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Zunächst entdeckt sie nur ein gefälschtes Gemälde – doch es lauert eine viel größere Gefahr …
Poppy Dayton ermittelt in Teil 3 der Cosy Crime-Reihe erneut im idyllischen Cornwall
Poppy Dayton ist froh, als die Bitte einer befreundeten Museumsdirektorin aus Falmouth sie zurück in ihr geliebtes Cornwall führt. Die Direktorin hatte verstörenden Besuch von einer jungen Frau, die erklärt, dass eines der ausgestellten Gemälde eine Fälschung sei. Poppy soll die Echtheit zur Sicherheit mit einem Gutachten bestätigen, doch bevor sie zum endgültigen Ergebnis kommt, ereignet sich schon die nächste Katastrophe: Am Helford River wird eine Leiche gefunden. Sie kann nicht identifiziert werden, aber es handelt sich um die selbe Frau, die das Gemälde als Fälschung bezeichnete. Das kann kein Zufall sein, denkt sich Poppy und schlittert direkt in ihren nächsten Fall. Noch ist ihr nicht klar, dass sie einer Verschwörung auf der Spur ist, die sich in die höchsten Kreise der Gesellschaft zieht …
Alle Bände der Poppy Dayton ermittelt-Reihe sind in sich abgeschlossen und können unabhängig voneinander gelesen werden.
Weitere Titel dieser Reihe
Poppy Dayton und das Geheimnis von Wythcombe Manor (ISBN: 9783968172071)
Poppy Dayton und das Rätsel um Arwen Island (ISBN: 9783986374983)
Erste Leser:innenstimmen
„Ich liebe die Cosy Crime-Reihe und vor allem Poppy als Ermittlerin, die mich immer wieder mit ihrer Cleverness begeistert.“
„Empfehlenswert für Krimi- und Kunstliebhaber und alle, die es werden wollen!“
„Spannende Geschichte, humorvoller Schreibstil und mit Cornwall eine traumhafte Kulisse. Was will man mehr?“
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Seitenzahl: 417
Veröffentlichungsjahr: 2023
Poppy Dayton ist froh, als die Bitte einer befreundeten Museumsdirektorin aus Falmouth sie zurück in ihr geliebtes Cornwall führt. Die Direktorin hatte verstörenden Besuch von einer jungen Frau, die erklärt, dass eines der ausgestellten Gemälde eine Fälschung sei. Poppy soll die Echtheit zur Sicherheit mit einem Gutachten bestätigen, doch bevor sie zum endgültigen Ergebnis kommt, ereignet sich schon die nächste Katastrophe: Am Helford River wird eine Leiche gefunden. Sie kann nicht identifiziert werden, aber es handelt sich um die selbe Frau, die das Gemälde als Fälschung bezeichnete. Das kann kein Zufall sein, denkt sich Poppy und schlittert direkt in ihren nächsten Fall. Noch ist ihr nicht klar, dass sie einer Verschwörung auf der Spur ist, die sich in die höchsten Kreise der Gesellschaft zieht …
Alle Bände der Poppy Dayton ermittelt-Reihe sind in sich abgeschlossen und können unabhängig voneinander gelesen werden.
Erstausgabe April 2023
Copyright © 2024 dp Verlag, ein Imprint der dp DIGITAL PUBLISHERS GmbH Made in Stuttgart with ♥ Alle Rechte vorbehalten
E-Book-ISBN: 978-3-98778-233-6 Taschenbuch-ISBN: 978-3-98778-303-6
Covergestaltung: Grit Bomhauer unter Verwendung von Motiven von shutterstock.com: © stocker1970, © VikaSuh, © Creative Travel Projects, © Roxana Bashyrova, © ivangal, © Ken StockPhoto, © vitek3ds, © Alain Jarrad, © SaGa Studio, © Artiste2d3d, © giedre vaitekune, © Eric Isselee, © OSINSKIH AGENCY Lektorat: Katrin Gönnewig
E-Book-Version 28.03.2024, 12:40:15.
Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.
Sämtliche Personen und Ereignisse dieses Werks sind frei erfunden. Etwaige Ähnlichkeiten mit real existierenden Personen, ob lebend oder tot, wären rein zufällig.
Abhängig vom verwendeten Lesegerät kann es zu unterschiedlichen Darstellungen des vom Verlag freigegebenen Textes kommen.
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Poppy balancierte auf bloßen Füßen durch das Schaufenster der Galerie an der Marylebone High Street. Sie arrangierte ihre zierlichen Plastiken in Gruppen, sodass die Figuren in Beziehung zueinander traten und kleine Geschichten erzählten.
Die Ordnung, die dabei entstand, half ihr auch, die eigenen Gedanken zu sortieren.
Wie soll ich das Barney beibringen? Schon wieder nach Cornwall, obwohl ich noch keine vierundzwanzig Stunden in London bin?
Am Abend zuvor hatte Inspektor Edwards angerufen. Das Gespräch ließ ihr keine Ruhe. Es war zum Glück nicht um Mord und Totschlag gegangen, allerdings schienen die Schwierigkeiten, in der eine Freundin steckte, erheblich zu sein.
Ich könnte ihr vielleicht helfen. Allerdings wird Barney ausflippen, wenn …Hätte ich ihm bloß gleich von dem Telefonat erzählt! Doch was wäre dann aus unserem ersten Abend geworden?
Ihre Grübelei wurde abrupt beendet, als Poppy ein lautes Räuspern hinter sich hörte.
Sie zuckte zusammen und stützte sich mit beiden Händen am Glas ab, wo sie zwei feuchte Abdrücke hinterließ. Zwei halbwüchsige Mädchen blieben vor dem Fenster stehen, starrten sie an und liefen kichernd weiter. Poppy richtete sich auf und strich sich die dichten, kastanienbraunen Locken zurück.
„Warum bist du überhaupt zurückgekommen?“
Die kalt polternde Frage verursachte Poppy eine Gänsehaut. Ihr Spiegelbild blickte betreten auf die Zehenspitzen hinunter.
„Wie meinst du das, Barney?“ Indeed, was meinte er? Fieberhaft dachte sie nach. Er war bei dem Telefonat nicht dabei gewesen und konnte unmöglich wissen …
Vorsichtig drehte sie sich um. Der Schaufenstersockel glich den Größenunterschied von fast zwei Köpfen aus, sodass sie sich Auge in Auge gegenüberstanden. Funkelgrün gegen Stahlblau.
„Gerade ist ein Fax für dich gekommen.“ Er wedelte mit einem Zettel vor Poppys Nase herum. Sie widerstand der Versuchung, sofort danach zu greifen.
„Wer schickt denn heute noch ein Fax?“ Sie war selbst überrascht, wie gleichmütig sie sich anhörte.
„Die Polizei.“
Poppy wich seinem Blick aus.
„Aus Falmouth?“, fragte sie leise.
„Genau. Von deinem lieben Freund Inspektor Edwards.“ Der sarkastische Tonfall bedeutete nichts Gutes. Barney ließ den Zettel auf den Tresen segeln.
Einen nach dem anderen hob Poppy ihre Füße von der schwarzen Samtbespannung und stieg in den Verkaufsraum zurück.
„Lass mich erklären …“
„Was gibt es zu erklären?“ Verächtlich reckte er das Kinn in Richtung Fax. „Da steht ein Termin drauf. In dieser Woche, für dich, den Inspektor und eine Mrs James in Falmouth, Cornwall!“
„Alice James. Die Direktorin des Museums. Du erinnerst dich an sie?“
Er schüttelte den Kopf.
