Play with me 11: Eine schrecklich nette Familie - Julia Will - E-Book

Play with me 11: Eine schrecklich nette Familie E-Book

Julia Will

0,0

Beschreibung

Mike hat eine Leidenschaft. Role-Play-Games, kurz RPGs. Und am liebsten spielt er zusammen mit Chain. Er kennt ihn schon seit eineinhalb Jahren, aber eigentlich weiß er überhaupt nichts von ihm. Außerdem ist er nun ja auch mit Leon zusammen, der von Chain grundsätzlich überhaupt nichts hören will. Weihnachten mit den von Falkenbergs ist nun aber überstanden und das neue Jahr ruft – und das in großer Runde! Leon wird mit jedem Tag lockerer und entspannter, besser könnte es doch gar nicht laufen, oder? Wenn da nur dieses eine letzte Geheimnis nicht wäre … Aus der zweimonatlich erscheinenden Serie von Julia Will sind erschienen: Band 1: Der Prinz auf der Erbse Band 2: Feuer frei Band 3: Streng geheim Band 4: Ungeküsst Band 5: Dance with me Band 6: Verbotene Früchte Band 7: Deja-vu Band 8: Happy birthday Band 9: Ich bin hier! Band 10: Mühsam ernährt sich das Weihnachtshörnchen Band 11: Eine schrecklich nette Familie

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 158

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Play with me

Band 11

Eine schrecklich nette Familie

Julia Will

© 2021 Amrûn Verlag Jürgen Eglseer, Traunstein3/2021

Lektorat: Susanne Pavlovic, TextehexeUmschlaggestaltung: cover & books Buchcoverdesign

Alle Rechte vorbehalten

ISBN TB – 978-3-95869-161-2Print: Bookpress

Besuchen Sie unsere Webseite:

amrun-verlag.de

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet unter http://dnb.d-nb.de abrufbar

v1 21

Mike

Leon wirkt vollkommen entspannt, wie er da neben Alex im Flur steht und darauf wartet, dass ich zu ihm komme. Es ist ganz schön eng hier, mit so vielen Leuten, aber mit ein bisschen Schieben und Drängeln schaffe ich es zu ihm.

»Hey«, begrüßt er mich, legt seinen Arm um meine Mitte, küsst mich auf die Wange und ich stehe einfach nur da wie paralysiert und versuche mich wieder zu beruhigen. Atmen!

»Hallo«, schaffe ich immerhin zu antworten und er lacht leise.

»Entspann dich. Mein Onkel hat noch niemanden umgebracht und er wird mit dir nicht anfangen«, raunt er mir ins Ohr und ich schaffe es mich einigermaßen zu beruhigen. Ein bisschen zittere ich immer noch und meine Finger sind um sein Geschenk und - Fuck, das Geschenk!

»Leon! Ich muss dir -«

Seine Mutter unterbricht mich.

»Kommt, nur keine falsche Scheu! Die anderen warten schon auf uns und das Essen ist auch gleich fertig. Gebt mir eure Geschenke. Ich lege sie unter den Baum.«

Dabei lächelt sie so arglos, hat gar keine Ahnung, was sie mir damit antut. Oder vielmehr Leon.

»Nein! Ich kann -«

Dann hat Leon mir auch schon das Geschenk aus der Hand genommen und seiner Mutter weitergegeben. Scheiße! Ich bin so tot! Ich bin so verdammt tot!

Schon werde ich von Leon sanft durch den Flur und weiter ins Wohnzimmer geschoben und dort, am großen Esstisch, da sitzen sie. Sein Vater Ludwig und die beiden Onkel, Richard und Jakob. Leon hat mir Bilder von ihnen gezeigt, also weiß ich, dass der mit den Augenringen bis zu den Knien und den schwarzen, militärisch kurz geschnittenen Haaren Richard ist. Er sieht uns ziemlich unbegeistert entgegen und ich weiß überhaupt nicht, was ich tun soll. Hallo sagen … Das wäre wahrscheinlich ein Anfang.

