterblichen Seele im Jenseits. Dem Mythos zufolge lenkt die geflügelte Seele ihren Seelenwagen durch das Himmelsgewölbe. Den Wagen ziehen zwei ebenfalls geflügelte Pferde, ein gehorsames und ein störrisches, deren sehr unterschiedliche Veranlagung große Schwierigkeiten bereitet. Sofern die Seele nicht abstürzt oder anderweitig scheitert, kann sie einen "überhimmlischen Ort" erreichen, wo sie die "platonischen Ideen" wahrnimmt, darunter die Idee des Schönen, das heißt das Urbild alles Schönen. Wenn sie später im Verlauf der Seelenwanderung einen menschlichen Körper annimmt, erinnert sie sich beim Anblick schöner Gestalten undeutlich an dieses prägende Erlebnis und wird daher von erotischer Begierde ergriffen. Das eigentliche, unbewusst erstrebte Ziel ihrer Sehnsucht ist aber nicht ein einzelner schöner Körper, sondern die göttliche Schönheit jenseits des Himmels, die das körperliche Auge nicht sieht. Platon (428/427 v. Chr.-348/347 v. Chr.) war ein antiker griechischer Philosoph. Er war Schüler des Sokrates, dessen Denken und Methode er in vielen seiner Werke schilderte. Die Vielseitigkeit seiner Begabungen und die Originalität seiner wegweisenden Leistungen als Denker und Schriftsteller machten Platon zu einer der bekanntesten und einflussreichsten Persönlichkeiten der Geistesgeschichte.

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Platon

Phaidros oder Vom Schönen

Ein Gespräch über die Reinkarnation und die erotische Leidenschaft

Übersetzer: Ludwig von Georgii

e-artnow, 2014
ISBN 978-80-268-2626-2

Inhaltsverzeichnis

Cover
Titelblatt
Text

Sokrates · Phaidros

Sokrates: Mein lieber Phaidros, wohin denn und woher?

Phaidros: Von Lysias, o Sokrates, dem Sohne des Kephalos. Und nun gehe ich spazieren vor die Stadtmauer hinaus. Denn ich habe vom frühen Morgen an die ganze Zeit dort sitzend zugebracht. Dabei folge ich deinem und meinem Freund Akumenos und mache meine Spaziergänge auf der Straße; denn, versichert er, diese seien gesünder als in den bedeckten Hallen.

Sokrates: Und mit Recht sagt er das, mein Freund! – Also war Lysias, wie es scheint, in der Stadt?

Phaidros: Ja, beim Epikrates, dort im Morychischen Hause, neben dem Olympion.

Sokrates: Was war denn nun da der Zeitvertreib? Oder, versteht sich, Lysias hat euch von seinen Reden aufgetischt?

Phaidros: Du sollst's erfahren, wenn du so weit Muße hast, weiter zu gehen und zu hören.

Sokrates: Wieso? Glaubst du denn nicht, daß es mir mit Pindaros zu reden, auch über ein dringend Geschäft selbst gehe, deinen und des Lysias Zeitvertreib zu hören?

Phaidros: So gehe denn zu!

Sokrates: Und du magst reden!

Phaidros: Und gewiß, o Sokrates, wohl steht dir das Hören an. Denn die Rede, mit der wir uns die Zeit vertrieben, war, ich weiß selbst nicht auf welche Weise, eine Liebesrede. Lysias nämlich hat da von irgend einem der Schönen geschrieben, der versucht wird, nicht aber durch einen Liebhaber. Allein eben dies ist ja auch das Feine daran! Nämlich er sagt, man müsse sich lieber dem Nichtverliebten gefällig zeigen als dem Verliebten.

Sokrates: O der Edle! Daß er doch geschrieben hätte, man solle es einem Armen lieber als einem Reichen, und einem Älteren lieber als einem Jüngeren, und was sonst bei mir und den meisten von uns zutrifft! Ja, das wären einmal hübsche und gemeinnützige Reden! Ich freilich bin nun so begierig geworden zu hören, daß, wenn du auch, um deinen Spaziergang zu machen, bis nach Megara gingest und, wie Herodikos rät, an der Mauer angekommen wieder umkehrtest, ich dich doch nicht verlassen würde.