„Sie hat den Verdacht, dass eines ihrer Gemälde eine Fälschung sein könnte. Deshalb rief mich Edwards gestern Abend an. Seit drei Wochen versucht er mich zu erreichen. Ich habe ihm erklärt, dass ich auf Arwen Island mit anderen Dingen beschäftigt war, und das hat er auch verstanden.“
„Aber was zum Kuckuck hat das mit dir zu tun?“
„Mrs James hat das Bild erst kürzlich erworben, für sehr viel Geld, das ihr das Kuratorium bewilligt hat, nur …“
„Du bist nicht unbedingt die erfahrenste Gutachterin.“
„Das habe ich ihm auch gesagt …“ Sie stockte und näherte sich Barney vorsichtig. Behutsam strich sie ihm eine blond-grau gesträhnte Locke aus der Stirn. „Schau nicht so böse, Darling. Wirklich, ich kann nichts dafür. Mrs James scheint in einer schwierigen Situation zu sein. Das Gutachten eines renommierten Spezialisten bescheinigt zwar die Echtheit des Gemäldes, doch irgendetwas muss sie gewaltig verunsichert haben. Der Inspektor wollte mir am Telefon dazu keine Details geben, auch nicht, um welches Bild es sich handelt.“
„Noch mal: Warum du, Poppy?“
„Mrs James – Alice – bat Edwards, mit mir in Kontakt zu treten, seit dem Drama um den toten Wanderführer ist ja bekannt, dass wir zusammengearbeitet haben. Sie kann das Gutachten offiziell nicht infrage stellen, ohne den Ruf des Hauses und ihre Position zu gefährden. Dann hat sie recherchiert und herausgefunden, dass ich meine Masterarbeit an der Kunstakademie zu Analysemethoden in der Gemäldebegutachtung geschrieben habe. Jetzt soll ich meine bescheidene Meinung dazu abgeben.“
„Das ist ja schön, Poppy.“ Barneys Zweifel schienen nicht beseitigt zu sein. „Merkst du nicht, dass dich alle ausnutzen? Erst der amtsmüde Inspektor mit seinem Mord, dann der verrückte Kunsthändler und jetzt eine nervöse Museumsdirektorin? Wohin soll das noch führen?“
Er ließ ihr keine Zeit für eine Antwort. „Hast du an den Aufwand gedacht? Die Kosten für die Reise? Die Analysen? Im Moment brauchen wir die liquiden Mittel für die Auktion mittelalterlicher Manuskripte in Brighton. Ich habe Abnehmer, doch wie du weißt, muss ich in Vorlage gehen.“
Er hatte sich in Rage geredet, und Poppy konnte ihn verstehen. Trotzdem stieg ihr Missmut. Darauf hätte ich eine passende Antwort, wenn …
Erneut kam ihr Barney zuvor. Er nahm ihre Hand und küsste die Fingerspitzen.
„Außerdem vermisse ich dich – jeden Tag, jede Minute. Und das Schlimmste ist, dass ich verrückt werde vor Sorge, wenn ich mir vorstelle, dass Mörder dir auf den Fersen sind, durch dunkle unterseeische Gänge!“
„Sei nicht so theatralisch.“ Sie schenkte ihm ein Lächeln. „Aber es ist schön zu wissen, dass du Sehnsucht nach mir hast. Ich fürchtete schon, es ginge dir nur ums Geld.“
„Quatsch, es ist …“
Jetzt war sie es, die ihn unterbrach. „Edwards erwähnte auch ein Honorar für das Gutachten. Fünftausend Pfund.“ Sie machte eine Pause und ließ die Information einwirken.
Barneys zusammengezogene Brauen entfernten sich voneinander.
„So viel?“
„Nicht schlecht, oder?“
„Und was ist mit dem Angebot von Flexer? Er hat dir eine Einzelausstellung in seiner Galerie angeboten.“
„Das ist eine große Chance, aber eben nur eine Chance. Es wird dauern … Das Honorar für das Gutachten bekomme ich in ein paar Tagen.“
„Klingt gut, aber wo ist der Haken?“
„Keine Ahnung, das kann ich nur vor Ort herausfinden.“
Barney ließ nicht locker. „Wie soll das ablaufen, Poppy? Für ein Gutachten fehlt dir die technische Ausrüstung. Da einfach so hineinzustolpern, ist total unprofessionell. Hast du keine Angst, dich zu blamieren?“
Torry, der Terriermischling, spitzte die Ohren und blickte zwischen den beiden hin und her. Er reagierte auf die Spannung, imitierte den Gesichtsausdruck seines Herrchens und knurrte.
Poppy seufzte. „Ich mache uns erst mal einen Tee.“
Sie setzten sich an den Tisch der kleinen Küche im hinteren Bereich von „Bromley Books and Art“. Hier hatten die Künstlerin und der Spezialist für Kunstgeschichte, der für die Liebe seines Lebens seine Professur am Royal Kollege of Art aufgegeben hatte, eine gemeinsame Bühne für ihre Aktivitäten gefunden.
„Barney, glaub mir, ich habe dem Inspektor erklärt, dass ich gerade von einem Job zurückkomme, der anders verlief als geplant. Und dass mein Mann und ich einiges nachzuholen haben.“
Poppy legte ihre Hand auf seine und spürte, wie er zuckte, aber er zog sie nicht weg.
„Trotzdem. Ich würde Mrs James gerne helfen.“ Sie schob die Locken aus der Stirn und sah Barney kurz an, dann hielt sie die Augen gesenkt, als ob sie sich vor seinem Blick fürchtete. „Edwards sagte, alle notwendigen technischen Geräte zur Untersuchung seien vorhanden: Spektroskope, Wood’sches Licht und andere Dinge, die er sich nicht gemerkt hat. Allerdings gibt es dort keinen Experten, der sie bedienen kann. Das Museum ist klein und kann sich nicht dauerhaft einen Gutachter leisten.“
„Na toll.“ Der trockene Ton genügte, um Barneys Missfallen auszudrücken. Torry, der im Zweifel zu ihr hielt, kuschelte sich an sie und leckte ihre Hand.
„It is, isn’t it?“ Zärtlich stupste Poppy ihm mit dem Zeigefinger auf die Unterlippe.
„Denk an die fünftausend Pfund.“
Er öffnete den Mund, um etwas zu erwidern, dann seufzte er ergeben. „Leider weißt du genau, dass ich dir nichts abschlagen kann.“ Das leichte Flattern der Augenlider verriet Poppy, dass die Emotionen alles andere als aufgesetzt waren. Sie küsste ihn lange.
„Darling, gestattest du mir, dass ich die Lage zusammenfasse?“
Er zuckte die Schultern.
„Also, die Aufgabe ist interessant, sie ist gut bezahlt …“
„… sehr gut sogar, das muss ich zugeben.“
„Siehst du. Und das Wichtigste: Sie ist vollkommen ungefährlich. Außerdem ist Torry bei mir.“ Der legte den Kopf schräg, als er seinen Namen hörte.
Poppy beobachtete erfreut, wie sich Barneys verkrampfte Züge glätteten.
Zu dem ihr wohlbekannten prickelnden Gefühl, das zwischen den Schulterblättern anfing und sachte den Nacken hinaufstieg, sagte sie lieber nichts.
Das ominöse Kribbeln verflog und machte euphorischer Vorfreude Platz, die Poppy jedes Mal erfasste, wenn sie nach Cornwall fuhr.
Sie war umso größer, da ihr Barney sein grünes Morris Minor Cabriolet ausgeliehen hatte und sie mit offenem Verdeck fahren konnte. So nahm sie jede Abstufung der Salznote wahr, die der Südwestwind vom Meer herauftrug und die sich mit jeder Meile verdichtete, mit der sie der Küste näher kam.
Nicht nur, dass ihr Mann von weiteren kritischen oder auch nur geistreichen Anmerkungen Abstand genommen hatte, was ihren „Ausflug“ – auf diesen Begriff hatten sie sich geeinigt – anging. Auch den besonderen Frischluftgenuss gönnte er ihr.
„In der City kann ich das Ding sowieso nicht fahren, und ich habe einen Grund mehr, dich so bald wie möglich da unten zu besuchen.“
Poppy war ihm um den Hals gefallen. „Danke, das ist sehr lieb von dir. So lange werde ich ja nicht weg sein.“
„Wer weiß? Grüße auf alle Fälle Pat und Bruce von mir.“
Sie erinnerte sich an den zweifelnden Klang seiner Stimme, als sie von der Landstraße abbog und die schmale, von Holunderbüschen, Rhododendren und Buchenhecken gesäumte Landstraße in Richtung Lizard Point nahm. Jetzt waren es nur noch wenige Meilen bis Wythcombe Manor.
