Play Along - Liz Tomforde - E-Book

Play Along E-Book

Liz Tomforde

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Beschreibung

Was in Vegas passiert, bleibt nicht immer in Vegas – manchmal trifft es dich direkt ins Herz! Der TikTok-Hype endlich auf Deutsch!

Kennedy ist in ihrem Job als Sportmedizinerin für das Chicagoer Baseballteam stets professionell – bis zu einem Ausrutscher: Eines Morgens wacht sie in Las Vegas auf. Mit Erinnerungslücken und einem Ehering am Finger! Neben ihr liegt ausgerechnet Isaiah, der unverschämt gut aussehende und charmante Spieler, dessen Flirtversuche sie schon ewig abwehrt. Um ihren Ruf zu retten, lässt Kennedy sich zähneknirschend auf Isaiahs Vorschlag ein, die Saison über verheiratet zu bleiben. Was sie nicht weiß: Isaiah verfolgt ganz eigene Ziele. Er will seiner Traumfrau endlich beweisen, dass er der Richtige für sie ist. Sie muss nur mitspielen …

Sports Romance trifft auf Vegas Wedding und Fake Dating! Band 4 der unwiderstehlichen »Windy City«-Reihe!

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Seitenzahl: 654

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Buch

Kennedy ist in ihrem Job als Sportmedizinerin für das Chicagoer Baseballteam stets professionell – bis zu einem Ausrutscher: Eines Morgens wacht sie in Las Vegas auf. Mit Erinnerungslücken und einem Ehering am Finger! Neben ihr liegt ausgerechnet Isaiah, der unverschämt gut aussehende und charmante Spieler, dessen Flirtversuche sie schon ewig abwehrt. Um ihren Job zu retten, lässt Kennedy sich zähneknirschend auf Isaiahs Vorschlag ein, die Saison über verheiratet zu bleiben. Was sie nicht weiß: Isaiah verfolgt ganz eigene Ziele. Er will seiner Traumfrau endlich beweisen, dass er der Richtige für sie ist. Sie muss nur mitspielen …

Autorin

Liz Tomforde ist selbst Fan von Sports Romance und hat es sich auf die Fahne geschrieben, in ihren Romanen gesunde Beziehungen zu zeigen und Männer zu erschaffen, in die man sich einfach verlieben muss. Neben ihrer Tätigkeit als Autorin ist sie selbst Flugbegleiterin für ein NHL-Team und verbindet so ihre beiden weiteren Leidenschaften, das Reisen und Eishockey. Während der Pandemie nutzte sie die Inspiration aus ihrem Job und schrieb ihren ersten Roman »Mile High«, der auf Platz 15 der SPIEGEL-Bestsellerliste einstieg. Schon bald entstand die ganze »Windy City«-Reihe, die einen regelrechten TikTok-Hype auslöste. Liz Tomforde lebt und schreibt in Kalifornien.

Von der Autorin bereits erschienen:

Mile High · The Right Move · Caught Up

Liz Tomforde

Play Along

Roman

Deutsch von Maike Hallmann

Die Originalausgabe erschien 2024 unter dem Titel »Play Along« bei Hodder & Stoughton Ltd., London.

Der Verlag behält sich die Verwertung des urheberrechtlich geschützten Inhalts dieses Werkes für Zwecke des Text- und Data-Minings nach § 44 b UrhG ausdrücklich vor. Jegliche unbefugte Nutzung ist hiermit ausgeschlossen.

Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.

Copyright der Originalausgabe © 2024 by Liz Tomforde

Translation rights arranged by The Sandra Dijkstra Literary Agency

All Rights Reserved

Copyright der deutschsprachigen Ausgabe © 2024 by Blanvalet in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH, Neumarkter Straße 28, 81673 München

produktsicherheit@penguinrandomhouse.de

(Vorstehende Angaben sind zugleich Pflichtinformationen nach GPSR)

Redaktion: Catherine Beck

Umschlaggestaltung: www.buerosued.de nach einer Originalvorlage von Ever After Cover Design

Umschlagdesign: Ever After Cover Design

JS · Herstellung: DiMo

Satz: Vornehm Mediengestaltung GmbH, München

ISBN 978-3-641-31967-0V002

www.blanvalet.de

Darauf, vollkommen unvollkommen zu sein

Prolog

Isaiah

Vor drei Jahren

Es ist der schlimmste Tag des Jahres.

Es ist der schlimmste Tag jeden Jahres.

Normalerweise bin ich zu dieser Zeit mit meinen Mannschaftskameraden auf Reisen, weil wir uns mental auf die Saison vorbereiten. Ich sollte jetzt in Cancun oder Miami am Pool liegen und einen Cocktail schlürfen, während ringsum die Party tobt und mich ablenkt.

Nur bin ich dieses Jahr nicht am Pool, ich bin nicht betrunken, und ich habe auch keine angenehme Ablenkung. Stattdessen verstecke ich mich im Clubhaus des Teams in der Damentoilette … Dieses Jahr beginnt die Saison früh, und leider bietet mir der erste Baseballspieltag nicht genug Ablenkung.

Die Damentoilette ist makellos und viel, viel sauberer als unsere. Es gibt eine Samtcouch und kleine Parfümflaschen auf dem Tresen, hübsch gefaltete Handtücher und eine Glasschale mit Minzbonbons. Es riecht unendlich viel besser als auf der Männertoilette, und ich hoffe nur, dass die anderen Jungs nie auf den Trichter kommen, wie verdammt schön es hier ist, denn dies ist mein Geheimversteck, und das schon seit sechs Jahren – also seit mich die Windy City Warriors als Shortstop gedraftet haben.

Es gibt kein weibliches Personal bei uns, also benutzt niemand diese Toilette – außer mir, wenn ich einen Moment für mich brauche.

Man könnte sagen, ich bin der Durchgedrehte unseres Teams. Ein bisschen rücksichtslos und enorm von sich selbst eingenommen. Der Typ, der sich selbst bereitwillig zur Zielscheibe von Witzen macht, damit alle was zu lachen haben. Es würde ganz und gar nicht zu meinem Ruf passen, gleich zu Beginn der Saison einen Zusammenbruch zu erleiden oder vor meinen Mannschaftskameraden zu heulen wie ein kleines Mädchen.

Ich bin ein achtundzwanzigjähriger Mann und scheue nicht davor zurück, mir einzugestehen, dass dieser Tag immer noch schwer für mich ist, auch nach all den Jahren. Ich war erst dreizehn, als mein zwei Jahre älterer Bruder mir die Nachricht überbringen musste, dass sich das Auto unserer Mutter auf der Heimfahrt während eines Sturms um einen Baum gewickelt hat und wir sie niemals wiedersehen würden.

Also ja … Es ist der schlimmste Tag des Jahres.

Mit zitternden Knien sitze ich in einer der Kabinen auf dem geschlossenen Toilettendeckel und versuche, mich zusammenzureißen. Ich muss mich dringend wieder in den lustigen, fröhlichen Isaiah Rhodes zurückverwandeln, dem die Sonne aus dem Arsch scheint. Der die anderen mit seiner guten Laune ansteckt. Der Isaiah, den jeder hier zu sehen erwartet, sobald ich das Clubhaus betrete.

Ich bin gern dieser Typ. Neunzig Prozent der Zeit bin ich dieser Typ, von Natur aus. Ich habe schon als Kind herausgefunden, dass ich meinen Bruder auch dann zum Lachen bringen kann, wenn er eigentlich so gestresst ist, dass andere ihm nicht mal ein Lächeln entlocken können, und das war ein großartiges Gefühl. Es war, als hätte ich meinen Daseinszweck gefunden – die Menschen um mich herum glücklich zu machen. Und deshalb bleibe ich in solchen traurigen, schwierigen Momenten lieber für mich.

Ich gönne mir einen letzten Moment Traurigkeit, bevor ich die Kabine verlasse und mir am Waschbecken ein wenig Wasser ins Gesicht spritze.

Doch kaum öffne ich die Tür zum Gang, höre ich draußen Stimmen. Dieser Bereich des Clubhauses ist normalerweise leer. Erstaunt bleibe ich stehen. Erkenne Dr. Fredricks Stimme und beschließe, außer Sicht zu bleiben, denn ich möchte nicht, dass jemand mitbekommt, dass ich mich gerade zum Heulen hier verkrochen habe.

»Sie haben bei Ihrer Bewerbung gelogen.«

»Ich habe nicht gelogen«, erwidert eine Frau.

Dr. Fredrick senkt die Stimme, aber ich höre ihn trotzdem deutlich. »Sie haben mich gezielt getäuscht, und das wissen Sie auch.«

»Kenny ist die Kurzform von Kennedy.«

Vorsichtig spähe ich um die kleine Trennwand herum und entdecke Dr. Fredrick, der verärgert auf eine Frau hinunterstarrt.

Sie steht mit dem Rücken zu mir, deshalb sehe ich ihr Gesicht nicht, aber sie reicht Dr. Fredrick kaum bis zum Kinn, und er ist kein großer Mann. Ihr Haar ist zu einem dicken Pferdeschwanz zusammengebunden und fällt ihr über den halben Rücken. Ich kann die Farbe nicht richtig erkennen, aber es ist auf jeden Fall kein gewöhnliches Blond oder Brünett, so viel kann ich schon mal sagen.

Dr. Fredrick sieht sich um und vergewissert sich, dass sie allein sind. Rasch ducke ich mich hinter die Trennwand und lausche angestrengt.

»Das ist nicht das richtige Umfeld für Sie. Ich schlage vor, Sie lehnen das Stellenangebot ab und suchen sich etwas, das für jemanden wie Sie besser geeignet ist.«

»Für jemanden wie mich … also für eine Frau?«

Was zum Teufel?

