Presssack und Olive - Reinhard Seibold - E-Book

Presssack und Olive E-Book

Reinhard Seibold

4,0

Beschreibung

Bene, griesgrämig und eigenbrötlerisch liebt nichts mehr als seine bayerische Heimat und Weißwurst, Presssack und Brezeln. Seine Spezl aus dem Wirtshaus sind sich einig, der Bene muss mal raus! Eine geistige, körperliche und soziale Herausforderung muss her. Durch einen hinterfotzigen Kartenspielertrick landet der Bene in einem Bus nach Italien. Mit den fremden Menschen, den fremden Speisen und dem anderen Land hat der Bene zunächst gar nichts am Hut. Dann lernt er Valentina kennen, die ihre Heimat Ligurien über alles liebt… und vielleicht auch ein bisschen den bayerischen Bene. Publikumsreaktionen der Theaterfassung: …der Rosenmüller hätte das nicht besser machen können …das Beste, das ich seit Jahren gesehen habe …mit dem Bene wurde offensichtlich eine Kultfigur geschaffen

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Inhalt

Presssack und Olive 

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Vollständige e-Book Ausgabe 2020 

© 2020 SPIELBERG VERLAG, Neumarkt 

Korrektorat: B. Ebert Umschlaggestaltung: Ria Raven, www.riaraven.de

Umschlagillustrationen: © shutterstock Alle Rechte vorbehalten 

Vervielfältigung, Speicherung oder Übertragung können ziviloder strafrechtlich verfolgt werden. 

(e-Book) ISBN: 978-3-95452-103-6 

www.spielberg-verlag.de

Für alle Mitwirkenden des Theater- und Filmprojektes Tutto Bene, insbesondere für den echten Paul, der sich schon längst eine Tapferkeitsmedaille verdient hätte und für Franz -Josef, der sich nach einem schweren Unfall wieder ins Leben zurück gekämpft hat. 

Presssack und Olive 

»Was ist das?«, fragt der Rotzlöffel da neben ihm.

Wenn einer schon sagt, was ist das, dann is des a Preiß. Das ist dem Bene klar. Und wenn er schon unbedingt reden soll, dann ganz bestimmt nicht mit einem preißischen Rotzlöffel. So weit kam’s noch. Bene stellt sich taub. Das kann er. Das hat er schon immer gekonnt. Und das hat seine Vroni zur Weißglut gebracht. Die Vroni in Weißglut. Ja das hatte was. Heute würde er es schätzen. Damals war’s ihm wurscht. Jetzt würde er sich seine Vroni herbeiwünschen. In Weißglut. Aber das ist vorbei. Aus, Äpfe, Amen. Oder aus die Maus, wie sich der Rotzlöffel da neben ihm wahrscheinlich ausdrücken würde.

Was macht er überhaupt in diesem Scheißbus? Noch nie in seinem Leben ist er in einem Bus gesessen. Und jetzt mit sechzig Jahren muss er sich das antun. Wenn die Reise wenigsten nur bis Oberhummel gehen würde, dann wär das erträglich. Das sind von ihm zu Haus etwa fünf Kilometer. Oder bis zum Schliersee oder zum Wendelstein. Das wär wirklich weit genug. Schon am Schliersee reden sie anders als er. Aber wenigstens noch bayerisch, auch wenn es schon ein bisschen österreichisch klingt. Ausländisch. Aber dieser Scheißbus, der geht nicht bis Oberhummel, nicht bis zum Schliersee und auch nicht zum Wendelstein. Nein, dieser Scheißbus geht bis nach Italien. Ins Ausland. In ein Land, das er nur vom Fernsehen kennt. Und es reicht ihm schon, wenn er sich maximal alle zwei Jahre mit diesen Italienern befassen muss. Nämlich dann, wenn Fußballweltoder Europameisterschaft ist und wir gegen diese Schauspieler spielen müssen. Gott sei Dank ist er jetzt vom FC Bayern zu 1860 übergelaufen, sonst müsste er sich noch das ganze Jahr mit diesen Italienern, Spaniern, Engländern und wo sie sonst noch überall herkommen in dieser Champions League beschäftigen. So gesehen war es für ihn ein Aufstieg, dass die 60er in die vierte Liga abgestiegen sind. Da ist dieses Problem gelöst. Da spielt man nur gegen bayerische Dorfmannschaften. Am besten man bleibt in dieser Liga. Und jetzt sitzt er, der Bene, also mitten in diesem Scheißbus nach Italien. Mitten in der Scheiße.

Was ist das? Dieser Rotzlöffel, dieser preißische, der wagt es nun auch noch seinen Kopf durch den aufgeblasenen LKW-Reifenschlauch, den er zwischen sich und dem Rotzlöffel platziert hat, zu stecken und ungeniert und frech ein weiteres Mal zu fragen:

»Was ist das?«

Wieder stellt sich Bene taub. Warum sollte er auch antworten. Wenn er nicht mag, dann mag er nicht. Die sechzig Jahre, die er jetzt auf dem Buckel hat, haben ihn gelehrt, dass man Dinge und in diesem Fall Fragen aussitzen kann. Allein schon mit dieser Eigenschaft hätte er das Zeug zum bayerischen Ministerpräsidenten oder wenigstens zum Bundeskanzler. Da wär eh mal wieder ein Mann dran.

Nein, Spaß hat es ihm nicht gemacht, wenn er die Vroni zur Weißglut brachte. Es hat halt viele Dinge vereinfacht, nicht zu antworten. Es war bequem. Die Vroni selbst redete schon so viel. Warum sollte er das dann auch noch tun? Und mit den Jahren stellte sie nicht nur die Fragen, sondern lieferte umgehend auch gleich die Antworten. Was hätte das noch für einen Sinn gehabt, selbst auch noch zu antworten? Er kannte ihre Antworten ohnehin schon im Voraus. Und er kannte seine gedanklichen Antworten. Die waren meist konträr. Also behielt er seine Antworten für sich und machte das, was er wollte, auch wenn es für die Vroni Weißglut bedeutete. Hätte er seine Antworten ausgesprochen, wäre Streit unausweichlich gewesen. Streit ist Stress. Und Stress brauchte er nicht. Stress hat er jetzt in diesem Scheißbus, in dem er gar nicht sitzen will.

