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Darf diese App auf Ihre Kontakte, Fotos, Mikrofon und Standort zugreifen? Wenn Sie diese Forderungen der App akzeptieren, haben Sie hier erfolgreich Ihre Privatsphäre einer Firma auf dem silbernen Tablett serviert. Oder gehören Sie zu der vom Aussterben bedrohten Menschenart, welche sich noch um die Privatsphäre sorgt und zumindest die wichtigsten Punkte einer AGB durchliest, bevor ein Konto eröffnet oder eine „gratis“ App installiert wird? Allzu leicht vergessen wir, dass wir nicht nur mit der Währung Geld bezahlen, sondern Zeit und private Daten eine heiß begehrte Bezahlungsmethode darstellen. Allzu leicht geben wir aus Bequemlichkeit und Zeitvertreib unsere Daten an Unbekannte weiter. Dem ein oder anderen wird dies ziemlich egal sein, denn was wollen andere Firmen schon von einem Normalsterblichen... Der Autor zeigt uns in diesem Buch auf, wie unsere Privatsphäre täglich angegriffen wird. Wie wir als Benutzer von Smartphones und Apps unsere Geheimnisse blindlings verschenken und wie die Hersteller unsere Daten für sich gewinnbringend nutzen und wie wir uns schützen können.
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Seitenzahl: 103
Veröffentlichungsjahr: 2016
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„Tatsachen schafft man nicht dadurch
aus der Welt, dass man sie ignoriert.“
Aldous Huxley, Schriftsteller
Einführung
Identität: Unsere Merkmale
Merkmal: Biometrische Daten
Merkmal: Unsere Stimme
Merkmal: Unsere Schrift
Merkmal: Unser Körper
Merkmal: Unsere Bewegung
Problem: Identitäts-Diebstahl
Freiheit: Bewegung mit digitalen Fesseln
Wo bin ich? Die Gefahr durch Positionsdaten
Bewegungs- und Aktivitätsdaten
Freie Fahrt im Auto
Airliner oder Business Jet?
Bargeldlos zahlen
Unserer Angreifer: Ihre Methoden
Marketing
Social Engineering
Profiling
Unsere Angreifer: Ihre Motivation
Motiv 1: Benutzer einfangen
Motiv 2: Informationen absaugen
Motiv 3: Beziehungen aufdecken und nutzen
Motiv 4: Daten auf „Halde“ sammeln
Motiv 5: Kriminelle Absichten
Motiv 6: Neugier
Motiv 7: Image wahren
Altes Verhalten in der neuen virtuellen Welt
Gleichgültigkeit
Eitelkeit und Anerkennung
Ethik und Moral
Unsere Überlebensstrategien
Annehmlichkeit versus Sicherheit
Ich denke
Soziale Netzwerke und Chat-Plattformen
Smartphone
VPN-Dienste
Web-Browser und Tor-Netzwerk
Passwörter
Strategie bei der Arbeit
Digitaler Nachlass
Gedanken zum Schluss
Der digitale Mensch
Unbequemer Gedanke
Unsere Entscheidung
Anhang
Rechtliche Hinweise
Stichwortverzeichnis
Quellen
Privatsphäre ist ein Gut, welches wir als moderne Gesellschaft bereits verloren haben. Unsere Nachfahren werden wohl kaum mehr ein Wort dafür in ihrem Wortschatz führen, so wie wir heute keine Ahnung mehr haben, wie man eine Kuh melkt oder einen Bären mit einem Speer bewaffnet erlegt.
Im Laufe der letzten 20 Jahre ist unsere Privatsphäre eine Illusion geworden, unabhängig davon, ob wir dies uns eingestehen oder nicht. Wieso dies so ist, ist eine Frage, die wir in den nachfolgenden Seiten beleuchten. Warum wir dies zuliessen, ist eine Frage, welche uns Psychologen oder Philosophen beantworten werden – oder auch nicht. Was aber über die Menschheitsgeschichte hinaus bewiesen ist, ist die Tatsache, dass sich der Mensch immer für den vermeintlich einfacheren Weg entscheidet, wenn er in seiner Komfortzone eingebettet ist. Ebenso gilt, dass jede zusätzliche Möglichkeit, die sich dem Menschen bietet, meistens ohne kritische Hinterfragung und oftmals gar gedankenlos wahrgenommen wird.
