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Wenn große gesellschaftliche und politische Ereignisse über uns hereinbrechen, dann kann unser kleines privates Leben nicht mehr so weitergehen wie bisher. Denkt man. Aber ist es tatsächlich so? Während das Große oftmals sehr rasch aus den Schlagzeilen verschwindet, infizieren seine privaten Ausläufer die Seelen der Menschen, das aber merkt man vielleicht erst nach einer längeren Inkubationszeit. Auch wenn ein Stern vom Himmel fällt, werden Telefonate weitergeführt, zählt ein Bettler sein Geld, geht ein Ehestreit in die nächste Runde. Die Sorge einer Mutter um ihren verlorenen Sohn wird nicht geringer, wenn zwei Straßen weiter ein Terroranschlag geschieht. Wie das private Leben und das große Weltgeschehen einander durchwirken, das zeigen Monika Helfer und Micheal Köhlmeier in einem Bilderbogen, der alle Stände von der vornehmen Dame bis zum Bettler umfasst. Sie nehmen dabei Bezug auf den Terroranschlag in Wien an Allerheiligen 2020. Und wieder, wie es das Schriftstellerehepaar in allen seinen Werken vorführt, liegt nur eine winzige Blickänderung zwischen Tragödie und Komödie.
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Seitenzahl: 69
Veröffentlichungsjahr: 2025
Inhalt
erstes bild
Im Stundenhotel
zweites bild
Rede an die Deckenlampe
erstes intermezzo
Rede des Impresarios an das Publikum
Fortsetzung der Rede an die Deckenlampe
drittes bild
„Ich kann einfach nicht.“
viertes bild
Aspirin
fünftes bild
„Ich höre sie lachen.“
zweites intermezzo
Rede des Impresarios an das Publikum
sechstes bild
Filzblumen
drittes intermezzo
Song eins
viertes intermezzo
Song zwei
siebtes bild
Der Lottoschein
achtes bild
„ein“ oder „eine“
neuntes bild
Rede des Schriftstellers
zehntes bild
„Kennst du mich nicht mehr?“
elftes bild
Die Federkrone des Montezuma
zwölftes bild
Rede der Schriftstellerin
dreizehntes bild
„Ich freue mich auf morgen!“
fünftes intermezzo und schluss
Song drei
vierzehntes bild
Ende gut, alles gut
Impressum
Bilder und Personen
Erstes Bild: Im Stundenhotel
EDMUND – 50
ROSIE – 40
Zweites Bild: Rede an die Deckenlampe
FRAU MEINRAD – 55
Erstes Intermezzo
Rede des Impresarios an das Publikum
Fortsetzung der Rede an die Deckenlampe
FRAU MEINRAD
Drittes Bild: „Ich kann einfach nicht.“
EDMUND
ELISABETH – 50
Viertes Bild: Aspirin
BETTLER
PASSANTIN
EHEMANN
EHEFRAU
GEORG
JUNGER MANN
JUNGE FRAU
FRAU
Fünftes Bild: „Ich höre sie lachen.“
ALTER EHEMANN
ALTE EHEFRAU
Zweites Intermezzo
Rede des Impresarios an das Publikum
Sechstes Bild: Filzblumen
ELISABETH
KURT – 30
Drittes Intermezzo: Song eins
SÄNGER/SÄNGERIN
PAUSE
Viertes Intermezzo: Song zwei
SÄNGER/SÄNGERIN
Siebtes Bild: Der Lottoschein
JIMI – 25
JOE – 25
Achtes Bild: „ein“ oder „eine“
POLIZISTIN
POLIZIST
BETTLER
Neuntes Bild: Rede des Schriftstellers
SCHRIFTSTELLER
Zehntes Bild: „Kennst du mich nicht mehr?“
GUDRUN – 55
FRAU MEINRAD
Elftes Bild: Die Federkrone des Montezuma
POLIZISTIN
KURT
GEORG
SCHRIFTSTELLERIN
Zwölftes Bild: Rede der Schriftstellerin
SCHRIFTSTELLERIN
Dreizehntes Bild: „Ich freue mich auf morgen!“
ALTES EHEPAAR
Fünftes Intermezzo und Schluss: Song drei
IMPRESARIO und SÄNGER/ SÄNGERIN
Vierzehntes Bild: Ende gut, alles gut
ALLE AUF DER BÜHNE
Die einzelnen Bilder sollen auf einem Plakat angezeigt werden.
erstes bild
Im Stundenhotel
EDMUND
ROSIE
EDMUND UND ROSIE IM BETT NACH DER LIEBE. BEIDE ZUFRIEDEN. ROSI SPIELT MIT DEM HANDY.