Was sind das überhaupt für Leute, die da in diesem Bus sitzen. Vorsichtig blickt Bene nach hinten und zur Seite. Hinter ihm, das sind vermutlich die Eltern des Rotzlöffels und neben ihm auf der anderen Seite des Busses ein sehr eigenartiges Pärchen. Bene schätzt die beiden so um die vierzig. Vielleicht auch ein bisschen jünger. Kann man schlecht sagen. Die Frau sitzt am Fenster und schaut die meiste Zeit raus. Sie ist blond mit grauen Strähnen, ganz attraktiv, schlank, soweit er das sehen kann. Ihr Mann, das nimmt Bene zumindest mal an, verdeckt das Meiste von der Frau. Er benötigt auch mindestens zwei Drittel, vielleicht auch dreiviertel der beiden Sitze. Er hat dunkle Haare oder genauer betrachtet etwas, das man gerade noch als Haare durchgehen lassen kann und sich nur seitlich am Kopf befindet. Ja dunkel, aber die exakte Farbe lässt sich nicht definieren. Blaurötlichschwarz. Ja das trifft es am besten. Blaurötlichschwarz. Sonst die blanke Kopfhaut, dunkelbraun wie das Gesicht und die fleischigen Arme, die aus einem engen, telekom-pinken T-Shirt, in das kein Wamperl sondern eine ausgesprochene Wampe gepresst ist, und das den behaarten Bauch freigibt, herausquellen. Die Beine stecken in einer gelben Jogginghose, die er von unten bis zu den Knien hochgeschoben hat. Der rechte Oberschenkel hängt seitlich über den Sitz und macht es unmöglich, dass jemand den Gang entlanggehen könnte. Der Typ erinnert Bene an seine Vroni, nicht wegen des Aussehens, nein seine Vroni war echt hübsch, sondern weil auch der die ganze Zeit spricht. Ein Mann, der die ganze spricht! Dass ein Mann die ganze Zeit spricht, das ginge ihm ja noch ein, dem Bene, aber ein Mann, der die ganze Zeit und noch dazu bayerisch spricht, das hatte er bis heute noch nie erlebt.

Hinter den beiden ist da noch ein junges Pärchen. Die sprechen nicht. Wäre auch schlecht möglich. Möglich vielleicht schon, aber man würde nichts verstehen, denn der junge Mann hat offensichtlich die ganze Zeit seine Zunge im Mund der jungen Dame. Oder die Dame ihre Zunge im Mund des jungen Mannes. Das lässt sich aus seiner Sitzposition nicht beurteilen. Vom Mann sieht er nur den Hinterkopf, von der jungen Frau die langen Haare.

Ja, so verliebt war Bene auch mal. Aber das ist lange her. Mehr als vierzig Jahre. Seine erste und seine einzige große Liebe, seine Vroni. Sie hatten sich damals bei der Landjugend kennen gelernt. Liebe auf den zweiten Blick. Auf den ersten Blick war auch schlecht möglich, denn das war auf einem Faschingsball, Vroni als Haremsdame mit verschleiertem Gesicht und Bene als Pirat mit einem verdeckten Auge. Bei der Polonaise ist es dann passiert. Er war direkt hinter der Vroni, seine Arme auf ihren Schultern. Hinter ihm der Barth. Der Depp war schon ziemlich besoffen, aber das war eigentlich wurscht, denn der Barth war auch ein Depp, wenn er nicht besoffen war. Und plötzlich legte ihm der Barth von hinten seinen Haxen so zwischen seine eigenen Haxen, wie es der Bene nur kannte, wenn er die Italiener bei der Fußballweltmeisterschaft beobachtete. Erst wollte er sich fallen lassen, aber dann hat er instinktiv nach vorne gegriffen und hat sich dann am Busen von der Vroni gerade noch festhalten können. Da hatte der Bene Glück und Pech zugleich. Glück, weil der Busen so üppig war, dass er ihn gar nicht verfehlen konnte und Pech, weil die Vroni in diesem Augenblick so gar nicht seine Pratzen an ihrem Busen haben wollte und sich deshalb umdrehte und dem Bene ihre eigenen Pratzen, die genau genommen gar keine Pratzen sondern zärtliche Mädchenhände waren, aber durch die Zentrifugalkraft ihrer Bewegung zu Pratzen mutierten, so im Gesicht platzierte, dass sich der Bene eigentlich gleich von Anfang an hätte fallen lassen können, denn jetzt lag er sowieso. Wie lange er am Boden lag, das weiß er bis heute nicht. Als er die Augen wieder öffnete, war die Polonaise jedenfalls schon aus und die Vroni beugte sich über ihn. Da trafen sich ihre Blicke das erste Mal. Vroni sagte:

»Du konnst glei nomoi oane ham!«

Und ihr Blick ließ erahnen, dass sie es ernst meinte. Da sagte Bene etwas, das er sich auch später nicht erklären konnte, denn normalerweise ließ er sich nie etwas gefallen. Auch nicht von einer Frau. Aber er war halt auf den Kopf gefallen, er sagte also:

»Du hast so schöne warme Händ’.«

In diesem Augenblick kreuzten sich ihre Blicke zum zweiten Mal und Vroni konnte sich nicht mehr halten. Sie musste lachen, dass die Musikkapelle aufhörte zu spielen, weil die Musiker dachten, ein Discjockey würde ihnen jetzt Konkurrenz machen. Statt einer weiteren Fotz’n gab sie ihm einen Kuss, von dem ihm schwindelig wurde. Das war das Zeichen für ihn, ihr unbedingt noch am gleichen Abend in der Hagenau, einem kleinem Wäldchen bei Haag an der Amper, die Hydropneumatik, eine automatische Niveauregulierung seines Citroen DS Baujahr 1961, zeigen zu müssen. Vroni war beeindruckt, wie stabil nicht nur dieses Auto stand, und das bei herabgelassener Hydraulik. Ein Jahr später waren sie verheiratet.