Wir leben heute in einer sogenannt vernetzten Welt. Dies bringt viele Vorteile. Vor 40 Jahren musste man sich noch in eine Bibliothek bemühen, um Wissen abzufragen. Heutzutage benutzt man Google und erhält in Sekunden eine oder mehrere Antworten – ob sie richtig oder falsch sind, sei dahingestellt.
Es ist die Einfachheit, die Bequemlichkeit oder auf Neudeutsch die Convenience, welche uns tagtäglich in Versuchung führt. Es sind die vermeintlich kostenfreien Angebote in Form von Applikationen (Apps) oder Kundentreuekarten, welche uns das Leben oft einfacher oder billiger oder besser oder schneller oder sonst wie angenehmer machen. Dass diese Convenience, die uns eine Zeitersparnis verspricht, uns kein Geld kostet, aber unserer Privatsphäre beraubt, scheint der Menschheit egal zu sein.
Wie heisst es so schön: „Unwissenheit schützt vor Strafe nicht”. Ja, viele von uns, die meinen, sich nichts zu Schulden kommen zu lassen, glauben, dass ein paar Daten über uns doch kein Problem darstellt. Da eh niemand Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB), Nutzungsrechte oder Hinweise zum Datenschutz liest, ist dies auch verständlich. Wenn man dies nämlich aufmerksam täte, hätten Mann oder Frau ja nur ein Problem mehr: Sich zu entscheiden, ob man einer fremden Person, Organisation oder Firma wirklich so viel Vertrauen schenken will, dass diese Zugriff auf unsere Kontakte, SMS, Bilder, E-Mails oder Dokumente erhalten, ohne damit Unfug zu treiben, sondern diese nur zu meinem Wohl verwenden. Wir erlauben damit den Zugriff auf die Kamera oder das Mikrofon, welche im Smartphone oder PC eingebaut sind, oder senden freiwillig unsere Position, damit auch alle diese freundlichen Wohltäter, welche uns Apps zur Verfügung stellen, wissen, ob wir zu Hause, bei der Arbeit oder in einem schummrigen Etablissement sind. Wenn man sich dies einmal verinnerlicht, dann könnte uns dies sehr leicht den gesunden Schlaf rauben. Vogel Strauss lässt grüssen – lieber stecken wir den Kopf in den Sand, als uns mit einer Tatsache herumzuschlagen, die uns zu einer Änderung unseres Verhaltens zwänge.
Wenn man sich verstecken will, dann sucht man den Wald auf und nicht das freie Feld. Obwohl dies eigentlich eine Binsenweisheit ist, vergisst man sie einfach, wenn man im Internet surft. Jeder denkt, das Internet sei ja sowieso anonym. Leider war das nie ein korrektes Statement. Für den Zugang zum Internet bedarf es einer Adresse. Wie im realen Leben, in dem der Postbote auch einen physischen Briefkasten braucht, um einen Brief oder ein Paket zuzustellen, bedarf es im Internet einer physischen Adresse. Dies ist meist die IP (Internet Protokoll)-Adresse des Modems oder Routers, die “Otto Normalverbraucher” von seinem Internet Provider erhält, oder die IP-Adresse des Routers in der Firma. Diese Adresse kann selbst von einem Computerlaien – zugegebenermassen abhängig vom Internet Service Provider – einfach eruiert werden.
Also ist Vorsicht geboten für alle Damen, die sich im Internet mit einem Mann treffen und glauben, dass niemand herausfinden könne, von wo die E-Mail oder der Zugriff auf eine Website stattgefunden hat. Immer wieder kann man in der Tagespressei lesen, dass ein Stalker eine Frau belästigt, die er im Internet kennengelernt hat und plötzlich vor der Tür oder ihrem Lieblingsrestaurant stand oder sie gar töteteii. Wieso? Weil die IP-Adresse ihren Standort oder sie selbst so viel von sich preisgegeben hat, dass eine einfache Suche mit Google ihren Wohnort, mit Hilfe von Street View auffindbar gemacht hat. Die Illusion der Anonymität ist also ein Konstrukt, das nicht hält, was es verspricht.
