Phantom der Lust - Colette Gale - E-Book

Phantom der Lust E-Book

Colette Gale

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Beschreibung

Im Schatten der Begierde Von dem mysteriösen Phantom hat an der Pariser Oper schon jeder gehört. Doch die junge Sängerin Christine kennt den dunklen Geist des Hauses besser als alle anderen. Er ist ihr Engel der Musik, der sie das Singen lehrt und die Liebe. Im Schutz der Dunkelheit verführt er Christine mit seiner Stimme und mit sinnlichen Berührungen. Aber nicht alle gönnen Christine ihren Erfolg.

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Colette Gale

Phantom der Lust

Erotischer Roman

Aus dem Englischen von Julia Peters

Ihr Verlagsname

Über dieses Buch

Im Schatten der Begierde

 

Von dem mysteriösen Phantom hat an der Pariser Oper schon jeder gehört. Doch die junge Sängerin Christine kennt den dunklen Geist des Hauses besser als alle anderen. Er ist ihr Engel der Musik, der sie das Singen lehrt und die Liebe. Im Schutz der Dunkelheit verführt er Christine mit seiner Stimme und mit sinnlichen Berührungen. Aber nicht alle gönnen Christine ihren Erfolg.

Über Colette Gale

Colette Gale ist das Pseudonym einer Autorin historischer Romane. Sie lebt mit ihrer Familie im Mittleren Westen der USA.

Inhaltsübersicht

Für alle Frauen, ...Anmerkungen der BiographinErster Teil · Das Phantom der OperEinsZweiDreiVierFünfSechsSiebenAchtNeunZehnElfZwölfDreizehnVierzehnFünfzehnSechzehnZweiter Teil · Die Gefangene im Château de ChagnySiebzehnAchtzehnNeunzehnZwanzigEinundzwanzigZweiundzwanzigDreiundzwanzigVierundzwanzigFünfundzwanzigNachwort der BiographinBrief der Autorin über ihr nächstes Werk

Für alle Frauen, die der Ansicht waren,

Christine hätte beim Phantom bleiben sollen

 

Die Pariser sind immer auf einem Maskenball

GASTON LEROUX, Das Phantom der Oper

Anmerkungen der Biographin

Im Laufe der vergangenen anderthalb Jahrhunderte sind zahlreiche Versionen der Geschichte vom Pariser Opernhaus und seinem angeblichen «Phantom der Oper» erschienen. Als wahrheitsgetreueste von allen wurde häufig Gaston Leroux’ Darstellung empfunden, weil sie sich auf Akten der Pariser Behörden aus der Zeit der fraglichen Vorkommnisse stützt.

Auch Hollywood hat sich des Buches auf unterschiedliche Weise angenommen und sich dabei dramaturgische Freiheiten erlaubt, wann immer dem jeweiligen Produzenten oder Regisseur danach war. Die berühmteste Version, das ungeheuer erfolgreiche und später auch verfilmte Musical von Andrew Lloyd Webber, lieferte wieder eine ganz eigene Interpretation der Geschichte.

Doch erst als ich auf die privaten Tagebücher von Mademoiselle Christine Daaé stieß (und ihre Echtheit überprüfte), kam die wahre Geschichte ans Licht, die in diesem Buch erstmals der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden soll.

Ursprünglich hatte ich beabsichtigt, den Inhalt der Tagebücher aus Hochachtung vor den Familien vom Mademoiselle Daaé sowie der Brüder Chagny für sich zu behalten. Dann aber gelangte ich nach reiflicher Überlegung zu dem Schluss, dass es im Hinblick auf Christine und Erik unverantwortlich gewesen wäre, die Wahrheit weiterhin im Dunkeln zu lassen.

Jahrzehntelang wurde Erik in der gleichermaßen romantischen wie schauerlichen Legende vom Phantom der Oper als mörderischer Bösewicht dargestellt, Christine als die hilflose, manipulierte Unschuld und der Vicomte Raoul de Chagny als heldenhafter, grenzenlos verliebter Verehrer.

In Wahrheit aber unterscheiden sich die tatsächlichen Ereignisse jener Monate im Pariser Opernhaus grundlegend von der offiziellen Version, wie sie von Monsieur Leroux und den Pariser Behörden verbreitet wurde (höchstwahrscheinlich, wie ich annehme, in der Absicht, Ruf und Einfluss der Familie Chagny zu schützen).

Das meiste von dem, was diese Quellen als Tatsachen hinstellen, wurde ihnen von einem geheimnisvollen, lediglich «der Perser» genannten Individuum zugetragen, das sich als enger Vertrauter des Phantoms ausgab. Doch weder bei meinen ausführlichen Recherchen noch in den Dokumenten, welche dieser Arbeit zugrunde liegen, konnte ich den geringsten Hinweis darauf finden, dass eine solche Person jemals existiert hat. Dies alles lässt aus meiner Sicht nur eine mögliche Schlussfolgerung zu – nämlich die, dass diese mysteriöse Figur lediglich der Phantasie Leroux’ und der Pariser Behörden entsprungen ist, erfunden mit dem Ziel, die Brüder Chagny zu entlasten.

Aus diesem Grund bezieht sich die Geschichte, die in diesem Buch erzählt wird, bis in die kleinsten Einzelheiten unmittelbar auf die Tagebücher der Christine Daaé. Darüber hinaus habe ich lediglich Details aus ihrer privaten Korrespondenz mit der Ballettlehrerin Madame Maude Giry verwendet, mit der Christine offenbar eine tiefe Freundschaft verband.

Dies ist also die ganze Geschichte von Christine, Erik und den Gebrüdern Chagny – und endlich die wahre Geschichte.

 

Colette Gale

August 2007

Erster Teil Das Phantom der Oper

Eins

Paris, 1887

 

Christine Daaé schloss die Augen, als die schwere, kostbare Seide ihren eingeschnürten Körper umfing. Sie hätte sich nie träumen lassen, jemals ein derart elegantes Kleid zu tragen, funkelnd von zahllosen Edelsteinen und überreichlich mit Spitze besetzt. Die Seide war in blassem Rosa gehalten, und die Juwelen bildeten einen wahren Regenbogen aus Rot-, Rotviolett-, Rosa- und Grüntönen. Spitze in allen nur vorstellbaren Weißschattierungen – von Schneeweiß über bläuliches Weiß und Eierschale bis hin zu altem Elfenbein – hing ihr von den Ärmeln und strich über den Boden. In den Aussparungen des Spitzenmusters erblühten winzige Rosetten aus pinkfarbener und roter Seide.

Das schwere Kostümkleid strömte einen Geruch aus, der sie an Carlottas aufdringliches Rosenparfüm erinnerte und ihr die Tränen in die Augen trieb. Das war nicht der reine, unverfälschte Duft der Rosen, die ihr Ange de Musique ihr schickte, der Duft, mit dem sie sich liebend gern umgab. Der Geruch von Carlottas abgelegtem Kostüm war auf ebenso unangenehme Weise überwältigend wie Carlotta selbst.

Trotz allem aber wollte Christine das Kleid tragen, denn heute Abend würde sie nicht nur hinsichtlich des Gewands die Rolle der Primadonna einnehmen. Sie würde vor dem gesamten Opernhaus die Arie der Julia aus Gounods Roméo et Juliette singen, weil Carlotta, der Star des Hauses, wenige Stunden zuvor in einem Wutanfall von der Bühne gestürmt war.

Bei der Probe hatte sich ein Teil der Kulisse aus seiner Verankerung gelöst und war unmittelbar neben jenem Kostüm umgefallen, das Christine jetzt anlegte, das in besagtem Augenblick aber die Diva Carlotta trug. Sie hatte soeben das Vergnügen gehabt, die beiden neuen Direktoren des Opernhauses – Monsieur Moncharmin und Monsieur Richard – kennenzulernen, als das Kantholz auf die Bühne stürzte. Es streifte noch den Saum ihres Kleids, bevor es krachend zu ihren Füßen zu liegen kam.

Carlotta sprang so schnell zur Seite, wie ihr üppiger Körper es zuließ, als die schwere Leinwand zu Boden fiel. Ihre Brüste zitterten mit ihrem Doppelkinn um die Wette, während ihre empörten Schreie in der plötzlichen Stille hallten. Sie schlug sich die Hand so heftig gegen die Brust, dass von ihrem Busen eine Wolke weißen Puders aufstieg. «Unerhört! Unerhört!», kreischte sie, riss sich ihren mit Federn bestückten Hut vom Kopf und schleuderte ihn einer der Kostümschneiderinnen entgegen. «La Carlotta ist krank! La Carlotta singt heute nicht!»

Dann stolzierte sie von der Bühne und verschwand in einem Wirbel aus Röcken und Federn, während die neuen Direktoren ihr schockiert nachstarrten.

Auf der Bühne und im Orchestergraben erhob sich entsetztes Geflüster.

«Das war der Geist der Oper!»

«Schon wieder!»

«Sie hätte dabei umkommen können!»

«Meine Puderquaste hat er auch gestohlen», zischte eine der Tänzerinnen.

«Der bewegt sich wie ein Schatten», fügte eine andere hinzu.

«Ja, eine ganz üble Kreatur ist das», bestätigte Joseph Buquet, der Maschinenmeister, mit aufgerissenen Augen, um den jungen Tänzerinnen noch mehr Angst einzujagen. «Seine Augen sind wie Kohlen, seine Zähne schwarz und faulig. Gelbe Haut spannt sich über sein Gesicht, und seine schwarzen Kleider hängen an seinem Gerippe. Er wird euch kriegen und zum Mittagessen verspeisen!»