»Ahm … Hi! Ich bin Mike«, stelle ich mich vor und strecke Richard erst mal die Hand entgegen.

Er mustert sie angewidert, macht aber keine Anstalten danach zu greifen. Okay …?

»Hey, ich bin Jakob und das ist Richard, unser Stinkstiefel vom Dienst. Freut mich!«

Ich kann es mir leider nicht ganz verkneifen erleichtert aufzuatmen, dass zumindest der andere Onkel entspannt mit der Lage umgehen kann und jetzt lächelnd meine Hand schüttelt.

Er hat längere dunkelbraune Haare, ordentlich im im Nacken zu einem Zopf gebunden, und er hat lustige kleine Lachfältchen um seine braunen Augen. Generell wirkt er wesentlich offener und freundlicher als sein älterer Bruder. Er sieht aus wie eine ältere Version von Leon.

»Freut mich auch sehr! Ahm … das ist Nicklas. Mein Bruder. Und das sind meine Eltern«, stelle ich alle vor und lasse Nick an mir vorbei, damit auch er seine Hand schütteln kann. Okay, das läuft zumindest halbwegs gut. Nur Richard sieht nicht so aus, als hätte er vor, sich mit uns zu befassen. Aber immerhin meinen Eltern hat er die Hand gegeben.

»Meine Fresse, Stinkstiefel trifft es echt«, raunt Nick mir von hinten leise ins Ohr und ich sehe mich kurz unauffällig um, ob uns jemand beobachtet, bevor ich vorsichtig nicke.

»Setzt euch. Ich habe nur noch ein paar Handgriffe zu erledigen, dann können wir essen«, erklärt Klara und meine Mutter ist direkt am Strahlen.

»Ich helfe dir!«

»Oh bitte nicht«, rutscht es mir raus und alle sehen mich an. Auch Richard und wenn ich nicht schon bei ihm verschissen hätte, weil ich seinen Neffen nagle, dann spätestens jetzt, weil ich unsere Mütter nicht ehre. Oder wegen irgendwas in der Richtung.

»Hörst du wohl auf mich zu blamieren, du furchtbares Kind«, schimpft Mum lachend und schubst mich leicht, dann sieht sie zu Klara. »Gehen wir?«

Klara lacht nur und ich hoffe jetzt einfach, dass sie noch von früher weiß, dass sie meine Mutter nichts machen lassen sollte, was mit Würzen zu tun hat. Die zwei verschwinden kichernd aus dem Wohnzimmer und wir bleiben zurück. Ich bin überfordert mit der Lage. Nick sieht auch nicht so aus, als wüsste er, was von ihm erwartet wird und dann rettet ausgerechnet Dad die Situation, indem er sich einfach an den Tisch setzt und ein Gespräch über Autos anfängt. Ich nutze die kurze Atempause und versuche Leon auf mich aufmerksam zu machen, aber der lauscht leider interessiert dem Thema und wirft selbst immer wieder den einen oder anderen Kommentar ein. Er ignoriert einfach vollkommen, dass ich die ganze Zeit an seinem Ärmel zupfe. Dabei muss ich ihm doch unbedingt noch vor der Bescherung sagen, dass er sein Geschenk unter gar keinen Umständen öffnen darf!

»Ich finde, dass nicht immer die Größe entscheidend ist, oder der Motor. Es kommt darauf an, was man damit vorhat!«, erklärt mein Vater gerade und Ludwig wiegt halb zustimmend den Kopf.

»Was fahrt ihr?«, will er wissen.

»Anna fährt einen kleinen Corolla und ich selbst einen Avensis. Beides von Toyota. Und wir sind mit den Autos sehr zufrieden, weil sie perfekt auf unsere Bedürfnisse abgestimmt sind. Mike hätte gerne einen Audi, aber bis er sich den leisten kann, wird noch ein bisschen Zeit ins Land ziehen.«

»Na ja, einen Führerschein brauche ich vorher auch erst noch«, mische ich mich ein und bereue es sofort, als Richard sich plötzlich mir zuwendet.

