Plötzlich Lehrer! - Christian Jäger - E-Book

Plötzlich Lehrer! E-Book

Christian Jäger

2,2

Beschreibung

Das Buch "Plötzlich Lehrer!" beschreibt erste Erfahrungen im Lehreralltag nach dem Referendariat. Im Buch sind einige Tipps für den Alltag nach der Ausbildung zum Lehrer. Während des Referendariats lernt man zwar vieles über den Lehrerberuf, jedoch wird man anschließend ins kalte Wasser geworfen. Plötzlich ist man "fertige" Lehrperson, bekommt eine Klasse, führt Elternabende, ... Vieles von diesen alltäglichen Dingen lernt man nicht im Referendariat. Manches davon wird im Buch aufgegriffen und behandelt.

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für Anna

Inhaltsverzeichnis

Vorwort

Einleitung

Lernen aus neurodidaktischer Sicht

Innere Differenzierung und ihre Anwendung

2.1 Geschlossene und offene Differenzierung

2.2 Differenzierung im Unterricht, aber wie?

Arbeitsblätter und Arbeitsaufträge erstellen

3.1 Was sind gute Arbeitsaufträge?

3.2 Was macht ein gutes Arbeitsblatt aus?

Plötzlich Klassenlehrer

4.1. Die Wahl des Klassensprechers

4.2. „Diensthandy“

4.3. Elternabende

4.3.1. Elternabende sind auch ab und zu Wahlabende

4.4. Die Stimmung in der Klasse

4.5. Fehltage bei Schülern müssen auch mal sein

4.6. Das liebe Geld der Schüler: die Klassenkasse

Unterrichtsstörungen gehören zum Alltag

5.1. Die Störungsanalyse nach Dieter Enkhardt

5.2. Meine Methoden gegen Störungen

5.3. Vermeidung von Störungen vorm Unterricht?

5.4. Ordnungs-und Erziehungsmaßnahmen

5.5. Wie effektiv sind Strafen?

Kriterien sind Leitplanken für alle

6.1. Kriterien für die Epochalnoten

6.2. Kriterien für die Heftnoten

Neue Medien: Der Jugendmedienschutz

7.1. Was ist ein Jugendmedienschutzberater?

7.2. Wie sieht Jugendmedienschutz im Alltag aus?

Zusammenfassung

Literaturverzeichnis

Vorwort

Dieses Buch richtet sich an alle, die das den Status des Lehramtsanwärters „überlebt“ haben. Ich habe mein Studium und anschließend mein Referendariat in Rheinland-Pfalz absolviert. Dies hat natürlich Auswirkungen auf dieses Buch, denn, wenn ich beispielsweise von der Schulordnung oder vom Schulgesetz rede, dann ist damit die rheinland-pfälzische Ausgabe gemeint. Bildung ist in Deutschland nun mal Ländersache!

Aber nicht nur das Schulgesetz und die Schulordnung variieren von Land zu Land, sondern auch die Schulformen und Fächer. Ich bin Lehrer für Mathematik, Biologie, Naturwissenschaften (NaWi) und dem Wahlpflichtfach Informatik. Ich denke die Fächer Mathematik und Biologie sind klar, aber das Fach NaWi ist wahrscheinlich nicht allen bekannt. NaWi ist ein Fach der Klassenstufen fünf und sechs. Es beinhaltet die ehemaligen getrennten Fächer Biologie, Physik und Chemie. Diese wurden bis vor kurzem getrennt in diesen Klassenstufen unterrichtet. In Rheinland-Pfalz entstand das Fach NaWi als eine Verschmelzung dieser drei Naturwissenschaften zu einem Fach. Über die Vor- und Nachteile kann man sich streiten. Ein Vorteil ist auf jedem Fall, dass die Schülerinnen und Schüler ein vernetzteres Denken über die Naturwissenschaften entwickeln. Im Optimalfall werden in jedem Themengebiet alle drei Naturwissenschaften beleuchtet. Nachteil: Der Biologielehrer ist der Meinung, dass die Biologie zu kurz kommt, der Physiker, dass die Physik zu kurz kommt und der Chemiker behauptet dies auch von seinem Fachbereich! Aber meckern hilft nichts, das Fach ist da und jeder sollte sich darauf konzentrieren den Schülerinnen und Schüler die Naturwissenschaften insgesamt näher zu bringen, egal welches Fachgebiet einem am meisten liegt!