Madame Giry, die Ballettmeisterin, bereitete dem Geraune mit einem energischen Fingerschnippen und einem stechenden Blick ihrer pechschwarzen Augen ein Ende. «Redet nicht über Dinge, von denen ihr keine Ahnung habt», befahl sie und warf Buquet, der sich nicht einmal die Mühe gemacht hatte zu flüstern, einen missbilligenden Blick zu. «Jetzt aber wieder an die Arbeit! Das gilt auch für dich, Sorelli. Auch wenn du unsere beste Tänzerin bist, solltest du dich endlich auf die Probe konzentrieren!»

Sie dirigierte die Tänzerinnen hinter den eisernen Vorhang, der das Ballettfoyer vom Rest der Bühne trennte. Mairie, der leitende Choreograph, forderte die Künstler auf, mit den Proben fortzufahren. Und falls noch immer von hier oder da Geflüster oder Gemurmel an Madame Girys Ohr drang, so hörte sie es nicht … oder ließ es sich zumindest nicht anmerken.

Alles in allem war es wahrhaftig ein höchst unglückseliger Vorfall – und das ausgerechnet an dem Tag, als die beiden neuen Direktoren ihren Dienst am berühmten Pariser Opernhaus antraten. Ihre Vorgänger, Debienne und Poligny, waren von den Künstlern gleichermaßen respektiert wie gefürchtet worden und hätten in dieser Situation angesichts des Chaos auf und hinter der Bühne mit einem Tobsuchtsanfall reagiert. Diese beiden neuen aber, die Herren Richard und Moncharmin, die zuvor bei der Müllabfuhr beschäftigt gewesen waren, ließen das Debakel nur konsterniert über sich ergehen.

«Geist der Oper?», hörte Christine, die nahe genug am Ort des Geschehens stand, Monsieur Moncharmin seinen Kollegen fragen. «Davon haben Debienne und Poligny aber nichts erzählt, als sie uns ihre Posten übergeben haben! Was hat das nur zu bedeuten?»

Monsieur Richard, der größere und adrettere der beiden Männer, vergrub die Hände in den Taschen seiner Weste, stellte sich auf die Zehenspitzen und erwiderte murmelnd: «Das ist bestimmt nur eine dieser verrückten Geschichten, Armand. Vergiss nicht, dass wir jetzt im Theatergeschäft sind! Die Leute hier sind ausgesprochen abergläubisch, und ich nehme an, dass wir noch mehr solches Zeugs zu hören bekommen werden – was in gewisser Hinsicht ja auch ganz unterhaltsam sein kann.» Er kicherte nachsichtig vor sich hin und setzte dann eine seriösere Miene auf. «Aber jetzt kommt es erst einmal darauf an, für die heutige Galavorstellung einen Ersatz für La Carlotta zu finden. Keine singt mit einer solchen Anmut wie sie.»

«Absagen können wir die Vorstellung auf gar keinen Fall», murmelte Moncharmin zustimmend. «Schließlich hat Chagny sein Kommen angekündigt, also muss alles wie vorgesehen verlaufen.»

Und dann, ehe Christine sich versah, hatte Madame Giry sich von ihrer Tanztruppe abgewandt, um sie zu packen und vor die Direktoren zu zerren. «Mademoiselle Daaé wird heute Abend einen mehr als zufriedenstellenden Ersatz für La Carlotta abgeben. Ihr Gesang hat sich in den letzten drei Monaten ganz erheblich verbessert.»

Monsieur Richard blickte auf Christine herab. Mit hochgezogener Braue musterte er skeptisch ihr schlichtes Tänzerinnenkostüm, das an der Stelle, wo es von einer nachlässig gehandhabten Lockenschere angesengt worden war, einen Flicken aufwies und am Saum schon ganz ausgefranst war. Christines Handflächen begannen zu schwitzen, als sie die Hände rang, unsicher, ob sie sich nun freuen oder fürchten sollte. Das hier schien die Chance ihres Lebens zu sein. «Eine der Tänzerinnen? Ich kann mir nicht vorstellen, dass …»

«Ach komm schon, Richard, kann doch nicht schaden, dem Mädel eine Chance zu geben», drängelte Moncharmin. «Wen sollten wir auch sonst nehmen?» Dann wies er Christine mit weitausholender Gebärde an, in die Bühnenmitte zu treten, wandte sich dem Dirigenten zu und forderte ihn mit einer knappen Anweisung zum Spielen auf.

Christines Kehle war so trocken, dass sie glaubte, keinen einzigen Ton herauszubekommen. Beklommen trat sie in die Mitte der Bühne, wobei ihr weiter, bis zur Wade reichender Rock mit jedem Schritt auf und ab wallte. Die Plattform, die von hinten zu den Gaslampen am vorderen Rand ein leichtes Gefälle aufwies, erschien ihr ebenso riesig wie beängstigend, obwohl die vordersten Sitzplätze allesamt leer waren.

Ein paar schräge Töne erklangen, als die Geiger wieder ihre Plätze einnahmen und der Cellist seinen Bogen ansetzte, denn die Mitglieder des Orchesters hatten fluchtartig ihre Sitzplätze verlassen, als die Sache mit der Kulisse passiert war, und mussten sich deshalb erst wieder neu sortieren … und dann – nach einer Ewigkeit, so schien es Christine – erklang endlich die Melodie.

Sie kannte die Musik, öffnete den Mund zum Singen und stieß den Atem aus, wie ihr Engel es ihr erklärt hatte, den Mund immer schön gerundet und die Töne bis zum Ende lang und wahrhaftig. Und während ihr Gesang aus ihr floss – zögerlich zunächst, dann ein bisschen wackelig, dann leise, schließlich aber lauter und klarer –, wurde Christine sich allmählich der Tatsache bewusst, dass dies der bislang aufregendste Augenblick ihres siebzehnjährigen Lebens war.

Sie schloss die Augen. Jede Einzelheit des prächtigen Opernhauses hatte sich in ihr Gedächtnis eingeprägt, und nun stellte sie sich vor, wie sich die ersten, leicht gebogenen Reihen vor dem Orchestergraben füllten und später auch die auf der Galerie. Die hohe, kuppelförmige Decke des Auditoriums war mit Lenepveus farbenprächtiger Darstellung der Musen ausgemalt, die grazil in einem Kreis von Wolken tanzten. In der Mitte des Gemäldes war eine lange Kette befestigt, an der ein prächtiger kristallener Kronleuchter hing.

Die Wände des Auditoriums schmückten karmesinrot ausgekleidete Logen, von denen die nächsten so dicht an Christine heranreichten, dass sie jedes Detail der Kleidung einer Zuschauerin hätte erkennen können. Die einzelnen Logen waren durch massive, goldfarben bemalte Säulen voneinander getrennt, und die Vorderseite eines jeden Balkons war reich mit Blumenmustern, königlichen Wappen und Cherubinen verziert. Über Christines Kopf, oberhalb des Proszeniums, trompeteten weitere Engel auf eleganten Instrumenten.

Selbst wenn die Direktoren sie an diesem Abend nicht würden singen lassen, jetzt stand sie auf der Bühne und tat es: das, wovon sie schon als kleines Mädchen geträumt hatte.

Falls dies ihre einzige Chance war, so hatte er sie gut darauf vorbereitet, und sie wollte jeden Augenblick auskosten. Christine hatte erfahren müssen, dass so manches im Leben sich viel zu schnell veränderte, und daraus die Lehre gezogen, dass man das Glück beim Schopf packen musste, wenn sich die Chance dazu bot – was nicht allzu häufig der Fall war.

Als sie fertig war, konnte Christine sich eine tiefe Verbeugung nicht verkneifen, obwohl sie gar kein Publikum hatte. Sie richtete sich wieder auf und blickte zuerst zu Madame Giry hinüber, deren strengem Gesicht lediglich eine Spur von Zustimmung zu entnehmen war. Danach sah sie den skeptischen Monsieur Richard an.

Er lächelte.

 

Nun, da sie sich auf die Abendvorstellung vorbereiteten, die sowohl zu Ehren der beiden neuen Direktoren als auch der neuen Gönner gegeben wurde, stand Madame hinter Christine und betrachtete sie kritisch in dem vom Fußboden bis zur Decke reichenden Spiegel.

«Du bist wunderschön, Christine», erklärte sie, nachdem sie ihre gesamte Erscheinung genauestens in Augenschein genommen hatte, vom Faltenwurf ihres Kleids bis hin zu ihrem kunstvoll aufgetürmten dunklen Haar. Ihre Blicke trafen sich über den geschäftigen Kostümschneiderinnen, die an Christines Frisur, ihren Schuhen und ihren Volants herumnestelten. «Er wird sehr angetan sein.»

Bei der Erwähnung seiner Person glaubte Christine zu spüren, wie ein Lufthauch durch ihre kleine Garderobe strich. Mit einem Mal wurde es warm, wobei sich ihre Nasenspitze gleichzeitig kalt anfühlte und sich die Haare auf ihren Armen aufstellten. Ihre Wangen brannten, während sie den Luftzug auf ihren nackten Schultern und dem Nacken wie eine Liebkosung empfand. Wenn sich ihr Engel nur endlich zeigen würde, anstatt sie wie bisher lediglich mit seiner hypnotischen, anziehenden, wohlklingenden Stimme im Gesang zu unterweisen!

