Praxis der Gruppen- und Teammediation - Al Weckert - E-Book

Praxis der Gruppen- und Teammediation E-Book

Al Weckert

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Beschreibung

Best Practice aus langjähriger Mediationstätigkeit In diesem Buch werden die erfolgreichsten Methoden der Mediation von Gruppen und Teams vorgestellt. Zu besonders komplexen Methoden gibt es jeweils ein „FAQ“: Mithilfe typischer Fragestellungen aus der Seminarerfahrung der Verfasser werden Leserinnen und Leser in ihrer Übungspraxis begleitet Die Methoden werden außerdem ganz praktisch anhand von drei gespielten Mediationsfällen in den Video-Tutorials demonstriert. Die Filmbeispiele eignen sich optimal für das selbst organisierte Lernen, aber auch zu Schulungszwecken. Um das Angebot für Leserinnen und Leser zu optimieren, wurden Vorlagen für Flipcharts und Plakate entworfen, die in dieser Neuauflage auch online zur Verfügung stehen. Sie können bearbeitet und für eigene Mediationsfälle angepasst werden.

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Seitenzahl: 139

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Al Weckert, Christian Bähner, Monika Oboth & Jörg Schmidt

Praxis der Gruppen- und Teammediation

Methoden und Visualisierungsvorschläge

Buch + Video-Tutorials + digitale Flipchartvorlagen

Über dieses Buch

Best Practice aus langjähriger Mediationstätigkeit

In diesem Buch werden die erfolgreichsten Methoden der Mediation von Gruppen und Teams vorgestellt. Zu besonders komplexen Methoden gibt es jeweils ein „FAQ“: Mithilfe typischer Fragestellungen aus der Seminarerfahrung der Verfasser werden Leserinnen und Leser in ihrer Übungspraxis begleitet. Die Methoden werden außerdem ganz praktisch anhand von drei gespielten Mediationsfällen in den Video-Tutorials demonstriert. Die Filmbeispiele eignen sich optimal für das selbst organisierte Lernen, aber auch zu Schulungszwecken. 

Um das Angebot für Leserinnen und Leser zu optimieren, wurden Vorlagen für Flipcharts und Plakate entworfen, die in dieser Neuauflage auch online zur Verfügung stehen. Sie können bearbeitet und für eigene Mediationsfälle angepasst werden.

Al Weckert ist Experte für Gewaltfreie Kommunikation (GFK) und Führungskräfteentwicklung.http://www.empathie.com

Jörg Schmidt ist Trainer für Visualisierung und Illustrator von Lehrmaterialien und Fachbüchern.http://www.einfach-visualisieren.com

Christian Bähner ist als Organisationsberater, Mediator BM® & Ausbilder BM® Experte für innerbetriebliche Konflikte.http://www.zweisicht.de

Monika Oboth ist Systemaufstellerin, Life Coach und zertifizierte Trainerin für Gewaltfreie Kommunikation®.http://www.monika-oboth-coaching.de

© der deutschen Ausgabe: Junfermann Verlag, Paderborn 2011 2., überarb. Auflage, 2021

Coverfoto: © 2020 Gerain0812/Shutterstock. No use without permission.

Covergestaltung / Reihenentwurf: Junfermann Druck & Service GmbH & Co. KG, Paderborn

Satz: Peter Marwitz, Kiel (etherial.de)

Digitalisierung: Junfermann Druck & Service GmbH & Co. KG, Paderborn

Alle Rechte vorbehalten.

Erscheinungsjahr dieser E-Book-Ausgabe: 2021

ISBN der Printausgabe: 978-3-7495-0294-3

ISBN dieses E-Books: 978-3-7495-0295-0 (EPUB), 978-3-7495-0297-4 (PDF), 978-3-7495-0296-7 (EPUB für Kindle).

Vorwort

Mediation ist in der Wirtschaft angekommen! Betrachtet man die Entwicklung der letzten Jahre, dann macht diese Mut. Heute wird Mediation in einer großen Anzahl von Unternehmen praktiziert, wie man am Beispiel des „Round Table Mediation und Konfliktmanagement der deutschen Wirtschaft“ sieht. Als Vision hat sich der „Round Table“ die Verankerung von Konfliktmanagement in Unternehmen gewählt. Die zugehörige Mission lautet: „Wir etablieren Mediation und andere Konfliktlösungsmethoden in der deutschen Wirtschaft und unterstützen Unternehmen hierbei.“

Damit geht eine Trendwende einher. Hat man in der ersten Hälfte der Dekade noch kaum etwas über Wirtschaftsmediation gelesen, finden sich heute in renommierten Tageszeitungen und Magazinen Informationen und Interviews zum Thema Konfliktlösung in Unternehmen. Mediation wird darin als wichtigstes Werkzeug besonders betont.