Ihre Studienfreundin Patricia hatte den attraktiven, aber chronisch in Geldnot befindlichen Lord Bruce Wythcombe geheiratet, und sie waren vor drei Jahren von London nach Cornwall gezogen. Mit großen Anstrengungen war es ihnen gelungen, aus dem bröckeligen Familiensitz ein heimeliges Hotel zu gestalten, mit stilvoll eingerichteten Räumen und einer exzellenten Küche. Allmählich stellte sich der Erfolg ein, auch Poppy hatte daran einen nicht geringen Anteil. Die Wythcombes hatten nur wenig unternehmerisches Talent, und sie stritten sich oft. Das war auch der Grund, weshalb Poppy kurz darüber nachgedacht hatte, nicht bei ihren Freunden, sondern im Hotel zu wohnen, doch damit hätte sie Pats Gefühle verletzt. Am Ende rief Poppy sie an.
„Wie sieht’s aus in Wythcombe? Könnte ich kurzfristig bei euch einfallen?“
„Aber immer! Du weißt, du hast ewiges Wohnrecht bei uns!“ Sie klang ehrlich begeistert. „Was führt dich her? Doch nicht schon wieder ein neuer Fall? Die Zeitung hat dich jedenfalls zur modernen Miss Marple ernannt, die ganz allein einen Mörder auf einer einsamen Insel zur Strecke gebracht hat! Auf unserer Bootspartie nach Penzance ahnte ich schon was, das muss ich zugeben. Doch dass da ein ganzer Gangsterring sein Unwesen treibt … Was sagt denn Barney dazu? Lässt er dich überhaupt noch mal weg?“
Poppy lachte. „Hol erst mal Luft, Pat! Ja, ich darf kommen, aber nur, um einen kleinen Auftrag für euer Kunst-Museum zu erledigen.“
„Großartig! Wir sind ausgebucht … egal! Du bekommst eines von den beiden nagelneuen Zimmern, die wir im Ostflügel hergerichtet haben. Es riecht nach Farbe und der Boden ist noch nicht abgeschliffen.“
„Das macht nichts, ich werde viel unterwegs sein.“ Poppy hatte noch nach dem Verlauf der Schwangerschaft gefragt, Pat war im dritten Monat.
„Alles okay. Bruce kümmert sich rührend um mich. Er ruft gerade aus der Küche Entschuldige, ich muss weitermachen, wir stehen schon wieder ohne Managerin da! Wir sehen uns!“ Pat hatte aufgelegt.
Poppy dachte über ihren letzten Satz nach. Den Wythcombes fehlte sowohl das Geld als auch das Glück, um gutes Personal zu halten. Bei ihrem letzten Aufenthalt, im Frühling, war sie selbst eingesprungen, doch das sollte sich nicht wiederholen.
Sie krallte sich in das dünne hölzerne Lenkrad und steuerte den Morris beherzt durch die engen Kurven. Sie war gespannt darauf, was sie im Manor erwartete – und im Museum in Falmouth.
Das Kopfsteinpflaster zwang sie dazu, Tempo herauszunehmen.
Sanfte, warme Luftwellen lösten den frischen Fahrtwind ab. Der kleine Motor des betagten Fahrzeugs dankte ihr den ruhigeren Rhythmus mit einem leisen Zischen.
„Wann sehen wir endlich das Meer?“, fragte Poppy. Torry stemmte sich vom Beifahrersitz auf die Vorderpfoten hoch, hielt die Nase in den Wind und stieß ein fröhliches Jaulen aus.
„Eingeklemmt zwischen diesen Hecken ist nichts zu erkennen, dafür schützen sie wenigstens vor der Sonne.“
Hinter Ruan Minor, dem letzten Ort vor Lizard Point, nahm ihr an der Kreuzung ein Wagen die Vorfahrt, und Poppy musste heftig auf die Bremse treten. Das war knapp.
Vergeblich versuchte Torry sich abzustützen und kullerte in den Fußraum. Poppy biss sich auf die Unterlippe. Sie hatte nach der letzten Rast vergessen, ihn in sein Geschirr zu stecken und anzuschnallen. Mit schlechtem Gewissen streckte sie ihre Hand nach dem kleinen Kerl aus, der sich nur schüttelte und sofort wieder auf den Sitz zurückkletterte.
Wütend starrte Poppy dem Wagen hinterher, einem weißen Mercedes, der in unverminderter Geschwindigkeit seine Fahrt fortsetzte. Die vier Insassen in dem Cabriolet schienen sich prächtig zu amüsieren, Poppy hörte sie immer noch lachen.
So kurz die Begegnung auch war, der Schreck schärfte Poppys Sinne. Deshalb hatte sie auch eine der Personen erkannt, als sie für den Bruchteil einer Sekunde in ihre Richtung gesehen hatte.
Die wehenden schwarzen Locken, die weichen Gesichtszüge und der Bart, der das fliehende Kinn verbarg – das war eindeutig Bruce Wythcombe!
Poppy kniff die Augen zusammen. Allerdings war die blonde Lady auf dem Rücksitz, um deren Schulter du den Arm gelegt hast, nicht deine Frau.
Mit einem Achselzucken setzte sie die Fahrt fort.
Ein paar Hundert Meter weiter fuhr sie noch langsamer, um die Einfahrt in den Park von Wythcombe nicht zu verpassen.
Sie entdeckte das kleine Schild und bog auf den Kiesweg ab.
Die haushohe naturbelassene Buchenhecke wurde von niedrigen, akkurat geschnittenen Buchsbaumreihen abgelöst, die den Blick auf das Manor freigaben.
Die fünf spitzen Giebel des elisabethanischen Herrenhauses glänzten in der Nachmittagssonne wie die Zacken einer Krone. Poppy fiel der Kontrast zwischen der gepflegten Gartenanlage und dem Gebäude auf. Auf den ersten Blick imposant und hochherrschaftlich, zeigten sich, je näher sie kam, immer mehr Risse in der Fassade, und die grasbewachsenen Dachrinnen wirkten vernachlässigt wie eine alte Prinzessin, die keinen Wert mehr auf ihr Äußeres legte.
Poppy stellte den Morris auf dem Parkplatz ab, der zur Hälfte besetzt war. Torry wartete nicht ab, bis Poppy die Tür auf seiner Seite öffnete, und sprang über das Heck nach draußen. Sofort machte er sich auf die Suche nach den Duftmarken, die er bei seinem letzten Aufenthalt vor ein paar Wochen hinterlassen hatte.
Poppy holte die Reisetasche vom Rücksitz. Nach einem kritischen Blick zum westlichen Horizont, an dem sich ein paar dunkle Wolkentürme bildeten, klappte sie das cremefarbene Verdeck zu und verriegelte es sorgfältig. Sie tätschelte die warme Motorhaube und schickte in Gedanken einen Gruß an Barney.
Mit Torry an ihrer Seite machte sie sich auf den Weg zum Portal. Ein Paar in mittlerem Alter kam ihr entgegen, sie hatten sich untergehakt, grüßten freundlich und musterten sie neugierig. Vom Swimmingpool schallte Kinderlachen herüber, bis der Westflügel des Gebäudes sich dazwischenschob und das Geräusch ebenso verschluckte wie die Sonnenstrahlen.
Im kühlen, stillen Schatten vor der hohen Eichentür blieb Poppy stehen.
Sie blickte an der Fassade hoch und dachte daran, wie sie dort oben barfuß den Sims zwischen den Fenstern entlanggeklettert war, auf der Jagd nach dem Mörder von Micah Morgan.
Der Schuldige saß inzwischen im Gefängnis. Er wartete auf den Prozess – genauso wie Bruce Wythcombe. Der war zwar auf freiem Fuß, denn ihm konnte bisher keine direkte Verbindung zum Mord nachgewiesen werden, doch seine Rolle in dem Immobilienskandal, der mit Micahs Tod in Verbindung stand, war ungeklärt.
Die feuchte Hitze des Augusttags blieb radikal ausgeschlossen, nachdem Poppy die Halle betreten hatte. Die hohen Kassettenfenster ließen nur etwas Licht passieren, gebrochen von Ritter- und Heldenfiguren, kunstvoll gestaltet aus farbigem Glas. Nur das Knacken der Eichendielen war zu hören – bis laute Stimmen die Stille unterbrachen.
„Bitte, lass mich nicht auch noch im Stich!“ Es war Pats Stimme, die aus dem Büro hinter der Rezeption zu hören war.
„Natürlich nicht, aber du weißt, dass ich nicht ewig bleiben kann!“ Das war Nancy, die Lady in Blue, eine befreundete Schriftstellerin, die den wenig organisationsbegabten Wythcombes beim Betrieb des Hotels half.