«Das hoffe ich von ganzem Herzen.» Sie schaute in den Spiegel direkt vor ihr, der die kleine, schmale Garderobe fast zur Gänze ausfüllte. Den Raum, den sie, wie Madame Giry ihr erklärt hatte, auf sein Drängen hin nun benutzen durfte – nun, da sie nicht mehr zu den Tänzerinnen gehörte.

«Genug jetzt!», fuhr Madame die nervösen Mädchen an, die offenbar eine Veränderung in der Luft wahrgenommen hatten und erschrocken zusammengezuckt waren. «Raus mit euch!»

Sie scheuchte alle hinaus und drehte sich mit der Hand auf dem Türknauf noch einmal um. «Er möchte dich noch kurz sprechen, bevor du singst.»

Christine war verblüfft. Ihre Unterrichtsstunden, in denen er ihr half, ihre unausgebildete Stimme besser zu beherrschen und die Musik im ganzen Körper zu fühlen, fanden entweder in der Kapelle statt, wo sie für ihre Eltern betete und er sie erstmals angesprochen hatte, oder im Konservatorium. Nirgendwo sonst hatte er je zu ihr Kontakt aufgenommen. Wollte er tatsächlich jetzt und hier mit ihr sprechen?

Als Madame gegangen war, stand Christine vor dem Spiegel und betrachtete sich selbst und den langen, leeren Raum hinter ihr. Das Licht war schwach und warm, doch die Schatten reichten bis hoch an die gewölbte Zimmerdecke.

Sie spürte ihn. Er war da, ihr Ange de Musique, ihr Engel der Musik.

Die Luft vibrierte, und die Gaslaternen erloschen mit einem leisen Geräusch. Ihr Herz flatterte, und ihre Hände begannen zu schwitzen wie am Nachmittag. Doch sie rührte sich nicht, sondern sah nur zu, wie ihr Spiegelbild im großen Wandspiegel zu glitzernden Schattierungen von Silber, Grau und Schwarz verschwamm.

Und dann streifte ihr etwas über die Schulterblätter am gerundeten Saum der Rückseite ihres Kleides entlang, warm, schwer und sanft zugleich. Sie stieß den Atem aus, und die Wärme legte sich auf ihre Haut. Ihr Herz schlug schneller – er war da! Er war bei ihr im Zimmer!

Leder – glatt, kühl und geschmeidig – glitt über ihren Nacken, was einen explosionsartigen Hitzeschwall auslöste, der sofort in ihrem Unterleib ein heftiges Verlangen entzündete. Sie schloss die Augen, sog scharf die Luft ein und griff nach dem kalten Glas des Spiegels vor ihr. Ihre Hand legte sich auf seine unnachgiebige Kühle, die in merkwürdigem Kontrast zur Wärme auf ihrem Rücken stand.

Er atmete schwer hinter ihr, und sie spürte, wie seine große, kräftige, dunkle Gestalt sie umfing. «Du wirst heute Abend auf der Bühne für mich singen.»

Wie immer flößte ihr seine eindringliche Stimme, warm in ihrer gleichmäßigen Kadenz und ein klein wenig spöttisch zugleich, ein bisschen Angst ein. Sie verkörperte die Schönheit der Musik, die Christine so sehr liebte, mit ihrem Rhythmus, ihrem Tonfall und ihrer kühlen, gnadenlos gebieterischen Art. Und heute Abend drang sie nicht von irgendeinem körperlosen Ort zu ihr, sondern war ganz nah, unmittelbar hinter ihr. Berührte sie sogar.

«Ja, das werde ich tun», versprach Christine, die auf einmal den unwiderstehlichen Drang verspürte, ihm in die Augen zu schauen. Als sie sich aber zu ihm umdrehen wollte, hielten seine Hände, die auf ihren Schultern lagen, sie sehr bestimmt, fast schon unsanft, davon ab.

«Nein.»

Sie hatte ihren ange nie zu Gesicht bekommen, sondern nur seine Stimme gehört, entweder in fast vollkommener Dunkelheit wie in diesem Augenblick oder im trüben Licht des Konservatoriums, wenn sie allein zum Üben dort war … oder in der Kapelle, in Form seines leisen, geisterhaft murmelnden Gesangs, den er immer dann anstimmte, wenn sie für die Seelen ihrer vor langer Zeit verstorbenen Eltern betete. Höchstens einmal hatte sie seine Berührung gespürt wie heute, doch damals hatte sie geschlafen und war sich hinterher nicht sicher gewesen, ob das alles nicht vielleicht nur ein Traum gewesen war.

Aber das hier – seine in Leder gekleideten Hände, die ihr über die Schulter strichen und über ihren Nacken und ihre Kehle fuhren und ihr zarte Schauder entlockten –, das hier war kein Traum. Sie hatte sich schon oft gefragt, ob er womöglich nur ein Geist war, doch seine warme, eindeutig körperliche Gegenwart hinter ihr ließ keinen Zweifel mehr zu: Er war kein Geist.

Er war ein Mann, vielleicht sogar noch mehr, aber ganz bestimmt kein Gespenst, das sich in Luft aufzulösen vermochte. Der Geist der Oper war ein Engel mit einer auf geheimnisvolle Weise wandelbaren Stimme – Tenor, wenn er sang, samtig weich, wenn er ihr geduldig zuredete, eisig und schneidend wie ein Skalpell, wenn er wütend war.

«Christine», hauchte er ihr ins Ohr, sein Mund nah und warm. Die Melodie ihres Namens klang wie der Widerhall anmutiger, schmeichelnder Töne aus der Tiefe eines Brunnens.

Die Finger ihrer rechten Hand – schweißnass vor Anspannung – rutschten ein Stück auf dem Spiegel nach unten, während ihre andere Hand hinter ihren Kopf griff und weiches, glattes Haar berührte, das nicht ihres war. Sie bohrte die Finger in die schweren Strähnen und spürte, wie seine Kopfhaut sich unter ihren Fingerspitzen verschob, während sich hinter ihr etwas bewegte und gegen ihre Hüften drückte. Selbst durch die vielen Schichten aus Seide und Unterröcken spürte sie, wie hart und heiß er war. Ein Schwall von Wärme fuhr zwischen ihre Beine, und Christine nahm die Hand vom Spiegel.

Ihre Finger waren kalt und feucht, als sie sich tastend hinter ihr ausstreckten und über sein Haupthaar strichen und schließlich über seine Schläfen glitten, bevor sie auf etwas unerwartet Weiches trafen, wo seine Stirn sein musste – leblos, kalt und nachgiebig. Nicht Haut, nicht Haar …

Er entzog sich ihrer Berührung, packte ihre Hände und zog sie hinter ihrem Rücken hinab bis zum unteren Ende ihres Rückgrats, wo er sie zwischen ihnen beiden festhielt. «Deine Kühnheit überrascht mich, Christine.»

«Wann darf ich Sie endlich sehen?»

«Wenn die Zeit dafür reif ist.» Etwas, das warm und ein wenig feucht war, berührte ihren Nacken und löste Schauder über Schauder aus, die sich bis in die tiefsten Tiefen ihres Unterleibs ausbreiteten. Doch als sie sich zu ihm umdrehen wollte, hinderte sein fester Griff an ihren Handgelenken sie daran. «Wenn die Zeit reif ist», wiederholte er, den Mund an ihrer zarten Schulter. «Jetzt singst du erst einmal für mich. Und wenn es mir gefällt, belohne ich dich mit meiner Verehrung.»

Und dann war er weg.

Die Lampen flammten wieder auf, und Christine war allein in ihrem Zimmer. Nur die verwischten Fingerabdrücke auf dem Spiegel deuteten auf das Geschehene hin … und die glitzrig-feuchte Spur auf ihrem Nacken.

 

Das Meer von Gesichtern, die Hitze der Gaslampen am Bühnenrand, das ungewohnt einengende, fremde Kostüm, die verschwimmenden Lichter und Geräusche und die tiefen Atemzüge, die sie benötigte – all das ergab ein wahres Mosaik von Empfindungen in Christines Kopf, während sie sich ganz dem Gesang hingab. Es fühlte sich an, als wolle die Musik fast aus ihrem Körper explodieren, wie von einer lange angestauten Energie getrieben. Sie vernahm, wie die klaren, hohen Töne anschwollen und den Bühnenraum erfüllten. Und dann atmete sie ein letztes Mal tief ein und sang den letzten Ton, bevor das Meer hingerissener Gesichter sich in eine Masse tosenden Beifalls verwandelte.

L’ange de Musique würde zufrieden sein.

Und über die Rufe und Pfiffe hinweg hörte sie es, tief in ihrem Herzen: «Brava … bravissima …»

Und in der Seitenkulisse sah sie Madame Giry, wie sie ihr zunickte und sie mit ihren klaren, sonst so kritisch dreinblickenden Augen anstrahlte.

So blieb Christine nichts anderes übrig, als sich in der Bühnenmitte wieder und wieder zu verneigen, während Blumen, Handschuhe, ja sogar Hüte zu ihren Füßen landeten.

 

Aus ihrer Loge betrachteten der Comte und der Vicomte de Chagny Christine Daaés gesenkten Kopf, als sie sich gerade zum dritten Mal verneigte. Noch immer tobte und applaudierte die Menge.