Ich mochte Dr. Fredrick noch nie besonders. Aber er steht unserer Gesundheit-und-Wellness-Abteilung vor und ist der leitende Teamarzt; alle anderen Ärzte, Ernährungsberater und Sporttrainer sind ihm unterstellt. Deshalb hatte ich bisher zumindest noch einen gewissen Respekt vor ihm … aber jetzt verpufft er völlig.

Einen Moment lang herrscht Schweigen, als würde er überlegen, was er sagen soll, ohne sich damit in Schwierigkeiten zu bringen.

»Die ursprünglich ausgeschriebene Stelle muss nicht mehr besetzt werden. Wie mir die Personalabteilung mitgeteilt hat, kann ich das Angebot nicht mehr ganz zurückziehen, aber ich kann es abändern. Zum jetzigen Zeitpunkt suche ich nur einen Sporttrainer.«

»Was?«, fragt sie und lacht auf, es klingt entsetzt. »Ich bin Ärztin. Sie erwarten doch wohl nicht von mir, dass ich als Sporttrainerin mit an Bord komme?«

»Ich erwarte überhaupt nicht, dass Sie mit an Bord kommen.«

»Dr. Fredrick, ich bin extra für diesen Job nach Chicago gezogen. Sie haben meine Referenzen gesehen. Sie haben meine Praktika gesehen. Und auf dieser Grundlage haben Sie mich eingestellt.«

»Ich hatte damals eine andere Vorstellung davon, wen ich da einstelle.«

»Weil Sie annahmen, ich sei ein Mann.«

»Ich werde das nicht weiter mit Ihnen diskutieren. Wenn Sie für die Windy City Warriors arbeiten wollen, können Sie das gern tun – als Sporttrainerin auf Einstiegsniveau. Das ist die Stelle, für die ich jemanden suche.«

Sie zögert, und ich kann fast vor mir sehen, wie sie die Schultern strafft, ehe sie mit fester Stimme fragt: »Bis wann brauchen Sie meine Antwort?«

»Bis heute Nachmittag.«

»Gut. Ich werde Sie über meine Entscheidung informieren.«

Es herrscht einen Moment lang Schweigen, und ich glaube schon fast, das Gespräch sei beendet, aber dann höre ich Dr. Fredrick sagen: »Miss Kay, dies ist meine einzige Warnung: Falls Sie sich entscheiden sollten, mit an Bord zu kommen, und es gibt auch nur den Hauch von Verwicklungen zwischen Ihnen und einem der Spieler, dann werde ich Ihnen mit sofortiger Wirkung kündigen. Es gibt gute Gründe dafür, dass ich keine Frauen einstelle. Sie werden sich gemeinsam mit den Spielern in Umkleideräumen, Flugzeugen und Hotels aufhalten. Ich erwarte, dass Sie darauf achten, niemanden abzulenken.«

Es gibt gute Gründe dafür, dass ich keine Frauen einstelle. Verdammtes Arschloch.

»Bei allem Respekt, Dr. Fredrick, ich habe die letzten zwei Jahre als Teil eines nur dreiköpfigen Ärzteteams den gesamten Sportbereich der Universität von Connecticut betreut. Nichts in meinem Lebenslauf gibt auch nur den leisesten Anlass, an meiner Professionalität zu zweifeln.«

»Das waren Kinder. Das hier sind Männer«, antwortet er. »Ich denke, Sie wissen genau, worauf ich hinauswill.«

Sie räuspert sich, und ich muss sagen, es spricht sehr für ihre Professionalität, die er gerade so gründlich infrage stellt, dass sie ihm keinen rechten Haken verpasst, denn ich würde das an ihrer Stelle definitiv tun.

Ich bin manchmal vielleicht etwas impulsiv.

»Bis Mittag haben Sie meine Antwort«, sagt sie zum Abschied.

Schritte. Sie werden lauter, jemand geht in meine Richtung. Ich komme nicht hier weg, ohne gesehen zu werden, und obwohl ich die Absicht habe, die Information über dieses Gespräch an Monty weiterzugeben, unseren Manager, habe ich nicht vor, Dr. Fredrick vorher einzuweihen.

Um auf Nummer sicher zu gehen, ziehe ich mich in die Damentoilette zurück, bis ich sicher sein kann, dass er weg ist.

Ich war noch nie ein Fan unseres leitenden Teamarztes. In meinen Augen ist er ein Arschkriecher, der mit uns Jungs aus dem Team immer viel zu sehr auf Kumpel macht, aber bis zu diesem Moment hatte ich auch nicht direkt was gegen ihn. Wie er gerade mit dieser Frau gesprochen hat – als wäre er etwas Besseres als sie – , weckt in mir jedoch den starken Drang, jedem in der Organisation der Warriors mitzuteilen, was für ein sexistisches Stück Scheiße er ist.

»Sexistisches Stück Scheiße.«

Es ist, als würde meine stumme Schimpftirade von den Flurwänden jenseits der Klotür widerhallen, und zwar mit furchterregendem Zorn.

Die Frau vom Gang kommt hereingestürmt, und ich verstecke mich hastig in einer Kabine. Da stehe ich jetzt also, wie ein Perversling, und kann nicht fassen, in was für eine blöde Lage ich plötzlich geraten bin.

Ich spähe durch den Spalt in der Kabinentür und sehe das Spiegelbild der Fremden. Sie hat die Hände auf dem Waschbecken abgestützt und lässt den Kopf hängen, weshalb ich immer noch nicht ihr Gesicht sehen kann. Ihre Haarfarbe könnte ich immer noch nicht klar benennen.

Sie lacht leise in sich hinein. »Was zum Teufel war das bitte gerade?« Dann holt sie tief Luft und richtet sich auf, begegnet ihrem eigenen Blick im Spiegel. Endlich sehe ich ihr Gesicht … und zack, ist mein Kummer verflogen, denn jetzt bin ich gründlichst abgelenkt.

Diese winzige Frau, die so furchterregend klingen kann, dass sich jedem Mann vor lauter Schreck die Eier zusammenziehen würden, ist einfach umwerfend.

Sommersprossen überall auf der jetzt zornesroten, aber eigentlich cremefarbenen Haut. Augen, die ich für braun halte, den meinen sehr ähnlich. Und diese Lippen … Lippen, auf die sie gerade beißt, um nicht zu weinen, denn offenbar ist sie fest entschlossen, lieber wütend zu sein als traurig.

Instinktiv nehme ich an, dass ihr Lächeln mich in Flammen aufgehen lassen würde – auch wenn gerade keine Spur eines Lächelns zu sehen ist.

Während sie sich noch selbst im Spiegel beobachtet, fangen ihre Augen an zu schimmern. »Nein«, fleht sie. »Nicht hier. Reiß dich zusammen, Kennedy.«

Kennedy.

Sie atmet tief durch und schüttelt den Kopf. »Und hör verdammt noch mal damit auf, Selbstgespräche zu führen, du Spinnerin.«

Und mitten an diesem schlimmsten Tag des Jahres spüre ich, wie meine Mundwinkel vor Belustigung zucken.

Wie gebannt beobachte ich, wie sie ihr Handy zückt und jemanden anruft. Sie stellt es auf Lautsprecher und fängt an, auf und ab zu laufen.

Wahrscheinlich sollte ich spätestens jetzt zu erkennen geben, dass ich hier bin. Es fühlt sich an, als würde ich in ihre Privatsphäre eindringen. Aber leider habe ich keinen blassen Schimmer, wie ich ihr meine Anwesenheit erklären soll.

Hey, keine Sorge, ich hänge nur einfach gern mal auf der Damentoilette rum. Ich wasche mir eben schnell die Hände – rückst du ein bisschen?

Ich habe dein Gespräch mit unserem leitenden Teamarzt mit angehört. Ich gehe mit dir zur Personalabteilung, wenn du willst. Übrigens bist du echt hübsch.

»Hey, was gibt’s?«, meldet sich eine Männerstimme.

Ich hasse ihn sofort.

»Hast du gerade kurz Zeit?«, fragt sie. »Ich könnte ein Ohr gebrauchen.«

»Wir machen gerade Teamfotos, und ich bin als Nächster dran. Alles in Ordnung bei dir?«

Sie schließt die Augen, wie um sich zu beruhigen. »Ja, natürlich. Ich wollte nur kurz meinem Stiefbruder Hallo sagen.«

Stiefbruder. Zur Kenntnis genommen.

»Hallo. Ich vermisse dich. Ist dein erster Tag gut gelaufen?«

Sie starrt ihr Spiegelbild an und behauptet: »Es läuft großartig.«

»Gut. Hey, ich muss los, die Fotos … aber ruf mich doch später an, dann quatschen wir ein bisschen.«

Sie setzt ein Lächeln auf, von dem sogar ich, ein völlig Fremder, sofort weiß, dass es nicht echt ist. »Machen wir.« Kennedy beendet das Gespräch, lässt den Kopf sinken und murmelt: »Fuck.«

Ich weiß nichts über dieses Mädchen, aber ich weiß, dass sie jetzt jemanden braucht, der sie zum Lächeln bringt, und genau das ist zufällig meine Spezialität. Und übrigens glaube ich auch ein bisschen an das Schicksal, und obwohl ich diesen Tag von allen Tagen im Kalender am allerwenigsten leiden kann, kommt mir ganz besonders an diesem Datum alles noch ein wenig schicksalhafter vor als sonst.

Vielleicht sollte ich das Gespräch mit anhören.

Vielleicht bin ich in diese ungünstige Lage auf der Damentoilette geraten, weil sie jemanden zum Reden braucht.