»Du hast keinen Führerschein? Warum nicht?«

»Äh …«, ist leider alles, was ich dazu rauskriege. Warum fragt er mich das? Und das noch auf eine Art, als wäre das irgendwas Schlimmes?

»Ich habe auch keinen Führerschein, Onkel, und wir brauchen momentan auch keinen, weil wir mit den öffentlichen Verkehrsmitteln überall hinkommen. Mike studiert, genau wie ich. Außerdem arbeitet er nebenher und spart auf den Schein.« Erleichtert sehe ich zu Leon, der sich für mich in die Bresche geworfen hat. Gut, dass ich auf den Führerschein spare, ist zwar nicht ganz wahr, aber besser, als zuzugeben, dass ich einen Großteil meines Geldes in Cosplays stecke. Ich nicke und versuche mich an einem Lächeln, allerdings fühlt es sich ein bisschen missglückt an.

»Nun gut, wenn das so ist …«, lenkt Richard ein, lässt mich aber immer noch nicht aus den Augen. Ich fühle mich wie ein Reh im Scheinwerferlicht. Könnte auch sein, dass ich bereits überfahren worden bin. Fuck, ich hatte ja nicht erwartet, dass es einfach werden würde, aber der ist schon echt gruselig. »Und auf der Universität hast du meinen Neffen kennengelernt?«, will er jetzt wissen und ich weiß, dass ich nun nicht nur im Scheinwerferlicht stehe, sondern auch auf sehr, sehr dünnem Eis. Es knirscht bereits bedenklich unter mir. Jetzt nur keine falsche Bewegung.

Ich schlucke vorsichtig, lecke mir unsicher über die Unterlippe und sehe kurz zu Leon, aber der sitzt entspannt neben mir und wirkt nicht im Mindesten so, als wäre die Kacke nicht so richtig am Dampfen.

»Also eigentlich … kennen wir uns schon aus der Schule. Sie … kennen doch bestimmt Hannah? Seine Ex—Freundin? Sie und ich sind seit dem Kindergarten befreundet. Also, irgendwie so hat sich das halt ergeben …«

»Aha. Du hast also deiner Freundin den Freund weggenommen.«

»Nein! So war das gar nicht! Überhaupt nicht! Sie hat doch Schluss gemacht!«

»Ach, ist das so? Und du hattest damit nichts zu tun?«

»Gott, nein! Ich mochte ihn doch nicht mal!«

»Und dennoch seid ihr jetzt zusammen?«

»Äh … ja?«

»Klingt für mich nicht schlüssig. Zu meiner Zeit gab es dieses Hin und Her nicht. Erst recht nicht wenn es um das Geschlecht ging. Schlimm genug, wenn man schwul war und das auch noch ausgelebt hat.«

»Onkel Richard, es ist nun mal wie es ist. Ich für meinen Teil bin froh, dass die Zeiten sich inzwischen geändert haben. Ja, ich war von der ganzen Entwicklung zwischen ihm und mir auch überrascht, aber ich bin mit der Situation jetzt sehr zufrieden und glücklich. Hör bitte auf ihn zu verunsichern.«

Richards Blick verfinstert sich und ich höre das Eis jetzt wirklich bedrohlich knacken, greife unter dem Tisch leicht panisch nach Leons Hand, der meine Finger daraufhin immerhin sanft drückt, dann werde ich zum Glück von Mum und Klara gerettet, die das Essen bringen.

»Jungs, da sind noch Schüsseln«, informiert uns meine Mum und ich springe sofort auf. Auch Nick erhebt sich, genauso wie Alexander. Nur Leon bleibt sitzen und redet weiter mit seinem Onkel, so dass ich auch jetzt keine Möglichkeit habe, ihm von dem Geschenk zu erzählen. Ich habe keine Ahnung, wie ich den Abend überstehen soll.