Was macht den Unterschied von Mediation in Unternehmen und „klassischer“ Mediation aus? Nur bei einem kleinen Teil innerbetrieblicher Konflikte sind zwei oder drei Konfliktparteien involviert, wie es die große Mehrheit in der Familienmediation ausmacht. Meist handelt es sich um Konflikte, die in Abteilungen oder Teams schwelen. Natürlich sind die Verfahrensschritte der Mediation dieselben. Das Handwerkszeug der Mediatorinnen und Mediatoren unterscheidet sich jedoch teilweise erheblich. Gute Lösungen, an deren Erarbeitung viele Personen beteiligt sind, erfordern vielfältige, situativ passende Methoden.

In vielen innerbetrieblichen Mediatorenpools, wie z.B. in dem bei SAP, sind Mediatoren nicht hauptamtlich tätig, sondern führen Mediationen nebenberuflich durch. Dies ist durchaus gewollt, da die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter die Stimmung im Unternehmen oder auch Änderungen in der Unternehmenskultur selbst „live“ erfahren, was nach unserer Einschätzung zu besseren Mediationen führt.

Das vorliegende Buch bietet Mediatoren eine immense Erleichterung, weil Erfahrungswissen und viele wichtige Tipps in Form von Einsatzbeispielen vermittelt und die Anwendung aller Methoden in Filmausschnitten gezeigt wird. Gerade die praktischen Umsetzungshinweise erleichtern jungen Mediatorinnen und Mediatoren den Einstieg in die Teammediation. Aber auch „alte Hasen“ schauen gerne einmal nach, wie die eine oder andere neue Methode das eigene Repertoire vervollständigt.

Die Qualität der Mediationen wird sicher steigen. Das ist das Ziel bei Mediation in Unternehmen und Organisationen. Deswegen wünsche ich dem Buch „Praxis der Gruppen- und Teammediation“ viel Erfolg und große Verbreitung.

Jürgen Briem
Leiter Konfliktmanagementsystem der SAP AG

TEIL I: WAS PASSIERT IN EINER MEDIATION?

1. Was ist Mediation?

Mediation ist ein Verfahren der Konfliktvermittlung, das für Unternehmen und Organisationen überzeugende Vorteile bietet. Im Unterschied zu Gerichtsurteilen oder Schiedsverfahren klärt Mediation Konflikte, ohne Sieger und Verlierer zu hinterlassen. Mediation führt zu Ergebnissen, die von allen Seiten als gerecht empfunden werden. Die Beziehungen der Streitparteien gelangen in ein neues stabiles Verhältnis. Im Vergleich zu anderen, insbesondere juristischen Verfahren, sinken die Kosten der Streitbeilegung erheblich.

Eine Mediation ist sinnvoll, wenn Streitparteien nicht mehr in der Lage sind, ihren Konflikt allein zu lösen. Das Mediationsteam ist in das Thema nicht verwickelt und deshalb inhaltlich neutral. Es unterstützt die Streitparteien durch eine Verfahrensstruktur mit fünf bzw. sieben Phasen. Wichtiger als die Methode ist jedoch die wertschätzende Grundhaltung des Mediationsteams. Auf der Suche nach Lösungen führt es die Streitparteien durch das „Nadelöhr“ der gegenseitigen Einfühlung. Das Mediationsteam lebt den Streitparteien Offenheit und Verständnis vor und gibt Empathie, wenn die Parteien starke Gefühle wie Schmerz, Wut oder Enttäuschung spüren.

Mediation bearbeitet mit hoher Effizienz komplexe Sach- und Verfahrensprobleme und wirkt sich insbesondere auf die Beziehungsebene positiv aus. Indem verloren gegangener Respekt gegenüber abweichenden Sichtweisen wieder hergestellt wird, nimmt Mediation Einfluss auf die weitere Zusammenarbeit der Beteiligten. Mediation ist aus diesem Grund für soziale Systeme, deren Mitglieder sich häufig begegnen und die gemeinsam arbeiten oder leben, auf vielen Ebenen attraktiv.