Vielleicht hat meine Mutter irgendwie die Finger mit im Spiel und hat dafür gesorgt, dass wir uns heute begegnen.

Bei diesem Gedanken schließe ich die Augen und öffne den Mund, bevor ich richtig nachgedacht habe. »Wenn du jemanden brauchst, um über das Jobangebot zu reden, stehe ich dafür gern zur Verfügung.«

Lieber Himmel, wie verdammt gruselig war das denn?

Ich öffne die Augen wieder und beobachte, wie ihr Blick zum Spiegel schießt und sie meine Füße in der Reflexion findet.

»Was machen Sie auf der Damentoilette?«

»Hat mich etwa meine Schuhgröße verraten?«

»Spionieren Sie mir nach?«

»Na ja, technisch gesehen war ich zuerst hier, meinst du nicht?«

Mit zusammengekniffenen Augen mustert sie den Spalt in der Tür, ihr Blick wandert höher und begegnet meinem. »Hast du vor, auch mal irgendeine meiner Fragen zu beantworten, oder stellst du lieber selbst welche?«

Mir entweicht ein bellendes Lachen. Dieser Schlagabtausch gefällt mir.

»Ich verstecke mich auf der Damentoilette, weil ich einen beschissenen Tag habe, und wie ich gehört habe, geht es dir ähnlich.«

Ihre Schultern, eben noch fast bis zu den Ohren hochgezogen, sinken wieder nach unten. »Oh.«

Ich entriegle die Tür und schwinge sie nach innen, bis wir einander sehen können.

Schwarze Leggings schmiegen sich an lange, durchtrainierte Beine. Die Ärmel ihres dunkelgrauen Pullis mit kurzem Reißverschluss am Ausschnitt hat sie hochgekrempelt, und sie trägt saubere weiße Turnschuhe. Auch an Unterarmen und Knöcheln sehe ich blasse Haut mit Sommersprossen, und mir kommt der Verdacht, dass ihr ganzer Körper damit übersät ist.

Sie ist geradezu dafür geschaffen, Sportkleidung zu tragen. Und hübsch ist sie. So, so hübsch.

Mit viel weniger furchterregender Stimme als vorher fragt sie: »Wie viel von meinem beschissenen Tag hast du denn mitbekommen?«

Ich stelle mich neben ihr ans Waschbecken, lehne mich mit der Hüfte dagegen und sehe sie an. »Ich habe dein Gespräch mit Dr. Fredrick auf dem Flur gehört. Ich bin hierher zurückgekommen, damit er mich nicht entdeckt.«

»Oh.« Sie nickt und wendet den Blick ab. »Also alles.«

»Wir sollten mit der Personalabteilung sprechen, oder ich rede mal mit Monty, dem Manager. Er kann es dem Vorstand vortragen …«

»Nein. Nein, ich möchte das nicht. Es ist ja nicht das erste Mal, dass ich mit einem sexistischen Chef zu tun habe … Immerhin bin ich eine Frau, die im Sportbereich arbeitet.«

Ich halte inne. »Chef? Du wirst den Job also annehmen?«

»Ich …« Sie zögert und mustert mich. Ich überrage sie deutlich mit meinen gut eins dreiundneunzig, aber ich trage ganz normale Straßenklamotten. »Wer bist du eigentlich?«

Jetzt erst wird mir klar, dass sie keine Ahnung hat, dass ich der erste Shortstop des Teams bin, für das sie möglicherweise arbeiten wird. Spontan beschließe ich, meine unbekannte Identität zu meinem Vorteil zu nutzen.

»Im Moment bin ich einfach jemand, mit dem man reden kann. Und du sagtest doch, du bräuchtest gerade ein Ohr.«

Argwöhnisch betrachtet sie mich, versucht, mich einzuschätzen, aber offenbar ist der Drang, über ihre missliche Lage zu reden, stärker als ihr Misstrauen.

»Ich bekomme im Profisport einfach keinen Job.« Kurzes Schweigen, während ihre Worte noch in der Luft hängen. »Es spielt keine Rolle, dass ich an der Columbia als Klassenbeste abgeschlossen habe. Es spielt keine Rolle, dass die Ärzte, bei denen ich meine Assistenzzeit absolviert habe, mich in den höchsten Tönen loben, wenn sie nach meinen Referenzen gefragt werden. Es spielt keine Rolle, dass ich die jüngste leitende Ärztin an einer Universität war, deren Spieler in der ersten Liga nationale Meisterschaften gewonnen haben. Nein, nichts davon ist von Bedeutung, und das nur, weil ich zwei Titten und eine Vagina habe.«

Bei diesen offenen Worten mache ich große Augen.

»O mein Gott.« Sie zuckt zusammen und schlägt eine Hand vors Gesicht. »Ich kann nicht glauben, dass ich gerade zu einem völlig Fremden gesagt habe, ich hätte zwei Titten.«

»Ich wäre viel beeindruckter gewesen, wenn du gesagt hättest, es wären drei.«

Sie lugt durch ihre Finger, und ich setze mein schelmischstes Grinsen auf. Und als sie die Hand vom Gesicht nimmt, sehe ich ein verlegenes Lächeln statt feucht schimmernder Augen.

Schüchtern, ja. Aber ein Lächeln.

Ich strecke ihr die Hand entgegen. »Isaiah.«

Sie ergreift meine Hand und schüttelt sie. »Kennedy.«

»Nun, Kennedy … Da ich jetzt kein Fremder mehr bin, erzähl mir doch mehr über deine beiden Titten.«

Sie versucht, sich das Lächeln zu verkneifen, und diesmal ist es ein richtiges Lächeln. »Das wird wohl eine Weile dauern, bis du das vergisst, nicht wahr?«

»Auf jeden Fall.« Ich neige den Kopf. »Ich dachte, dein Name wäre Kenny?«

Sie kichert. Es ist ein verlegenes Kichern, aber es klingt schön. »Niemand hat mich jemals Kenny genannt. Ich habe es nur mal mit diesem Namen versucht, nachdem ich unter dem Namen Kennedy sechs Ablehnungsbescheide in Folge erhalten habe.«

»Nun, Kenny …«

»Nein …«

»Erzähl mir von dem Jobangebot.«

Sie holt frustriert Luft. »Seit ich meinen Facharzt habe, versuche ich, in den Profisport zu kommen. Mein Ziel ist es, eines Tages leitende Mannschaftsärztin zu sein. Aber ich bekomme einfach nirgends einen Fuß in die Tür. Die Stellen, auf die ich mich bewerbe, bekommen teilweise Jungs, mit denen ich zusammen studiert habe und die kaum ihren Abschluss geschafft haben und außerdem viel schlechtere Referenzen vorweisen können als ich. Als mir also hier die Stelle als zweite Mannschaftsärztin angeboten wurde, habe ich sofort zugegriffen. Ich habe meine Sachen gepackt und bin vergangenes Wochenende in die Innenstadt von Chicago gezogen. Dr. Fredrick und ich haben nur per E-Mail miteinander kommuniziert, weil er sich in der Nebensaison eine Auszeit genommen hat. In meinen Referenzen wurde anscheinend nicht erwähnt, dass ich eine Frau bin … Das kann ich allerdings nicht mit Sicherheit sagen. Aber heute Morgen, als ich mich ihm vorgestellt habe, hat er das Jobangebot sofort zurückgezogen.«

Sie ist also hübsch und wahnsinnig klug. Verstanden.

»Als Dr. Fredrick dem Leiter der Personalabteilung mitteilte, dass es sich um einen Irrtum handle und die Stelle nicht mehr besetzt werden muss, wurde ihm mitgeteilt, rechtlich gesehen müsse er mich in irgendeiner Funktion einsetzen. Ich glaube nicht, dass die Personalabteilung weiß, dass seine plötzliche Entscheidung gegen einen zweiten Arzt etwas damit zu tun hat, dass er versehentlich eine Frau eingestellt hat.«

Die Worte sprudeln nur so aus ihr heraus, und sie kann nicht mehr aufhören.

»Und jetzt wird mir ein Job als Sporttrainerin angeboten, was, versteh mich nicht falsch, ein toller Job ist, aber ich habe doch nicht mein ganzes Erwachsenenleben damit verbracht, Sportmedizin zu studieren, um dann die Behandlungspläne eines anderen auszuführen, verstehst du das?« Sie mustert mich von Kopf bis Fuß. »Und warum zum Teufel erzähle ich dir das alles?«

Ich lache leise. Sie ist wirklich völlig durch den Wind, und ich finde das sehr liebenswert.

»Weil ich ein guter Zuhörer bin.«

Da ist es wieder, das schüchterne Lächeln. »Also … Was denkst du, was sollte ich tun?«

Das fragt sie mich? Offensichtlich weiß sie nichts über mich, denn ich bin normalerweise der Letzte, den irgendwer um Rat fragt. Zu mir kommen die Leute, wenn sie etwas zum Lachen brauchen oder ein bisschen Spaß haben wollen.

Mein Bruder Kai ist von uns beiden der Ernsthafte, und wenn er nicht für die Seattle Saints Baseball spielen würde, sondern hier wäre, dann würde ich ihn fragen, welchen Rat ich diesem Mädchen geben soll. Er ist meine Anlaufstelle für alle wichtigen Fragen, und ich vermisse ihn entsetzlich.

Aber er ist nicht hier, also muss ich mir selbst etwas einfallen lassen.

Ich persönlich finde, sie sollte zu Dr. Fredrick gehen und ihm in die Eier treten, aber mir gefällt die Vorstellung, dass sie hier arbeitet. Ich fände es schön, dieses sommersprossige Gesicht bei jedem meiner Spiele zu sehen.