«Hübsche Frau, und gut gebaut», sinnierte Philippe, der Comte, während er sich in seinen Sitz zurücklehnte. «Kein Wunder, dass die Tänzerin Sorelli sie mir während unserer kleinen Affäre nie vorgestellt hat. Mademoiselle Daaé heißt sie? Ich frage mich nur, wo die auf einmal herkommt und wie lange sie schon hier ist. Sie ist mir weder bei den Tänzerinnen noch bei den Sängerinnen je aufgefallen. Wo hat sie sich nur die ganze Zeit über versteckt?»

«Ihr Vater starb vor ein paar Jahren», sagte sein jüngerer Bruder Raoul. «Ich weiß auch nicht, wie lange sie schon hier im Opernhaus ist. Ich habe es erst diese Woche erfahren und schon seit Jahren nicht mehr mit ihr gesprochen.»

«Jetzt wundert mich nicht mehr, dass du heute Abend unbedingt mitkommen wolltest, und zwar ohne deine ständige Begleiterin Mademoiselle Le Rochet.»

Philippe fiel auf, dass Raoul nicht die Augen von der dunkelhaarigen Gestalt auf der Bühne lassen konnte. «Ich habe Mademoiselle Daaé vor ein paar Jahren am Meer bei Perros-Guirec kennengelernt … erinnerst du dich nicht an jenen Sommer? Du warst auch dabei, als ich sie und ihren Vater zum ersten Mal sah.»

«Eine so liebreizende Figur würde ich doch nie vergessen, wenn sie mir schon einmal begegnet wäre.» Nein, ganz bestimmt nicht. Er wäre nie an einer so schönen Frau vorübergegangen, ohne eine Möglichkeit zu finden, sie auszuprobieren. Zumal eine Schauspielerin ohnehin leicht zu haben gewesen wäre – trotz der wachsenden Macht des Bürgertums, das sich einbildete, seit der Dritten Republik und dem kontinuierlichen Aufstieg ihrer Schicht wären die Schauspielerinnen wie durch ein Wunder sittsam und tugendhaft geworden.

Eine geradezu lächerliche Annahme.

«Damals waren wir noch jünger, und sie war noch ein Mädchen. Ich habe ihre Schärpe gerettet, als die Brandung sie mit sich zu reißen drohte – oh, sieh doch mal! Sie wirkt, als würde sie jeden Augenblick in Ohnmacht fallen!» Raoul stand von seinem Sitz auf, als wolle er zu ihr eilen.

Philippe aber packte ihn am Arm und zog ihn zurück. «Setz dich wieder hin, lieber Bruder. Es ziemt sich nicht für einen Chagny, sich wegen einer Sängerin oder Tänzerin zum Narren zu machen, auch wenn sie so schön und begabt ist wie diese hier. Außerdem haben die anderen sie schon aufgefangen. Die sackt doch nicht vor einem ganzen Opernhaus zu Boden, ohne dass jemand es merkt.» Und tatsächlich waren gleich mehrere Tänzerinnen zu ihr geeilt, um sie zu stützen. Sie sah reichlich blass aus. Philippe wandte sich wieder zu Raoul um und musterte ihn nachdenklich. «Sieht so aus, als hätte sie dir ganz schön den Kopf verdreht.»

«Ich habe nie ein reizenderes Wesen getroffen. Das war ein unvergesslicher Sommer damals, und ich habe viel Zeit mit ihr verbracht. Du warst viel zu sehr mit deinen eigenen Angelegenheiten beschäftigt, um es zu bemerken. Ich lernte ihren Vater kennen, einen großartigen Geiger, der immer für uns spielte … und sie sang dazu. Damals noch nicht überragend, aber bereits sehr vielversprechend. Jetzt singt sie schöner als je zuvor. Bevor Monsieur Daaé starb, erzählte er uns immer wunderbare Geschichten über den Engel der Musik und die kleine Lotte … Geschichten aus Schweden, ihrer Heimat. Er hat sich hier in Frankreich nie wirklich wohl gefühlt und uns oft Geschichten aus dem Land seiner Väter erzählt, nach dem er großes Heimweh empfand.» Raoul schien in seinen Erinnerungen verloren, was Philippe, der es vorzog, im Hier und Jetzt zu leben, ganz und gar nicht schätzte.

Philippe stand auf. «Dann finde ich, dass du Mademoiselle Daaé schleunigst zu ihrer reizenden Darbietung gratulieren solltest. Sie wird sich freuen, dich wiederzusehen, während ich mich auf den Weg zur Garderobe der Tänzerinnen machen werde, um meine Bekanntschaft mit La Sorelli aufzufrischen.» Ein Lächeln spielte um seine Lippen. Das könnte recht interessant werden, dachte Philippe.

 

Als sie schließlich die Bühne verließ, war Christine von den Mädchen der Baletttruppe umringt, der sie bis zu diesem Nachmittag angehört hatte. Auch wenn ihre neue Rolle nur vorübergehend sein mochte, war ihr der ganze Tag wie ein Traum erschienen. Die Mädchen kreischten und klatschten und begleiteten sie wie eine Heldin zu ihrer Garderobe, denn auch sie träumten alle von dem, was Christine soeben erreicht hatte.

Obwohl noch immer ganz benommen, mit zittrigen Fingern und weichen Knien, hatte Christine das Gefühl, nicht glücklicher sein zu können. Sie hatte perfekt gesungen, klar und leidenschaftlich, in dem schweren, prunkvollen Kleid, das aussah, als gehöre es einer Königin. Der Applaus hatte ihr gegolten, ihr ganz allein, und nur ihretwegen waren die Zuhörer so hingerissen gewesen, Reihe um Reihe.

Es war wie eine Zeitreise in ihre frühe Kindheit bis zu jenem Augenblick, als sie als kleines Mädchen eine wunderschöne Dame gesehen hatte in einem glitzernden goldenen Gewand, übersät mit Perlen und Rubinen, das honigfarbene Haar in Locken und Zöpfe und kleine, weiche Rollen frisiert, mit weiteren darin eingeflochtenen Edelsteinen und dünnen goldenen Kettchen … und sie, die kleine Christine, hatte staunend und voller Bewunderung zu ihr hochgestarrt.

Nie würde sie vergessen, wie die schöne Frau ihre wunderschönen rosa Lippen geöffnet hatte, so weich und voll und glänzend, und diese unglaublichen Töne aus ihnen geströmt waren. Christine musste wieder daran denken, wie die Stimme der Frau ihr kleines Herz hatte höherschlagen lassen und in ihr den Wunsch geweckt hatte, den Rock der Dame zu berühren, wo sein bestickter Saum unmittelbar vor ihren Augen über die Bühne strich. Wie sie, ehrfürchtig aufblickend, den Wunsch verspürt hatte, selbst dort oben zu stehen, wie ein prächtiger Vogel und fähig, derart süße, reine Laute von sich zu geben und dabei auch noch wie eine Märchenprinzessin auszusehen.

Und sie war ganz sicher gewesen, dass die Frau, wie sie da vor ihren zahlreichen Bewunderern auf der Bühne stand, gekleidet wie eine Königin, grenzenlos glücklich sein musste. Es konnte gar nicht anders sein, so sehr, wie alle sie liebten. So schön zu sein und so sehr geliebt zu werden und sich dabei nicht glücklich und geborgen zu fühlen war schlichtweg ausgeschlossen.

Irgendwie war es Christine gelungen, sich einzureden, dass es sich bei der schönen Frau um ihre Mutter handelte, die gestorben war, als Christine fünf gewesen war. Diese Erinnerung war für sie wie eine Art Talisman, ein Gegenstand ihrer Sehnsucht und Mittel der Flucht aus einem Leben, das ebenso grau und trist gewesen war, wie das Gewand der Frau funkelnd und prächtig.

Ihr einsames Leben mit ihrem Vater, der sich noch immer ganz der Trauer um seine Frau hingab, bot ihr nur wenige Augenblicke der Freude. Meister Daaé war ein berühmter Geiger, der viel reiste und Christine überallhin mitnahm; so kam es, dass sie kein Zuhause und keine Freunde hatte und lediglich Stadt um Stadt zu sehen bekam, wenn auch nur aus Kutschen und kleinen Hotelzimmern heraus. Erst in jenem, nun schon so lange zurückliegenden Sommer am Meer bei Perros-Guirec hatte ihr Vater beschlossen, sesshaft zu werden. Doch das war Jahre, nachdem Christine die schöne Dame gesehen und sich in sie verliebt hatte.

Und heute Abend, mit zittrigen Knien und Bauchschmerzen, war sie selbst zu jener schönen Frau ihrer Träume geworden.

Jetzt würde alles gut. Sie würde glücklich sein, geliebt und geborgen.

Als Christine ihre Garderobe erreichte, durchschnitt eine tiefe Männerstimme die hohen Töne der Mädchen um sie herum. «Mademoiselle Daaé?»

Die Stimme – nicht die körperlose ihres ange, sondern eine sehr irdische – war dicht hinter ihr, als sie gerade die Tür zu ihrem Zimmer aufschließen wollte.

Als sie sich umdrehte, drang aus dem Stimmengewirr der erregten Mädchen gewispert sein Name an ihre Ohren: «Der Vicomte de Chagny! Das ist er! Der Bruder des neuen Schirmherrn!»

Sie drehte sich um, sah ihn und erkannte ihn sofort. «Raoul!», rief sie spontan, denn er war ein Freund aus Kindertagen, den sie in jenem Sommer am Meer für eine kurze, glückliche Zeit lang gekannt hatte.