Ein Gast im Bademantel, der unschlüssig vor dem Tresen stand, öffnete den Mund, schloss ihn gleich wieder, schüttelte den Kopf und lief an Poppy vorbei nach draußen.
„War es unbedingt nötig, sich von Elaine zu trennen und das so plötzlich?“, fragte Nancy ungehalten.
„Du hast selbst gesehen, dass sie Bruce schöne Augen gemacht hat.“
„Dazu gehören immer zwei …“
Poppy hatte genug gehört. Mit einem vernehmlichen Platsch stellte sie das Gepäck ab und klopfte an die verglaste Tür.
Synchron drehten sich die beiden Frauen zu ihr um.
Pat warf die zum Zopf gebundenen, haselnussbraunen Haare energisch über die Schulter, reckte das Kinn vor und blitzte sie aus den leicht schräg gestellten Augen an.
Nancys schwarze Korkenzieherlocken wirbelten um ihren Kopf. Sie waren das einzige Dunkle an ihr. Der strahlende Teint und das helle Blau der Augen rivalisierten mit dem türkisenen Leinenkleid.
Als sie Poppy erkannten, sprangen sie gleichzeitig auf und versuchten sich gleichzeitig durch die Tür zu quetschen.
„Langsam, Ladys. Sonst tut ihr euch noch was – gutes Personal ist schwer zu kriegen!“
Poppy breitete die Arme aus und schlang sie erst um Nancy, dann um Pat; die sichtbar Schwangere hatte das Rennen knapp verloren. Torry sprang bellend an beiden hoch.
Einen Moment lang sagten sie nichts, strahlten sich nur an. Die Ereignisse im Frühjahr hatten sie extrem gefordert, sogar in Lebensgefahr gebracht. Und in diesem Moment schien die Erinnerung sie einzuhüllen wie eine Kapsel.
Pat war die Erste, die sich aus der Umklammerung löste. Sie seufzte tief.
„Poppy, die alten Probleme sind leider auch die neuen. Nein, keine Sorge, diesmal werden wir dich nicht als Managerin missbrauchen. Du kannst frei über deine Zeit verfügen.“
„Pat, Nancy, ich bin so glücklich, wieder in Cornwall zu sein und euch zu sehen. Da habe ich kein Problem damit, das Angenehme mit dem Nützlichen zu verbinden, wenn es euch hilft.“
„Das ist lieb von dir. Ich mache uns erst mal einen Kaffee. Oder willst du gleich auf dein Zimmer?“
„Das hat Zeit. Kaffee ist prima.“
Pat verschwand in Richtung Küche. Nancy zog Poppy in das kleine Büro und schloss die Tür.
„Dich schickt der Himmel. Pat und Bruce haben eine Dynamik miteinander, die mich überfordert. Da ist die alte Freundin gefragt.“
Poppy stöhnte leise. „Oh nein, darauf bin ich nicht eingestellt, ich habe nur ein paar Tage hier. Was ist denn los? Als ich Pat das letzte Mal sah, wirkte sie einigermaßen ausgeglichen und meinte, es würde gut laufen zwischen ihr und Bruce.“
„Nach außen vielleicht. Ich fürchte, die beiden leben sich immer weiter auseinander.“
„Obwohl sie ein Kind erwarten?“
Nancy rollte mit den Augen. „Bruce flirtet mit jeder, die ihm über den Weg läuft, und einige von den weiblichen Gästen scheinen das sogar charmant zu finden. Und Pat schaut nicht bloß weg. Sie hat selbst anderes im Kopf.“
Poppy grinste. „Heißt das andere vielleicht Cary?“
„Woher weißt du das?“
„Ich habe die beiden auf einem Bootsausflug zusammen erlebt.“
„Dir entgeht nichts, Poppy.“ Nancy sah sie schief an: „Bist du etwa wieder als Detektivin unterwegs?“
„Ja und nein. Es ist ganz harmlos. Nur eine kunsthistorische Expertise.“
Nancy grinste. „Dann muss ich einen Augenblick drüber nachdenken, ob ich mich freuen oder besser einen Sicherheitsabstand einhalten sollte.“
Mit Torry auf den Fersen lief Poppy die geschwungene Freitreppe hinauf in den ersten Stock und von dort über eine weniger spektakuläre Stiege weiter bis in die zweite Etage.
Oben blieb sie stehen und lauschte den Geräuschen des Hauses: dem Knacken der Balken, die sich in der Nachmittagshitze ausdehnten, dem Gemurmel aus einem der Zimmer, die von der geräumigen Diele abgingen, und dem leisen Klappern von Geschirr, das von draußen durch die offenen Fenster hereinwehte.
Auf der Terrasse vor dem Haus, an der Meerseite, wurde der High Tea serviert, und das erinnerte Poppy daran, wie hungrig sie war.
Schnell die Tasche aufs Zimmer, eine Tasse Tee und ein paar Scones – und dann ins Meer! Darauf freute sie sich am meisten.
Sie steckte den großen eisernen Bartschlüssel ins Schloss – aus finanziellen und stilistischen Gründen hatten sich die Wythcombes bisher geweigert, moderne digitale Türverriegelungen einzubauen.
Der Raum glich eher einer Hauskapelle als einem Hotelzimmer. Deutlich höher als breit, fiel das Licht aus schmalen, gotisch spitz zulaufenden Fenstern auf das Bett, das erhöht wie ein Altar auf seinem Podest ruhte und von einem Himmel aus dunkelblauer Seide überspannt wurde. Zwei Teppiche standen zusammengerollt in der Ecke. Der abgetretene Eichenboden glänzte matt.
Poppy zog die Schuhe aus, tauschte Jeans und Poloshirt gegen Bikini und Bademantel und verließ das Zimmer.
Barfuß und lautlos durchquerte sie die Halle – bis sie abermals Stimmen aus dem Büro hörte. Diesmal war eine davon männlich, sie erkannte Bruce. Poppy deutete Torry an, leise zu sein, und kam näher.
„… sie ist meine Freundin, und davon habe ich nicht viele in dieser gottverlassenen Gegend!“ Pat klang genervt.
„Du hängst immer noch an London und lässt dich nicht auf unseren Betrieb hier ein.“
„Ich will ein Heim und eine Familie und kein Unternehmen!“
„Du weißt schon, worauf du dich eingelassen hast?“, fragte Bruce lauernd.
„Natürlich“, antwortete sie deutlich leiser. „Und ich stehe dazu.“
„Warum taucht dann wieder diese Poppy auf? Sie weiß alles besser und ist eine notorische Schnüfflerin.“
„Ich warne dich, Bruce.“ Der Ton wurde schärfer. „Auf Poppy lasse ich nichts kommen. Du weißt, wie sehr sie uns geholfen hat, das ist erst ein paar Wochen her, und ohne sie wären wir gescheitert – in jeder Beziehung!“
„Beruhige dich. Pat, das ist nicht gut für dich“, er zögerte kurz und fügte beschwichtigend hinzu, „und für unser Baby auch nicht.“
„Ach, das fällt dir doch noch ein?“
„Darling, ich …“
Auf Zehenspitzen schlich Poppy in Richtung Terrasse. Sie schämte sich dafür, die beiden belauscht zu haben, gleichzeitig tat ihr die Freundin leid. Auch wenn Pat beim letzten Treffen beteuert hatte, dass ihre Ehe auf einem guten Weg sei, schien Nancy recht zu haben.
Zwei Handvoll Gäste gruppierten sich auf Rattanstühlen um den Zwanzig-Meter-Pool.
Von gut bestückten Etageren luden sie Häppchen auf Porzellanteller und tranken Tee und Cocktails. Torry entdeckte einen Wassernapf und stillte seinen Durst.
Poppy hatte im Moment keine Lust auf die wuselige Nachmittagsgesellschaft, schnappte sich ein Lachs- und ein Gurkensandwich und setzte ihren Weg durch den Park fort.
Die gepflegte, künstliche Struktur des formal gardens löste sich nach hundert Metern auf und ging allmählich über in die natürliche Küstenvegetation. Auf Rosen, Rhododendren und Hortensien folgten Wacholderbüsche, Wermut und Heidekraut. Es roch warm, würzig und … Poppy spürte, wie ihre Nasenflügel bebten. Salz! Und das Rauschen – endlich.