Man kann sich gut mit ihr unterhalten, und sie hat den schlimmsten Tag des Jahres erträglich gemacht. Mehr als erträglich sogar – gut.

»Was willst du denn tun?«, frage ich, statt ihr meine Meinung mitzuteilen.

»Du liebst es wirklich, eine Frage mit einer Gegenfrage zu beantworten, was?«

Ich schmunzle.

»Ich möchte im Profisport arbeiten«, sagt sie klar und entschlossen. »Es werden nur selten Stellen frei, weil das für die meisten Menschen eine Karriereentscheidung ist, der sie ihr Leben lang treu bleiben.«

»Du willst im Profisport arbeiten«, sage ich, damit sie den Klang dieser Worte selbst hört.

Sie nickt. »Ich sollte den Job annehmen. Wenigstens bekomme ich so einen Fuß in die Tür. Aber gottverdammt, Dr. Fredrick ist wirklich ein mieser Typ, und wenn er Frauen schon so behandelt, will ich mir gar nicht ausmalen, wie die Spieler so drauf sein mögen.«

Aua, verflixt.

Zugegeben, wir sind ein Haufen von lauter Idioten, aber keiner der Jungs ist ein respektloser Arsch.

»Ich werde …« Ich räuspere mich. »Ich werde dafür sorgen, dass dir keiner der anderen Jungs im Team das Leben schwer macht.«

Verwirrt kneift sie die Augen zusammen, aber sie hat immer noch dieses hübsche Lächeln auf den Lippen, das mir direkt in die Eingeweide fährt. »Wer bist du?«

»Zwei Titten und ein bisschen vergesslich, hm, Kenny? Ich habe dir meinen Namen doch schon gesagt.«

»Arbeitest du im Büro oder für …«

»Ich sollte jetzt mal so langsam los.« Ich deute auf die Tür. »Darf ich dich hinausbegleiten?«

Sie mustert mich misstrauisch, und ich kann nicht anders, als zu lächeln wie ein verdammter Idiot, weil mir die Aufmerksamkeit dieses klugen Mädchens gilt.

Ich bin nicht naiv. Ich weiß, dass sie schon bald rausfinden wird, dass ich einer der Spieler bin, und nach Dr. Fredricks Warnung gehe ich davon aus, dass sie mich dann nicht mehr mit dem Arsch ansehen wird. Also werde ich das bisschen Zeit nutzen, das mir noch bleibt.

Ich halte ihr die Tür auf, und sie läuft unter meinem Arm hindurch in den Gang, ohne dass sie sich dabei ducken muss.

»Du darfst es niemandem erzählen«, sagt sie.

»Was meinst du?«

»Wenn ich die Stelle annehme, darfst du niemandem erzählen, was Dr. Fredrick gesagt hat, und auch nichts über meine Qualifikationen.«

»Ich glaube, du bist die erste Ärztin, die ich kennenlerne, die nicht will, dass jeder weiß, dass sie Ärztin ist.«

»Isaiah, bitte.«

Diese zwei kleinen Worte lassen mich innehalten.

Mein Name. Es klingt schön, wenn sie meinen Namen sagt.

Und es gefällt mir, wenn sie mich anfleht.

Ich betrachte ihr verzweifeltes Gesicht. »Ich schweige wie ein Grab.«

»Und was ist mit dem Gespräch, das du belauscht hast?«

»Du meinst den Teil des Gesprächs, als ich erfahren habe, dass Dr. Dick ein Frauenhasser ist?«

»Ja, genau.«

»Doch, dazu werde ich etwas sagen. Und zwar genau jetzt.«

Sie greift nach meinem Unterarm, um mich aufzuhalten, und ihre blasse, von Sommersprossen übersäte Hand bildet einen starken Kontrast zu meiner Haut, die tief gebräunt ist von unzähligen Baseballspielen im Freien.

Doch bevor ich mir den Unterschied richtig einprägen kann, zieht sie die Hand auch schon wieder weg. »Falls ich mich dafür entscheide, diese Stelle anzunehmen, wird es ohnehin schwierig genug, mit ihm zusammenzuarbeiten. Ich kann diese Arbeitsbeziehung nicht mit einer Beschwerde beim Management oder dem Vorstand beginnen. Das regle ich selbst.«

Sie hat die Schultern zurückgenommen und macht sich so groß wie möglich, und obwohl sie trotzdem höchstens eins sechzig ist, strahlt sie Stolz und große Entschlossenheit aus.

Das ist gut. Diese Entschlossenheit wird sie auch brauchen, wenn sie für dieses Stück Scheiße arbeitet. »Wenn«, korrigiere ich. »Wenn du dich dafür entscheidest.«

Wir lächeln einander wissend zu, als gäbe es ein Geheimnis, das nur wir beide kennen.

»Sehen wir uns wieder?«, fragt sie.

»Oh, ich bin ziemlich sicher, dass wir uns noch über den Weg laufen werden.«

»Rhodes!«, ruft Cody, unser First Baseman. Er ist gerade um die Ecke gebogen und entdeckt mich vor der Damentoilette. Er ist schon in voller Montur, bereit für unsere heutige Teamfoto-Session. »Da bist du ja. Beeil dich! Der Fotograf fängt in fünf Minuten an, und deine Klamotten hängen noch in der Umkleidekabine. Monty hat mich geschickt, um dich zu suchen.« Mit diesen Worten dreht er sich um und joggt zurück ins Clubhaus.

Langsam wende ich mich Kennedy zu, mein unschuldigstes Lächeln auf den Lippen. Ihre ohnehin schon helle Haut ist noch blasser geworden. »Du bist einer der Spieler?«

»Shortstop.« Ich zwinkere ihr zu.

Jede Spur eines Lächelns ist wie weggewischt, und die ganze Atmosphäre ändert sich, als würden auf einmal Eiskristalle in der Luft knistern. Sie ist schockiert. Verwirrt. Und auch wütend.

»Dieses Gespräch hat nie stattgefunden.« Sie macht kehrt und stürmt davon. Ich bin sicher, dass ihr Dr. Fredricks Warnung in den Ohren klingelt.

»Hey, Kenny!«, rufe ich ihr hinterher, und sie bleibt stehen und sieht mich zögernd an. »Ich habe versprochen, dass ich dafür sorge, dass die anderen Jungs dir nicht das Leben schwer machen, aber von mir selbst habe ich nie gesprochen.« Als sich ihre Lippen ganz leicht öffnen, zwinkere ich ihr noch mal zu. »Man sieht sich, Doc.«

»Wo hast du gesteckt?«, fragt Travis, unser neuer Catcher, als ich mir das T-Shirt über den Kopf zerre und die Jeans ausziehe, weil ich meine neue Uniform tragen muss, so wie meine Teamkollegen auch.

Travis’ Spind befindet sich links von meinem, der von Cody rechts.

»Ich war noch beschäftigt.«

Oben in meinem Spind hängt ein Bild von mir, meiner Mutter und meinem Bruder, verborgen vor den Blicken der anderen. Ich lege meine Uhr aufs Regalbrett und streiche mit dem Daumen über das Foto.

»Tja«, sagt Cody, lacht und deutet quer durchs Clubhaus. »Ich bin auch sehr beschäftigt – und zwar damit.«

Nur mit Boxershorts bekleidet, drehe ich mich um und entdecke Kennedy, die gerade mit Dr. Fredrick spricht. Ich betrachte seinen angespannten Kiefer und die aufgeblähten Nasenlöcher und sehe genau den Moment, als sie ihm sagt, dass sie den Job annimmt.

Travis pfeift leise durch die Zähne. »Hübsch.«

»Klug ist sie auch«, ergänze ich, aber ich erzähle ihnen nicht, was ich weiß, weil Kennedy mich gebeten hat, es für mich zu behalten. Und es gefällt mir, etwas über die neue Sporttrainerin zu wissen, was sonst niemand weiß. »Hey … Was würdest du sagen, welche Haarfarbe sie hat?«

»Rot«, antwortet Travis schlicht.

»Komm schon, Trav. Ich hab dir doch gesagt, dass Isaiah es etwas präziser mag.« Cody mustert sie eingehend. »Ich würde es Kastanienbraun nennen. Eine Mischung aus warmem Rot und erdigem Braun, aber auch mit etwas Kupferanteil.«

»Wie ein Penny?«

»Genau.«

Aus diesem Grund frage ich Cody nach so etwas. Der Typ versteht, dass ich Details brauche.

Ich beobachte sie quer durch den Raum, während Dr. Fredrick ihr offenbar eine Predigt hält, und sie entdeckt mich. Mustert mich aufmerksam, wobei sie bei den Füßen anfängt, sich an meinen nackten Beinen hocharbeitet, eine Weile bei meinen Boxershorts verweilt und sich dann etwas Zeit nimmt, um meine nackte Brust zu betrachten. Als ihr Blick schließlich mein Gesicht erreicht, setze ich mein selbstgefälligstes Grinsen auf, damit sie weiß, dass ich sie erwischt habe.

Sie sieht sofort weg, und ich kann mir ein Grinsen nicht verkneifen. Travis stupst mich an der Schulter an. »Sag schon, wer ist sie?«

Und an diesem Tag, an dem sich alles wie ein Zeichen anfühlt, sage ich ohne das leiseste Zögern: »Meine zukünftige Frau.«

Die beiden brechen in Gelächter aus, aber ich achte nicht auf sie, sondern behalte die einzige Frau im ganzen Gebäude aufmerksam im Auge.

Kennedy streicht sich eine Strähne ihres kastanienbraunen Haars hinters Ohr, und da sehe ich ihn aufblitzen – einen unübersehbaren Diamantring an ihrem linken Ringfinger. Irgendwie ist er mir vorher gar nicht aufgefallen.