Wie attraktiv er doch geworden war, groß, mit scharfgeschnittenen Gesichtszügen und so elegant – von den schlanken Fingern bis zu seinem kleinen, exakt gestutzten Schnurrbart. Sein langes blondes, im Nacken mit einem Band umwickeltes Haar glänzte im Licht golden und lohfarben. Klare blaue Augen lächelten sie an und entführten sie wieder in jene Zeit, als sie zusammen gespielt und den Geschichten ihres Vaters über den Engel der Musik gelauscht hatten. Ihr fiel auf, dass er eine Marineuniform trug, was sie aber nicht weiter wunderte, da er schon immer das Meer geliebt hatte.

Sie fragte sich, wie Raoul wohl reagieren würde, wenn sie ihm erklärte, dass ihr wirklich ein ange erschienen war, der sie schon seit Monaten unterrichtet hatte. Und dass sie nur wegen dieses Unterrichts zur schönen Frau geworden war.

Als er vortrat, teilte sich das Meer aus Mädchen vor ihm, als sei er Moses. Er nahm ihr den mit einer Quaste behängten Schlüssel aus der Hand. «Wenn Sie gestatten, Mademoiselle Daaé.»

Er öffnete die Tür zu ihrer Garderobe und stieß sie schwungvoll auf. Als sie sich an ihm vorbeischob, streifte ihr schweres Kleid seine glänzenden Stiefel und seinen mit Manschetten besetzten Frack.

Er schloss die Tür hinter ihnen, und sie waren allein.

Im hellen Schein der Lampen waren die oft so dramatisch wirkenden Schatten klein und harmlos und lauerten nicht wie sonst in den Ecken. Man hatte die Blumen bereits ins Zimmer gebracht, und an jedem nur erdenklichen Platz standen Vasen – auf dem Boden, dem Ankleidetisch, dem Teetisch und sogar auf dem Hocker. Der Duft von Rosen, Margeriten, Levkojen und Lilien erfüllte den Raum.

«Christine, du warst einfach großartig.» Raoul trat auf sie zu, ergriff ihre Hand und zog sie an seine vollkommenen Lippen.

«Raoul, wie schön, dich wiederzusehen», erwiderte sie, entzog ihre Hand der seinen und strich ihm mit den Fingern über seine schöne Wange. Sie war warm und glatt.

«Du bist ja so erwachsen geworden! Ich konnte gar nicht glauben, dass du das bist, meine kleine Christine; du hast gesungen wie ein Engel!»

Ein Engel.

Christine, auf einmal nervös geworden, wich zurück. «Raoul, ich bin aber kein Engel.»

Er schien ihre Irritation nicht zu bemerken. «Doch, das bist du, wunderschöner Engel. Mir wird wohl nichts anderes übrigbleiben, als jede Nacht in die Oper zu gehen – jetzt, da Philippe und ich die Schirmherren sind und du der neue Star bist.»

«Ich hoffe, dich oft hier zu sehen», entgegnete sie höflich und spürte eine Veränderung in der Luft. Das war er. Aus irgendeinem Grund wollte sie nicht, dass er von Raoul erfuhr; er sollte nicht wissen, dass sie einen Bewunderer hatte. «Raoul, wollen wir nicht lieber gehen? Ich muss mich noch bei den Messieurs Richard und Moncharmin blicken lassen, und außerdem habe ich Hunger, und wir beide haben so viel zu besprechen. Wir haben uns so lange nicht gesehen!»

«Ja, du hast recht. Es wäre mir eine Freude, dich zum Essen begleiten zu dürfen.»

Sie öffnete die Tür und wurde sogleich von einer Meute von Bewunderern empfangen, die sie mit Blumen in den Händen sehnlichst erwarteten. Obwohl überwältigt von der Zuneigung, die ihr entgegenschlug, war Christine sich dennoch der kaum wahrnehmbaren Veränderung in der Atmosphäre des Raums hinter ihr sehr bewusst.

Raoul schob sich an ihr vorbei und versperrte die Tür, als wolle er verhindern, dass die anderen ins Zimmer schauten oder allzu viel von Christine zu sehen bekamen. «Ich lasse meine Kutsche vorfahren und hole dich so bald wie möglich ab. Soll ich jemanden rufen, der dir beim Umkleiden behilflich ist?»

«Nein … nein, danke, Raoul, das schaffe ich schon alleine.»

Dann schloss er die Tür, und sie war allein.

Bis sie merkte, dass sie das doch nicht war. «Madame Giry?»

«Das war gut heute Abend, Christine. Aber er wird alles andere als erfreut sein, wenn du dich jetzt in gesellschaftliche Aktivitäten stürzt, statt dir deine verdiente Ruhe zu gönnen.» Madame Giry war hinter sie getreten und öffnete nun geschickt die Knöpfe am Rücken des Kleids.

Das schwere Kostüm fiel von ihr ab, und Madames warme Hände strichen ihr über die Schultern und die Arme hinab, um die Seide auf den Boden zu stoßen. «Pass auf, dass du ihn nicht verärgerst, Christine. Sein Zorn ist unerträglich. Bist du sicher, dass es eine kluge Entscheidung ist, mit dem Vicomte essen zu gehen?»

Christines Befürchtung, dass ihr Engel nicht gerade glücklich darüber sein würde, dass sie bereits einen Bewunderer hatte, war also nicht unbegründet gewesen. «Aber … aber ich muss doch etwas essen, Madame. Und außerdem ist er nur ein alter Freund und der Bruder des neuen Schirmherrn. Für den Erfolg des Theaters kann es doch nur förderlich sein, wenn er mit mir speisen möchte.»

Madames Gesicht, das trotz ihres Alters noch immer schön war, verdüsterte sich vor Besorgnis. Sie beugte sich so nah an Christines Ohr, dass ihr warmer, feuchter Atem der Jüngeren prickelnde Schauer über den Nacken laufen ließ. «Nimm dich in Acht, Christine. Als seine Schülerin hast du die Chance, Triumphe zu feiern, und zwar unabhängig von der Gunst des Bruders unseres neuen Schirmherrn. Wenn du seine Erwartungen erfüllst, wirst du umsorgt sein, wie du es dir kaum vorstellen kannst. Tust du es nicht, wird sein Zorn gewaltig sein. Er ist brillant und gütig, aber auch selbstsüchtig und deshalb nicht bereit, dich mit einem anderen zu teilen. Hör mir jetzt gut zu, Christine. Mit ihm als Lehrer hast du es nicht nötig, dich nach einem Beschützer umzusehen, wie die anderen Mädchen das tun.»

Wollte sie damit sagen, dass ihr Engel ihr Beschützer sein würde? Oder dass er nur sichergehen wollte, dass sie ihren Unterricht nicht vernachlässigte?

Christine scheute sich jedoch, die Frage offen auszusprechen, denn sie hatte das seltsame Gefühl, er könnte es hören. Stattdessen wechselte sie das Thema. «Raoul als mein Beschützer? Ich kann mir nicht vorstellen, dass er derartige Absichten hegt. Er ist lediglich ein alter Freund und freut sich, mich wiederzusehen. Aber trotzdem werde ich an Eure Warnung denken, Madame», erwiderte Christine ernsthaft. Sie hatte nicht vergessen, dass ihr ange derjenige war, der ihr durch seinen Unterricht diesen wunderbaren Abend erst ermöglicht hatte. «Sehen Sie es einfach als ein Abendessen zur Feier meines Debüts.»

«Ich hoffe, dass es dabei bleibt, meine Liebe. Und dass du feiern möchtest, verstehe ich natürlich. Also schnell jetzt, ziehen wir dich um fürs Essen. Es muss aber ein kurzes Mahl werden, damit du heute Nacht auch gut schläfst. Sieh mal, ich habe dir ein passendes Kleid mitgebracht.»

Verblüfft – und beschämt darüber, dass sie noch gar nicht darüber nachgedacht hatte, was sie zum Abendessen mit einem Vicomte und den Direktoren tragen wollte – wandte Christine sich um. «Das ist aber schön. Wo habt Ihr das denn her?»

Das Kleid war auffällig und äußerst elegant, es übertraf bei weitem alles, was Christine je besessen oder auch nur aus der Nähe zu Gesicht bekommen hatte. Natürlich waren sämtliche Kostüme aus dem Fundus der Oper schön, reich verziert und mit Edelsteinen besetzt, um für das Publikum besser sichtbar zu sein, aber viel zu schwer und überladen, um sie in der wirklichen Welt zu tragen.

«Ich konnte Tiline überreden, es dir zu leihen», erklärte Madame. «Ihr Monsieur Boulan hat ihr in jüngster Zeit viele hübsche Kleider geschenkt.»

Es handelte sich um ein Abendkleid aus Satin in dunklem Granatrot mit goldenem Spitzenbesatz, der an den Schultern zusammengefasst war. Die Spitze bildete an Vorder- und Rückseite ein schmales V von Schulter zu Schulter und floss dort, wo das dunkelrote Mieder sich über ihren Brüsten schloss, noch weiter nach unten.

Das Kleid war fast so schwer wie das Bühnenkostüm, das Christine getragen hatte, und fiel in großzügigen Falten, die in einer Tournüre unten an ihrem Rückgrat zusammenliefen. An der Vorderseite des Rocks floss ein breiter Streifen aus goldenem Satin herab, der über der Tournüre mit einer riesigen Schleife aus goldener, mit Girlanden aus weißen und roten Satin-Rosen geschmückter Spitze befestigt war.