***

Das Essen ist köstlich. Ich kenne sonst nur Pizza oder anderes Essen vom Lieferdienst an Weihnachten, aber das hier … diese Gans, die Soßen, die Beilagen, sogar der verdammte Brokkoli ist lecker. Und ich mag normalerweise gar keinen Brokkoli. Also ich finde ja schon, dass Dad verdammt geil kochen kann, aber Klara spielt echt in einer ganz anderen Liga. (Natürlich würde ich ihm das niemals sagen!)

Dieses Tiramisu … Einfach nur wow. Und jetzt bin ich echt kurz vorm Platzen. Noch ein Bissen und dann wars das mit mir, kein Scheiß. Aber es ist so gut. Und noch besser ist, dass alle ebenfalls mit Essen beschäftigt sind und Klara das Tischgespräch so raffiniert führt, dass Richard gar keine Gelegenheit mehr hat, sich auf mich einzuschießen. Dafür werde ich ihr auf ewig dankbar sein. Nick fällt momentan sowieso komplett durchs Raster, weil er ja offiziell nur mein Bruder ist, und bisher hat er auch nichts Auffälliges gemacht, außer, dass er neben Alexander sitzt. Na ja, und da ist ja nichts dabei. Auch wenn ich glaube, dass die beiden unter dem Tisch füßeln, aber sicher bin ich mir nicht.

»So, dann würde ich jetzt sagen … ist es Zeit für die Bescherung!«

Scheiße! Vor lauter geilem Essen habe ich jetzt vollkommen das Geschenk vergessen! Mir wird ein bisschen schlecht. Verdammter Mist, ich muss es Leon sagen. Nur wie? Und meine Familie hilft mir auch kein Stück weiter, als sie sich folgsam erhebt und brav in Richtung der riesigen Couch dackelt. Gezwungenermaßen dackele ich hinterher.

»Leon, Mike, könnt ihr noch Stühle mitbringen? Wir werden nicht alle auf die Couch passen«, hält Klara uns zurück und ich wittere meine Chance. Ich warte gerade so lange, bis sie außer Hörweite ist, dann packe ich Leons Stuhl, so dass er mir nicht davonlaufen kann, und lehne mich zu ihm.

»Du darfst auf gar keinen Fall dein Geschenk von mir aufmachen! Nicht, solange wir hier unten sind! Unter gar keinen Umständen!«

Jetzt guckt er mich total verwirrt an, zögert nur kurz, dann nickt er.

»Ist gut.«

Erleichtert sinke ich halb in mich zusammen.

»Danke!«

Er nimmt sich noch einen weiteren Stuhl, genauso wie ich, dann gehen wir zu den anderen und alle machen es sich bequem.

Der Weihnachtsbaum der Falkenbergs ist wirklich riesig. Er reicht exakt bis unter die Decke. Natürlich ist es ein echter Baum, was sonst. Kurz denke ich an Egon, der dieses Weihnachten ganz allein und traurig im Keller liegen muss. Der Arme. Dekoriert ist der Falkenbergbaum ganz klassisch in Rot und Gold. Funkelndes Lametta hängt über den satten, grünen Zweigen und hier und da entdecke ich sogar kleine Strohengel. Ein richtiger Omabaum, finde ich, aber tja, jeder mag halt was anderes, oder?

Bevor es aber ans Auspacken der Geschenke geht, steht Ludwig nochmal auf und räuspert sich.

»So … Ich finde es wundervoll, dass wir dieses Jahr eine so große Runde sind. Vielen Dank, Richard, dass du uns dieses Jahr die Ehre erwiesen hast. Wir wissen das sehr zu schätzen.«

Schleim, schleim, schleim. Aber gut, an Ludwigs Stelle würde ich das wahrscheinlich auch machen, wenn ich beruflich von dem Kerl abhängen würde. Zumindest habe ich es so verstanden, dass Ludwig für Richard arbeitet. Schon krass. Und damit hört es ja nicht auf, bei dieser riesigen Familie, in der Richard sowas wie der Oberdude angesehen wird. Nein, mit dem verkackt man es sich besser nicht. Zumindest nicht mehr als nötig.