Es ist eine Tatsache, dass es Möglichkeiten des Schutzes gibt, wobei es immer eine Frage ist, vor wem man sich schützen will. Sun Tsu hat einmal gesagt, dass jeder Feind, der mehr Energie, Mittel und Willen in einen Krieg legt, gewinnen wird. Kurz und gut, versuchen Sie sich vor einer flüchtigen Bekanntschaft im Internet zu schützen, dann können Sie Web-Browser benützen, die Ihnen die Möglichkeit geben, “privat” zu surfen. Im Allgemeinen heisst dies, dass Sie über die Server des Browser-Anbieters surfen. Somit ist Ihre IP-Adresse identisch mit der von allen anderen Benutzern, die diesen Dienst benutzen – und somit werden Sie zur unauffindbaren Nadel im Heuhaufen.
Aber halt! Der Hersteller des Browsers weiss trotzdem, was und wo Sie surfen. Sie sind daher nur vor dem Stalker um die Ecke geschützt, nicht aber von Firmen, die mit Ihren Daten und Ihrem Verhalten ihr Geld verdienen. Sei es Apple, Google oder Microsoft, sei es ihr geliebter Online-Anbieter wie Amazon oder Ebay – Sie sind weiterhin transparent, und Ihr Verhalten ermöglicht diesen Firmen, Milliardenumsätze zu generieren. Wieso? Weil Sie Ihre Privatsphäre opfern, damit diese Firmen und ihre Shareholder reich werden. Wie dies funktioniert, ist einfach. Entweder melden Sie sich freiwillig bei “Ihrem” Dienst an, wie zum Beispiel Apple, Google oder Microsoft, oder Ihr Browser platziert Cookies auf ihrem Device. Wenn Sie eine Abfrage tätigen oder ein Produkt kaufen, verraten diese Cookies jedes Mal: “Sie oder er kauft mal wieder was oder ist immer noch auf der Suche nach der grossen Liebe.” Die Verwendung von Werbe-IDs und anderen Massnahmen verfeinern diese Methode.
Wieso also wundert sich heute die Frau, die sich soeben im Internet über Schwangerschaftstests und ein paar Tage später über Schwangerschaft im Allgemeinen informiert, weshalb Sie Sonderangebote für Babykleidung, Schwangerschaftsturnen oder Babykrippen erhält? Sie wundert sich nur deswegen, weil sie sich nie darüber Gedanken gemacht hat, wer welche Daten über sie aufzeichnet und verwertet. Ob diese Sonderangebote wirklich preiswert sind, sei dahin gestellt – meistens sind sie es nicht! Aber diese Angebote sind perfekt auf den Kunden zugeschnitten zu einem Zeitpunkt, wo das Bedürfnis zum Kauf besteht.
Es stellt sich die Frage, ob es besser oder schlechter ist, einen Computer oder ein Mobiltelefon zu benutzen. Einmal abgesehen von der Grösse und Bedienfreundlichkeit besteht heute fast kein Unterschied mehr. Leider! Die Verwendung von Apps bei Apple, Google/Android oder Windows hat im Versteckten die Möglichkeit für eine grossangelegte Invasion auf die Privatsphäre der Benutzer eingeläutet. Weil die Verwendung einer Website zum Browsen schon eine massive Attacke auf die Privatsphäre war, so ist die Verwendung von Apps auf irgendeinem Device das Äquivalent von einem Super-GAU, dem „grössten anzunehmenden Unfall“. Da die Allgemeinen Geschäftsbedingungen sowieso von niemandem gelesen werden und die Anbieter von solchen Applikationen diese auch in einer Art und Weise verfassen, dass die AGBs niemand wirklich lesen will, öffnen Applikationen Tür und Tor für den Verlust der Privatsphäre.
Folgende Geschichten sind teilweise fiktiv, haben aber einen engen Bezug zur Wirklichkeit. Alle Technologien sind erhältlich und werden oder könnten in der beschriebenen Form eingesetzt werden. Es geht nicht darum, Ihnen mitzuteilen, ob Apple besser ist als Microsoft, oder ob Sie besser auf Google suchen oder lieber Bing wählen sollten, sondern geht es darum, Sie für die Gefahren zu sensibilisieren, welche im digitalen Zeitalter auf uns lauern. Ziel ist es, Denkanstösse zu vermitteln, irrige Annahmen zu entlarven und Ihnen die Augen zu öffnen für die Gefahren, die unsere Privatsphäre bedrohen. Es sind Ihre Entscheidungen, die sie tagtäglich treffen, die Ihr Leben potentiell nachhaltig beeinflussen können. Und leider haben Sie bei vielen Entscheidungen nur eine einzige Chance – denn das Internet vergisst nie.