EDMUND: Eine Frage beschäftigt mich seit Langem.
ROSIE: Ich höre dir zu, Edmund.
EDMUND: Die Kommissare in deutschen Krimis, auch in österreichischen … in den verschiedenen sogenannten Sokos … Sokos …
ROSIE: Ja?
EDMUND: Wie kann man einen Krimi Soko nennen! Soko Donau, Soko Linz, Soko Kitzbühel … Ich weiß schon, das heißt Sonderkommission oder Sonderkommando … Es klingt aber nach Socken … Soko … Socken … Socken …
ROSIE: Habe ich mir nie gedacht, dass es so klingt.
EDMUND: … nach alten Socken, alten verstunkenen Socken … die man in der Donau gefunden hat oder in Linz oder in Kitzbühel … nach langem intensiven Suchen … mit Spürhunden …
ROSIE: Nein, das habe ich mir nie gedacht.
EDMUND: So etwas kann man doch nicht ernst nehmen! Kannst du das ernst nehmen, Rosie?
ROSIE: Und was ist jetzt mit den Kommissaren in diesen Sokos? Was verstehst du nicht?
EDMUND: Die gehen in ihren Büros immer herum, auf und ab, hin und her und durch die Gänge ihres Kommissariats … Wo sie sind, gehen sie … Sie gehen und haben dabei immer eine Tasse in der Hand, Kaffee wahrscheinlich.
ROSIE: Ist mir noch nicht aufgefallen.
EDMUND: Doch, doch! Denk nach! Eigentlich keine Tasse, sondern eher einen Topf. Eine hohe Tasse. Oft mit einem Schmuck darauf.
ROSIE: Mit einem Schmuck darauf? Echt?
EDMUND: Etwas Aufgemaltes.
ROSIE: Wie die Tassen aus einem Touristenshop?
EDMUND: Du sagst es! So eine Tasse, die man von einer Firma zu Weihnachten geschenkt kriegt. Als Bestrafung für die schlechte Zusammenarbeit.
ROSIE: Mit einem Pandabären darauf zum Beispiel?
EDMUND: Genau.
ROSIE: Oder einem Schlumpf?
EDMUND: Oder einem Spruch: So wie die Täublein leben, in Fried und Einigkeit, so wünsch ich dir ein Leben voll von Zufriedenheit. Ich könnte nicht einen Schluck aus so einer Tasse nehmen! Pfui Teufel!
ROSIE: Und warum kennst du dann diesen Spruch auswendig?
EDMUND: Ich weiß es doch nicht! Ich krieg ihn nicht los. Wie einen lästigen Schnupfen.
ROSIE: Und was für Sprüche kennst du noch?
EDMUND: Ein Raubtier, das sich von Adlern und Löwen ernährt, braucht eine Heimat von der Größe ganz Schottlands.
PAUSE, VERWUNDERUNG.
SIE SEHEN SICH AN UND LACHEN UND BALGEN SICH EIN WENIG.
EDMUND: Sie sind verflucht. Sie gehen und gehen und gehen. Wenn dem Zuschauer die Handlung erklärt werden soll, dann unbedingt im Gehen. Und immer gehen sie schnell, als ob sie ein Ziel hätten und wenig Zeit. Dabei gehen sie nur zum nächsten Kaffeeautomaten. Sie gehen einen Gang entlang, und dann gehen sie in ein Büro, und im Büro gehen sie um die Schreibtische herum. Und haben dabei diese Tasse in der Hand.
ROSIE: Macht dich deine Frau auf solche Sachen aufmerksam?
AB JETZT WIRD DER TON ANDERS.
EDMUND: Meine Frau? Warum kriegst du es nicht fertig, ihren Namen auszusprechen? Warum sagst du, wenn du von ihr sprichst, deine Frau? Warum sagst du nicht Elisabeth? Du sagst deine Frau, als hätten wir uns gerade erst kennengelernt. Seit acht Jahren sagst du deine Frau. Ich sag ja auch nicht: dein Mann. Ich sag: der Peter. Er ist für mich der Peter. Wir laden euch zum Essen ein, ihr ladet uns zum Essen ein …
ROSIE: Redet ihr über solche Sachen? Ein schales Gespräch. Meine Güte! Über die Kommissare in der Soko. Darüber redet ihr?