»Ich danke euch für die Einladung und das gute Essen«, erwidert Richard höflich und Jakob sitzt daneben und grinst zufrieden. Den find ich ganz okay. Der ist nicht so streng, nicht so biestig. Zwischendurch habe ich sogar das Gefühl, als hätte er Spaß daran, seinen Bruder ein bisschen zu ärgern, wenn auch nur ganz dezent. Jedenfalls ist er wesentlich angenehmer als Richard.

»Wer möchte denn anfangen?«, fragt Klara jetzt in die Runde und sofort hebt ihr Mann die Hand, geht zum Baum und nimmt sich eines der Geschenke.

»Ich ... Und das hier ist für dich.«

Das kleine Geschenk ist schmal und länglich. Es gehört nicht viel Fantasie dazu zu erraten, was da drin ist.

»Oho, er schenkt ihr ein Halsband, rawrrr!«, haucht Nick mir ganz leise ins Ohr und ich schaffe es gerade so mein Lachen in ein dezentes Husten zu verwandeln.

»Hör auf mit dem Scheiß!«, zische ich und lächle gezwungen in Richards Richtung, weil der schon wieder so böse zu mir rüberschaut. Klara packt derweil ihr Geschenk aus und freut sich über eine funkelnde Kette mit einem hübschen Anhänger. Der nächste ist Alexander, der seinen Eltern feierlich ein Geschenk überreicht, gefolgt von Leon, und so plätschern wir durch die Bescherung, bis nur noch zwei kleine Päckchen unter dem Baum liegen. Eines davon ist das von mir und ich fange an zu schwitzen.

»Von wem sind die«, will Klara wissen und sieht fragend in die Runde.

»Das sind die von Mike und mir, allerdings möchte ich die lieber erst später öffnen. Wenn wir alleine sind«, erklärt Leon, total ruhig und entspannt, als würde nicht mein Leben davon abhängen, dass er sein Geschenk in seinem Zimmer, unter Ausschluss aller Öffentlichkeit - vor allem unter Ausschluss unserer Familien - öffnet.

»Warum das? Dürfen wir nicht sehen, was ihr euch schenkt?«, fragt Jakob und wenn ich ihn gerade noch in Ordnung fand, hat er jetzt sämtliche Sympathiepunkte verspielt.

»Tatsächlich wäre mir das unangenehm, ja. Als ich das Geschenk gekauft habe, wusste ich nicht, dass wir hier im großen Kreis feiern und habe deswegen etwas ... sagen wir, Unkonventionelles ausgesucht.« Für einen klitzekleinen Moment frage ich mich, ob Nick vielleicht geplaudert hat.

»Ist schon okay, Schatz, du musst dich nicht rechtfertigen. Macht das später einfach unter euch in deinem Zimmer.«

»Danke, Mutter.« Während des Gespräches hat er nicht ein einziges Mal zu mir gesehen. Vielleicht … heißt das jetzt aber auch, dass er mir ebenfalls etwas Versautes schenkt? Am Ende hätte ich mich gar nicht so anstellen müssen und er hätte unsere private Bescherung so oder so in sein Zimmer verlegt? Oh Mann, so viel Stress für nichts!

Nachdem auch dieser Programmpunkt abgehakt ist, pilgern wir zurück an den großen Esstisch. Unsere Eltern und Leons Onkel beschließen, dass sie Wein trinken und Karten spielen möchten. Wir setzen uns alle mit dazu, was ich allerdings ziemlich schnell bereue, als unsere Mütter während des Spielens anfangen, Geschichten von früher zu erzählen - und wer muss natürlich den Anfang machen und eine superpeinliche Story über ihren Sohn zum besten geben?