Zurück zum Buch: Dieses Buch soll gerade junge Lehrer kurz nach dem Referendariat ansprechen und ist daher im „Du“ geschrieben. Das förmliche „Sie“ ist meiner Meinung nach unter jungen Kollegen eher abgrenzend.

Auch verzichte ich in diesem Buch auf die formelle Unterscheidung von Lehrerinnen & Lehrern und nenne beide Geschlechter der Einfachheit halber Lehrer oder Lehrperson.

Einleitung

Du hast dein 2. Staatsexamen in der Tasche! Gratuliere! Nun bist du gerüstet für den Alltag und bist der perfekt ausgebildete Lehrer! Falsch!

In der Ausbildung zum Lehrer lernt man vieles, vieles aber auch nicht! Einige der Inhalte, die ich in meiner Lehrerausbildung vermisst habe, versuche ich in dieses Buch zu integrieren. Anders gesagt: Diese vermissten Inhalte waren der Anlass dieses Buch zu schreiben. Ich gehe davon aus, dass es vielen so ergeht wie mir. Man fühlt sich zunächst sicher nach seinem Referendariat, aber in Wirklichkeit hat man von der Realität keinen blassen Schimmer! Die ersten Alltagsprobleme werfen dich aus der Bahn. Was tun wenn man plötzlich eine eigene Klasse bekommt? Wie führt man ein richtiges Elterngespräch? Muss man jeden Klassenbucheintrag zuhause benachrichtigen? Wie gehe ich plötzlich mit voller Stundenzahl um?

Dies sind nur wenige Fragen die einen in der Realität erwarten. Das Referendariat bescheinigt hauptsächlich, dass man Unterricht planen und durchführen kann. Alles andere lernt man hinterher! Und das ist nicht gerade wenig!

Mir erging es nämlich so: zwei Wochen nach Ende des Referendariats wurde ich Klassenlehrer und hatte davon anfangs nur sehr wenig Ahnung! Von einem Tag auf den anderen ist man verantwortlich für Schülerinnen und Schüler einer, seiner Klasse! Man führt Elternabende durch, verwaltet Fehltage und die Klassenkasse, plant Wandertage & Klassenfahrten und teilt Klassenbucheinträge den Eltern mit. Darauf wird man in der Ausbildung nur lückenhaft vorbereitet und es gilt zunächst: Learning-by-doing!

Dieses Buch soll als kleine Unterstützung für junge Lehrer dienen, die nach ihrem Referendariat, genau wie ich, eiskalt in den Alltag der Schule geworfen werden.

Zunächst startet das Buch aber sehr theorielastig. Im ersten Kapitel geht es um Neurodidaktik! Dieses recht neue Fachgebiet ist meiner Meinung nach Grundwissen für jeden modernen Lehrer. Dieses Thema hat mich so fasziniert, dass es auch Teil meiner mündlichen Prüfung war. Viel Spaß beim Lesen!

1. Lernen aus neurodidaktischer Sicht

Weit verbreitet war die Theorie des Nürnberger Trichters. Auf den Kopf des Lernenden gesetzt soll er Wissen in unser Gehirn einfließen lassen. Darauf sollen dann Reproduktion und Anwendung folgen. Diese einfache Idee des Lernens entspricht leider nicht der Realität.1 Lernen ist ein komplexer und individueller Vorgang. Jeder Mensch lernt anders. Lernen ist nach wissenschaftlicher Sicht eine Verknüpfung vieler Neuronen. Lernen wir, so entstehen stets neue Verknüpfungen in unserem Gehirn.

Durch Übung entsteht Routine, mit der wir die Inhalte schneller und gezielter abfragen können, heißt, im Gehirn arbeiten die Neuronen effizienter und vernetzter zusammen. Dieses Netzwerk „…beherrscht ganz einfach die richtige Zuordnung aufgrund der richtigen Stärken der Verbindungen zwischen Neuronen. Dieses Können steckt in der Vernetzung der Neuronen und insbesondere in den Stärken der synaptischen Verbindungen zwischen den Neuronen.“ 2

Die Neurodidaktik ist ein noch recht neues Fachgebiet! Sie verknüpft erstmals das bereits bekannte Fachgebiet der Didaktik und den aktuellsten neurologischen Erkenntnissen über Lernprozesse in unserem Gehirn. Kinder sind von Natur aus neugierig, bedeutet also, sie wollen lernen! Unsere Aufgabe als Lehrer ist es ihnen dies zu ermöglichen.

Am besten werden die Emotionen der Kinder angesprochen, denn so lernen sie am effektivsten! Emotionslernen ist neurologisch einfach zu begründen: Das limbische System in unserem Gehirn ist für unsere Emotionen mitverantwortlich. Lernt man also mit Emotionen, so wird das limbische System in unserem Gehirn zusätzlich aktiviert und das Lernen verläuft nachhaltiger. Die verknüpften Emotionen verursachen eine biochemische und strukturelle Umgestaltung der Synapsen.3 Synapsen sind die Verbindungsstellen zwischen den einzelnen Nervenzellen. Allgemein gilt: Je intensiver der Lernstoff wiederholt wird, desto eher prägt er sich ein, denn damit verknüpfen sich die Nervenzellen auch eher. Doch nicht nur der Input ist wichtig um nachhaltig zu lernen, sondern auch die Pausen dazwischen.

Prof. Dr. Ulrich Herrmann beschreibt lernpsychologische Konsequenzen. Es muss ein optimaler Rhythmus zwischen Anspannung und Entspannung gefunden werden. Lernen wir, so sind wir angespannt, da wir die Informationen aufnehmen und sortieren müssen. In der Entspannungsphase werden diese Informationen dann gespeichert. Als Konsequenz folgt daraus, dass dieses in einem lehrerzentrierten Unterricht kaum möglich ist. Beim sogenannten Frontalunterricht stehen die Schülerinnen und Schüler 45 Minuten unter einer Anspannung. Sie nehmen die Unterrichtsinhalte nur passiv auf. Da sie keine Entspannung finden stören manche Schülerinnen und Schüler im Unterricht.4 Das bedeutet für dich als junger Lehrer, dass du abwechslungsreichen Unterricht anbieten solltest. Natürlich hat der Frontalunterricht auch seine Berechtigung. Wenn der Unterricht mal schnell gehen muss oder wenn eine Klasse noch nicht eigenverantwortlich lernen kann. Aber als Lehrer muss man darauf achten, dass man auch mal größere Erarbeitungsphasen einbaut in denen frei gelernt werden kann. Dies kann im Stationenlernen geschehen oder auch in einer Lerntheke.

Meine persönliche Erfahrung: Eine unruhige Klasse fiel im Frontalunterricht negativ durch viele Unterrichtsstörungen auf. Immer war irgendwo Geschwätz oder Zwischenrufe im Unterricht. Ich dachte mir: mit dieser Klasse kannst du nie ein Stationenlernen durchführen, wie sind die erst dann drauf. Eines Tages wagte ich es trotzdem. Und siehe da, die Klasse arbeitete konzentriert an den einzelnen Stationen und es war angenehm ruhig. Ich schloss daraus, dass diese Klasse sich mit dem Unterrichtsinhalt viel besser alleine und im Austausch mit Mitschülern auseinandersetzen konnte anstatt mit einer Anleitung frontal von mir. Dies unterstützt die Ergebnisse von Prof. Dr. Ulrich Herrmann.

Das Gehirn arbeitet besser, wenn die Lernumgebung ebenfalls ansprechend gestaltet ist. Das bedeutet, im Biologieunterricht sollte nicht nur der Regenwurm per Text und Bild behandelt werden. Die Schülerinnen und Schüler sollten die Möglichkeit haben einen lebendigen Regenwurm anzufassen.