»Tut mir leid, Mann.« Cody lacht wieder und legt mir eine Hand auf die Schulter. »Sieht aus, als wäre dir jemand zuvorgekommen.«

Und zack, ist dies wieder der schlimmste Tag des ganzen Jahres.

Kapitel 1

Isaiah

Gegenwart

»Da sind ja meine Jungs.« Ich entdecke Cody und Travis auf der Straße vor unserem Hotel, gehe zu ihnen und lege ihnen jeweils einen Arm um die Schultern. »Wohin gehen wir?«

»Wird auch Zeit, Rhodes.« Travis, unser Catcher, duckt sich unter meinem Arm weg. »Du brauchst länger als alle anderen Leute, die ich kenne, um dich fertig zu machen. Und trotzdem passen deine Socken nicht zusammen.«

Ich blicke auf meine Füße hinunter – meine Hose endet genau an den Knöcheln. »Ich finde schon, dass sie passen.«

»Wir haben einen Tisch mit Nachschenk-Service im Club drüben im Caesars Palace.« Cody gestikuliert den Strip hinunter. »Lasst uns gehen.« Unser erster Baseman läuft aufgeregt los, der Rest des Teams folgt dicht dahinter, und ich bilde das Schlusslicht.

Wir sind schon seit ein paar Tagen in Vegas, und heute ist unsere letzte Nacht. Jedes Jahr, bevor die Saison beginnt, machen die Jungs und ich in der Vorsaison eine Reise fürs Team-Bonding. Als Belohnung dafür, dass wir den Winter in Chicago überlebt haben, geht es in der Regel an einen heißen oder tropischen Ort, und auch wenn Las Vegas zu dieser Jahreszeit nicht allzu heiß ist, halten die stickigen Clubs und der überteuerte Alkohol uns alle gut warm.

Nicht dass wir uns Gedanken wegen der Kosten für den Alkohol machen müssten – wir müssen ihn ja nicht mal selbst bezahlen. Als professionelles Baseballteam bekommen wir hier ständig Tische in Clubs angeboten, und der geschenkte Alkohol fließt in Strömen.

Vor zwei Jahren wurde mein älterer Bruder Kai von den Windy City Warriors gedraftet, also spielen wir jetzt endlich im selben Team. Er ist nicht mit uns nach Vegas gekommen, sondern in Chicago bei seinem Sohn und seiner baldigen Verlobten geblieben, aber der Rest meiner Jungs ist hier, und abgesehen von der Zeit mit meiner Familie genieße ich nichts mehr, als mit meinen Freunden abzuhängen und ein paar Drinks zu kippen.

»Ist heute die große Nacht gekommen?« Travis verlangsamt seine Schritte und lässt sich zurückfallen, bis wir nebeneinander laufen.

»Was für eine große Nacht?«

»Jene große Nacht, in der du mal im Club mit jemand anderem sprichst als mit deinen Teamkollegen?«

»Aber ich sehe keinen Sinn darin. Ich bin auf einem Team-Bonding-Trip. Ich bonde mit meinen Teamkollegen.«

»Ja, wir sind alle auf einem Team-Bonding-Trip, aber du bist der Einzige von uns, der in beiden Nächten hier allein nach Hause gegangen ist.«

»Kein Interesse«, sage ich mit einem lässigen Schulterzucken. »Und außerdem stimmt es nicht. Lautner, der Neuling aus Oregon, ist auch allein nach Hause gegangen. Der Junge hat null Bock auf Frauen.«

»Wer zum Teufel sind Sie, und was haben Sie mit Isaiah Rhodes gemacht? Wann bitte hattest du jemals kein Interesse an Frauen? Und seit wann bist du nicht mehr der Mittelpunkt jeder Party? Letztes Jahr in Miami mussten wir einem Polizisten zwei Tickets mit den besten Plätzen versprechen, nur damit er dich nicht verhaftet, nachdem du angefangen hast, direkt am Ocean Drive einen Striptease hinzulegen.«

»Wir waren in Florida. Es war heiß. Und ich bin immer noch der Mittelpunkt jeder Party. Ich höre jetzt nur mit der Party auf, wenn wir die Bar verlassen.«

Travis wirft mir aus den Augenwinkeln einen vielsagenden Blick zu, weil er genau weiß, warum.

Eigentlich weiß das ganze Team Bescheid.

Es gibt nur eine Frau, die jemals wirklich mein Interesse geweckt hat, und jetzt, da sie nicht mehr den Verlobungsring eines anderen Mannes trägt, lege ich keinen Wert mehr darauf, Zeit mit anderen Frauen zu verbringen.

Meine Mannschaftskameraden bedrängen mich, diesen Wunschtraum aufzugeben, denn ihrer Meinung nach wird es nie was mit uns. Sie glauben, dass die einzige Frau in unserem Team mit keinem von uns jemals etwas anfangen würde, am allerwenigsten mit mir. Und ja, ich habe Kennedy Kay mehr Ärger gemacht als jeder andere im Team … aber nur, weil ich ihr genau das versprochen habe.

Und ich halte immer meine Versprechen.

Als wir das andere Hotel erreichen, scheint die Schlange aus dicht gedrängten Menschen, die ebenfalls in den Club wollen, endlos zu sein, aber glücklicherweise erhält Cody einen Anruf: Wir sollen an der Schlange vorbei zum Hintereingang gehen.

Als wir an den wartenden Gästen vorbeilaufen, legt sich plötzlich eine Hand auf meinen Bizeps.

»Hey, dich kenne ich doch«, sagt eine weibliche Stimme. »Du spielst Baseball für Chicago. Nummer neunzehn.«

Ich drehe mich um. Es ist eine Frau mit hellem Haar und glitzerndem Make-up. »Das stimmt.«

Ihre Hand wandert meinen Arm hinunter. »Rhodes, richtig?«

»Es gibt jetzt zwei Rhodes, die für Chicago spielen, aber ja, ich bin Isaiah.« Ich strecke ihr eine Hand entgegen, und zwar so, dass sie meinen Arm loslassen muss, um mir die Hand zu schütteln.

»Bridget. Was führt dich denn nach Vegas?«

»Team-Bonding-Trip.« Ich zeige auf die Jungs, die stehen geblieben sind und auf mich warten.

Ihre Augen funkeln, und sie deutet auf die Mädchen in ihrem Gefolge. »Wir sind hier, um meinen Geburtstag zu feiern.«

»Na dann … Alles Gute zum Geburtstag.« Ich zwinkere ihr zu. Alte Gewohnheiten lassen sich nur schwer ablegen, und ich bin ein verdammter Idiot, denn ihrem Grinsen nach zu urteilen, glaubt sie jetzt, ich hätte Interesse.

»Habt ihr einen Tisch? Wir würden uns gern zu euch setzen.«

»Wir haben einen Tisch.« Ich gebe mein Bestes, um bedauernd zu klingen, um ihre Gefühle nicht zu verletzen. »Aber heute ist Männerabend.«

»Heute ist definitiv kein Männerabend«, höre ich Cody irgendwo hinter mir sagen.

»Du verstehst das doch, oder?«, fahre ich fort, als hätte er nichts gesagt.

»Na klar.« Bridgets Augen flackern … Ich glaube, es ist eher Verlegenheit als Enttäuschung.

»Aber hey«, sage ich rasch. »Kommt drinnen mal kurz bei uns vorbei und sagt Bescheid, wo ihr seid, dann sorge ich dafür, dass der Barkeeper eure Drinks auf meine Rechnung setzt, ja? Wir können doch nicht zulassen, dass das Geburtstagskind seine Drinks selbst bezahlt.«

Sie strafft die Schultern, und das Selbstvertrauen kehrt in ihr Gesicht zurück. »Nein, das können wir nicht.«

»Viel Spaß, meine Damen, und alles Gute zum Geburtstag, Bridget.«

Sie wiegt sich kokett in den Hüften. »Danke, Isaiah. Wir sehen uns dann im Club.«

Die Hände in den Taschen, gehe ich zur Hintertür, als wäre nichts Ungewöhnliches passiert. Denn tatsächlich ist ja auch nichts Ungewöhnliches passiert.

»Erstens«, sagt Cody und schließt zu mir auf. »Wie zum Teufel kann man einer Frau einen Korb geben und es trotzdem fertigbringen, dass sie immer noch heiß auf einen ist? Ich brauche auch was von diesem Isaiah-Rhodes-Charme.«

Ich schnaube. »Du reißt mehr Mädchen auf, als ich es je getan habe.«

»Sie war übrigens wunderschön.«

»Dann versuch doch, bei ihr zu landen.«

»Vielleicht tu ich das auch.«

»Und zweitens«, schaltet sich Travis ein, »du bist ein Idiot. Bitte, um Himmels willen, werde doch endlich wieder vernünftig. Cody, fällt einem eigentlich irgendwann der Schwanz ab, wenn man ihn nie benutzt? Wird Isaiah als wiedergeborene Jungfrau sterben?«

»Das kann ich dir nicht sagen, denn ich benutze meinen Schwanz oft.« Cody bleibt abrupt stehen. »Warte mal … wiedergeborene Jungfrau? Immer noch? Und immer noch wegen Kennedy?«

»Ach, fickt euch doch. Alle beide.«

Travis lacht leise in sich hinein. »Isaiah, du musst das endlich mal überwinden. Das geht jetzt schon drei Jahre so!«

»Es sind noch keine drei Jahre.«

»Du bist in dieses Mädchen verknallt, seit sie zum ersten Mal das Clubhaus betreten hat.«

»Ja, aber ich habe erst vor acht Monaten kapiert, dass sie inzwischen Single ist, also lebe ich eigentlich erst seit acht Monaten enthaltsam.«

»Wow.« Cody nickt. »Trav hat recht. Du bist ein Idiot.«

Ich verpasse ihm einen Klaps gegen den Hinterkopf. »Wisst ihr noch, gestern Abend? Als wir schon ein paar Drinks intus hatten und ich euch gesagt habe, dass ihr meine besten Freunde seid?«

»Ja?«

»Ich nehme es zurück. Ihr seid beide scheiße.«

Die Hintertür des Clubs öffnet sich, und der Türsteher nickt Cody zu. Das Team geht hinein. Wir drei bilden das Schlusslicht.