Sie mied den touristischen Bereich rund um Lizard Point Lighthouse und näherte sich der Klippe. Der Rand wurde durch eine mannshohe Buschrosenhecke lange verdeckt, deshalb war der Effekt so spektakulär: Als ob der Boden plötzlich nach unten wegklappte, öffnete sich vor Poppy die Sichel der Caerthillian Cove.
Es war Flut, und das tiefblaue Meer brauste in lang gezogenen Wellen den Strand hinauf. In den Schaumkronen der brechenden Wellenkämme gingen Möwenschwärme auf Jagd nach silbrig glitzernden Fischen.
Nach dem ersten Blick aufs Meer schloss Poppy die Augen, konzentrierte sich auf Geräusche und Gerüche. Die Meeresvögel kreischten, die Brandung krachte gegen die Felsen, die Rosenbüsche raschelten im Wind, ihr herbsüßer Duft vermischte sich mit dem salzigen Aroma von Tang und Muscheln.
Minutenlang blieb sie stehen und genoss diesen Moment der Ankunft an der kornischen Küste, bis aus den zusammengepressten Augenlidern ein paar Tränen quollen.
Das wird nie den Reiz für mich verlieren. Es ist eine Magie, der ich viel mehr verfallen bin, als ich es Barney anvertraut habe. Sie dachte an ihren Mann und hatte Gewissensbisse.
Ich muss ehrlich mit ihm über meine Sehnsucht sprechen. Diese Fluchten hierher aus allen möglichen Vorwänden kann ich auf Dauer nicht durchhalten.
Und noch etwas wurde ihr klar. Auch wenn Pats Angebot, mich im Manor unterzubringen, noch so gut gemeint ist – ich habe keine Lust mehr, Managerin und Paartherapeutin zu spielen. Poppy erschrak über ihre Gedanken, aber sie genoss auch die Konsequenz daraus: Ich will unabhängig sein und werde mich nach einer eigenen Bleibe umsehen.
Bevor sie den von gelben und lila Mittagsblumen gesäumten Pfad zum Strand hinunterging, blickte sie noch einmal zurück zu den Zinnen von Wythcombe. Es muss ja kein Schloss sein.
Vom Rand der Klippe betrachtet, hatte die Dünung idyllisch gewirkt, auf Meereshöhe änderte sich die Perspektive. Fast zwei Meter hohe Brecher krachten auf den Sand und ließen den feuchten Boden zittern.
Poppy störte das nicht. Sie legte den Bademantel auf einer Felsplatte zwischen den Mittagsblumen ab. Sofort setzte sich Torry darauf.
Er teilte mit Poppy vieles, nur nicht die Liebe zum Meer. Sie hatte ihn im letzten Moment vor dem Ertrinken gerettet. Deshalb wusste sie, dass er nie begreifen würde, was sie dazu trieb, dieses unheimliche Element immer wieder aufzusuchen.
Poppy rannte los, verzögerte kurz ihren Lauf, bis sich eine Welle vor ihr auftürmte, fixierte die blaugrüne Wand vor sich, die immer transparenter wurde, stieß sich ab und tauchte durch den Kamm.
Auf der anderen Seite kraulte sie in ruhigem Wasser der nächsten Welle entgegen.
Sie drehte sich auf den Rücken und schrie ihre Freude in den Himmel, misstrauisch beäugt von einer Möwe mit schwarzen Flügelspitzen.
Erst als sie langsam müde wurde und bei einsetzender Ebbe die Unterströmung immer stärker an ihr zog, schwamm Poppy zurück zum Ufer.
Über den Klippen stiegen die Wolken wie ein Blumenstrauß auf, der vom Wind zerfetzt wurde.
Außer Atem sank Poppy in den Sand. Sie trocknete sich nicht ab, sondern sah den Wassertropfen beim Verdunsten zu. Sie hinterließen glitzernde Salzkrusten, die sich zusammenzogen, und ein sanftes Kitzeln breitete sich über ihre ganze Haut aus.
Alice James und das Museum kamen ihr in den Sinn, doch das Treffen war erst für morgen Vormittag vereinbart, und bis dahin wollte sie nicht an den ominösen Auftrag denken.
Zwei Stunden später fand sie sich frisch geduscht zum Dinner auf der Terrasse ein.
Sie hatte bisher keine Gelegenheit gehabt, Bruce Hallo zu sagen. Er winkte ihr nur kurz zu, was sie nicht als Missachtung empfand, denn Lord Wythcombe kümmerte sich persönlich um das Barbecue. Die langen schwarzen Haare waren mit einer Samtschleife zusammengebunden.
Steaks, Shrimps, Loup de mer, gegrillter wilder Fenchel und eine Menge anderer Köstlichkeiten waren perfekt aufeinander abgestimmt und schmeckten köstlich.
Als Poppy das nächste Mal zum Grill ging und Bruce ihr einen rot glänzenden Hummerschwanz auf den Teller hob, blieb sie einen Moment stehen.
„Hi, Bruce, wie geht’s? Man kann dir alles Mögliche vorwerfen, aber als Chefkoch bist du unschlagbar.“
„Ich freue mich auch so mäßig, dich zu sehen, Poppy.“ Er ließ seine weißen Zähne blitzen, die schönen Augen lagen hinter langen Wimpern versteckt.
„Hast du den Ausflug im Bentley genossen?“, fragte Poppy spontan und fügte beiläufig hinzu: „Wer war denn die Kleine neben dir?“
Er ließ sich nichts anmerken, nur die Mundwinkel zuckten.
„Das sind Freunde“, antwortete er kurz. „Wie kommst du …?“
„Du weißt doch, die notorische Schnüfflerin ist zurück. Also sieh dich vor und stell nichts an, was meiner Freundin Pat wehtun könnte.“
Damit ließ sie ihn stehen. Ihr Nacken brannte. Kam es von seinem Blick oder vom Grillfeuer? Sie schüttelte sich. Das alte Geplänkel zwischen ihnen war wieder eröffnet.
Egal. Ich teile den Hummer jetzt mit Torry, und dann gehe ich früh ins Bett. Um zehn bin ich im Museum verabredet, dafür muss ich ausgeruht sein.
Bevor sie sich unter die seidenen Decken des Himmelbetts legte, rief sie Barney an.
„Wie ist das Wetter da unten?“, fragte er, typisch britisch. „In London ist es unerträglich heiß, nur in unserem dunklen kleinen Laden ist es einigermaßen auszuhalten.“
„Ich liege hier auf meinem Himmelbett zwischen zwei sehr dünnen weißen Laken und hätte dich gerne bei mir.“
„Klingt verlockend, Darling. Vielleicht schaffe ich es am Wochenende, runterzukommen. Wie geht es unseren verehrten Lordschaften?“
„Sie schlagen sich durch. So richtig glücklich wirkt hier niemand.“
„Grüße sie von mir.“
„Mach es selbst. Falls du kommen möchtest – ich hole dich am Bahnhof in Truro ab, dann brauchst du nicht umzusteigen.“
Der für die Nacht angekündigte Regen war ausgeblieben, keine Abkühlung in Sicht, und so waren schon frühmorgens der Pool und die von Bouginvillea beschattete Terrasse dicht bevölkert.
Poppy war noch satt vom opulenten Willkommens-Dinner am Vorabend, griff sich nur ein Croissant und einen Becher Kaffee und ging ins Büro.
„Pat, kann ich Torry bei dir lassen?“ Als sie ihre Freundin sah, bereute sie es, sofort mit ihrem Anliegen herauszurücken. Pats Augen waren gerötet, sie wirkte übernächtigt.
Poppy griff nach ihrer Hand. „Entschuldige, ich will dich nicht …“
„Ist schon in Ordnung, klar bleibt Torry bei uns, nicht wahr, mein Kleiner?“ Sie steckte ihm ein Würstchen von ihrem Teller mit dem typischen englischen Frühstück zu, das sie kaum angerührt hatte.
Poppy sah auf die Uhr. „Ich hoffe, wir finden später ein bisschen Zeit zusammen.“
Pat nickte wortlos. Als sie sich den Unterlagen auf dem Schreibtisch zuwandte, stand Poppy auf. Auf dem Weg zum Auto dachte sie an ihre Freundin.
Es geht ihr nicht gut. Ich habe das Gefühl, das Kind ist das Einzige, das sie bei Bruce und auf Wythcombe hält.
Für die eine Stunde Fahrt bis nach Falmouth wählte Poppy die längere, dafür schönere Strecke über Gweek und Constantine. In Gweek machte sie kurz halt.
Es wird knapp, aber für einen Kaffee muss es reichen.
Vom Boatyard Inn aus genoss sie den Ausblick auf den tief eingeschnittenen Fjord des Helford River. Es war Ebbe, die Segeljachten und bunten Fischerboote lagen auf dem Trockenen, ihre Masten wandten sich einander zu, als ob sie sich unterhielten.
Poppy beschloss, bald wiederzukommen, zusammen mit Barney. Mein Herz läuft schier über vor Freude,aber sie nützt mir wenig, wenn ich sie nicht mit ihm teilen kann.
Zügig fuhr sie weiter, erreichte eine Viertelstunde später das Zentrum von Falmouth und fand einen schattigen Parkplatz in der Killigrew Street. Weil sie den betagten Klappmechanismus nicht zu sehr beanspruchen wollte, beschloss sie, das Verdeck offen zu lassen.
Die Moor Art Gallery war im ersten Stock des Municipal Buildings untergebracht, einem prächtigen viktorianischen Gebäudekomplex.
Poppy überquerte den sonnenüberfluteten Vorplatz und betrat die Vorhalle der Bibliothek, die das Untergeschoss einnahm. Bevor sich ihre Augen an die plötzliche Dunkelheit gewöhnen konnten, baute sich ein Mann vor ihr auf, der nach ihren Unterarmen griff, doch sofort losließ, als Poppy erschrocken zusammenzuckte.
„Ich bin’s doch, Mrs Dayton.“ Die Stimme wirkte vertraut, ebenso wie die rundliche Gestalt.
„Inspektor Edwards! Sie haben mich erschreckt.“
„Das wollte ich nicht, ganz im Gegenteil. Ich freue mich, Sie zu sehen.“
Poppy umarmte ihn kurz und spontan, was den Inspektor in Verlegenheit brachte.
Sie musterte ihn. Der Mitsechziger war seit ihrem letzten Treffen vor einigen Wochen sichtlich gealtert. Deshalb fragte sie behutsam: „Sollten Sie seit August nicht in Pension sein?“ Edwards strich sich die spärlichen schwarzen Haare aus der Stirn und legte sie quer über den hohen Schädel. Die tief liegenden Augen blinzelten unter den buschigen Augenbrauen hervor.
„Meine Nachfolgerin hatte eine Frühgeburt, deshalb habe ich zugestimmt, drei Monate zu verlängern. Danach ist definitiv Schluss.“
Er blickte die Marmortreppe hoch, an deren oberem Ende eine zierliche Frau mit roten Locken aufgetaucht war. Nervös knetete sie ihre Hände.
Edwards sagte leise: „Man erwartet Sie ungeduldig, Mrs Dayton.“
Poppy hatte schon die halbe Treppe erklommen und nahm immer zwei Stufen auf einmal.
„Mrs James!“ Als sie sich daran erinnerte, dass sie und die Direktorin sich nach ihrer letzten Begegnung geduzt hatten, verbesserte sie sich schnell. „Alice.“
„Poppy, ein Segen, dass du da bist!“ Die Direktorin streckte ihr die Rechte entgegen und Poppy erschrak über den harten Händedruck, die schlanken Finger waren kalt.
Ohne weiteren Kommentar zog sie Poppy hinter sich her, und der Inspektor folgte ihnen ins Büro.
Sorgfältig schloss sie die Tür und nahm hinter dem Schreibtisch Platz, der mit Akten, Katalogen und Broschüren übersät war.
Poppy sah sich diskret um.
Alice schien ihre Gedanken zu erraten. „Verzeih die Unordnung. Ich stehe unter erheblichem Druck. Deshalb will ich mich nicht mit langen Vorreden aufhalten. Poppy, du erinnerst dich an den Matisse?“
„Natürlich! Poppies – der Mohnblumenstrauß. Da haben wir uns kennengelernt. Ich stand vor dem Gemälde und habe es bewundert. Als du meine Kommentare gehört hast, sprachst du mich an, ob ich Malkurse gebe.“
Das Lächeln der Direktorin wirkte verkrampft. „Malkurse. Es findet tatsächlich gerade einer statt. Ein paar pensionierte Lehrerinnen beschäftigen sich mit dem Fauvismus, der flächenhaften Farbgebung, mit der sich Matisse damals vom Impressionismus löste.“
Poppy nickte. „Eines der Schlüsselwerke von Matisse.“
Alice schüttelte den Kopf. Für einen Moment hatte ihr der fachliche Exkurs Halt gegeben, dann wurde die Stimme wieder brüchig. „Wenn es von ihm ist.“
Poppy lief es kalt den Rücken hinunter.
„Der Matisse? Der ist Millionen wert.“
„Ich habe ihn im Februar gekauft, aus der Sammlung von Lord Wainwright, in Bristol.“
„Das sagt mir nichts.“
„Ich wusste auch nicht viel davon. Der Lord schien Geld zu brauchen, um sein Schloss zu renovieren.“
Das erinnert an Wythcombe Manor.
„Walter Milton, ein Rechtsanwalt aus Bristol und Mitglied im Kuratorium des Museums, hat den Kauf vermittelt, die reichen Geldgeber überzeugt und auch das Gutachten organisiert. Das Werk schien über jeden Zweifel erhaben. Inzwischen ist es eines der Highlights unserer Sammlung. Zurzeit ist Hochsaison, die Besucherzahlen steigen. Wenn sich herausstellt, dass das Bild eine Fälschung ist, gäbe das einen riesigen Skandal. Auf jeden Fall müsste ich meinen Hut nehmen und meine Karriere wäre beendet.“ Sie rang mit den Händen. „Das wäre nicht das Schlimmste, nur würde so ein kleines Museum wie unseres die Rufschädigung nicht verkraften.“
„Wie kommst du überhaupt darauf, dass der Matisse falsch sein könnte?“
„Entschuldige. Du hast recht. Eins nach dem anderen.“ Die Direktorin holte tief Luft. „Vor gut drei Wochen kam eine Frau auf mich zu. Sie bat darum, mich an einem ruhigen Ort zu sprechen. Ich hatte Zeit und führte sie in mein Büro. Wir hatten uns gerade in mein Büro zurückgezogen, als sie aus dem Fenster sah und sofort zur Tür lief. Ich wurde ungehalten und fragte, was los sei. Sie drehte sich zu mir um, aus ihrem Blick sprach pure Verzweiflung. Mir fiel auf, wie hübsch sie war.“
„Hat sie sich vorgestellt?“
„Eben nicht. Sie war jung, höchstens Mitte zwanzig, mit langen schwarzen Haaren, hohen Wangenknochen und ausdrucksvollen grauen Augen. Ich erinnere mich so genau daran, weil sich ihr nächster Satz so tief in mich eingebrannt hatte: ‚Der Matisse, der Mohnblumenstrauß, ist falsch‘, sagte sie. Ich dachte zuerst, ich hätte mich verhört, und sie meinte vielleicht, das Bild hänge falsch. Aber sie wiederholte es. Mir verschlug es die Sprache. Dann stand sie auf. Ich konnte sie nicht so einfach gehen lassen, doch als ich nachhaken wollte, sah die junge Dame wieder aus dem Fenster. Irgendetwas musste sie beunruhigt haben, jedenfalls ging sie zur Tür und lief wie gehetzt den Gang hinunter. Im Gedränge der Besucher habe ich sie aus den Augen verloren.“
„Hat sie sich noch mal gemeldet?“
„Nein! Das ist es, was mich verrückt macht. Das Problem ist, ich wage es nicht, offiziell ein neues Gutachten anzufordern, das würde zu Gerüchten führen.“
„Vielleicht handelt es sich bei der jungen Frau um eine verwirrte Person.“
„Das kann ich nicht ausschließen. Obwohl sie einen orientierten und intelligenten Eindruck auf mich machte. Bevor sie losrannte, sprach sie ganz ruhig. Deshalb nehme ich es ernst. Danach habe ich nur mit dem Inspektor gesprochen, und wir sind beide gleichzeitig auf dich gekommen, Poppy.“
„Ich verstehe. Aber ich wiederhole, dass ich keine ausgewiesene Expertin bin.“
Der Inspektor räusperte sich. „Wir haben eine Examensarbeit von Ihnen im Internet gefunden …“
Poppy grinste. „Kompliment, gute Arbeit. Sie und Alice sind ein gutes Team. „Wie hast du dir den Ablauf vorgestellt?“, fragte sie die Direktorin.
„Morgen ist Mittwoch. Da schließen wir um dreizehn Uhr. Das gesamte Personal hat frei bis auf den Kurator, Peter Abrams. Er wird mit uns zusammen das Bild abnehmen und kann dir assistieren. Im Obergeschoss haben wir ein Labor, es sind alle Geräte vorhanden. Du hast freie Hand.“
„Könntest du mir nicht assistieren, Alice? Warum noch jemanden ins Vertrauen ziehen, wenn dir Diskretion so wichtig ist?“
„Das war meine Idee“, sagte der Inspektor. „Mr Abrams Verhalten ist … sagen wir, seltsam.“
„Was meinen Sie damit?“
„Mr Abrams schien die junge Frau zu kennen.“
Alice nickte. „Nachdem sie aus meinem Büro gerannt war, sah ich, dass er am Treppenabsatz mit ihr zusammenstieß. Als ob er auf sie gewartet hätte. Er hielt sie am Arm fest und sprach mit ihr, aber ich war zu weit weg, um etwas zu verstehen. Dann riss sie sich los und verschwand.“
„Hast du ihn darauf angesprochen?“
„Natürlich. Er sagte nur, die Frau habe einen verwirrten Eindruck gemacht und er habe sie gefragt, ob er ihr helfen könne.“
„Das wäre doch möglich.“
„Möglich ja. Irgendwie wirkte es anders. Die Art und Weise, wie er sie packte, seine Miene, als er etwas sagte.“
„Und jetzt wollt ihr den undurchsichtigen Herrn auf mich loslassen?“
Edwards knetete seine Finger, und die Knöchel knackten unangenehm. „Mrs Dayton, ich habe Mrs James von ihrer Auffassungsgabe erzählt. Es kann nichts schaden, wenn Sie ihm beim Gespräch unter Fachleuten ein wenig auf den Zahn fühlen könnten.“
„Und das Untersuchungsergebnis? Das bekäme er aus erster Hand mit.“
„Das Risiko müssen wir eingehen“, sagte Alice und trommelte mit den Fingern auf dem Schreibtisch herum. „Vielleicht bringt uns seine Reaktion darauf sogar einen Schritt weiter. Als ich Abrams ins Vertrauen zog, erschrak er sichtlich. Er riet mir zunächst ab, ein Gutachten erstellen zu lassen, und fragte, warum ich mich auf die Bemerkung einer offenbar gestörten Person einlassen würde. Für ihn sei das Gemälde über jeden Zweifel erhaben.“
Edwards faltete die Hände. „Vielleicht sind wir zu misstrauisch und er erweist sich als loyaler und kooperativer Mitarbeiter, der für Sie eine wertvolle Hilfe ist, Mrs Dayton.“
„Und wenn nicht? Ich werde ein paar Stunden mit ihm allein sein.“
Alice nickte. „Ich kann verstehen, dass dir das unangenehm ist. Zuerst überlegte ich, dass wir einen Mitarbeiter des Wachdienstes mit einbeziehen, aber noch mehr Zeugen brauchen wir tatsächlich nicht.“ Sie stellte sich ans Fenster und sah hinunter auf die Straße. „Deshalb werde ich immer wieder bei euch reinschauen. Das wird nicht auffallen. Wie ich mich kenne, werde ich ohnehin sehr nervös sein und schauen wollen, wie weit du bist.“
„Also gut. Damit kann ich leben.“ Poppys Neugier wuchs. Aus einem trockenen Gutachten scheint ein kleines und dazu noch gut bezahltes Abenteuer zu werden. Wenn nur nicht so viel davon abhängen würde. Sie unterdrückte ihre Anspannung. Laut fragte sie: „Kann ich das Bild sehen?“
„Jetzt? Natürlich, wie alle anderen Besucher auch.“
„Ich will nur ein paar Fotos machen, vom Rahmen, der Leinwand und der Signatur. Das spart Zeit.“
Die Direktorin sprang auf. „Danke!“ Die Spannung löste sich, und an den bebenden Schultern sah Poppy, dass sie einen Schluchzer unterdrückte. Alice nahm ein Taschentuch, putzte sich die Nase und ging vor.
Der Mohnblumenstrauß hing in der Mitte eines Zwischenstocks, von dem rechts und links Treppen nach oben führten.
Die unmittelbare Nachbarschaft bildeten Werke von Renoir und Edvard Munch.
„Aber das sind nur Radierungen.“ Poppy stand andächtig davor. „Gegen die Leuchtkraft des Ölbildes kommen sie nicht an. Und das liegt nicht nur am Motiv.“
Alice lächelte, es wirkte gequält.
Eine Schulklasse stürmte hinter ihnen die Treppe hoch, auf dem Absatz entstand urplötzlich ein Gedränge, das sich nur langsam auflöste. Poppy legte Alice eine Hand auf die Schulter. „Lass mich in Ruhe meine Fotos machen. Kann ich sie in deinem Büro ausdrucken?“
„Natürlich.“ Alice nickte dankbar. „Bis gleich.“
Der Inspektor räusperte sich. „Auch ich darf mich verabschieden.“
Poppy gab ihm die Hand. Die Geste fiel kurz aus, sie wollte sich endlich dem Matisse zuwenden, da spürte sie seine Enttäuschung.
„Wollen wir zusammen ein Glas Weißwein trinken?“ Ihr Vorschlag zauberte ein Lächeln auf sein Gesicht. „Gerne, Mrs Dayton. Beim letzten Mal hatten Sie versprochen, zu uns zum Essen zu kommen. Meine Frau will Sie unbedingt kennenlernen.“ Er klang verlegen. „Eine Mischung aus Neugier und Eifersucht treibt sie um, seit ich ihr von unserem letzten Abenteuer erzählte.“
Poppy versprach, sich zu melden, und der Inspektor verschwand. Sie wartete, bis eine Lücke im Besucherstrom entstand und brachte ihre Digitalkamera in Stellung.
Als sie eine Stunde später mit einer Mappe frischer Ausdrucke unter dem Arm zum Auto ging, stand die Sonne im Zenit.
Poppy bereute, die Shorts angezogen zu haben, als sie sich auf das glühend heiße Lederpolster setzte und ihre Oberschenkel sofort daran festklebten.
Sie wollte auf dem kürzesten Weg raus aus der Stadt, orientierte sich am Hügel mit dem markanten Pendennis Castle auf der Spitze, bis sie auf die Cliff Road traf, der sie nach Westen folgte.
Neidisch musterte sie die Badenden am Gyllyngvase Beach, die sich in den glitzernden Fluten vergnügten. Viel zu voll, tröstete sie sich.
Dann stieg die Straße an, und hinter dem Falmouth Golf Club wurde es grün. Sie gab Gas, entfernte sich ein Stück vom Meer, bis die Straße von schattenspendenden Eichen, Zedern und Rotbuchen eingerahmt wurde,
Sie dachte an das Gespräch mit Alice und an die ersten Ergebnisse ihrer Foto-Session mit dem Gemälde. Beides passte nicht zusammen. Natürlich verstand sie die Aufregung, den der Besuch der jungen Frau ausgelöst hatte, und sie wollte der ausführlichen Analyse nicht vorgreifen – allerdings hatte sie nicht den geringsten Hinweis auf eine Fälschung finden können. Im Gegenteil. Auch wenn es aus einer wenig bekannten Sammlung kam und anscheinend bisher nicht katalogisiert worden war, stellte es ein herausragendes Beispiel für die Fauve-Phase des berühmten Malers dar. Kein Wunder, dass sich Direktorin und Kuratorium über den vergleichsweisen günstigen Preis gefreut hatten.
In Wythcombe Manor ging sie direkt ins Büro, wo Torry sie ungeduldig erwartete.
Pat und Bruce saßen nebeneinander am Bildschirm und starrten auf einen Online-Katalog. Poppy freute sich über die zärtliche Geste, mit der Bruce die Hüfte seiner Frau berührte.