Als sie sich im Spiegel sah, erkannte sie die schüchterne, einsame kleine Christine Daaé kaum wieder.

«Danke, Madame», hauchte sie, als sie schließlich den Raum verließ.

Der Flur vor ihrer Garderobe war leer. Still, dunkel und so ganz anders, als Christine es gewohnt war, mit dem ständigen Hin und Her von Schauspielern und Kostümschneiderinnen und Musikern und Bühnenarbeitern … so still und einsam war der Korridor, wie sie selbst es eine Ewigkeit – so zumindest kam es ihr vor – gewesen war.

Doch nun, seit heute Abend, war sie eine Berühmtheit. Jeder wollte sie sehen, mit ihr sprechen, bei ihr sein. Sie war nicht mehr die schüchterne graue Maus, sondern wurde von einem Vicomte umworben! Auch wenn er nur ein alter Freund war, hätte er sie nicht aufgesucht, wenn er nicht den Wunsch gehegt hätte, sie zu sehen.

Sie war kein unschuldiges Mädchen. Madame Giry hatte schon dafür gesorgt, dass keine ihrer kleinen Tänzerinnen – rats de l’opéra genannt, weil sie oft in sehr jungen Jahren zum Theater kamen und für gewöhnlich als unterwürfig galten – ein so unschuldiges Dummchen war, wie es den Anschein haben mochte. Sie lehrte sie mehr als nur den Tanz. Madame fühlte sich für jede ihrer Ballettratten persönlich verantwortlich, denn viele von ihnen hatten diesen Beruf dem der Lehrerin oder einfachen Arbeiterin vorgezogen, nachdem sie ihre Eltern verloren hatten oder ihre Familie sie nicht mehr hatte ernähren können.

Das Theater war ein Beruf, wie Madame ihnen zu erklären pflegte, der einer Frau ein gewisses Maß an Selbstbestimmung ermöglichte, sogar bezüglich ihrer Wahl eines Liebhabers oder Beschützers – sofern sie jung und hübsch war oder zumindest begabt, und zwar sowohl auf der Bühne als auch im Boudoir. Deshalb hatte Madame auch dafür Sorge getragen, dass keiner ihrer Schützlinge darauf wartete, entjungfert und anschließend im Stich gelassen zu werden. Ihre Mädchen lernten, wie man Männer ausnutzt, statt sich selbst ausnutzen zu lassen. Ihre Lehrmeisterin brachte ihnen bei, wie sie einen guten Beschützer finden konnten, der im Bett kein Sadist war und sie auch sonst gut behandelte.

Christine aber konnte sich beim besten Willen nicht vorstellen, dass Raoul – der gute, attraktive, höfliche Raoul, der sich einst in die Brandung gestürzt hatte, um ihre vom Wind fortgerissene Schärpe zu retten – auch nur im entferntesten daran denken könnte, ihr Beschützer zu werden. Schon der bloße Gedanke daran ließ sie erröten.

Raoul war keiner von denen. Christine kannte sie, die seriösen älteren Herren, die sich der ehemaligen Tänzerinnen Tiline und Régina annahmen, als diese ihr eigenes Solo tanzen durften und so die Aufmerksamkeit des Publikums auf sich zogen. Ihre Beschützer waren aufgeblasene Wichtigtuer mit aufgedunsenen Wangen und schielenden Äuglein, die immer durch die Kostüme der Mädchen hindurchzublicken schienen – aber sie strichen ihren Balletteusen über den Kopf und brachten ihnen Geschenke und Schmuck, wann immer sie sie besuchten. Schaute man ihnen nicht in die Augen, konnte man sie glatt für den Vater oder den Lieblingsonkel der jeweiligen Tänzerin halten. Aber dem war natürlich nicht so, und Christine, die schon seit ihrem sechzehnten Geburtstag keine Jungfrau mehr war, erkannte nur allzu gut, dass der Blick dieser Männer alles andere als väterlich war.

Und jetzt beklagten sich die beiden Mädchen, die kaum mehr Zeit für die anderen Tänzerinnen der Truppe hatten, darüber, wie schwierig es doch sei, die Aufmerksamkeiten der älteren Herren – die für ihre Kleidung und ihren Schmuck ebenso aufkamen wie für ihre kleinen Wohnungen – in Einklang zu bringen mit ihrem eigenen Interesse an jüngeren, attraktiveren und potenteren Männern, die zwar nicht über dicke Brieftaschen verfügten, dafür aber andere Vorzüge zu bieten hatten.

Christine selbst war noch nie in einer Position gewesen, in der sie einen möglichen Beschützer auf sich hätte aufmerksam machen können. Doch selbst wenn dem so gewesen wäre, hätte sie es sich sehr genau überlegt, denn sie galt als eines von Madame Girys tugendhaftesten Mädchen. Sie flirtete nicht, machte keinerlei Versprechungen mit den Augen und achtete tunlichst darauf, dass weder ihr Busen noch ihre Knöchel lüsternen Blicken ausgesetzt waren.

Doch vielleicht hatte dieser Abend alles verändert. Jetzt hatte sie großes Aufsehen erregt! Vielleicht hatte Raoul deshalb so schnell den Weg hinter die Bühne gefunden und sie in ihrer Garderobe aufgesucht. Vielleicht versuchte er nur, sie vor anderen Männern zu schützen, in deren Augen sie seit ihrem triumphalen Debüt plötzlich interessant war.

Nein, sie ordnete Raoul nicht in dieselbe Kategorie ein wie diese schwammigen, pseudoväterlichen Herren, welche die Tänzerinnen und Sängerinnen und Schauspielerinnen musterten wie Frischfleisch … aber fortschicken konnte sie ihn auch nicht. Auf gar keinen Fall. Denn er war ebenso schön wie charmant und offensichtlich hoch erfreut, sie zu sehen.

In diesem Augenblick hätte Christine eigentlich durch den Korridor zur Hintertür hasten müssen, die in die Seitenstraße hinausführte, wo Raoul auf sie wartete; stattdessen aber zog es sie auf die Bühne zurück, an den Ort ihres Triumphes.

Nur selten hatte sie Gelegenheit gehabt, auf der Bühne zu stehen, wenn der Raum mit seinen zahlreichen Sitzreihen und der hohen, kuppelförmigen Decke leer war, leer bis auf die Echos. Echos vergangener Vorstellungen, Echos vom Rauch der gelöschten Lampen, Echos von Parfüm und Applaus.

Ohne sagen zu können, was sie anzog, ließ sie sich einfach treiben und betrat die hölzernen Planken der leeren Bühne. Ihre von Pantoffeln gedämpften, fast lautlosen Schritte führten sie in die gewaltige Bühnenmitte, wo Christine stehen blieb und sich dem unsichtbaren Publikum stellte.

Ein leiser Lufthauch bewirkte, dass sich die Haare auf ihren Armen und ihrem Nacken aufstellten. Sie widerstand dem Drang, sich umzudrehen, und ließ stattdessen ihre eine Hand über den anderen Arm nach oben gleiten, wieder hinunter über ihren langen Handschuh und erneut hoch. Sie wartete.

Plötzlich schoss der Strahl eines Scheinwerfers auf sie hinab, kreiste sie ein mit seinem weißen Licht und schnitt sie von der Dunkelheit um sie herum ab. So kompakt war der Lichtkegel, dass sie, wenn sie es gewollt hätte, höchstens zwei kleine Schritte hätte tun müssen, um aus ihm herauszutreten und sich in die schwarze Leere zurückzuziehen. Der Lichtstrahl war warm, und obgleich er noch nicht lange auf sie gerichtet war, spürte sie seine Hitze bereits auf ihren nackten Schultern und ihrem Busen sowie auf den Teilen ihrer Arme, die nicht von den Handschuhen bedeckt waren.

Das Licht blendete sie wie bei ihrem Auftritt. Sie konnte weder die im Dunkeln liegenden Sitzreihen erkennen noch die roten Samtvorhänge am Rand der Vorderbühne. Sie sah lediglich den weißen Lichtstrahl, spürte nur seine zunehmende Wärme.

«Christine …»

Schwach, hohl und erotisch drang der Klang ihres Namens von hinten an ihr Ohr. Oder von oben. Sie war sich nicht sicher.

«Ange?», stieß sie hervor, und mit einem Mal raste ihr Herz wie wild.

Bevor sie sich umdrehen konnte, spürte sie ihn erneut hinter sich, so wie zuvor in ihrer Garderobe. Er hatte mit ihr gesprochen, sie unterrichtet, mit ihr gesungen … aber er war ihr noch nie leibhaftig erschienen. Und jetzt gleich zweimal an einem Tag.

Seine Hände legten sich auf ihre Schultern, und das geschmeidige, leicht klebrige Leder seiner Handschuhe griff nach ihrer zarten Haut, während er seine Handflächen über ihre Arme gleiten ließ und am tiefen Ausschnitt ihres Kleides zog. Der Stoff spannte sich über ihren Brüsten und gab die plötzlich hart gewordenen, spitzen Brustwarzen frei, die nun ungeschützt der Hitze des Scheinwerfers ausgesetzt waren.