»Wir passen nur auf dich auf.« Cody legt den Arm um meine Schultern. »Du baggerst seit Jahren an ihr rum, und sieh doch mal, wie weit du damit gekommen bist.«

Ich baggerte nicht seit Jahren an ihr rum. Na schön, vielleicht flirte ich seit drei Jahren schamlos mit dem Mädchen, aber ich habe nicht ernsthaft versucht, bei ihr zu landen. Schließlich war sie verlobt. Aber jetzt ist sie es nicht mehr. Jetzt sind meine Absichten todernst … aber sie denkt, ich mache immer noch Witze.

Meinetwegen kann man es abergläubisch nennen oder sogar lächerlich, aber der Tag vor drei Jahren, an dem ich sie kennengelernt habe, fühlte sich schicksalhaft an. Ein Lichtblick am normalerweise schlimmsten Tag des Jahres.

In wenigen Minuten bricht genau dieser Tag wieder an. Inzwischen ist es achtzehn Jahre her, dass ich meine Mutter verloren habe, und trotzdem habe ich an diesem Datum seither nur noch ein einziges Mal wirklich gelächelt. Und das war an dem Morgen, als Kennedy Kay in die Damentoilette und in mein Leben gestürmt ist.

Wir folgen unseren Teamkollegen in den Club, und ich muss brüllen, damit sie mich über die hämmernden Beats noch hören können. »Glaubt ihr etwa nicht an das Schicksal?«

»Verdammt noch mal, Rhodes.« Travis schüttelt den Kopf. »Hast du gerade wirklich mitten in einem verdammten Nachtclub geschrien: Glaubt ihr etwa nicht an das Schicksal? Bitte, um Himmels willen, such dir eine Frau und lass dich flachlegen.«

Cody muss lachen. Der Türsteher schließt die Hintertür hinter uns. »Ich fange sofort an, ans Schicksal zu glauben, wenn Kennedy freiwillig Zeit mit dir verbringt, ohne dass es berufliche Gründe hat.«

Travis grinst. »Wenn sie Zeit mit ihm verbringt? Vergiss es. Im Moment würde es mir ja schon reichen, wenn Kennedy außerhalb der Arbeitszeit auch nur ein einziges Wort mit ihm wechseln würde.«

Ich gehe rückwärts und sehe meine Freunde an, während wir dem Rest des Teams durch den belebten Club zu einem privaten Tisch folgen. »Ihr habt einfach keinen Glauben. Aber eines Tages werdet ihr schon sehen«, ich breite die Hände weit aus, »es ist vorherbestimmt!«

Auf einmal stoße ich mit dem Rücken gegen jemanden und latsche ihm auf den Fuß. Ich stolpere, kann mich aber wieder fangen und höre sogar über die Musik hinweg das leise, schmerzerfüllte Zischen einer Frau.

»Oh, Scheiße.« Ich drehe mich gerade noch rechtzeitig um, um ihre Oberarme zu ergreifen und sie zu stützen. »Es tut mir leid! Es tut mir so leid. Ich habe nicht aufgepasst.«

»Hab ich gemerkt.« Die Frau balanciert auf einem hohen Absatz, während sie den verletzten Fuß umklammert, das lange Haar fällt ihr wie ein Vorhang vors Gesicht.

Dieses Haar.

Selbst im Zwielicht des Clubs erkenne ich dieses Haar. Dieser Farbton hat sich mir tief eingeprägt. Kastanienbraun, wie Cody es genannt.

Kennedy-Kay-Kastanienbraun, wie ich diese Farbe inzwischen nenne.

»Kenny?«

Augenblicklich versteift sie sich, dann sieht sie auf und mustert mich aus braunen Augen. »Isaiah?«

»Hallo.«

Sie starrt mich entgeistert an, aber das hält mich nicht davon ab, sie eingehend zu betrachten.

Gott, sie ist umwerfend. Ich sehe sie nur selten in etwas anderem als Arbeitskleidung: ein Warriors-Polo und schwarze Leggings. Aber heute Abend trägt sie das Haar offen und perfekt gestylt, das knappe weiße Minikleid und die dazu passenden weißen High Heels bringen ihre sommersprossigen Arme und Beine voll zur Geltung.

Sie sieht so verdammt gut aus. Und ihr Outfit wirkt teuer und wie maßgeschneidert.

»Isaiah.«

»Ja?«

»Ich habe dich gefragt, was du hier machst.«

Ruckartig richte ich die Aufmerksamkeit auf ihren Fuß, auf den ich gerade getreten bin. Kennedy belastet ihn immer noch nicht und hat offenbar starke Schmerzen. Ich beuge mich schon vor, als mir aufgeht, wie eigenartig es wirken muss, mitten in einem Club jemandes Fuß zu begutachten. Ganz egal, wie sehr ich in die Besitzerin dieses Fußes verknallt bin.

»Ist dein Fuß in Ordnung? Ich hole an der Bar einen Beutel mit Eis.«

»Geht schon. Erstaunlicherweise tut mein Fuß wegen der Absätze mehr weh als dadurch, dass mir zweihundert Pfund Muskeln draufgetrampelt sind.«

Ein Grinsen breitet sich auf meinem Gesicht aus. »Du kennst wohl meine Körperwerte auswendig, was, Ken? Ich wusste doch, dass du von mir besessen bist.«

»Oh, Rhodes, bilde dir bloß nichts darauf ein. Es ist mein Job, deine Körperwerte zu kennen. Was tust du hier?«

»Das ist die jährliche Bonding-Reise vor der Saison. Also … vor der regulären Saison und nach dem Frühjahrstraining.« Ich zeige auf meine Teamkollegen, die gerade in einen abgesperrten Bereich des Clubs geführt werden. Cody und Travis winken ihr zu.

Bei dem schlechten Licht ist es schwer zu erkennen, aber Trav schüttelt ungläubig den Kopf, während ich Cody von den Lippen ablesen kann, dass er sagt: Das kann doch nicht wahr sein.

»Oh«, sagt Kennedy, als es ihr dämmert. »Das ganze Team ist hier.«

»Alle außer Kai. Er ist zu Hause bei Max und Miller.« Ich deute auf den Tisch. »Setz dich doch zu uns.«

»Sieht so aus, als wäre es ein Männerabend.«

Ich schnaube. »Ganz sicher nicht.«

Kennedy blickt zu unserem Tisch rüber, und in ihren Augen leuchtet eine leise Sehnsucht auf, als würde sie tatsächlich gern bei uns sitzen. Ein krasser Kontrast zu der sofortigen Absage, die ich sonst jedes Mal kassiere, wenn ich versuche, sie zu Unternehmungen außerhalb der Arbeit einzuladen.

»Ich kann nicht.« Sie zeigt mit dem Daumen über ihre Schulter auf einige Mädchen, alle weiß gekleidet bis auf eine, die ein glänzendes, funkelndes Silberkleid trägt. »Junggesellinnenparty.«

Silberfunkel trägt einen Kostümschleier und über der Brust eine Schärpe mit der Aufschrift Zukünftige Mrs. Danforth. Sie posiert mit all ihren weiß gekleideten Freundinnen für ein Foto.

Mit allen Freundinnen bis auf Kennedy.

»Ich bin gerade auf dem Weg zur Bar, um noch eine Flasche Champagner zu holen«, erklärt sie.

Im Aufblitzen des Stroboskoplichts mache ich vor der Bar eine schier endlose Schlange aus.

»Habt ihr Mädels denn keinen Tischdiener? An der Bar wartest du bestimmt noch eine Stunde.«

»Genau das hatte ich gehofft.«

Ich runzle die Stirn. »Komm mit an unseren Tisch. Dann kann ich für dich mitbestellen.«

»Isaiah.« Sie seufzt. »Du weißt, dass ich das nicht tun kann. Ich arbeite für das Team.«

»Und du bist die Einzige im Team, die der Meinung ist, für uns zu arbeiten bedeutet, dass du nicht mit uns abhängen darfst. Aber keine Regel verbietet, dass wir Freunde sind.«

»Bei mir liegt der Fall anders, und das weißt du auch.«

So gern ich ihr auch widersprechen würde, ich weiß, dass sie zumindest teilweise recht hat. Nein, keiner der Jungs aus dem Team würde jemals schlecht über sie denken, nur weil sie ein paar Drinks mit uns nimmt. Wir alle wären uns immer noch einig, dass sie die beste Sporttrainerin des ganzen Teams ist, und ich wäre immer noch der Einzige, der den Grund dafür kennt, weil ich weiß, dass sie für diese Aufgabe hoffnungslos überqualifiziert ist.

Eigentlich dürfte es dafür keinerlei Ärger geben … aber sie arbeitet unter einem leitenden Arzt, der sich nichts sehnlicher wünscht als einen Grund, sie zu feuern. Und vermutlich wäre ihm dafür auch eine erfundene Geschichte recht, die auf im Internet aufgetauchten Fotos beruht, die sie gemeinsam mit uns in Sin City zeigen.

Im Gegensatz zu den männlichen Mitarbeitern muss Kennedy sorgfältig darauf achten, klare Grenzen zu ziehen.