Streitparteien wissen selbst am besten, was für sie eine gute Konfliktlösung darstellt. Dieses Wissen geht jedoch im Verlauf eines Streits erfahrungsgemäß unter. Die Parteien versteifen sich auf Forderungen, die mit gegenseitigen Schuldzuweisungen garniert vorgetragen werden und beim Gegenüber Ärger und Widerstand auslösen. Am Anfang einer Mediation stehen sich die Konfliktparteien in der Regel Stirn an Stirn gegenüber und verbrauchen ihre ganze Kraft für den nächsten verbalen Keulenschlag.

Das Mediationsteam wendet sich bewusst von Diskussionen um einzelne Forderungen ab. Es richtet den Blick geduldig auf bisher unerfüllte Bedürfnisse der Streitparteien, die den Konflikt ausgelöst haben (und in Form ständig neuer Forderungen weiter befeuern). Das Mediationsteam hilft den Beteiligten, die Bedürfnisse der anderen Seite verstehen zu lernen, ohne mit deren Handlungsweise einverstanden sein zu müssen. Fast immer erfährt die Auseinandersetzung im „magischen Augenblick“ des gegenseitigen Verständnisses eine überraschende Wendung. Die Streitparteien sehen die „guten Gründe“ des Gegenübers, ohne dass sich dadurch automatisch Angst oder Zorn einstellen. Dadurch steigt die Bereitschaft an Lösungen zu arbeiten, die die Bedürfniserfüllung aller Beteiligten ermöglichen und gleichzeitig nicht auf Kosten der eigenen Interessen gehen.

Die Wendung von Konfrontation zu Kooperation gelingt in fünf Schritten, die mit der Vereinbarung eines sicheren Rahmens beginnen und über die Konfliktdarstellung, die Erhellung dahinter liegender Bedürfnisse und die Lösungssuche zu Vereinbarungen führen. Mediationsvereinbarungen sind besonders tragfähig, weil sie den Beteiligten nicht vorgegeben, sondern gemeinsam und freiwillig entwickelt werden. Entscheidend für den Erfolg einer Mediation ist die empathische Zuwendung des Mediationsteams gegenüber den Konfliktparteien, wenn diese im Stress sind und starke Gefühle zeigen, sowie die Einbeziehung aller offengelegten Bedürfnisse bei der Lösungssuche.

Geschichte der Mediation

Der Begriff „Mediation“ stammt sowohl aus dem Lateinischen wie auch aus dem Griechischen. Während der griechische Begriff „medos“ den Aspekt der Vermittlung und der Unparteilichkeit betont, trägt das lateinische „mederi“ auch den des Heilens und des „Über-sich-Nachdenkens“ in sich. Die Grundprinzipien der Vermittlung, die unser heutiges Verständnis von Mediation prägen, lassen sich in vielen Kulturen der Welt nachweisen. In Japan und China ist der Vermittlungsgedanke seit jeher hauptsächliches Mittel der Konfliktbeilegung. Sogenannte „Palaver-Bäume“, unter denen Streit geklärt wird, werden in Afrika auch heute noch genutzt. Erst kürzlich zeigte ein Bild in der Zeitung zwei prominente Anführer christlicher und muslimischer Bewegungen, die unter einem solchen Baum berieten, wie sie die rivalisierenden Kämpfe ihrer Anhänger beenden könnten.

Bis zur Entwicklung eines modernen Verständnisses von Mediation musste unser Rechtsverständnis einen langen Weg zurücklegen. In babylonischer Zeit wichen die Herrscher erstmals vom Gedanken der Blutrache ab. Der Ausgleichsgedanke rückte in das Bewusstsein der Menschen. Im Mittelalter entstand die Verhandlung als Grundlage des Rechts. Aber je mehr Macht der Richter zugesprochen bekam, desto seltener wurden Anklagen eingestellt, weil Täter und Opfer sich auf einen Vergleich einigen konnten. Im 18. und 19. Jahrhundert setzte sich die Auffassung durch, dass Verbrechen als Verletzung staatlicher Regeln betrachtet werden müssen. Seitdem steht Strafe als „öffentliche Sanktion“ im Mittelpunkt von Gerichtsprozessen. Die Beziehung zwischen Tätern und Opfern spielt für das Verfahren und das Urteil nur noch im Beweisverfahren eine Rolle.