Der Mensch als Individuum besteht aus vielen einzelnen Komponenten. Jede einzelne Komponente verrät nicht sehr viel über den Menschen, aber durch die Kombination der einzelnen Komponenten kann – schneller als man denkt – das Bild eines Individuums entstehen. Da man sich oft nicht so viele Gedanken über die eigene Wahrnehmung macht, ist es auch nicht verwunderlich, dass wir sehr freigiebig sind mit Informationen über uns selbst.
Eitelkeit oder die einfache Freude darüber, dass sich jemand für uns interessiert, können Gründe dafür sein, aber meistens ist unsere eigene Ignoranz dafür verantwortlich, dass wir uns Fremden offenbaren. Die folgenden Beispiele zeigen auf, wie fragil wir als Mensch sind und wie einfach es ist, unsere Identität zu stehlen, uns zu verfolgen und unser Verhalten vorhersehbar zu machen, falls wir keine Vorsichtsmassnahmen treffen.
„Es ist durchaus nicht dasselbe,
die Wahrheit über sich zu wissen
oder sie von anderen hören zu müssen.“
Aldous Huxley, Schriftsteller
Biometrische Daten wie Fingerabdrücke oder Retina Scansiii sind heute auf Smartphones und Notebooks gängige Methoden zur Benutzeridentifikation. Solche Methoden sind nicht neu. Mercedes hat in der Vergangenheit seine S-Klasse mit Fingerprint-Scannern ausgestattet. Vielleicht war die Idee auf dem Reissbrett innovativ, aber auf der Strasse hat sich leider gezeigt, dass Autodiebe keinen Unterschied machen, ob sie einen Autoschlüssel klauen oder dem Besitzer den Finger abschneiden müsseniv. Es versteht sich von selbst, dass niemand mag, wenn sein Wagen gestohlen wird, aber wenn ihm dabei ein Finger abhanden kommt, hört der Spass auf.
Wenn man es richtig bedenkt, dann gibt es eigentlich nichts Spassiges an biometrischen Daten. Seit 100 Jahren werden Fingerabdrücke in Kriminalfällen gesichert, ausgewertet und Angeklagte anhand der Fingerabdrücke verurteilt. Kaum jemand hat etwas dagegen, dass man Verbrecher aufgrund von Fingerabdrücken fängt und verurteilt. Dass Behörden jedoch weltweit Datenbanken anlegen und Fingerabdrücke von uns allen speichern, ist eine Tatsache, die nicht leicht zu verdauen ist. Nach offiziellen Angaben des FBIv beinhaltet ihre Datenbank mehr als 51 Millionen. Wie viele Fingerabdrücke und Gesichter der US Homeland Security Service gespeichert hat, ist unbekannt, aber 70 Millionen Touristen aus dem Ausland besuchen die USA jährlich. Da jeder Nicht-US-Amerikaner an der Grenze mit Gesicht und Fingerabdrücken erfasst wird, ist eine Schätzung von ein paar 100 Millionen Personen nicht unvorstellbar. Wie fühlen Sie sich dabei?
An Datenbanken mit unseren Fingerabdrücken und Gesichtszügen haben wir uns ja bereits gewöhnt. Biometrische Pässe sind Standard. Vollends werden wir unsere Privatsphäre verlieren, wenn die Abgabe der eigenen DNA zur Pflicht wird. Die Desoxyribonukleinsäurevi (DNS oder Englisch DNA) ist der Speicherort unseres genetischen Materials, sozusagen unser genetischer Fingerabdruck. Die DNA enthält somit die Baupläne unserer Zellen und ist so einzigartig, dass sie als forensisches Beweismittel zugelassen wird.
Die DNA kann aber auch Informationen über unser Risiko, an Krebs zu erkrankenvii, beinhalten. Noch werden DNA-Profile aus Datenbanken der Polizei gelöschtviii, wenn von unbeteiligten Personen DNA-Proben genommen wurden und keine Hinweise auf eine Straftat erbracht werden konnten. Es bleibt abzuwarten, wie lange dies so bleiben wird. DNA-Datenbanken werden heute bereits angebotenix. Überlegt man weiter, so ist ein Szenario, bei welchen wir gleich bei der Geburt unserer DNA beraubt werden, zumindest denkbar.
„Je weniger wir Trugbilder bewundern, desto mehr
vermögen wir die Wahrheit aufzunehmen.“
Erasmus von Rotterdam, Humanist