Überall um uns drängen sich die Leute auf die Tanzfläche, und zu meinem Erstaunen beugt sich Kennedy ein wenig vor, fast als würde sie bei mir Schutz vor dem Gedränge suchen. Sie wirft einen kurzen Blick auf die Frauen, mit denen sie hier ist, und dann steht sie auf einmal ganz dicht vor mir.

Es ist das Seltsamste, was sie je getan hat. Dass ich ausnahmsweise mal nicht der Letzte weit und breit bin, in dessen Nähe sie sich aufhalten will, ist überraschend und beunruhigend zugleich.

»Kenny, bist du okay?«

»Ja, es ist nur irgendwie … heiß hier drin, finde ich.«

»Und deshalb versuchst du, dich an mich zu kuscheln? Wir können gern in mein Zimmer gehen, wenn du möchtest.« Ich beuge mich zu ihr runter und flüstere: »Ich bin ein großer Fan vom Kuscheln danach.«

»Bitte sei still.« Aber sie klingt kein bisschen schroff und versucht auch nicht, sich von mir zu entfernen.

»Ken, mit wem bist du eigentlich hier?«

Ohne zum Tisch rüberzusehen, deutet sie zielsicher auf die große Frau mit dem glitzernden Kleid. »Meine Stiefschwester. Es ist ihr Junggesellinnenabschied.«

»Und ihr zwei kommt nicht gut miteinander aus?«

»Es ist kompliziert.« Sie schluckt krampfhaft. »Könntest du ein oder zwei Minuten bei mir bleiben? Ich brauche nur eine Pause, bevor ich wieder zurückgehe.«

Das ist es, was andere nicht sehen, und genau deshalb habe ich meine Schwärmerei niemals aufgegeben: Kennedy fühlt sich wohl in meiner Nähe. Ja, sie tut oft so, als würde sie mich glühend verabscheuen, als würde ich sie absichtlich in den Wahnsinn treiben … aber es gibt auch Momente wie diesen. Seit unserer allerersten Begegnung damals auf der Damentoilette herrscht ein stilles Einvernehmen zwischen uns. Vielleicht liegt es daran, dass ich ihr Geheimnis kenne und es für mich behalten habe, ich weiß es nicht genau, aber ich weiß: Tief im Inneren vertraut mir Kennedy.

Cody blickt zu unserem Tisch und gibt mir ein Zeichen, mich zu der Gruppe zu gesellen. Doch ich blicke zu meiner Lieblingssporttrainerin hinunter, die sich mitten im Gedrängel an mich schmiegt. Die selbstbewusste Frau, die ich von der Arbeit her kenne, ist nicht wiederzuerkennen. Sie fühlt sich unwohl, und ich hasse es, sie so zu sehen.

Ich beuge mich dicht an ihr Ohr und versuche es zum gefühlt tausendsten Mal in den letzten acht Monaten. »Willst du von hier verschwinden?«

Ihre großen braunen Augen blicken mich an. »Ja, bitte.«

Ich hätte schwören mögen, dass mein Herz einen Schlag aussetzt, denn dass Kennedy Kay zustimmt, mit mir abzuhängen, ist das Letzte, was ich an diesem Abend erwartet hätte.

Aber es ist schon nach Mitternacht, und der schlimmste Tag des Jahres hat offiziell begonnen, also nehme ich es als Zeichen.

Ihre Stiefschwester und all die Frauen in Weiß sind inzwischen von einem Haufen Bottle Girls umringt, die jede Menge Champagner mit Wunderkerzen darauf angeschleppt haben und tanzend und jubelnd die zukünftige Braut feiern.

»Lass uns gehen«, sage ich, lege Kennedy die Hand auf den Rücken und führe sie zur Tür.

Bei der ersten Berührung zuckt sie leicht zusammen, aber dann gibt sie nach.

Als wir draußen sind, rufe ich den Gruppenchat mit meinen beiden besten Freunden auf und stelle fest, dass dort bereits Nachrichten auf mich warten.

Cody: Heilige Scheiße.

Travis: Ich kann nicht fassen, dass unsere Kennedy hier ist.

Ich:MEINE Kennedy ist hier. Und wir gehen jetzt.

Travis: Wann kommst du wieder?

Ich: Ich komme heute nicht mehr zurück.

Cody: Halt die Klappe.

Ich: Wir sehen uns morgen am Flughafen.

Cody: Ich fühle mich, als ob ich in einer alternativen Realität lebe. Das kann nicht real sein.

Travis: Isaiah Rhodes, heilige Scheiße noch mal. Was ist mit dem Männerabend, auf den du so scharf warst?

Ich: Das Schicksal wollte es anders.

Kapitel 2

Kennedy

Hätte mir vor einem Jahr jemand gesagt, dass ich mal ausgerechnet neben Isaiah Rhodes über den Las Vegas Strip laufen würde, hätte ich geglaubt, derjenige hätte den Verstand verloren.

Und wenn er mir dazu noch erklärt hätte, ich sei in Vegas gewesen, um den Junggesellinnenabschied meiner Stiefschwester zu feiern, hätte ich demjenigen geradewegs ins Gesicht gelacht.

Und wenn er mir dann noch mitgeteilt hätte, dass der Mann, den sie heiratet, mein Ex-Verlobter sei, hätte ich ganz sicher dafür gesorgt, dass dieser arme Irre eingewiesen wird.

Denn mein ganzes Erwachsenenleben lang wussten Connor Danforth und ich, dass wir eines Tages heiraten würden.

Meine Stiefschwester und ich haben uns noch nie nahe genug gestanden, um einander zu wichtigen persönlichen Feiern einzuladen.

Und Isaiah Rhodes kann ich eigentlich nicht leiden. Jedenfalls meistens.

Aber hier bin ich nun, und all das, was nicht sein kann, ist wahr.

Wir treten nach draußen, und Isaiah schließt die Hintertür des Clubs. Die hämmernde Musik wird zu einer leisen Vibration, und die Panik, die ich drinnen empfunden habe, lässt nach.

Warum zum Teufel bin ich mit ihm gegangen? Ich wollte unbedingt weg von dort, nur deshalb. Und obwohl ich es niemals zugeben würde, gibt es eine stillschweigende Übereinkunft zwischen Isaiah und mir, von der niemand sonst weiß.

Aber dieser Mann ist sorglos, übermütig, manchmal regelrecht kindisch, und das macht mich wahnsinnig. Ich bin viel zu sehr Typ A für ihn, und als mir die frische Nachtluft von Nevada ins Gesicht weht, lichtet sich der Nebel in meinem Hirn, und das alles wird mir wieder deutlich bewusst.

»Ich wohne nur zwei Hotels weiter. Ich gehe dann mal ins Bett.« Ich hebe die Hand, um ein vorbeifahrendes Taxi anzuhalten, aber Isaiah drückt sie wieder nach unten.

»Nur ein Drink, Ken.«

»Nein.«

Er schüttelt energisch den Kopf. »Versuchen wir das noch mal, aber diesmal mit einer anderen Antwort. Mir hat es viel besser gefallen, als du mit großen Rehaugen bitte geflüstert hast.«

»Gut. Bitte hör auf zu reden. Du nervst.«

Ein schiefes Grinsen. »Hör auf, mit mir zu flirten, Kenny.«

»Ich gehe jetzt zurück ins Hotel.« Ich setze mich in Bewegung, aber ich trage hohe Absätze und habe viel kürzere Beine als Isaiah, und er holt mich im Handumdrehen ein und geht rückwärts vor mir her, um mir ins Gesicht zu sehen.

So ungern ich es auch zugebe – Isaiah Rhodes ist irgendwie heiß. Das habe ich schon an meinem ersten Arbeitstag bei den Windy City Warriors bemerkt, als ich ihn noch für einen charmanten Fremden hielt, der mir angeboten hat, mir zuzuhören. Als ich noch nicht wusste, dass er einer der Spieler ist.

Heute Abend ist er ganz in Schwarz gekleidet, einschließlich der Schuhe. Das ist ungewohnt. Sonst sieht man ihn ständig in allen möglichen Farben, und normalerweise passen sie nicht zusammen.

Jetzt aber wirkt sein hellbraunes Haar perfekt gestylt, auch wenn ich darauf wetten würde, dass er einfach nur mit den Fingern hindurchgefahren ist, damit es so bleibt. Der Kerl hat ein Riesenglück mit seinen Haaren, sie sitzen praktisch von allein.

Ein hübsches Gesicht hat er auch, und einen umwerfenden Körper … und Junge, das weiß er auch genau.

»Woran hakt es denn zwischen dir und deiner Stiefschwester?«, fragt er.

»Ich bin viel zu nüchtern, um darüber zu reden.«

Er grinst, seine Augen funkeln vor Schalk, und mein Blick fällt auf das kleine Muttermal unter seinem rechten Auge. »Dagegen lässt sich was machen.«

Ich bleibe stehen, direkt auf dem Vegas Strip. »Isaiah, mir ist kalt, und meine Füße tun weh. Mein Wochenende war beschissen. Ich will nur noch ins Bett kriechen und morgen zurück nach Chicago fliegen.«

»Ein Drink, Kennedy. Ich erwische dich heute zum ersten Mal außerhalb der Arbeit. Nur ein Drink, und ich verspreche dir, danach bringe ich dich zurück in dein Hotel.«

Ich habe noch nie mit einem der Spieler was getrunken. Ich habe außerhalb der Arbeit nicht mal mit einem von ihnen zu tun gehabt, abgesehen von der vollkommen unschuldigen Übernachtung im Haus von Isaiahs Bruder letztes Jahr, als ich gemeinsam mit Kais Freundin zu viel getrunken hatte und nicht mehr nach Hause fahren konnte.