Wie gerne würde Bene jetzt in seinem Citroen DS Baujahr 1961 von damals sitzen und nicht in diesem Scheißbus. Aber das wäre ja eh nicht möglich, denn zum einen war sein Citroen schon längst auf dem Autofriedhof und wahrscheinlich zu Staub geworden, es war halt kein BMW, da konnte der ja nicht alt werden und zum anderen war die Vroni nicht mehr da, die gefahren wäre, denn er, der Bene hatte ja keinen Führerschein mehr. Und das wegen einer kleinen Jugendsünde. Nur weil die Polizei und der Amtsrichter keinen Spaß verstanden. Dorfpolizei und Dorfamtsrichter halt aus Moosburg. Dabei konnte er ja gar nichts dafür. Zugegeben, ja das Polizeiauto hatte er schon mit einem Stahlseil an einem Baum angebunden. An der hinteren Stoßstange. Außerdem war das gar kein Baum sondern nur ein Bäumchen. Aber er konnte doch nicht ahnen, dass ausgerechnet eine Viertelstunde später die Sparkasse in Hörgertshausen überfallen werden sollte. Außerdem konnte er auch nicht wissen, dass die Stoßstange eines BMW viel stabiler als die eines Citroen ist. Wissen nicht, ahnen vielleicht. Aber gerade das wollte er ja ausprobieren. Was er aber wirklich nicht ahnen konnte, ist der Umstand, dass der Baum, der eigentlich noch ein Bäumchen war und erst vor zwei Jahren neben der Polizeiinspektion eingepflanzt worden war, noch nicht so richtig angewurzelt war. Womit er aber absolut nicht rechnen konnte, war die Tatsache, dass die beiden Polizisten in den 1970er-Jahren denselben Intellekt wie Hubert und Staller hatten. Heute vermutet er, dass diese Serie genau diesen beiden Polizisten nachempfunden wurde. Jedenfalls kämpften die mit ihrem DienstBMW solange gegen das Bäumchen an, bis sich das Bäumchen erbarmte und sich auf den drei Tage alten BMW legte. In der Horizontalen sah das Bäumchen gar nicht mehr aus wie ein Bäumchen, eher wie eine deutsche Eiche. Der BMW wie zwei FIAT 500. Den Polizisten ist nichts passiert. Dem Bankräuber auch nicht. Den konnte die Polizei auf seinem Damenfahrrad, Baujahr 1961, nicht mehr verfolgen.

Nur der Bene hatte gleich zwei Arschkarten gezogen, einmal weil die Viertaler Fanni, die gegenüber der Polizeistation im ersten Stock wohnte, einen Tag vorher ihren fünfzigsten Geburtstag hatte und von ihrem Sepp eine Polaroidkamera geschenkt bekam, die sie genau da ausprobierte, als Bene gerade das Polizeiauto anband. Die zweite Arschkarte, weil der Moosburger Amtsrichter bei der CSU war. Mit seinem Urteil auf lebenslanges Fahrverbot hatte er nicht nur ein Ausrufezeichen gesetzt, sondern sich selbst auch auf den Stuhl des bayerischen Justizministers.

Scheißbus. Warum muss ich auch diese blöde Reise gewinnen, denkt Bene.

»Was ist das?«

Warum musste Bene auch diese Reise gewinnen? Ganz einfach, es war ein abgekartetes Spiel. Genauer gesagt ein schafkopfabgekartetes Spiel. Aber das wusste er nicht. Zum Kartenspielen kam er am 13. März zu spät. Das war zwar nichts Neues, denn Bene kam immer zu spät, seit die Vroni nicht mehr da war. Der 13. März ist jedoch sein Geburtstag und an diesem 13. März war es sogar sein sechzigster Geburtstag. Seine Freunde, der Fonse, der Hias und der Barth warteten schon seit über einer Stunde auf ihn bei der Anni. Das Wirtshaus hat keinen Namen. Es heißt einfach bei der Anni, weil die Wirtin Anni heißt. Wenn die Anni mal nicht mehr lebt, heißt es wahrscheinlich da Giovanni oder da Franco oder da Beppo, weil alle bayerischen Wirtshäuser so heißen, wenn die alten Besitzer rausgestorben sind oder in Mallorca einen Schnitzelwirt aufgemacht haben.

»Mia dean a so ois ob nix wär«, sagte der Hias.

Barth schaute skeptisch. Er war kein Optimist. Noch nie.

»Wenn er überhaupt kommt.« Fonse sah das anders.

»Der kimmt, Barth. Garantiert.«

»Garantiert denkt der ned amoi dro.«

»Des glaubst ja selber ned. Da Bene hod sein’ Geburtstag früher aa ned vergessen. Dann vergisst er sein’ runden heid erst recht ned.«

»Früher is früher.«

»Und heid is heid. Und heid is’ ned anders wia früher.«

»Und weil heid ned früher is, vergisst er’n heid.«

Anni stand hinter dem Tresen und putzte die Weißbiergläser, blitzeblank. Die Spülmaschine war der Anni nie gut genug. Nein, da musste sie immer nacharbeiten. Mit Spucke. Eine Methode, die sogar ihre Großmutter schon angewandt hatte, als es noch keine Spülmaschine gab. Und gestorben war noch keiner dran. Vermutlich.

»Ihr habt’s wieder so eine Logik beinanda«, meinte sie.

»Entweder du hast as oder du hast as ned«, warf Barth ein.

»Aber ihr habt sie’s. I woaß scho.«

Hias war wie immer vorausschauend, wenn er etwas sagte.

»Und was dean wir, wenn er ned kimmt?« Barth hatte gleich einen Einfall.

»Dann kemma mia zu eam.«

»Und wenn er ned aufmacht?«

»Da brauchts iaz gar ned so omananda spekuliern, weil der kimmt. Bring mia no a Weißbier, Anni.«

Der Fonse blieb weiter optimistisch.

Das mit dem Weißbier hellte alle gleich wieder auf. Sofort bestellten die beiden anderen auch ein frisches.

Als der Fonse aber eine vierte Halbe bestellte, schaute Barth so blöd wie nur er es konnte.

»Warum viere?«

»Für’n Bene hoid aa glei’ oane. Wenn der kommt, dann hod der glei Durst. I kenn ihn doch.«

»Mia kennan eam aa. Aber seit sei’ Vroni weg is, kann er nimmer denken. Und desweg’n denkt er ned dro.«

»Der is ned anders wia früher. Bloß, dass eam sei Vroni ois g’sagt hod, was er macha muaß.«

»Des moan i ja. Da siehgst amoi, was de Weiber für a Macht ham auf uns und deswegen hab i aa nia g’heirat.«

»Red’ doch ned so einen Schmarr’n, Barth«, sagte die Anni als sie die vier Weißbier brachte. »Was wärt’s ihr denn ohne uns? Ha? Da Bene hod doch immer scho’ g’macht, was er mög’n hod. Der is stur wia a Brettl. Sei Vroni hod doch da nia a Chance g’habt.«

»Freilich hat die a Chance g’habt. Wenn de g’sagt hod, Bene trink noch a Weißbier, dann hat da Bene noch a Weißbier drunga.«

»Aber des hat’s doch nie g’sagt.«

»Richtig. De hat einfach immer des Falsche g’sagt.«

Da konnten sie alle drei lachen, dass beinahe die gefüllten Weißbiergläser umgefallen wären, was dann aber wieder nicht lustig gewesen wäre.

»Mei, ihr seid’s scho solche Deppen.«

Der Fonse stellte wie immer das Positive in den Vordergrund, das konnte er einfach.

»Aber wenn sei Vroni g’sagt hod, was er anziehen soll, dann hat der des auch an’zogn.«

»Ja freilich«, konterte Anni, »aber nur wenn’s a Trachtenhos’n und a Trachtenhemd war. A Jeans is scho nimmer gangen.«

»Und wenn’s eam was zum Essen hing’stellt hat, dann hat er des auch gessen.«

»Ja logisch, weil sie hat ja kocht wia a Weltmeisterin. Aber sie hat ja nur bayerisch kochen dürfen, sobald sie was vom Fernsehen nachkocht hat, hat er’s nämlich nimmer gessen! Ned amoi wenn’s vom Schuhbeck war.«

»Der kocht ja aa wia a Preiß und haut in den Schweinsbraten auch noch an Ingwer rein«, warf der Barth ein. »Und wenn de Vroni g’sagt hod, Bene i möcht’ gern in Urlaub fahr’n, dann is er mit ihr sogar in Urlaub g’fahrn. Jetz sagst nix mehr!«

»Ja, nach Oberhummel zum Ochsenrennen oder vielleicht amal zum Schliersee.«

»Aber einmal mit drei Übernachtungen beim Wendelstein!«

»Auf da Alm. Mit Plumpsklo! Toller Urlaub!«

»Da Bene is halt ein eingfleischter Bayer.«

»Der is für’s Traditionelle. Der liebt sei Land«, gab jetzt der Hias auch noch seinen Senf dazu.

»Und er geht auf a jed’s Fuaßballspiel vom VfR Haag«, meinte der Fonse. »Weil er so heimatverbunden is.«

Die Anni verdrehte ihre Augen.

»Heimatverbunden! Des stimmt. Aber sei Heimat is nur Haag. Alles was über 2 Kilometer rausgeht, is für ihn ja schon Ausland. Und alles Ausländische is Gift. Was war denn sei weiteste Reise? I kann’s euch sag’n. Der Wendelstein. Vor 15 Jahren. Der kann doch gar net beurteilen, wie des woanders is, wenn er noch nie dort war.«

»Kann er scho«, sagte Barth. »Der hat an Fernseher.«

»Fernseher. Dass i net lach. Da schaut er wahrscheinlich auch nur Dahoam is dahoam an. Da Bene g’hörat amoi auße in d’Welt, damit er moi siehgt, dass ned bloß Bayern gibt, sondern auch andere Kulturen. Bayern is ned ois auf da Welt!«

»Red’ dich doch ned so in Rage.«

»Is doch wahr auch!«

Da musste Fonse den Bene aber schnell verteidigen. Er war schließlich vor 35 Jahren der bester Verteidiger beim VfR Haag. Ausputzer.

»Der Bene is koa Unrechter ned, Anni. A bisserl stur vielleicht. Aber des is scho’ ois auch. Der hat hoid bloß noch ned überwunden, dass eam die Vroni davon is. Da würd’s mir genauso gehn, wenn mei Irmi auf einmal furt wär.«

Das war das Zeichen für den Barth, seine junggesellischen Weisheiten los zu werden.

»Des is auch der Grund, warum ich nie heiraten tät. Z’erst steck’st dein ganzes Geld rein in so ein Weib und auf einmal is sie weg. Und kriegen tu’st nix mehr für dei’ Geld. Da stimmt die Rendite einfach ned.«

Jetzt hatte auch der vorausschauende Hias sein Thema gefunden.

»Man muß eam halt a wengal eine Zeit geben, dem Bene. Wenn er den Verlust von der Vroni einmal überwunden hat, dann wird der schon anders.«

»Spinnst du Hias«, meinte die Anni. »die Vroni is jetzt schon acht Jahre furt.«

»Da siehgst amal, was eam de angetan hod.«

»Wenn ich die Vroni g’wesen wär, wär i scho’ 30 Jahr furt.«

»Der Bene brauchat wieder a Weib’. Dann tät er ned so nachsinnier’n nach da Vroni«, gab Fonse zum Besten.

Da konnte jetzt der Hias auch mitreden, was nicht so oft vorkam.

»Des stimmt. Der muss auf andere Gedanken kommen. I kenn des aus eigener Erfahrung. Wie mei’ Rosa g’storb’n is, hab i auch g’meint, a Welt bricht zam. Da hab i mich eingraben und wollt von nix und von niemand mehr was wissen. Bis ich dann die Maria kenneng’lernt hab… nach 2 Wochen, dann is’ wieder aufwärts gangen. Woaßt was i moan Anni?«

»Du bist von Haus aus anders, Hias. Aber da Bene war doch no’ nia anders. Der war scho’ genauso wia de Vroni no da war, jetz is er bloß no’ verstockter.«

Aus Barth platzte es sofort heraus.

»Der brauchat alle 14 Tag a anders Wei’, da bringst a Abwechslung in dei Leben nei, ha, ha, ha.«

»Schmarrn. Da Bene is im Grunde a treue Seele. Der brauchat nur oane, oane dat eam glanga. So oane wia mei Irmi, verstehst«, sagte Fonse.

»Oane, de wo so is wia sei Vroni war«, glaubte Hias.

»Bloß so blöd darf ’s ned sei. Dass eam aa wieder ois macht.« Das war der Anni sofort bewusst.

»Aber wia soll der oane find’n«, meinte der Barth, »wenn er ned furt geht? Oamoi in da Woch’ mit uns da her zum Schafkopfa und immer wenn oana von uns Geburtstag hat. Des is ois. Und da san koane Weiber da. Lad’ halt mal den Frauenbund ein, Anni, wenn wir grad da san. Da wird scho’ so a Oag’schichtige dabei sei.«

Da legte die Anni dann aber los.

»Den nimmt doch koane! Zumindest ned solang, wie der a so is wie er is. Da Bene muaß ofanga zum leben.«

Bei dem Bene sei mit seinen sechzig Jahren das Haltbarkeitsdatum schon abgelaufen, ja an manchen Stellen habe sich bestimmt schon Schimmel gebildet. Er sehe aus wie eine wandelnde Leiche. Die Vroni habe bestimmt auch Schuld, weil sie ihm alles von den Augen abgelesen und alle Entscheidungen abgenommen habe. Der habe sein Hirn doch nie selbst einschalten müssen, das laufe seit Jahrzehnten auf standby, wenn der Stecker nicht gar schon gezogen sei. Der Garten sei so verwahrlost, dass ein Urwald ein Dreck dagegen sei, und sie möge gar nicht wissen, wie es erst im Haus ausschaue, in das er niemanden reinlasse. Wahrscheinlich genau so wie in seinem Bauch, wo auch nichts Gescheites reinkäme. Beim Metzger kaufe er jeden Samstag das Gleiche ein: vierzehn Paar Weißwürste, 2 Pfund Aufschnitt, und einen Presssack. Beim Bäcker ein Kilo Bauernbrot und sieben Brezen.

»Des is doch koa schlechts Essen ned. Der Bierfahrer bringt eam aa no vier Tragl Bier jede Wochn. Und a Bier hat einen Nährwert, verstehst, Anni«, warf der Verteidiger Fonse schnell ein. Das hätte er nicht tun sollen, denn jetzt erwachte in der Anni der Stürmerinstinkt und sie ließ die drei mit offenem Mund im eigenen Strafraum stehen.

Kein Gemüse, kein Obst, keine Ballaststoffe. Das gehe überhaupt nicht. Und weil man gerade beim Gehen sei. Keinerlei Bewegung. Nur von seinem Haus bis zum Wirtshaus, einmal in der Woche. Und das seien gerade mal 25 Meter. Vermutlich esse er seine Weißwürste auch noch kalt, weil er zu faul oder zu blöd zum Warmmachen sei. Beim Bene helfe nur noch eines, nämlich eine Herausforderung und zwar eine geistige, eine körperliche und eine soziale, sonst versauere er ganz. Das habe sie erst neulich beim Friseur gelesen.

Der Hias fand als erster die Sprache wieder, was verwunderlich war.

»Und was hoaßt des auf deutsch?«

»Er muaß denken, er muaß sich rührn und er muaß unter d’Leut.«

Das verstanden die drei jetzt nicht. Denn in ihren Augen hatte er das doch alles:

»Er duat Schafkopfen mit uns, oiso denken«.

»Er is unter de Leut, oiso bei uns.«

»Und er bewegt sich, weil er z’Fuaß da her kommt.«

»Seids ihr alle drei so blöd oder tut’s ihr bloß so. Was schenkt’s eam denn eigentlich zum Geburtstag?«

»Wir ham g’meint, wir lassen ihn heid beim Schafkopfa g’winnen«, stellte Fonse die gemeinsame Idee vor.

»Zum Sechzigsten! Ihr seid’s so Freund! Da denkt ma sich doch was g’scheids aus.«

»Warum, des san bestimmt 100 Euro. Wir spuin ja ned bloß um a Fünferl. Da kann er zwoamoi ins Puff geh. Kommt hoid drauf an, was er ois mach’n lassen wui«, war der Kommentar vom Barth.

»Oder er kauft sich Weißwürst für die nächsten paar Monate«, schwächte Fonse schnell ab, weil er die sexuelle Denkweise der Anni kannte.

»Schenkt’s ihm eine Reise!«

Da kam es von allen dreien wie aus einem Mund:

»A Reise????«

»Ja, eine Reise! Da schaut’s einmal her. In der Zeitung war heut der Prospekt drin. Des schaut gut aus. Italien.«

Anni warf den bunten Prospekt gezielt zwischen die vier Weißbiergläser, von denen nur noch eines gefüllt war. Das heißt, die anderen drei waren auch noch gefüllt, aber nur mit Luft.

»Ich bring euch noch mal drei frische, geht auf meine Rechnung und ihr schaut’s euch den Prospekt moi genauer an.«

Der Hias las vor, er redete zwar nie viel, aber Lesen konnte er.

»R – R – R. Rudis Reise Routen. 1 Woche in die…. Zin, zinkwe Terre. Mit einem kom..fortabe..len Reisebus fahren Sie über den Brenner, Mode..rna und Parma nach Monecklia. Dort erwartet Sie das Familienhotel Eva la ..Ro ..roman..ticka. Von hier ist es nicht weit zur Zin…kwe Terre.«

»Tschinquwe Terre hoaßt des, Hias. Und Monellia. Des is italienisch. Lies weida.«

»Die Schinkwe Terre besuchen wir mit dem Zug, der ab Monecklia an der romantischen Küste entlang fährt. Zurück geht es mit dem Schiff.«

»Des möcht i sehn, der Bene auf dem Schiff. Moant’s wia der speibt«, sagte Barth.

»Lies weiter Hias, sonst sauf i des Weißbier selber.«

»Weitere Ausflüge nach Porto..fi..no und Car..carra..ra.«

»Des is bestimmt ein Druckfehler, des muss Carrera hoaßen. Hab i als Kind mal zu Weihnachten gekriegt«, warf Fonse schnell ein.

»Leistungen: Busfahrt mit Brotzeit – Brotzeit hört sich guad o -, 7 Übernachtungen mit Halb..pen…sion, 2 Ausflüge 499,- €.«

»Ja und was soi iaz nacha des?« Barth schaute dabei noch blöder als sonst.

»De Reise schenkt’s ihr dem Bene zum 60. Geburtstag. Ganz einfach.«

»499,-€ ???????«, sagte der Hias erschrocken und malte sich schon aus, wie er das Geld abzweigen sollte, ohne dass die Maria das merkte.

Anni stellte die drei frischen Weißbier hin.

»Warum ned? Seid’s jetz seine Freund oder ned? Der 60. Geburtstag is doch was besonders. Entweder es geht noch mal a bisserl aufwärts oder im freien Fall nach unten. Und ihr würd’s ihm mit der Reise vielleicht helfen.«

Das mit dem Helfen kapierten sie alle drei nicht. An den fünf Weißbieren, die mittlerweile jeder von ihnen getrunken hatte, lag es vermutlich nicht. Das waren sie gewöhnt. Und Anni erklärte ihnen noch mal alles ganz geduldig, aber mit einer gewissen Schärfe, was sie ihnen vorher schon alles erläutert hatte, bis sie es gefressen, also kapiert hatten. Jetzt hatte aber sogar der Optimist Fonse seine Bedenken.

»Anni, alles schön und guad. Aber du hast eines vergessen. Der Bene fährt ned nach Italien. Auch wenn wir ihm des schenken.«

»Und warum ned?«

Jetzt hatte Anni ihren Blackout. Vermutlich hatte sie schon zu viel Weißbierdämpfe eingeatmet. Dafür kamen nun die Argumente der drei Stammtischbrüder wie aus der Pistole geschossen. Sie hatten nämlich ihr Level, das sie zum Denken benötigten, erreicht.

»In Italien redt’ koa Sau bayerisch.«

»Da gibt’s koane Weißwürst und koa Weißbier.«

»Und koan Hendlmeier-Senf.«

»Keinen Schweinesbrat’n.«

»Koane Brezen.«

»Nicht einmal einen Schliersee und auch keinen Spitzingsee.«

»Keine g’scheidn Berg. Koan Wendlstoa.«

»Mit Pizza und Nudeln kannst an Bene jagen.«

Und dann kam auch noch das schwerwiegendste Argument vom sonst so optimistischen Fonse.

»Des schlimmste is, Anni, dass die Vroni mit einem Italiener beinander is.«

»Aber den hat’s doch erst seit vorigem Jahr. Da war’s mit dem Bene doch scho’ 7 Jahr lang aus.«

»Des is wurscht«, meinte der Barth, »nach Italien bringst du an Bene gar nia ned. Des brauch ma eam gar ned schenken.«

Die Anni wäre aber nicht die Wirtin vom Wirtshaus bei der Anni, wenn sie nicht noch eine List im Ärmel, so wie die Stammtischbrüder oft eine Karte im selbigen, gehabt hätte.

»Blöd schaun, würd er ja schon, der Bene, wenn er auf einmal allein da in Italien stehn würd. Was meint’s, was der für ein blödes Gesicht hätt?«

Da kam es von den Dreien wieder reihum heraus.

»Vergönnen dat i eam’s ja scho, alloa da unten. Nix versteh.«

»Außer Bahnhof, vielleicht, ha, ha, ha. Schtazione.«

»Koane Weißwürst.«

»Koane Brez’n.«

»Nicht einmal einen Schliersee und auch keinen Spitzingsee.«

»Keine g’scheidn Berg. Koan Wendlstoa.«

»Koan Presssack. Dafür a Salzwasser. Was moant’s, wia der blöd schaut, wenn der a Salzwasser schluckt. Mit dem rechnet der net. Des mächat i sehn!«

Und nun konnten sie wieder alle so richtig lachen. Gut, dass die Weißbiergläser schon wieder fast leer waren, außer dem vom Bene, das da noch ganz einsam und verlassen dastand und nicht einmal mehr vor Wut schäumen konnte, wenn man sich über den Bene lustig machte.

Plötzlich sagte der Optimist schon wieder etwas Pessimistisches:

»Schluss jetzt. Da brauch ma ned drüber nachdenken. Des hab ich schon einmal g’sagt. Des Geschenk nimmt der Bene ned an. Aus. Äpfe. Amen.«

Jetzt war es so weit. Anni zog die Karte aus dem Ärmel, ihren Trumpf, der ein Max gewesen wäre, wenn sie gewattet hätten. Jedenfalls war dieser Trumpf eine Hinterfotzigkeit und mit Hinterfotzigkeit kann man Stammtischbrüder immer um den Finger wickeln, zumindest dann, wenn sie nicht selbst davon betroffen sind. Sie erklärte den mit weit aufgerissenen Augen auf das nächste Weißbier wartenden Saufkumpanen, dass man dem Bene die Reise nicht schenken dürfe, nein, die müsse er sich verdienen und zwar beim Schafkopfspielen. Sie hätten ihn doch ohnehin gewinnen lassen und dann sei halt dieses Mal der Gewinn kein Geldbetrag sondern eine Reise. Das müsse man ihm nur gekonnt unterjubeln, ohne dass er es merke, und da hätte sie schon einen Plan. Und wenn er die Reise dann gewonnen habe, dann müsse er die auch annehmen, denn so wie Spielschulden eine Ehrensache seien, so wäre es auch bei Spielgewinnen. Da käme er nicht mehr aus.

»Und jetzt schlagt’s ein, sonst kriegt’s koa Weißbier mehr!«

Das ließen sie sich nicht zweimal sagen. Und so schlugen sie mit ihren Pratzen zusammen, dass sie nicht einmal hörten, wie die Tür aufsprang und der Bene plötzlich im Raum stand.

»Was macht’s ihr da?«

Anni wusste sofort eine Antwort. »Die ham grad g’wettet, dass du heid nimmer kommst.«

Fonse ging als Erster darauf ein. »Aber i hab glei g’sagt, dass du kommst Bene. Damit hab i g’wonnen. Der Hias und der Barth zahl’n heut die Zech.«

»Spinnst du jetz?«, kam es von beiden wie aus einem Mund.

»Wettund Spielschulden san Ehrensache, gell Bene«, sagte die Anni.

»Schon. Des siehg i auch so. Bring mir a Weißbier, Anni.«

»Des steht scho da, Bene.« Barth zeigte auf das schaumlose Getränk.

»Wia lang steht’n des scho da?«

»Mei’, wenn du so lang net kommst.«

»Des konnst selber sauf ’n. Zahln tust du es ja eh. Anni bring ma a frische!«

Und dann gratulierten sie ihm erst einmal zum Geburtstag mit allen Wünschen, die mindestens so schlüpfrig waren wie Weißwürste, die eine Woche Sommerurlaub im Wintergarten verbracht haben.

Die Anni meinte dann, »Bene, was magst denn zum Essen; bist heid ei’gladen von mir zu dein’m Ehrentag.«

Da war Barth gleich wieder in seinem Element.

»Wir ham scho’ gessen, Bene. De Anni hat heid ganz was guads. Spaghetti mit Oliven und Scampi, gell Anne.«

Sogar der Hias war gleich mit von der Partie.

»Und ois Nachspeis a Tiramisu.«

»Die Anni würd’ dir auch eine Pizza machen, Bene, falls du die liaba magst«, mischte auch noch der Fonse mit.

»Pfui Deife. Bring mir an Wurstsalat mit vui Zwiebeln, Anni.«

»Zu dein’m Geburtstag?«

»Ja freilich.«

»Mei’, wenn er koane Spezialitäten mag, gell Anni, dann hoid an Wurstsalat.«

Alle tranken noch mal mit einem frischen Bier auf Bene’s Geburtstag.

»So Bene, du bist jetz da Erste von uns mit dem Sechser vorn dro. Was is nacha jetz anders?«, fragte der Fonse.

»Was soll da anders sei?«

»Na ja bist no’ überall im Saft, ha? Woaßt scho’ wia i des moan!«, stichelte der Barth.

»Depp.«

Sogar der Hias redete jetzt mehr. Eigentlich fing er erst immer nach dem achten Bier an. Er war jetzt erst beim siebten.

»So dengamaßig. Lasst es Hirn schon nach oder ned?«

»Seid’s jetz blöd oder was? Anne tu amoi d’Karten her, dann schau ma, wer no richtig denk’n kann und wer ned.«

»Doppelter Einsatz heid, ha Bene, zu dein’m Geburtstag?«, sagte der Barth.

»I hab da koa Problem.«

Jetzt war der Fonse an der Reihe.

»Und wenn wir heid amoi ned um Geld spuin, sondern um was anders?«

»Wia was anders?«

»A bisserl an Nervenkitzel verstehst? Aber na, des traut’s ihr euch ja doch ned.«

Der Barth spielte gleich mit.

»Ahhhh, du moanst a Ballonfahrt oder a Gleitschirmflug oder so was?«

»Zum Beispiel.«

»Mit so einem Krampf könnt’s ma geh! Da mach i ned mit«, stellte der Bene klar.

»Puff?«, warf Barth ein.

»Halt dei’ Mai!«

»I hab’ ja glei g’sagt, dass der Saft schon auslässt bei dir.«

Da sprang der Bene auf und ging auf den Barth los. Aber bevor Schlimmeres passieren konnte, war die Anni mit ihrer Körbchengröße D zwischen den beiden und beförderte beide vehement auf ihre Plätze.

Der Fonse sagte schnell:

»I woaß was. In da Zeitung san doch immer Prospekte drin. Wir suach ma uns oans aus und der wo g’winnt, der kriegt des auf dem Prospekt.«

»Des kann aber teuer werden«, keuchte der Bene noch außer Atem.

»Des scho’, weil meistens is’ des ein Prospekt vom Baumarkt. Anne dua amoi de Prospekte her von heid.«

»Oh, da is heid bloß oans drin. Aber des is ja ganz was Besonderes. Wär des net vui aufregender, wenn ihr vorher gar ned wisst’s was des is?«

»Und wenn des a rechter Schmarrn is?«, stellte sich Fonse ganz dumm.

»Nein des is was, was a jeder brauch’n kann. Aber des traut’s ihr euch net, gell, dass ihr um des spielt’s, wenn ma ned woaß was des is. Da habt’s ihr Schiss.«

Und jetzt fühlten sich alle, außer Bene, der von nichts wusste, wie erfahrene Komödienstadlschauspieler. Der Barth machte weiter.

»Also, i trau mi. Aber de andern ned. Des woaß i.«

»I aa!«, sagte Hias schnell. »Und du Fonse?«

»I woaß ned??? I bin da genau so ein Schisser wia da Bene!«

»I a Schisser! Da kennst mi aber schlecht. I bin dabei.«

»Guad, wenn’s unbedingt sein muss, dann i halt aa«, tat der Fonse ganz gequält. »Hoffentlich kann i des brauchen, weil einen Gewinn muss ma annehmen, oder?«

»Sieben Minuten und zweiunddreißig Sekunden!«

»Mama, schau einfach woanders hin, wenn dir des ned g’fällt. Schau zum Fenster raus. Des is doch a schöne Landschaft. Schau, die Berge sieht ma auch scho.«

»Jetzt san die acht Minuten voll. Des is eine Unverschämtheit, was die zwei da vollzieh’n.«

»Du warst doch auch mal jung, Mama.«

»Ja freilich war i aa moi jung. Aber des war eine ganz andere Zeit war des.«

»Du bist manchmal so intolerant, Mama.«

»Des hat nix mit Intoleranz zum tun Brigitte, sondern mit gutem Geschmack. Jetzt geht’s auf die neun Minuten zu. So was hab i ja noch nie geseh’n«, ereifert sich Hermine.

Hermine ist noch sehr attraktiv für ihr Alter. So um die siebzig. Schlank, graue Haare, die sie wie diese französische Tierschützerin, die angeblich mal eine vollbusige Playboygattin war, frech zusammengebunden hat und in nichtzusammengebundenem Zustand vermutlich fast bis dorthin reichen, wo vor zehn Jahren die junge Damenwelt noch ein Arschgeweih trug. Wie kann man seine Hinteransicht nur so verunstalten, dachte sie oft, wenn beim Einkaufsbummel in der Münchner Fußgängerzone vor ihr diese jungen Dinger gingen mit ihren nur bis zu den Beckenknochen reichenden Jeans und den Tops, die so kurz waren, dass man sie im Fasching nicht mal als Augenbinden für Piraten verwenden könnte, wodurch die Geweihe allerdings immer Frischluftzugang hatten. Mit so was bräuchte ihre Tochter nicht heimkommen, aber da machte sie sich keine Sorgen, denn Brigitte war 48 und schon immer etwas bieder. Ein Arschgeweih? So weit käm’s noch.

Hermine trägt dort, wo andere ein Arschgeweih tragen, den Schriftzug Jimmy for ever. Aber auch erst seit fünf Jahren. Das weiß aber nur sie und der Tätowierer vom Studio Tintenstrahlstecher in Moosburg. Für die Reise hat sich Hermine eine weiße enge Hose angezogen, Stretch, damit nichts zwickt und eine lange rote Bluse, die schön über die Taille reicht. Der Jimmy geht schließlich niemanden etwas an. Über der Bluse trägt sie ein ärmelloses, bunt besticktes Jäckchen, wie man es in den 1960er-Jahren trug, jetzt aber wieder modern ist. Zumindest in ihren Augen.

»Man kann sich doch ned zehn Minuten und länger ohne Pause küssen. Irgendwann muss man doch Luft holen«, schickte Hermine noch hinterher.

»Kann man scheinbar doch, Mama. Sonst würden sie sich ja nicht mehr bewegen, aber die bewegen sich.«

»Des hab i auch schon g’sehn, dass die sich bewegen. I möcht gar ned wissen, wo der seine Hände hat.«

»I auch ned, Mama!«

»Aber ich!« Hermine steht auf.

»Mama, wo möchst du hin?«

»I hol mir was zum Trinken.«

»Mama…..!«

Aber da hat sich Hermine schon erhoben und drängt in Richtung Busfahrer. Auf der Höhe des jungen schmusenden Pärchens bleibt sie für Brigitte gefühlte zwei Minuten kopfschüttelnd stehen und beobachtet die beiden, die sich allerdings nicht stören lassen und auch nach jetzt ca. vierzehn Minuten Dauerkuss Hermine gar nicht bemerken. Brigitte hält sich ihre Illustrierte vor das Gesicht. Das ist so peinlich. Sie bekommt dann gar nicht mehr mit, wie sich Hermine schließlich doch in Richtung Busfahrer weiterkämpft. Im wahrsten Sinn des Wortes weiterkämpft, denn in der ersten Reihe gibt es eine regelrechte Engstelle. Wie blöd sind manche Leute, denkt sie noch. Wer stellt denn einen gelben Briefkasten mitten in den Weg, bis sie merkt, es ist gar kein Briefkasten, sondern ein in briefkastengelben Stoff eingepackter Oberschenkel, der zu dem dauersprechenden Fleischkoloss auf der linken Busseite gehört. Ach das war gar kein Radio, das sie die ganze Fahrt schon hörte, nein das war die Stimme dieses….. warum ist der eigentlich gelb und rosa angezogen? Ist das ein Buddha? Oder ein thailändischer Mönch? Ein Radio mit riesigem Resonanzkörper? Ach da ist ja noch etwas zwischen dem Radio und dem Fenster geklemmt. Eine Frau. Twiggy? Wer sonst hätte da noch Platz?

»Kann i da mal durch?«

Das Radio spricht weiter. Auf der rechten Seite des Busses sitzt einer mit einem schwarzen Reifen.

»Hallo Sie! Können Sie dem Dauerschwätzer da mal sagen, dass i durch möcht?«

Der bleibt stumm. Wo ist sie denn da hingeraten. Hinter sich ein zu einem Klumpen verschmolzenes Pärchen, vor sich links ein gelber Buddha mit eingebautem Radio und vorne rechts eine stumme Salzsäule, die offensichtlich an einen schwarzen Gummireifen gebunden wurde. Der Buddha hat am Kopf einen blaurötlichschwarzen Kranz. Sind das Haare? Sind Buddhas nicht ganz kahl? In der Mitte ist er allerdings kahl.