«Du hast mir heute große Freude bereitet», murmelte er in jener tiefen, melodischen Stimme, die in ihren Ohren brannte und ein heftiges Kribbeln auslöste, das in mehreren Wellen über ihren Nacken und ihre Arme brandete, über ihre Brüste und Brustwarzen und ihren Bauch und noch tiefer hinab.

Als Christine es wagte, nach unten zu blicken, sah sie schwarze, behandschuhte Hände auf ihren weißen Schultern, das tiefe dunkle V, ihre Brüste angehoben und zusammengedrückt von ihrem Korsett, und den Anflug von Rosa, in dem sich ihre Brustwarzenhöfe über dem dunkelroten Kleid abzeichneten. «Danke», hauchte sie und griff nach oben, um eine seiner Hände zu umfassen. Sie spürte ein leichtes Zittern in seinen Fingern unter den ihren und fragte sich plötzlich, ob er wütend war.

Oder war es dasselbe plötzliche Zittern, das sie in ihrem ganzen Körper spürte?

Nun spreizte sie ihre weiß behandschuhten Finger über seinen dickeren schwarzen, und sie spürte, wie seine Wärme sich in ihre Haut unter dem Stoff brannte. Die Finger seiner freien Hand regten sich, wanderten nach oben und gruben sich sanft in ihr hochgestecktes Haar, bevor sie zupackten und ihren Kopf nach hinten bogen. Das Scheinwerferlicht blendete sie, bis ihr die Tränen kamen und sie die Augen schließen musste.

Von hinten näherte sich sein Gesicht; warmes Fleisch berührte die rechte Seite ihres Kinns, und dann drückten heiße, weiche Lippen auf ihre Haut. Da er ihren Kopf so fest im Griff hatte, dass sie ihn nicht bewegen konnte, und sie zum Schutz vor dem gleißenden Licht die Augen geschlossen hielt, gelang es Christine nur mit Mühe, Luft zu holen. Sie erschauderte und stieß ein kurzes Schluchzen aus, als das Begehren genau da brannte, wo er sie küsste, und er langsam und eindringlich über ihre Haut leckte.

Warm, feucht und zärtlich bewegten sich seine Lippen Zentimeter für Zentimeter ihre angespannte Kehle hinab. Ihr schmerzte der Nacken, ihr Mund öffnete sich, und sie bekam weiche Knie. Ihre Finger schlossen sich um seine Hand an ihrer Schulter, während ihre andere Hand nach oben langte, um ihn hinter sich zu berühren. Sie musste ihn spüren, ihn kennenlernen.

«Nein», knurrte er an ihrer Haut, ließ ihr Haar los, packte ihre suchenden Finger und zog sie von seinem Gesicht weg. Mit blitzschnellen Bewegungen umfasste er ihre beiden Handgelenke und hielt sie mit einer lederbekleideten Hand über ihrem Kopf fest.

Dann bewegte er sich. Sie spürte, wie er nach oben fasste und sich etwas um ihre Handgelenke wickelte. Keuchend versuchte sie, sich seinem Griff zu entwinden, doch er war zu stark. Bevor sie sich versah, hatte er ihr auch schon die Hände über dem Kopf zusammengebunden, die Handgelenke über Kreuz, die Ellbogen leicht gebogen.

«Hat dir noch niemand gesagt, dass Neugier gefährlich sein kann?», flüsterte er ihr sanft ins Ohr. Sein plötzlicher Zorn schien verflogen. Er umkreiste sie, bis er unmittelbar neben ihr zu stehen kam, aber noch immer so weit hinten, dass sie sein Gesicht nicht sehen konnte. Sie sah lediglich die behandschuhte Hand und den dazugehörigen langen schwarzen Arm, das kräftige schwarze Bein quer vor ihrem Rock und den glänzenden schwarzen Schuh, der im Lichtkegel unter ihr stand.

Sie versuchte, ihre Hände herunterzunehmen, doch irgendetwas hielt sie oben. Als sie daran zog, spürte sie die Schwingung eines Seils, das vom Bühnengerüst über ihr herabhing. Ihr Herz schlug schneller, und sie hatte das Gefühl, nicht richtig Luft zu bekommen.

«So …», seufzte er und trat dicht an sie heran, mit der einen Hand von vorn ihre Kehle umfassend, die andere an ihrem Nacken. «Jetzt werde ich dir zeigen, wie sehr mir dein Auftritt heute Abend gefallen hat.»

«Ange, bitte …», stieß sie mit Mühe hervor, ohne selbst zu wissen, worum sie ihn anflehte.

Er lachte leise in sich hinein, gab ihr aber keine Antwort. Stattdessen spürte sie, wie seine Hand über ihr Rückgrat nach unten glitt. Ihr Kleid schien leichter zu werden, als es hinten aufging, wo seine geschickten Finger die Knöpfe öffneten, die Madame Giry gerade erst geschlossen hatte.

Seine andere Hand glitt unter die Stahlstäbe ihres Korsetts und schließlich unter ihre linke Brust, um sie aus dem Körbchen des Mieders zu heben. Als dabei sein lederbedeckter Daumen über ihre steife, harte Brustwarze strich, fuhr ihr blitzartig die Lust in den Unterleib und dann in die Stelle zwischen ihren Beinen, wo es so feucht und heiß wurde, dass sie unwillkürlich an ihren Fesseln zerrte, um ihn zu berühren, ohne daran zu denken, dass das unmöglich war. Das Seil hielt stand, sosehr sie sich auch anstrengte, und so entlockte sie ihrem ange nur ein weiteres leises Lachen.

«Entspann dich, ma voix», murmelte er, nun mit rauerer Stimme. Sein Daumen rieb weiter über den empfindlichsten Teil ihrer Brustwarze, während die andere Hand unter die geöffneten Knöpfe ihres Kleides zu ihren Hinterbacken glitt.

Christine zuckte zusammen, als diese Hand den Weg unter ihr Hemd fand und hinunter in ihr Höschen – kühle lederne Finger, die, glitschig und klebrig, den Spalt zwischen ihren Backen weiteten. Sie versuchte auszuweichen, doch er drückte nur noch fester; seine eine Hand legte sich auf die Unterseite einer runden Hinterbacke, während seine andere Hand zwischen ihre Beine glitt. Seine Handfläche drückte in ihr Geschlecht und bewegte sich kreisend über die Seide und die Spitze auf ihrer Haut.

Die Handgelenke über dem Kopf zusammengebunden, war sie nun zwischen seinen Händen gefangen; die Finger der einen Hand schoben ihre Röcke herunter und tasteten sich zwischen ihre Beine vor, die der anderen drückten sie von hinten gegen seine Handfläche, die auf ihrer Scham lag. Ihre Brüste waren fest, die Brustwarzen schmerzhaft hart, und die schlecht durchbluteten Arme begannen zu kribbeln. Der Lichtstrahl brannte auf sie herab, und der Schweiß auf ihrem Gesicht, auf ihren Schultern und Brüsten ließ ihre Haut heiß und glitschig werden. Sie stieß die Hüften vor, um sich zu befreien oder näher zu kommen – was auch immer, wenn es sie nur von dem Druck erlöste, der sich in ihr aufgebaut hatte.

Wie er sie so massierte und Christine zugleich fest umklammert hielt, glitt ein lederner Finger von hinten in die Nässe zwischen ihren Beinen. Sie stöhnte auf, als dieser Finger, anonym in seiner ledernen Hülle, in sie drang. Er stieß vor und zurück, während die andere Hand noch immer dort, wo ihre Schenkel aufeinandertrafen, den Rand ihres Venushügels massierte … Wie konnte er ihn nur fühlen, durch all diese Massen von Stoff?

Derartige Gedanken verflüchtigten sich, als er die Hand von ihrer Scham zurückzog und ihr das Korsett mit einem kräftigen Ruck von ihren schweren, festen Brüsten riss. Sie schwebte jetzt gleichsam auf dem Finger tief in ihr, und ihre Brüste lagen bloß im heißen weißen Licht, mit harten, spitzen Warzen, die schmerzten, als er mit der Hand nacheinander über sie fuhr. Mon Dieu, wenn sie jetzt jemand überraschte!

Er kniff und zwickte und rieb, und sie ließ die Hüften kreisen, auf diesem ledernen Finger treibend und verzweifelt versuchend, zu einem Ende zu kommen, Erlösung zu finden. «Ah, ja», hauchte er ihr mit belegter, tiefer Stimme ins Ohr. «Du öffnest dich mir … ja, ma voix, ja, stöhne nur. Das ist eine schöne Musik, die du jetzt machst, auf dieser Bühne. Eine Vorstellung ganz für mich allein.»

Christine war mit körperlichen Freuden durchaus vertraut, doch noch nie hatte sie eine derartige Lust verspürt, noch dazu verbunden mit der Unfähigkeit, sich frei zu bewegen und den anderen zu berühren. Nie hatte sie ein solch unstillbares Verlangen empfunden wie in dem Augenblick, als sie da stand – nein, hing, denn die Knie gaben ihr nach, und sie konnte sich nicht mehr aufrecht halten.

Als sich sein dunkler Kopf zu ihr hinabbeugte und seine Lippen sich um ihre Brustwarze schlossen, konnte Christine sich nicht länger beherrschen. Sie schrie laut auf und spürte, wie das Gewicht ihres Körpers das Seil über ihr spannte, an dem sie hilflos an ihren Handgelenken hing. Überall Nässe, Feuchtigkeit, Flüssigkeit … zwischen ihren Beinen, auf ihrer Brust, der Schweiß von der Hitze des Lichts – sie triefte, bebte, keuchte.