Isaiah hat mich unzählige Male gebeten, etwas mit ihm zu unternehmen, und ich habe ihn jedes Mal abblitzen lassen. Aber heute Abend … Heute Abend bin ich seltsam verzweifelt und unglücklich. Und außerdem beseelt mich eine ungewohnte Trotzigkeit.

Ich sollte gar nicht in dieser Stadt sein, sollte nicht zum Junggesellinnenabschied der Frau gehen müssen, die meinen Ex-Verlobten heiratet, also scheiß drauf. Ein Drink tut niemandem weh.

»Du zahlst.«

Sein teuflisches Lächeln ist wieder da. »Mit Vergnügen. Aber zuerst …« Er sieht sich um. »Komm mit.« Isaiah bietet mir seinen Ellbogen an, aber ich verschränke die Arme vor der Brust, um mich warm zu halten, und er lacht, steckt die Hände in die Taschen und bedeutet mir, ihm zu folgen.

»Hast du vergessen, dass mir die Füße wehtun? Ich trage zehn Zentimeter hohe Absätze, Rhodes.«

»Ich weiß. Du bist jetzt fast auf Höhe meiner Brust.«

»Sehr witzig«, sage ich und versuche, mit ihm Schritt zu halten, während wir die Straße überqueren. »Und mein Hotel befindet sich in der anderen Richtung. Meinst du nicht, wir sollten zumindest in diese Richtung gehen und einfach auf dem Weg noch schnell einen Drink nehmen?«

Isaiah bleibt mitten auf der Straße stehen, und ich renne fast gegen ihn. Er dreht sich zu mir um, ohne sich darum zu scheren, dass die Ampel für die Autos gerade grün wird und alle darauf warten, dass wir die Fahrbahn frei machen.

»Kenny, lass dich einfach ein bisschen mit dem Strom treiben. Ich habe gerade meine Teamkollegen stehen lassen, und versteh mich nicht falsch, das macht mir nichts aus, im Gegenteil … aber heute Nacht spielen wir mal nach meinen Regeln. Und ich habe nie gesagt, dass dieser eine Drink schnell sein wird.«

Ein Auto hupt uns an, aber Isaiah rührt sich nicht vom Fleck.

»Wir müssen die Straße frei machen.«

»Ich mache hier gar nichts frei.«

Ich atme aus, und eine Haarsträhne wirbelt wild um mein Gesicht. »Ich weiß nicht, wie man sich mit dem Strom treiben lässt.«

»Ich weiß. Gib mir eine Nacht, und wir sehen mal, ob ich es dir beibringen kann. Glaub mir, auf meine Art macht das Leben viel Spaß.«

Das Auto hupt erneut, diesmal lange und nachdrücklich.

»Ich habe nur einem Drink zugestimmt.«

»Aber du hast nichts darüber gesagt, wie schnell wir ihn trinken müssen. Ich kann problemlos die ganze Nacht für einen Drink brauchen.«

»Können wir von der Straße runtergehen? Himmel, wir werden noch überfahren.«

»Nur wenn du zustimmst, dass wir es heute Abend auf meine Art machen.«

»Isaiah …«

»Kenny …«

Das Auto hupt erneut, und dann fährt es los, macht einen Schlenker um uns herum, und der Fahrer zeigt uns den Mittelfinger.

»Na schön«, stimme ich zu. »Können wir dann jetzt bitte von der Straße runter?«

Endlich setzt sich Isaiah in Bewegung, und wir gehen auf die andere Straßenseite. »Welche Schuhgröße hast du?«

»Was?«

»Schuhgröße.«

»Neununddreißig.« So wie ich es sage, klingt es fast wie eine Frage. »Warum?«

Er biegt scharf links ab und hält mir die Tür zu einem Einkaufszentrum auf, das zu einem der Hotels gehört. Selbst jetzt nach Mitternacht sind die Geschäfte geöffnet und belebt.

Isaiah steuert direkt in den Vans-Laden und dort in die Damenabteilung, wo er ein Paar aus der Wand nimmt. »Du magst Rot, stimmt’s? Du trägst doch immer die roten Teamklamotten.«

»Die sind nicht rot. Die sind pink.«

»Wirklich?« Er legt den Kopf schief und betrachtet die Schuhe, ehe er sie wieder zurückstellt. »Magst du karierte Schuhe? Max hat karierte Vans.«

Max – sein zweijähriger Neffe, in den er völlig verschossen ist.

»Ich …«

»Nee, du bist nicht der karierte Typ.« Suchend betrachtet er die Wandregale und entdeckt schwarze halbhohe Schuhe mit einem weißen Streifen und Plateausohle. »Diese hier … Gefallen sie dir?«

Ich will nicht lügen, sie sind süß. Ich trage meist gedeckte Farben, abgesehen von den Teamfarben Rot und Königsblau. Und Plateausohlen verleihen mir etwas mehr Höhe. Nur eins sechzig zu sein, ist nicht das Schlimmste auf der Welt, aber wenn man mit einem Haufen riesiger Männer zusammenarbeitet und sowieso schon das Gefühl hat, dass der Chef auf einen herabschaut …

»Die gefallen mir.«

Isaiah hält sie einem Mitarbeiter hin. »Könnten wir die in neununddreißig bekommen?«

»Was machst du da?«

»Ich kaufe dir Schuhe. Deine Füße tun weh.«

Ich ziehe meine Kreditkarte aus der Tasche, aber Isaiah nimmt sie mir weg und steckt sie in seine Gesäßtasche, ohne auch nur hinzusehen. Er geht einfach weiter durch den Gang zur Kasse und zieht ein Paar Socken aus einem Regal, ehe er eine Jeansjacke vom Bügel nimmt und sie prüfend an mich hält.

»Ich kann meine Schuhe selbst bezahlen.«

»Und ich sagte, dass ich heute zahle.«

»Das ist kein Drink.«

»Das gehört aber zum Drink dazu. Das hier ist vermutlich meine einzige Chance, und wenn du dich die ganze Zeit unwohl fühlst, wirst du nie wieder was mit mir trinken gehen. Ich kann meine einzige Chance nicht riskieren, indem ich zulasse, dass dir kalt ist und deine Füße wehtun.«

»Isaiah, es ist nur ein Drink.«

Er tut, als hätte er mich nicht gehört. Der Verkäufer kommt mit einem Schuhkarton zur Kasse, Isaiah übergibt ihm seine Kreditkarte und bezahlt Socken, Schuhe und meine neue Jeansjacke, dann reicht er mir alles. »Zieh die High Heels aus, Kenny, und lass uns was trinken gehen.«

Der Kristallkronleuchter in der Mitte der Decke reflektiert das Licht und funkelt dank der Vorhänge an den Wänden in Rosa- und Violetttönen. Es wirkt, als würde dieser Kronleuchter den ganzen Raum dominieren … daher wohl auch der Name dieser luxuriösen Bar im Zentrum des Cosmopolitan.

Isaiah bahnt uns durch die Menge einen Weg zur Bar, und ich folge ihm. Er hat eine Hand hinter sich gestreckt, für den Fall, dass ich mich an ihm festhalten muss, damit wir nicht getrennt werden, aber ich greife nicht danach. Mich zwischen all den Leuten hindurchdrängen zu müssen, reicht mir völlig an Berührungen.

Als wir an der Bar ankommen, gibt es noch genau zwei freie Hocker. Isaiah zieht mit seiner freien Hand einen für mich heraus. In der anderen Hand hält er meine weißen Louboutins, die ich gegen die neuen Turnschuhe eingetauscht habe.

»Nur ein Drink«, erinnere ich ihn, während ich auf den Hocker klettere.

»Das sagtest du bereits.«

Als ich sitze, baumeln meine Füße in der Luft, ich erreiche nicht mal die dafür vorgesehene Stange. Isaiah sieht es und lacht leise.

»Habe ich dir in letzter Zeit schon mal gesagt, wie sehr ich dich verabscheue?«

»Mmm«, brummt er. »Ich sollte dich warnen, Ken … Ich mag es, wenn du gemein zu mir bist. Das hat was.«

»Deshalb hast du mich also all die Jahre nicht in Ruhe gelassen? Ich hätte einfach nur die ganze Zeit nett zu dir sein müssen?«

»In dem Fall hätte ich dir wahrscheinlich längst einen Antrag gemacht. Nett, gemein … Ich nehme dich so, wie ich dich kriegen kann.« Er nimmt neben mir Platz und betrachtet meine linke Hand, die auf dem Tresen ruht. Der Ringfinger ist nackt.

Auch wenn ich meinen Verlobungsring schon seit über einem Jahr nicht mehr trage, fühlt sich mein Finger immer noch zu leicht an. Zu leer. Das kommt wohl davon, wenn man vier Jahre lang einen schweren achtkarätigen Diamantring getragen und ihn niemals abgelegt hat.

Der Typ, der auf meiner anderen Seite auf dem benachbarten Hocker sitzt, lacht über irgendwas, stützt sich haltsuchend auf meiner Schulter ab und merkt es erst, als ich mich wegdrehe.

»Ups, Entschuldigung«, sagt er. Mir entgeht nicht, dass sein Blick dabei über meine nackten Beine wandert.

Ich ziehe meine neue Jeansjacke fester um mich und sehe, dass Isaiah dem Typen einen warnenden Blick zuwirft, woraufhin sich der Mann umgehend wieder seinen Freunden zuwendet.

»Er sollte besser seine Augen bei sich behalten«, murmelt Isaiah, während er zwischen uns fasst, ein Bein meines Hockers greift und mich so dicht wie möglich heranzieht.



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