Bis weit in das 20. Jahrhundert hinein sorgte Mediation allein durch politische Konfliktvermittlungen für Aufsehen. Der Dreißigjährige Krieg endete durch eine Vermittlung in Münster. Die beteiligten Mediatoren benutzten einen „Spickzettel“ mit Verhaltensregeln, die sich noch heute erfolgreich anwenden lassen: Das Mediationsteam soll jede Parteilichkeit vermeiden, den Parteien keine Vorschläge machen, Geheimnisse bewahren, keine Schiedsfunktion annehmen …

Es dauerte bis Anfang der 70er-Jahre des vergangenen Jahrhunderts, dass Mediation über einen kleinen Expertenkreis hinaus bekannt wurde. Die Bürgerrechtsbewegung der Vereinigten Staaten sorgte für ein neuartiges Bewusstsein, in dessen Folge Mediation bei heiß umkämpften Umweltkonflikten angewandt wurde. Bald wurden immer mehr Familienangelegenheiten und später Wirtschaftskonflikte an Mediatoren übertragen.

Nachdem Wissenschaftler der Harvard Universität nachweisen konnten, dass Verhandlungen mit mehreren Gewinnern bessere Gesamtergebnisse und einen wichtigen Nutzen für funktionierende Wirtschaftsbeziehungen bringen, wurde die Attraktivität des Mediationsverfahrens auch in Europa erkannt. Anfang der 90er-Jahre entstanden im deutschsprachigen Raum große Mediationsverbände, die Richtlinien zur Durchführung von Mediation erarbeiteten und ausgebildete Mediatoren zertifizieren. Heute beherbergen diese Verbände Fachgruppen zu Themen wie Wirtschaft, Familie und Partnerschaft, Planen und Bauen, Schule, Gemeinwesen, Sport oder Täter-Opfer-Ausgleich.

Aktuell verzeichnet Mediation große Wachstumsraten im Wirtschaftsbereich, speziell bei der Vermittlung in Teams- und Gruppen. Personalberater, Führungskräfte, Lehrer, Sozialarbeiter, Juristen, Trainer, Moderatoren und Mitarbeiter vieler anderer Berufszweige wenden die Haltung und die Methoden der Mediation erfolgreich in ihren jeweiligen Arbeitsfeldern an.

Konfliktmodell

Konflikte gehören zum menschlichen Miteinander wie das Gewürz zum Pfefferkuchen. Sie sind unvermeidbar, setzen unerhörte Kräfte frei und können entscheidend zur Weiterentwicklung einer Gemeinschaft beitragen. Werden Sie jedoch verschleppt oder eskalieren sie, können sie auch zersetzend wirken und Menschen oder Organisationen lähmen und schädigen.

Im Alltag erleben wir tagtäglich Meinungsunterschiede, die zu Reibung oder neuen Denkanstößen führen. Von einem Konflikt sprechen wir erst dann, wenn sich Menschen gegenseitig behindern oder einander unterstellen, geschädigt worden zu sein. Die Triebkraft für Konflikte sind unangenehme Gefühle wie Wut, Angst oder Hilflosigkeit. Das lateinische Wort „Emotion“ bedeutet: Wir bewegen uns („movere“) aus („e“) einem Zustand heraus, um uns zu verändern. Starke unangenehme Gefühlszustände weisen auf eklatant unerfüllte Bedürfnisse hin und führen zu vehementen Impulsen. Ob aus einem Impuls eine Meinungsverschiedenheit oder ein Konflikt, gemeinsames Wachstum oder hohe Folgekosten resultieren, hängt von der Qualität unserer Kommunikation und der Kommunikationsbereitschaft unserer Umwelt ab.

Weder starke Gefühle noch daraus resultierende Handlungen sind als solche falsch. Stellen Sie sich eine Projektmanagerin vor, der kurz vor der Präsentation für einen wichtigen Kunden die Ergebnisse ihrer Mitarbeiter fehlen. Möglicherweise hat sie die Betroffenen schon mehrfach an das Abgabedatum erinnert. Nun bekommt sie es mit der Angst zu tun, denn der Kunde ist anspruchsvoll und sorgt für hohe Umsätze. Indem sie ihre unerfüllten Bedürfnisse (zum Beispiel Sicherheit, Erfolg und Unterstützung) wahrnimmt und etwas zu ihrer Erfüllung unternimmt (sie beruft ein Special Meeting ein), steht sie für ihr Wohlergehen und ihren Erfolg ein. Nicht alle Mitarbeiter verschieben jedoch bereitwillig ihre Termine, um beim Special Meeting anwesend zu sein. Kollidieren die Strategien, mit denen die Projektmanagerin ihre Bedürfnisse erfüllen möchte, mit den Bedürfnissen ihrer Mitarbeiter, kann es zum Konflikt kommen.