Pat sah hoch. „Poppy, du siehst ja ganz zerzaust aus, und deine Stirn ist knallrot.“
„Das kommt vom Cabrio-Fahren.“
„Pass auf – wir haben heute über fünfunddreißig Grad.“ Bruce schüttelte den Kopf, seine Haare fielen strähnig über die feuchte Stirn. „Die Bauern auf dem Markt sagten mir heute Morgen, wenn es nicht bald regnet, fallen ihnen die Bohnen von den Stangen.“
Poppy sah ihn ungläubig an. „Und das in Cornwall.“
„Aber Donnerstag soll der große Regen kommen“, sagte Pat.
„Ich muss jetzt ins Meer, sonst platzt mir der Schädel.“ Poppy verabschiedete sich.
Es war fast Ebbe, und sie suchte vergebens nach Wellen und erfrischender Brandung. Torry schien das besser zu gefallen, er führte sie zu einem Priel hinter der Sandbank, die parallel zum Strand verlief. Das Wasser war tief genug zum Schwimmen und kalt genug, um Poppys Kopf klarzukriegen: Schlagartig fiel ihr ein, dass sie in der Eile die Mappe mit den Fotografien im Büro liegen gelassen hatte.
Sie ärgerte sich über ihr unprofessionelles Verhalten, lief aus dem Wasser und beorderte Torry zurück ins Haus.
Ach was soll’s, beruhigte sie sich, wer interessiert sich schon für ein paar Kunstfotos?
Das Büro war leer, aber die Mappe lag offen auf dem Tisch. Hastig griff sie danach, klappte sie zusammen, drehte sich um – und stieß mit Pat zusammen, die gerade hereinkam.
„Schöne Fotos hast du da!“ Vergnügt zeigte sie auf Poppys Mappe. „Sind die fürs Museum?“
So viel zur Diskretion. Poppy knurrte innerlich und improvisierte. „Eine Neuerwerbung. Mrs James möchte sie eventuell in der Tate Gallery in London zeigen.“
„Die Direktorin ist eine zauberhafte Frau, nicht wahr?“
Pat drehte sich zu Bruce um, der dazugekommen war und Poppy fixierte. Sie konnte den Blick nicht deuten. Er nickte. „Wir haben sie neulich erst getroffen, auf dem Charity-Ball der Moor Gallery. Arbeitest du mit ihr an einem Projekt?“
Poppy fiel die betonte Gelassenheit auf, mit der er die Frage stellte.
„Das ist noch offen.“ Sie versuchte allgemein zu bleiben, gleichzeitig spann sie ihre Geschichte weiter aus. „Es geht um eine Leihgabe, doch die Versicherungen machen uns Probleme.“
„Ach ja?“ Er klang spöttisch. „Eigentlich sollen Versicherungen doch das Gegenteil bewirken und uns davon befreien.“
Poppy wechselte das Thema. „Habt ihr eine Pinwand für mich?“
„Klar. Sie ist hinter der Speisekammer bei den Kongresssachen.“ Pat stieß Bruce an. „Bringst du sie ins Zimmer hoch, bitte?“
Poppy ging hinauf und legte die Mappe auf dem Empire-Schreibtisch ab.
Sie nahm die Fotos heraus und teilte sie in vier Stapel ein: Aufnahmen vom Rahmen, von den Details des Bildes, von der Signatur und Vollporträts aus verschiedenen Winkeln.
Bei der letzten Gruppe stutzte sie. Sie meinte sich zu erinnern, dass es zehn Fotos waren.
Sie zählte erneut – neun. Sie holte die Kamera hervor und glich die digitalen Aufnahmen mit den Prints ab. Eine fehlte.
Es klopfte an die Tür, die geöffnet wurde, ohne Poppys Reaktion abzuwarten. Bruce rollte die Pinwand hinein. Seine dunklen, ausdruckslosen Augen flitzten zwischen Poppy und den Fotos hin und her.
„Wo soll das Ding hin?“
„Lass es einfach stehen, ich suche mir noch einen Platz.“
Er holte eine Schachtel mit Reißzwecken aus der Tasche. „Die wirst du auch brauchen.“
„Danke.“ Poppy beschloss, die Flucht nach vorne anzutreten. „Bruce, ich glaube, eines der Fotos fehlt. Vielleicht habe ich es verloren? Wenn es irgendwo auftaucht … Wer hat denn alles Zugang zum Büro?“, fragte sie so beiläufig wie möglich.
Bruce zog die Augenbrauen hoch. „Ins Büro kommt jeder mal im Lauf des Tages. Alle – außer den Gästen, natürlich.“ Er hob eine Hand, und Poppy zuckte zurück, aber er legte sie nur auf den oberen Rand der Pinwand. Er zog sie nah an sich heran und schuf dadurch einen engen, dreieckigen Raum um sich und Poppy. „Ich habe keine Ahnung, was du schon wieder im Schilde führst, und es geht mich auch nichts an …“
„Was soll dann die drohende Haltung?“ Sie blieb gelassen und stützte sich auf dem Schreibtisch ab. Die kühle Platte fühlte sich gut an.
Er schien sich zu beruhigen, befreite sie beide aus der beengten Lage und stellte die Pinwand vor das Fenster.
„Gut so?“
Sie nickte.
„Wie geht’s Barney? Ich vermisse meinen alten Freund. Warum ist er nicht mitgekommen?“ Offenbar bemühte er sich um positivere Stimmung, und Poppy war erleichtert.
„Er hat viel zu tun, vielleicht kommt er am Wochenende.“
„Wie lange bleibst du eigentlich?“ Das klang wieder lauernder. „Ich will dich nicht loswerden, nur wird das Zimmer gerade renoviert …“
„Höchstens ein paar Tage, wahrscheinlich kann ich euch morgen schon mehr sagen.“
Sanft, aber nachdrücklich schob sie ihn zur Tür. „Jetzt lass mich arbeiten.“
„Vergiss nicht die Pool-Party. Cocktails um achtzehn Uhr, dann Büfett und Tanz.“
„Ich komme gerne.“
Erleichtert stieß sie die Luft aus, als er endlich gegangen war. Sie zählte nochmals die Fotos und kam wieder zum selben Ergebnis. Wahrscheinlich habe ich es doch im Museum liegen lassen.
Kaum hatte sie die Fotos an der Pinwand gruppiert, klopfte es wieder.
Torry, dem aufgefallen war, dass sie nicht gestört werden wollte, bellte ungehalten.
Die junge Frau steckte nur den Kopf herein.
Als Poppy sie erkannte, hellte sich ihre Miene auf. „Nancy! Komm her! Ich brauche deinen analytischen Blick.“
„Ich wollte dich nur fragen, ob wir uns nachher ein ruhiges Plätzchen suchen wollen, um ein wenig zu quatschen.“ Wie immer war sie ganz in Blau, doch heute trug sie keines der üblichen Baumwollkleider, sondern einen raffiniert geschnittenen Overall aus Fallschirmseide.
„Du siehst so schick aus, was hast du vor?“
„Einer von den Gästen nimmt an meinem Schreibkurs teil, und er hat mich vorgewarnt, dass er mit mir tanzen möchte. Hast du Lust, an unseren Tisch zu kommen? Ganz allein wollte ich da nicht mit ihm sitzen, schon um die anderen Kursteilnehmer nicht eifersüchtig zu machen.“
„Und ich spiele die Anstandsdame? Mache ich gerne. Darf ich dafür Torry morgen Nachmittag bei dir lassen? Das Museum ist kein guter Ort für ihn.“
„Na klar!“ Nancy kraulte Torry hinter den Ohren. Der schnüffelte diskret an ihren Händen, und sie kicherte. „Ich glaube, er riecht meine Katze.“
„Torry liebt Katzen. Schade nur, dass die das nicht wissen.“ Sie zog Nancy zu sich. „Sag mir, was du siehst.“
„Einen Matisse?“
„Sehr gut. Weiter. Was fällt dir auf?“
„Auf den ersten Blick wirkt das Gemälde wenig spektakulär.“ Nancy betrachtete es eine Weile. „Auf einem grob gezimmerten Holzhocker steht eine bauchige, weiße Porzellanvase mit stilisierten blauen Motiven – ist es eine Landschaft? Oder ein Drache? Darin ein Strauß mit sechs Mohnblüten in unterschiedlichen Stadien der Öffnung, angereichert mit Gräsern und Ginsterzweigen. Den Hintergrund bildet ein vierteiliger Paravent.“ Nancy legte den Kopf schräg. „Das ist spannend.“
Poppy strahlte. „Hervorragend beobachtet. Was meinst du damit?“