Phoenix auf der Fensterbank - Ingo Sundmacher - E-Book

Phoenix auf der Fensterbank E-Book

Ingo Sundmacher

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Beschreibung

Eines Abends erscheint ein Vogel am Fenster des Erzählers und stellt sich als Phoenix vor. Er ist auf der Suche nach einem Schreiber, der sein Diktat aufnimmt. Phoenix ist ein mythischer Vogel, der in einem ewigen Kreislauf geboren wird und am Ende verbrennt, um aus der Asche als neuer Phoenix aufzusteigen. Im Laufe eines Jahres entstehen so vier Gedichtzyklen, mit denen der Phoenix sein persönliches Vermächtnis hinterlässt.

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EPUB
MOBI

Seitenzahl: 51

Veröffentlichungsjahr: 2024

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Ingo Sundmacher

PHOENIX AUF DER FENSTERBANK

Prosa und Gedichte

Projekt Literatur Wissenschaft (PWL)

© 2024 Ingo Sundmacher

Umschlag, Illustration: Ingo Sundmacher

Druck und Distribution im Auftrag des Autors:

tredition GmbH, Halenreie 40-44, 22359 Hamburg, Deutschland

ISBN

Paperback978-3-384-47187-1

Hardcover978-3-384-47188-8

e-Book978-3-384-47189-5

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Für die Inhalte ist der Autor verantwortlich. Jede Verwertung ist ohne seine Zustimmung unzulässig. Die Publikation und Verbreitung erfolgen im Auftrag des Autors, zu erreichen unter: tredition GmbH, Abteilung "Impressumservice", Halenreie 40-44, 22359 Hamburg, Deutschland. E-Mail: [email protected]

Inhalt

I. phoenix auf der fensterbank

II. metrisch sterben

III. graue mauern

IV. liebend leben

V. asche ?

Einsamer, du gehst den Weg zu dir selber: Und an dir selber führt dein Weg vorbei und an deinen sieben Teufeln:

Ketzer wirst du dir selber sein und Wahrsager und Narr und Zweifler und Unheiliger und Bösewicht.

Verbrennen musst du dich wollen in deiner eigenen Flamme: wie wolltest du neu werden, wenn du nicht erst Asche geworden bist.

Friedrich Nietzsche, Also sprach Zarathustra

I. phoenix auf der fensterbank

1

Das Ganze liegt schon ein Weile zurück und hätte sich beinahe erledigt, wäre da nicht die Tatsache, dass ich das Folgende nicht zurückhalten darf, zumal ich nur, ja, sagen wir ruhig, eine Art Nachlassverwalter, ein Chronist bin.

Was hier vorliegt, war, immer vorausgesetzt, ich habe da nichts falsch verstanden, als eine Art inneres Testament gedacht. Aber ich spare mir lange Erklärungen. Ich möchte mir selbst nicht und auch sonst niemandem zumuten, eine Analyse über das Werk eines Vogels, noch dazu eines so seltsamen, vorzunehmen. Ich meine, nach welchen Kriterien sollen die Erinnerungen, Assoziationen oder was auch immer sonst eines Vogels mit dem Namen Phoenix betrachtet werden können?

Sei es, wie es sei: Als mir dieser Vogel das erste Mal begegnete, studierte ich noch und wohnte in einem der Hochhäuser des Studentenwerks. Eine Zwölf-Quadratmeter-Zelle, möbliert, deren Platz zu einem großen Teil durch einen Schrankraum und eine kleine Flurnische mit Wachbecken belegt war, die aber immerhin angenehm billig war.

Es war Mitte Dezember und das Wetter war dem entsprechend nasskalt. Zu allem Überfluss hatte es auch noch angefangen zu regnen, ein unangenehmer Schneeregen, durchsetzt mit kleinen Hagelkörnern, die gegen die Fensterscheibe polterten.

Ich schrieb an einer Hausarbeit, die ich noch am selben Abend fertig bekommen wollte, ehe sich das Thema zu verflüchtigen begann, und es wurde Mitternacht, bis ich endlich auch die letzte Literaturangabe im Computer hatte. Ich speicherte nur noch, bevor ich das Gerät ausschalten wollte. Korrektur lesen und ausdrucken konnte ich auch noch am nächsten Tag. Das Geratter des Druckers hätte sämtliche Nachbarn geweckt und außerdem war ich zu müde. Immerhin hatte ich den ganzen Tag vor dem Bildschirm verbracht. Und die damaligen Nadeldrucker waren noch ziemlich laut.

Es war mir zuerst nicht aufgefallen, vermutlich war ich zu sehr auf meine Arbeit konzentriert und ich hatte bei dem Geräusch, das ich jetzt bemerkte, keinen Unterschied zum Prasseln der Hagelkörner gemacht, das inzwischen zugenommen hatte, aber jetzt bemerkte ich ein leichtes knöchernes Klopfen, nicht mehr. Ich erwartete niemanden, vor allem nicht zu dieser Zeit. Möglich, dass jemand das spärliche Licht im Zimmer durch das Fenster wahrgenommen hatte und heraufgekommen war. Hauptsache, ich konnte ihn bald wieder loswerden. Ich war zu müde nach all den Stunden am Schreibtisch und wollte eigentlich so bald wie möglich ins Bett. Meine Lust auf Besuch war mehr als klein.

Nun gut, es war jemand an der Tür und ich konnte zumindest nachschauen, wer es war. Aber niemand antwortete auf mein „Ja?“. Auch nicht, als ich es wiederholte. Die Tür war nicht abgeschlossen, solange ich zu Hause war. Wer immer es war, konnte einfach von außen öffnen und hereinkommen. Ich ging, um nachzuschauen, aber niemand stand vor der Tür. Ich hatte mich wahrscheinlich nur geirrt. Oder jemand hatte woanders geklopft – die Wände in dem Gebäude waren mehr als hellhörig.

Nein, es war hier bei mir gewesen. Ich hörte das Klopfen wieder, etwas lauter als vorher. Es schien nicht von der Tür, sondern vom Fester her zu kommen, wie mir jetzt auffiel. Aber dort konnte niemand sein. Mein Zimmer befand sich im zehnten Stock. Und das Fenster war geschlossen, bei dem Wetter draußen sowieso, und würde auch nicht klappern.

Trotzdem wollte ich nachsehen und öffnete das Fenster. Man kann sich vorstellen, welchen Schreck ich bekam, als ein großer Vogel hereinkam, als das Fenster weit genug offen stand, und sich, als wäre es das selbstverständlichste auf der Welt, neben dem Monitor des Computers niederließ und so unverfroren dort sitzen blieb, als wäre er in seinem eigenen Nest.

Ich war so überrascht, dass ich nicht einmal auf die Idee kam, ihn sofort wieder hinaus zu scheuchen. „Was ist denn das?“ war alles, was mir dazu einfiel.

Wenn ich schon überrascht war, dass dieser Vogel zu dieser Jahreszeit und überhaupt herein gekommen war, war ich es noch mehr, als er zu sprechen anfing. Nicht wie diese Papageien, denen man irgendwelche Sätze und Geräusche beibringen kann, die sie dann lautmalerisch wiederholten. Dieser Vogel hier sprach ganz klar und sinnbezogen, nur die Stimme hatte diesen etwas rauen Klang, der an Papageien erinnerte.

„Ich brauche einen Schreiber“, sagte er und der Klang seiner Stimme verriet, dass er wusste, was er sagte. „Ich brauche einen Schreiber, der notiert, was ich diktiere.“

Jetzt erst schloss ich das Fenster, durch das die Kälte immer deutlicher hereinkam und das Zimmer auskühlte. Ich setzte mich. Die Situation war mehr als surreal. Was für ein seltsamer Vogel war das, der mich offensichtlich ausgesucht hatte, sein Sekretär zu sein? Und warum ausgerechnet mich? Zufall? Wie sollte ich das hier verstehen?

Ich saß vor ihm und sah ihn an. Er blickte mit seinen hypnotischen starren Augen zurück, mitten in mich hinein. Ich schwieg.

„Du sollst aufschreiben, was ich dir diktiere. Solange, bis ich gestorben bin.“

Erst jetzt wurde mir klar, dass er schon dreimal erklärt hatte, was er von mir wollte.

„Was soll ich aufschreiben?“

„Nur, was ich dir sage. Ich werde sterben. Ein Kapitel muss geschlossen werden.“

„Was für ein Kapitel?“

„Ein Leben.“

„Ein Leben?“

„Ein Leben. Mein Leben. Das Kapitel einer Zeit, die mit mir stirbt, damit eine neue Zeit geboren werden kann.“