Jenseits von richtig und falsch

Die Konflikte unseres Kulturkreises drehen sich überwiegend um die Frage: Wer ist schuld? Von klein auf lernen wir, uns in einer Sprache auszudrücken, die andere Menschen und deren Handlungen analysiert und beurteilt. Unser traditionelles Konfliktmodell kennt fast ausschließlich die Kategorien richtig oder falsch und führt zu einer Flut von Gerichtsprozessen, in denen eine (meist männliche) Autorität beurteilt, wer Täter und wer Opfer ist.

Mediation liefert eine Alternative zu unserem herkömmlichen Konfliktmodell. Sie fragt nicht, wer im Recht ist, sie sucht nicht nach Objektivität oder Schuld. Mediation versucht die Anliegen der Betroffenen zu verstehen und ihre Interessen deutlich herauszuarbeiten. Sie erreicht Verständnis durch wechselseitige Einfühlung. Das Mediationsteam gibt kein Urteil über die Richtigkeit von Gefühlen oder den Wert einzelner Bedürfnisse ab. Die Streitparteien erhalten Gelegenheit, nach Lösungen zu suchen, die ihre Bedürfnisse umfassend befriedigen und die sich für alle gut anfühlen.

Während ein Gerichtsurteil zwischen Gewinnern und Verlierern trennt und in der Summe (Gewinn der einen Partei minus Verlust der anderen) ein Nullsummenspiel ist, bietet das Konfliktmodell der Mediation die Chance auf einen allseitigen Gewinnzuwachs (Win-Win-Situation).

Die sieben Phasen der Mediation in Gruppen und Teams

Wenn wir in diesem Buch von sieben Phasen der Mediation sprechen, verabschieden wir uns nicht vom klassischen Fünf-Phasen-Modell, das den Ausbildungsstandards der meisten Mediationsverbände zugrunde liegt. Wie sprechen von sieben Phasen, weil die Mediation von Gruppen besondere Ansprüche an das methodische Vorgehen richtet. Schließlich wollen nicht zwei, sondern fünf, zehn oder 50 Menschen am Meinungsbildungsprozess teilhaben.

Die „Themenerhebung“ und die „Erhellung der Sichtweisen“, die im klassischen Fünf-Phasen-Modell die Phasen zwei und drei der Mediation ausmachen, nehmen in großen Gruppen mehr Zeit in Anspruch als in der Paarmediation. In einer Zweierkonstellation kommen die Beteiligten problemlos abwechselnd zu Wort. Sie entscheiden oft formlos darüber, mit welchem Thema sie einsteigen. In großen Gruppen hingegen erfordert die Sammlung der Themenvorschläge und die Entscheidung über die Themenreihenfolge ein eigenständiges methodisches Vorgehen. Daher haben wir diese Phasen in jeweils zwei Schritte unterteilt.

Klassisches Fünf-Phasen-Modell

Sieben-Phasen-Modell der Gruppen- und Teammediation

1 Den sicheren Rahmen schaffen

1 Den sicheren Rahmen schaffen

2 Die Themen erheben

2a Die Themen erheben

2b Die Themen priorisieren

3 Sichtweisen erhellen

3a Die Sichtweisen darstellen

3b Die Sichtweisen erhellen

4 Lösungen entwickeln

4 Lösungen entwickeln

5 Vereinbarungen treffen

5 Vereinbarungen treffen

In der ersten Phase stellt das Mediationsteam eine offene und angenehme Arbeitsatmosphäre her. Es empfängt die Streitparteien und schafft einen sicheren Arbeitsrahmen. Es liefert Informationen zum Ablauf der Mediation, trifft Absprachen zur Vertraulichkeit und klärt Erwartungen an das Verfahren. Hier entscheidet sich, ob die Konfliktparteien Vertrauen in die Allparteilichkeit des Mediationsteams aufbauen und sich auf die Konfliktbearbeitung einlassen können.