Phaidros: Wie sagst du, mein bester Sokrates? Glaubst du, was Lysias in vieler Zeit mit Muße verfaßt hat, er, der Gewaltigste im Schreiben unter allen jetzt Lebenden, – das werde ich Laie aus dem Gedächtnis hersagen können auf eine seiner würdige Weise? Dazu fehlt mir doch noch vieles; wie wohl ich es lieber wollte als viel Gold.

Sokrates: O Phaidros, ich müßte ja mich selbst vergessen haben, wenn ich den Phaidros nicht kennte! Aber das ist denn beides nicht der Fall. Gar wohl weiß ich, daß der, wenn er eine Rede des Lysias hörte, sie nicht nur ein mal hörte, sondern daß er sie sich öfters und wiederholt sagen ließ, dieser aber ihm bereitwillig Folge leistete. Allein ihm war auch das nicht genügend, sondern zu guter Letzt hat er das Schriftchen zur Hand genommen und das, worauf er am meisten begierig war, noch nachgesehen. Und in diesem Geschäft vom frühen Morgen an sitzend, hat er sich endlich losgesagt, um einen Spaziergang anzutreten, so zwar, daß er, wie ich glaube, beim Hunde, die Rede schon auswendig wußte, wenn es nicht eine gar zu lange war. Vor die Stadtmauer hinaus aber nahm er seinen Weg, um sie einzuüben. Da begegnete er nun dem Manne, der an der Sucht, Reden zu hören, krank ist, und kaum hat er ihn erblickt, so freute er sich schon, daß er nun einen Mitschwärmer haben würde, und hieß ihn zugehen. Als ihn aber nun der Redenliebhaber zu reden bat, tat er spröde, als ob er gar nicht zu reden begehrte. Zu guter Letzt aber würde er, wenn einer nicht gutwillig hören wollte, noch Gewalt brauchen, um herzusagen. Du nun, o Phaidros, bitte ihn, daß er lieber jetzt schon tue, was er doch jedenfalls in Bälde tun wird!

Phaidros: Wahrhaftig, da ist es das Allerbeste für mich, eben zu sprechen, so gut ich kann; wirst du mich ja doch, wie du mir vorkommst, unter keinen Umständen loslassen, ehe ich, wie es auch gehen mag, rede.

Sokrates: Und ganz mit Wahrheit komme ich dir so vor.

Phaidros: Nun, ich will es denn so machen. Denn wirklich, o Sokrates, die Worte habe ich schlechterdings nicht auswendig gelernt; dagegen dem Sinn nach will ich so ziemlich alles, worin, wie er sagte, der Stand des Verliebten von dem des Nichtverliebten sich unterscheidet, in Umrissen eines nach dem anderen auseinandersetzen und dabei von vorn anfangen.

Sokrates: Ja, mein Schatz, aber erst, wenn du zuvor sehen läßt, was du da in der linken Hand hast unter dem Mantel. Denn ich vermute fast, du hast die Rede selbst. Wenn aber dies der Fall ist, so denke so von mir, daß ich dich zwar sehr liebe, aber wenn Lysias selbst zugegen ist, ganz und gar nicht gewillt bin, mich dir zum Einüben herzugeben. Wohlan denn, laß sehen!

Phaidros: Halt ein! Zunichte gemacht hast du mir die Hoffnung, o Sokrates, die ich hatte, meine Stärke an dir versuchen zu dürfen! – Aber wo willst du nun, daß wir niedersitzen und lesen?

Sokrates: Wir wollen hier abbiegend den Ilissos hinabgehn; dann können wir, wo es uns gut dünkt, in Ruhe uns niedersetzen.

Phaidros: Zum Glück, wie es scheint, bin ich gerade unbeschuht. Du bist es ja allezeit! Das Einfachste nun ist es für uns, die Füße benetzend das Wässerlein hinabzugehen, und auch nicht unangenehm ist es zumal in dieser Jahres- und Tageszeit.

Sokrates: So gehe zu und sieh dich zugleich um, wo wir uns niedersetzen können!

Phaidros: Nun, siehst du dort jene höchste Platane?

Sokrates: Wie sollte ich nicht?

Phaidros: Dort ist sowohl Schatten als auch ein mäßiger Luftzug, auch Rasen, um uns niederzusetzen oder, wenn wir lieber wollen, uns niederzulegen!

Sokrates: So magst du nur zugehen!

Phaidros: Sage mir, o Sokrates, erzählt man nicht, von hier aus irgendwo am Ilissos habe Boreas die Oreithyia geraubt?

Sokrates: So erzählt man.

Phaidros: Vielleicht also von hier aus? Gefällig wenigstens und rein und durchsichtig ist das Wässerlein anzusehen, und recht geeignet für Mädchen, an ihm zu spielen.

Sokrates: Nicht doch, sondern ungefähr zwei oder drei Stadien weiter unten, wo wir zum Heiligtum der Agra hinübergehen; auch ist dort irgendwo ein Altar des Boreas.

Phaidros: Das habe ich nicht genau gewußt. Aber sage, beim Zeus, o Sokrates, glaubst du, daß diese Sage wahr sei?

Sokrates: Nun, wenn ich's auch nicht glaubte, wie die Weisen, wäre ich darum doch nicht verlegen. Ich würde dann weise erörternd sagen, ein Windstoß des Boreas habe sie, wie sie mit der Pharmakeia spielte, über die nahen Felsen hinabgetrieben, und weil sie auf diese Art ums Leben gekommen, habe man erzählt, sie sei vom Boreas geraubt worden. [Oder vom Areiopagos aus, denn auch so wird die Sache wiedererzählt: sie sei von dort, nicht von hier ausgeraubt worden.] Ich aber, o Phaidros, halte nun dergleichen Dinge zwar im übrigen für etwas ganz Hübsches, dabei aber für die Sache eines sehr starken und sich gern abmühenden Geistes, der auch nicht eben glücklich zu preisen ist, nicht zwar in anderer Beziehung, aber weil er nach diesem notwendig die Gestalt der Hippokentauren zurechtbringen muß, und wieder die der Chimaira. Und dann strömt ein ganzer Pöbel von derartigen Gorgonen und Pegasen herbei, dazu die Haufen und Verlegenheiten gewisser anderer schwierigen und unbegreiflichen Wundernaturen; so daß, wenn einer ungläubig jedes einzelne auf das Wahrscheinliche zurückführen will, er sich mit einer etwas derb beschaffenen Weisheit befassen muß, die ihn viele Muße kosten wird. Ich jedoch habe dazu keineswegs Muße. Die Ursache hiervon, mein Lieber, ist diese: Noch immer bin ich nicht soweit, dem Delphischen Spruch gemäß mich selber zu kennen. Da scheint es mir nun lächerlich, solange man noch in dieser Hinsicht keine Erkenntnis hat, nach Anderweitigem zu sehen. Deshalb lasse ich denn derlei Dinge beiseite; indem ich aber das annehme, was darüber allgemein geglaubt wird, sehe ich, wie ich jetzt eben gesagt habe, nicht nach diesen Dingen, sondern nach mir selber, ob ich wohl auch so ein Tier sei, gar noch vielverschlungener und ungemütlicher als Typhon, oder ein sanfteres und einfacheres Lebewesen, das eines göttlichen und von Ungetümlichem freien Wesens von Natur teilhaftig ist. – Aber, mein Freund, ein Wort dazwischen, – war nicht dieses der Baum, zu dem du uns führen wolltest?

Phaidros: Ja, eben dieser.

Sokrates: Bei der Hera, freilich ein schöner Ruhepunkt! Diese Platane so dicht und weithin verzweigt und hoch, und des Gesträuches Höhe und schattiges Düster so überaus schön, und wie es gerade in voller Blüte steht, daß es den Ort mit dem süßesten Duft erfüllt! Und zudem fließt unter der Platane die gefälligste Quelle gar frischen Wassers, wie man es mit dem Fuße prüfend empfindet. Nach diesen Figuren und Bildern scheint hier auch ein Heiligtum einiger Nymphen und des Acheloos zu sein. Und willst du noch weiter beachten, wie lieblich und überaus angenehm ist das Wehen der Luft hier, deren sommerlicher Hauch sich helltönend in den Chor der Zikaden mischt! Das Allerfeinste aber ist der Rasen, gerade so sanft geneigt, um, wenn man sich niederlegt, das Haupt gar schön ruhen zu lassen. Ja, aufs beste hast du mich, den Fremdling, geführt, mein lieber Phaidros!

Phaidros: Aber, wirklich, o du Bewundernswürdiger, du erscheinst als ein ganz seltsamer Mensch. Denn geradezu, wie du sagst, einem Fremdling gleichst du, der sich herumführen läßt, nicht einem Einheimischen. So gar nicht kommst du aus der Stadt weder über die Grenze, noch, wie es scheint, gehst du auch nur über die Stadtmauer hinaus.

Sokrates: Halt mir's zu gut, mein Bester! Ich bin eben lernlustig. Die Felder und die Bäume nun wollen mich nichts lehren, wohl aber die Menschen in der Stadt. Du jedoch hast, wie mir vorkommt, das Zaubermittel gefunden, mich zum Ausgehen zu bringen. Denn wie die Leute die hungernden Tiere dadurch führen, daß sie ihnen Laub oder irgend eine Frucht vorstreuen, so könntest du mich, indem du mir Schriftchen mit Reden vorhältst, sichtbar in ganz Attika herumführen, und wohin du sonst noch wolltest. Für jetzt aber gedenke ich, nun ich hier angekommen bin, mich niederzulegen; du aber nimm die Stellung ein, in der du am bequemsten lesen zu können glaubst, und lies!

Phaidros: Höre denn!

»Meine Verhältnisse zwar kennst du nun, und, wie ich glaube, daß es uns vorteilhaft sei, wenn dieses geschieht, hast du gehört. Indessen sollte ich, wie ich billig erachte, mit dem, was ich bitte, darum noch nicht unglücklich sein, weil ich nicht gerade dein Liebhaber bin. Diese nämlich reut alsbald, was sie Gutes erzeigt, sobald sie ihre Begierde befriedigt haben; für jene aber gibt es keine Zeit, in der es ihnen zulässig wäre, anderen Sinnes zu werden. Denn nicht infolge einer Nötigung, sondern freiwillig, wie es ihnen in Betracht der eigenen Umstände am geratensten sein mag, erzeigen sie Gutes nach Maßgabe ihres Vermögens. Überdies bringen die Verliebten in Anschlag, was sie der Liebe wegen in ihren eigenen Angelegenheiten schlimm bestellt, wie das, was sie Gutes erzeigt haben, und indem sie noch hinzurechnen, was sie für Mühe gehabt haben, glauben sie, den Geliebten längst den gebührenden Dank erstattet zu haben. Den Nichtverliebten aber ist es nicht möglich, weder eine daher rührende Vernachlässigung der eigenen Umstände vorzuschützen, noch die gehabten Mühen in Anrechnung zu bringen, noch auch die Zerwürfnisse mit den Verwandten vorzurücken; so daß, da so vieles Schlimme für sie wegfällt, ihnen nichts übrigbleibt, als das gerne zu tun, durch dessen Leistung sie glauben, sich jenen gefällig zeigen zu können. Überdies, wenn es billig sein soll, daß man die Verliebten deswegen hoch schätze, weil sie versichern, denen, die sie lieben, am meisten freundlich gesinnt zu sein, und weil sie bereit seien, mit Worten und Werken, auch wenn sie mit anderen darum sich verfeinden, den Geliebten sich gefällig zu zeigen, – so ist, ob sie die Wahrheit reden, leicht daraus abzunehmen, daß sie alle diejenigen, in welche sie sich etwa später verlieben, höher als jene schätzen und, wenn es diesen gut dünkte, jenen sicher auch Böses tun werden. Indessen, ist es auch nur halbwegs vernünftig, einem Menschen so etwas zu gestatten, der ein Übel an sich hat, das zu beseitigen ein dessen Kundiger auch nicht einmal den Versuch machen würde? Denn, wie sie auch selbst zugeben, sind sie mehr krank als gesunden Sinnes, wissen auch, daß es mit ihrem Verstand schlimm steht, können sich aber eben nicht selbst beherrschen. Wie könnten sie daher, wenn es mit ihrem Verstande wieder gut steht, das für das Rechte halten, was sie in solchem Gemütszustand wollen? Ja, auch dürfte dir, wenn du unter den Verliebten den Besten auswählen wolltest, nur unter wenigen, wenn aber unter den übrigen den dir Passendsten, unter vielen die Wahl bleiben, so daß weit mehr Hoffnung vorhanden ist, unter den vielen den zu finden, der deiner Freundschaft würdig ist.