Sie schrie auf, unfähig, die Frustration zurückzudrängen, die sich in ihr aufbaute. Seine Lippen saugten an ihrer Brustwarze, sogen sie so fest in seinen Mund, dass sie meinte, vor Schmerz und vor Wonne schreien zu müssen.

Der Finger in ihr glitt heraus, strich über ihre geschwollene Klitoris und rieb über ihre Schamlippen, während sie die Hüften kreisen ließ und versuchte, den Rhythmus zu finden, den sie brauchte. Er hob den Kopf. «Komm für mich, Christine … Komm … jetzt.»

Seine andere Hand drückte noch einmal gegen sie und hielt ihre Hüften fest, während jener flinke Finger sie von hinten bearbeitete, immer im Kreis herum, durch sie gleitend, bis sie endlich zum Höhepunkt kam und ihren Orgasmus aus ihrem tiefsten Innern herausschrie.

Dann war es still, abgesehen vom heftigen, erschöpften Atmen der beiden. Sie spürte ein dumpfes Pulsieren zwischen den Beinen und süßen Schmerz in der Brust, dort, wo er so fest gesaugt hatte; seine warme lederne Hand, wie sie hoch zu ihrem Anus und über ihn hinwegglitt und dabei ihre Nässe mitführte und über die Wölbung ihrer Hinterbacken verteilte. Er zog sich von ihrer Brust zurück und trat hinter sie, bevor sie mehr erkennen konnte als einen Schimmer schwarzen Haares. Seine Hände legten sich auf ihre Schultern, und er drückte von hinten gegen sie.

Durch seine Hose hindurch fühlte sie seine Erektion auf ihrem nackten Steiß, fordernd und verheißungsvoll. Die Härte seines Glieds ließ die Lust in ihrem Bauch erneut aufflammen.

«Ich hoffe, es hat dir ebenso viel Freude bereitet wie mir», murmelte er, wieder an ihrem Ohr und außer Sichtweite. Seine Stimme war alles andere als entspannt; sie war rau, aber tief, so als bereite es ihm Mühe, beherrscht zu klingen. Seine Hände glitten über ihre Arme, von der nackten Haut zu den dünnen Baumwollhandschuhen, die vom Ellbogen bis zum Handgelenk reichten.

«Ich denke, ich hatte sogar mehr davon», erwiderte Christine, ebenfalls mit zittriger Stimme. «Aber wenn du mich losbindest, ange, würde ich dich gern berühren … und sehen.»

«Ich heiße Erik. Du darfst mich so nennen, aber jetzt ist nicht der richtige Zeitpunkt. Benimm dich gut heute Nacht, ma voix, dann komme ich bald wieder zu dir. Deine Lehrzeit hat gerade erst begonnen.» Sie spürte, wie sich sein Brustkorb hob und von hinten gegen sie drückte, als er tief einatmete, die Luft anhielt und sie dann wieder ausstieß.

Seine behandschuhten Finger glitten von ihren Handgelenken über Gesicht, Kinn und Hals sanft zu ihren nackten Brüsten, die sie kurz kneteten, bevor sie mit mehr Druck über ihren Bauch zu ihrem pulsierenden Geschlecht gelangten. Ein Hitzeschwall folgte dem Leder, und sie knickte unter der Wucht ihres Verlangens erneut ein, schloss die Augen und bog den Kopf zurück ins grelle Licht.

Und dann auf einmal war er weg und ließ sie allein zurück, begierig nach mehr, die Brustwarzen hart und spitz und schmerzend, eine roter als die andere von seinem Mund. Und wieder dieses Pochen in ihrem Geschlecht, von der Erinnerung wie vom Verlangen. Ihr Rücken kalt, nun, da er nicht mehr hinter ihr stand, ihr Kleid von den hochgebundenen Armen hängend.

Und dann, noch bevor sie auf die Idee kommen konnte, er habe sie gefesselt und halbnackt mitten auf der Bühne des Opernhauses zurückgelassen, fiel etwas von oben herab. Sie ließ die noch immer zusammengebundenen Arme hinabsinken, während der Strick auf dem harten Holz zu ihren Füßen aufschlug.

Zwei

Christine versuchte noch immer, den Strick um ihre Hände zu entknoten, als der Scheinwerfer über ihr erlosch und sie in völliger Dunkelheit zurückblieb, halb bekleidet mitten auf der Bühne.

Als sie leise Geräusche über sich hörte, wusste sie, dass das ihr ange Erik sein musste, der über die wackligen Laufplanken ging, die normalerweise nur der klatschsüchtige Joseph Buquet betreten durfte.

Dann war alles still, abgesehen von ihrem noch immer keuchenden Atem.

Sie zog an den Seilen, während ihre Brüste gegen ihr aufgeschnürtes Korsett baumelten und ihre sensiblen Brustwarzen sich an dessen spitzenbesetztem Rand rieben.

«Christine?»

Mon Dieu. Raoul! Sie hatte ihn völlig vergessen.

«Christine, bist du dahinten?»

Sie kämpfte entschlossener gegen den Strick an, bis dieser endlich von ihren behandschuhten Handgelenken fiel und neben ihr auf dem Boden zu liegen kam. Rasch zog sie sich das Korsett über die Brüste, die sie unter allerlei Verrenkungen wieder in ihre einengenden Körbchen zu drücken versuchte.

«Christine!»

Seine Stimme war jetzt näher, und sie konnte das Klacken seiner Stiefel hören. Ihr Korsett war wieder an Ort und Stelle, doch ohne fremde Hilfe konnte sie es unmöglich zuschnüren, geschweige denn die lange Reihe winziger Perlen an ihrem Rücken zuknöpfen.

«Raoul, hier bin ich. Auf der Bühne.»

«Auf der Bühne?» Sein sanftes Lachen drang an ihr Ohr. «Du willst wohl den Augenblick deines Triumphes noch einmal durchleben, kleine Christine, was? Warte, ich suche nach einem Licht.»

«Nein! Kein Licht bitte, Raoul. Komm … komm einfach nur her.»

Erik war weg; sie wusste das, denn sie spürte seine Gegenwart nicht mehr. Und sie brauchte jemanden, der ihr beim Zuknöpfen ihres Kleids behilflich war. Wie konnte er es nur wagen, ihr das anzutun … und sie anschließend hilflos zurückzulassen?

Zumindest hatte er sie nicht am Seil hängen lassen. Wie hätte sie das Raoul erklären sollen – oder irgendeinem anderen, der sie gefunden hätte!

«Wo bist du, Christine?»

«Hier. Ich brauche deine Hilfe.»

Als sie seine Stimme am Rand der Bühne hörte, bewegte sie sich in diese Richtung. Es war stockfinster, sodass sie nicht merkte, wie nah er schon war. Plötzlich stieß sie mit ihm zusammen und fiel ihm in die Arme, wobei sie halb aus dem Kleid rutschte.

«Christine!» Seine Stimme verriet, wie verblüfft er darüber war, die nackte, warme Haut an ihrem Rücken zu spüren. «Was ist denn hier passiert?»

«Ich brauche jemanden, der mir beim Zuschnüren meines Kleids hilft», erklärte sie, während ihre Hände über seine kräftigen Schultern glitten. Waren die von Erik auch so breit? War er genauso groß? Wie konnte es sein, dass sie nicht einmal die einfachsten Dinge von ihm wusste, wo er doch so viel über sie wusste, so viel genommen hatte?

«Dein Kleid fühlt sich an, als würde es jeden Augenblick herunterfallen», erwiderte Raoul mit erstickter Stimme, doch seine Hände schienen nicht gewillt, von ihrem nackten Rücken abzulassen.

«So ist es», bestätigte sie mit belegter Stimme. Warum musste Erik sie derart unbefriedigt zurücklassen, dass sie das Verlangen nach mehr verspürte?

Das Timbre ihrer Stimme musste Raoul wie eine Einladung erschienen sein, denn plötzlich zog er sie zu sich heran und presste den Mund auf den ihren.

Christine neigte den Kopf, um seinen Lippen zu begegnen, und fühlte, wie ihre Brüste sich hoben und ihre zarten Brustwarzen sich verhärteten.

Nach dem ersten stürmischen Überfall schien Raoul sich zügeln zu wollen. Jetzt sanfter, fuhr er mit der Zunge spielerisch über ihre Lippen und ließ sie dann um und über ihre Zunge gleiten, während Christine tief einatmete und ihre fast nackten Brüste an sein Hemd drückte.

«Oh, Christine», stöhnte er und trat einen Schritt zurück, auch wenn er ihre Hüften noch immer gegen die seinen presste. Seine Erektion drückte energisch gegen sie, durch fünf Schichten Kleidung, und ließ ihr Geschlecht erneut erbeben. «Wir können jetzt nicht …» Er sog die Luft ein und versuchte, gleichmäßig zu atmen. «Mein Bruder, der Comte, und die Herren Moncharmin und Richard erwarten uns … Wir haben nicht mehr viel Zeit. Lass uns gehen.»

Widerwillig wandte Christine sich ab, gemartert vom Schmerz unerfüllter Begierde. Die Schuldgefühle, die ihre Reaktion auf Raouls fieberhafte Küsse so kurz nach dem intimen Beisammensein mit Erik ausgelöst hatte, verflogen rasch; schließlich hatte er von ihr genommen, was er wollte, und er