Bei der Erhebung der Themen erhält das Mediationsteam einen ersten Eindruck, wie sich der Konflikt für die Beteiligten darstellt. Das Mediationsteam hört aktiv zu, stellt Verständnisfragen und visualisiert die Ergebnisse. Anschließend werden die Themen in Gruppen geordnet. Gemeinsam entscheiden die Konfliktparteien, welches „heiße Eisen“ mit Top-Priorität angepackt werden soll.

Bei der Darstellung der Sichtweisen bekommt jeder Teilnehmer ausreichend Zeit, um sein Erleben wiederzugeben. Bei der Erhellung der Sichtweisen werden die Gemeinsamkeiten und Unterschiede der Interessen immer klarer, es entsteht Verständnis füreinander.

Wenn die Konfliktparteien Klarheit über ihre Bedürfnisse und Interessen haben, leitet das Mediationsteam zur Lösungssuche über. Als Lösungsideen kommen alle Vorschläge in Betracht, die möglichst viele der genannten Bedürfnisse berücksichtigen. Zum Schluss entscheiden die Konfliktparteien gemeinsam über Vereinbarungen in Form eines Maßnahmenkatalogs, der den Umgang miteinander für die Zukunft festlegt.

2. Besonderheiten von Gruppen

Je größer und unterschiedlicher eine Gruppe zusammengesetzt ist, desto anspruchsvoller ist es für das Mediationsteam, effizient zu moderieren und die Bereitschaft der Beteiligten zur Mitarbeit aufrechtzuerhalten. Was bei einer kleinen Bürogemeinschaft, die sich gut kennt und ein spezielles Thema bearbeiten möchte, noch leicht erscheint, wird im Rahmen eines Treffens internationaler Außendienstmitarbeiter, die in unterschiedlichen Sprachen kommunizieren, kulturbedingt anders mit Konflikten umgehen und völlig unterschiedliche Ziele verfolgen, höchst komplex.

Einerseits möchten Mediationsteams jede Konfliktpartei hören und verstehen, insbesondere, wenn der Konflikt in der zweiten und dritten Phase der Mediation hochkocht. Andererseits ergeben sich aus einer Wortmeldung häufig vier oder fünf Diskussionsbeiträge, die bei anderen Teilnehmern weitere Impulse auslösen. Deshalb legen wir in diesem Buch großen Wert auf Visualisierung und Methoden, die Stimmungen zeitökonomisch und für alle nachvollziehbar eingefangen.

Struktur und Effizienz

Gruppen und Teams brauchen Struktur, um Sicherheit und Orientierung in der Konfliktklärung zu erleben. Diskussionen mit vielen Beteiligten erfordern eine hohe Konzentrationsleistung. Lässt die Konzentration nach oder ist viel Pfeffer in der Debatte, nehmen automatisch die Seitengespräche zu. Der Schallpegel erhöht sich durch Papiergeraschel, Hüsteln und Getränkegeklapper. Was um 9.15 Uhr noch kein Problem darstellt, wird um 16.15 Uhr leicht zum Auslöser von Kopfschmerzen. Das Mediationsteam achtet deshalb darauf, durch regelmäßige Methodenwechsel Körper und Geist arbeitsfähig zu halten. Eine ruhige Einzelarbeit kann einer Plenumsdiskussion vorangestellt werden, eine Kleingruppenarbeit an der frischen Luft kann einer Kartenabfrage im Konferenzraum folgen.

Der Auftraggeber ist dem Mediationsteam für ein ressourcensparendes Vorgehen dankbar. Mediationen von Gruppen und Teams unterbrechen häufig den Arbeitsfluss ganzer Abteilungen oder Kleinbetriebe. Die Mitarbeiter werden an ihren Arbeitsplätzen zurückerwartet, die Mediation kann nicht unbeschränkt verlängert werden. Die Kostenkalkulation gebietet dem Mediationsteam Grenzen bei der Auftragsabwicklung. Unserer Erfahrung nach erhöhen sich die Konzentration und die innere Bereitschaft zur Teilnahme drastisch, wenn die Mediation nicht am Arbeitsplatz, sondern in einem Hotel oder Tagungshaus stattfindet. Bitten Sie die Teilnehmer, in Pausenzeiten auf das Kommunizieren mit Handys und per E-Mail weitgehend zu verzichten, um nicht durch dringende Nachrichten innerlich aus der Bearbeitung des Mediationsanliegens gerissen zu werden.

Eskalation, Themenvielfalt und Führung