Auch an diesem Beispiel ist das Lernen mit Emotionen erkennbar. Die Schülerinnen und Schüler fassen den Regenwurm an, egal ob Ekel oder Freude vorherrscht und verknüpfen den ausliegenden Sachtext mit dem Gefühl einen Regenwurm direkt in der Hand beobachten zu können. So wird der Inhalt mit den Emotionen verknüpft und das Lernen ist nachhaltiger als das Lernen nur vom reinen Sachtext aus.

Allein jeder Biologie begreift an dieser Stelle wie komplex unser Gehirn und seine Lernprozesse sind. Als Lehrer sollte man zumindest die Grundlagen der Neurodidaktik verstehen. Denn ein Automechaniker muss auch wissen wie ein Auto funktioniert bevor er daran rumschraubt. Wie soll also ein Lehrer einem Kind etwas beibringen, wenn er nicht weiß, wie das Gehirn lernt? Wer sich weiter mit diesem Thema auseinandersetzen will, dem empfehle ich folgende Literatur:

Herrmann, Ulrich (2009).Neurodidaktik-Grundlagen und Vorschläge für ein gehirngerechtes Lehren und Lernen. Beltz Verlag. Weinheim und BaselSpitzer, Manfred (2006). Lernen: Gehirnforschung und die Schule des Lebens. Spektrum Akademischer Verlag. Heidelberg/BerlinCaspary, Ralf Hrsg. (2006). Lernen und Gehirn: Der Weg zu einer neuen Pädagogik. Herder Verlag. Freiburg

1 (Spitzer, 2007), S. 1

2 (Spitzer, 2007), S. 55

3 (Braun, 2009), S. 134

4 (Herrmann, Gehirnforschung und die neurodidaktische Revision schulisch organisierten Lehrens und Lernen, 2009), S. 151

2. Innere Differenzierung und ihre Anwendung

Wolfgang Mattes definiert die innere Differenzierung wie folgt: „Darunter versteht man die Gesamtheit aller Maßnahmen, die im Unterricht zu einer Individualisierung des Lernens führen. Grundlage … ist die Subjektivität aller Lernprozesse.“5

Bereits in der Universität lernt man den Begriff der Differenzierung kennen. Man unterscheidet zwischen innerer und äußeren Differenzierung.

Als äußere Differenzierung bezeichnet man die Aufteilung der Schülerinnen und Schüler in Schulformen, Kurse und Klassen. Doch über diese ‚Selektion‘ wird nach wie vor diskutiert. Ziel der äußeren Differenzierung ist es, leistungshomogenere Klassen / Kurse / Lerngruppen zu erhalten.6

Die für uns Lehrer interessantere Differenzierungsart ist aber die innere Differenzierung. Diese spielt sich nämlich im Unterricht selbst ab und diese können wir gezielt im Unterricht einplanen!

Ziel der inneren Differenzierung ist es aber nicht Homogenität im Leistungsstand seitens der Schülerinnen und Schüler zu erzeugen, sondern den Unterricht für die Schülerinnen und Schüler zu individualisieren.7 Das heißt für den Alltag: Jeder Lerner verfügt über andere Vorkenntnisse über die Unterrichtsinhalte, jeder Lerner verfügt über andere Lernfähigkeiten bzgl. Lerntempo, andere Interessen und natürlich auch andere Lerntypen. Auch dies sollte einem jungen Lehrer nicht ganz neu erscheinen. Diesen individuellen Unterschieden sollte jeder Lehrer gerecht werden, es zumindest versuchen. Unterricht kann natürlich nicht zu 100% individuell ablaufen, denn dann nennt man es Nachhilfe. Unterricht ist für eine Lerngruppe geplant und wird auch in dieser durchgeführt. Doch kann man verschiedene Phasen des Unterrichts bzw. einer Unterrichtssequenz individueller gestalten. Beispielsweise kann man mit einer Klasse zusammen in das Thema „Insekten“ einsteigen, anschließend aber eine innere Differenzierung durch verschiedene Niveaus in den Arbeitsblättern erreichen (Differenzierung nach Leistungsniveau).