»Es war zu schön! Den ganzen Urlaub hat er mit ihr gespielt. Sie war so ein liebes Ding! Jeden Tag eine Sandburg und dann musste die kleine Lucia auf die Toilette und Mike musste unbedingt mit. Als die beiden wiederkamen, schaut er mich total ernst an und sagt: Mama, du hast keinen Penis, oder? Ich wusste überhaupt nicht, wie ich schauen soll, vor allem, weil wir auch nicht alleine waren und Mike auch nicht gerade leise gesprochen hat. Jedenfalls habe ich zu ihm gesagt: Nein, Schatz, ich habe keinen Penis.«

Alle lachen und ich fühle mich blöd. Ganz toll. Echt richtig, richtig toll. Mein Kopf ist jetzt auch rot und dass Leon neben mir leise kichert, während er mir tröstend über den Unterarm streicht, macht es auch nicht besser. Natürlich ist meine Mutter noch nicht fertig. »Was hast du denn dann?, wollte er wissen und mir war klar, dass er nicht nachgeben wird, bis er eine Antwort hat, also hab ich ihm gesagt, dass ich dafür eine Vagina habe. Und natürlich hat ihm auch das nicht gereicht, dem kleinen neugierigen Satansbraten. Mamaaa, hat er dann über den halben Strand geplärrt, darf ich deine Vagina sehen, bitte?«

Ich glaube, Nick fängt gleich an zu heulen vor lauter Gelächter, der Sack! Der hat so Glück, dass meine Mutter keine peinlichen Geschichten aus seiner Kindheit kennt! Sonst würde ihm das Lachen sicher vergehen.

»Und was habt ihr dann gemacht?«, fragt Klara, wischt sich über die Augen und ich sinke noch ein bisschen tiefer in mich zusammen.

»Na ja, nachdem vertrösten auf später nur dazu geführt hat, dass er angefangen hat um uns herum zu hüpfen und zu singen, dass seine Mama ihm später ihre Vagina zeigt, habe ich ihn mir schließlich geschnappt, zur Toilette getragen und es hinter mich gebracht. Wahrscheinlich konnte ich noch froh sein, dass er nicht auch noch hin fassen wollte. Oder dass ich nicht wegen Kindesmissbrauch verhaftet worden bin. Meine Güte, dieses Kind ...«, seufzt sie und ich fürchte, in diesem Leben wird kein Tröpfchen Blut je wieder aus meinem Kopf raus und zu meinem Penis finden. Aber schön, dass sie alle so viel Spaß haben.

»Ach was, du hattest ja genug Zeugen, dass Mike dich mehr oder minder dazu gezwungen hat!«, lacht Klara und ich verziehe angefressen das Gesicht. Langsam ist es echt mal gut. »Aber Alexander und Leon waren auch so goldig, als sie noch klein waren!«, fängt sie jetzt an zu erzählen und das gefällt mir doch schon wesentlich besser. »Schatz, weißt du noch, als wir bei diesem Vortrag waren und für den Nachmittag einen Babysitter buchen mussten? Die junge Dame, die dann auf der Couch eingeschlafen ist und die Jungs sich selbst überlassen hat?«

Ludwig überlegt kurz, dann lächelt er.

»Zu deutlich, Klara, zu deutlich.«

Jetzt ist es an Leon, ein bisschen Farbe aufzuziehen.

»Ihr müsst wissen, die beiden hingen früher wirklich sehr aneinander und irgendwann hat Leon mal verkündet, dass er Alexander heiraten wird, damit sie für immer zusammenbleiben können. Ich weiß nicht, wie er darauf kam, aber irgendetwas wird wohl den Anstoß gegeben haben. Nun ja, auf jeden Fall kommen wir nach dieser Veranstaltung nach Hause und ich habe erst mal einen riesen Schock bekommen, weil die Babysitterin geschlafen hat und ich die Jungs nirgends gefunden habe, bis ich auf die Idee gekommen bin im Garten nachzusehen. Und genau dort waren sie und haben miteinander gespielt. Ich schwöre, das war mit unter das absolut goldigste, was ich je gesehen habe. Leon stand da im Garten, hatte sich aus dem Schrank mein Hochzeitskleid geholt und hatte seine liebe Mühe damit, sich die Träger immer wieder hoch auf die Schultern zu schieben. Sogar meine Schuhe hat er mitgenommen, aber die lagen etwas abseits im Gras. Wahrscheinlich, weil er nicht damit laufen konnte.«