EDMUND: Elisabeth redet nicht. Sie ist.
ROSIE: Sie isst? Was isst sie?
EDMUND: Sei nicht kindisch! Sie ist. Nicht im Sinne von essen. Sie ist im Sinne von Sein.
ROSIE: Im Sinne von Sein. Aha. Sie ist, ich rede. Und was ist besser?
EDMUND: Ich mag deine Wortspielereien nicht.
ROSIE: Weißt du eigentlich, wie sehr du mich kränkst?
EDMUND: Da haben wir es wieder! Ich kränke dich.
ROSIE: Ich liege mit dir im Bett eines Stundenhotels, und du redest die ganze Zeit über deine Frau.
EDMUND: Ich rede die ganze Zeit über meine Frau? Wer hat damit angefangen?
ROSIE: Jetzt sagst du selber: meine Frau. Das brauchst du nicht auch noch zu betonen.
EDMUND: Du hast deinen Mann, ich habe meine Frau … Sollen wir über Peter reden?
ROSIE: Ich würde ihn jederzeit verlassen. Das weißt du seit acht Jahren.
EDMUND: Das würdest du nicht, auch das weiß ich seit acht Jahren. Wir haben gerade miteinander geschlafen, und schon fängt die alte Drehorgel wieder an zu spielen. Meine Güte! Glaubst du, wir würden noch zweimal im Monat miteinander schlafen, wenn wir uns vor acht Jahren von unseren Ehepartnern hätten scheiden lassen und zusammengezogen wären? Womöglich verheiratet. Wir würden uns hassen!
ROSIE: Willst du eine Definition von Hass?
EDMUND: Was?
ROSIE: Eine Definition von Hass!
EDMUND: Ich habe dich schon verstanden. Aber was soll das?
ROSIE: Vergiss es!
EDMUND: Nein, nein, nein, nicht so! So nicht! Du willst definieren, was Hass ist? Dann los! Bitte! Ich lausche.
ROSIE: Du hast mir die Flügel gebrochen.
EDMUND: Diese Definition kenne ich bereits. Seit acht Jahren. Hast du keine neue?
ROSIE: Eine Definition ist eine Definition und keine Modelinie, die sich alle paar Monate ändert.
EDMUND: Gut. Ich habe dir die Flügel gebrochen. Hattest du je Flügel?
ROSIE: Du bist gemein. Ich hasse dich. Das ist meine Definition.
EDMUND: Ich hasse dich auch. Darum treffen wir uns ja alle vierzehn Tage im Stundenhotel.
LANGE PAUSE
TON WIRD FRIEDLICHER.
ROSIE: Manchmal auch öfter.
EDMUND: Manchmal jede Woche.
ROSIE: Manchmal noch öfter.
SIRENE
EDMUND UND ROSIE LAUSCHEN.
ROSIE MACHT DAS FENSTER ZU.
ROSIE: Was war das?
EDMUND: Eine Sirene.
ROSIE: Das weiß ich auch. Aber warum?
EDMUND: Woher soll ich das wissen?
ROSIE: Kann es ein Überfall sein?
EDMUND: Wer soll am Praterstern überfallen werden, bitte? Hier hat doch keiner etwas zum Überfallen. Jedenfalls nicht so viel, dass gleich die Sirene heult.
IM HINTERGRUND SEHR UNDEUTLICH DER LAUTSPRECHER DER POLIZEI
PAUSE
EDMUND: Da fällt mir ein: Noch eine Frage hat mich immer beschäftigt.
ROSIE: Noch eine?
EDMUND: Apropos.
ROSIE: Apropos was?
EDMUND: Apropos Überfall … In alten Western … wenn der Bandit gejagt wird … Ich liebe alte Western! Die können gar nicht genug schwarz-weiß sein. Der Bandit versteckt sich hinter einem Felsen und schießt mit seinem Revolver auf seine Verfolger. Und irgendwann hat er alle Patronen verschossen. Da schaut er den Revolver an, als ob er eine Frage an ihn hätte, und dann schmeißt er ihn weg.
ROSIE: Und was stört dich daran?
EDMUND: