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Georg Bonhoeffer ist Diplomkaufmann und als freier Produktionsleiter für Film- und Fernsehproduktionen tätig. Von der Sitcom über Serien, TV-Movies, Kinofilm und Eventproduktionen verfügt er über vielfältige Erfahrungen bei der Durchführung von Film und Fernsehprojekten. Anhand eines fiktiven TV-Movies wird das Anforderungsprofil eines Produktionsleiters beschrieben. Es wird deutlich, welche Voraussetzungen er braucht, was er können muss, welche Verantwortung er trägt, welche Möglichkeiten er hat, aber auch welchen Grenzen ihm gesetzt sind. Dabei werden harte Fakten immer wieder mit Geschichten und Anekdoten aus der Welt des Film- und Fernsehens verknüpft. Das vorliegende Buch vermittelt fundiertes Wissen in einer unterhaltsamen und humorvollen, manchmal auch selbstironischen Art und Weise. Kurz: Ein Fachbuch, das Spass macht, zu lesen. Der Autor lebt und arbeitet in Köln.
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Seitenzahl: 300
Veröffentlichungsjahr: 2010
Georg Bonhoeffer
Produktionsleitung für Film und Fernsehen
Was ist das? Wie geht das? Kann ich das (vielleicht) auch?
…immer noch für Marcus.
Grundsätzliches
Vorwort
Allgemeine Anforderungen an einen Produktionsleiter
Intellektuelle Anforderungen
Menschliche Anforderungen
„Mut zur Lücke“
Film- und Fernsehproduktionen als Projektarbeit
Definition eines Projektes
Projektphasen
Projektorganisation
Exkurs: DER PRODUCER
Das magische Dreieck der Filmproduktion
Die Produktion
Kalkulation
Allgemeines
Exkurs: HD
Kalkulationssoftware
Die externe Kalkulation
1. Nutzungsrechte
2. Gagen und Honorare
Exkurs: DREHPLAN
3. Atelier Bau
4. Atelier Dreh
5. Außenaufnahmen
6. Ausstattung
7. Synchronisation, Musikaufnahme, Mischung
8. Bild- und Tonmaterial und Bearbeitung
9. Versicherungen
10. Allgemeine Kosten
11. Handlungskosten
Exkurs: BUY OUT
12. Gewinn
Die interne Kalkulation
Vertragsverhandlungen
Stab | Schauspieler | Lieferanten
Verträge
Stab | Schauspieler
Drehpläne
Controlling
Kostencontrolling
Liquiditätscontrolling
Exkurs: MEHRWERTSTEUER
Versicherungen
Wichtige Gesetze und Vorschriften
Ruhezeiten
Jugendschutz
Arbeiten auf Rechnung
Die Leitung
Leitung als Führungsfunktion
Allgemeine Führungsqualifikationen
Vertrauen
Verantwortung
Entscheidung
Kommunikation
Menschenführung
Führungsstile
Teamzusammenstellung
Motivation
Delegation
Kontrolle
Konflikte und Konfliktmanagement
Grundsätzliches
Vorwort
Allgemeine Anforderungen an einen Produktionsleiter
Intellektuelle Anforderungen
Menschliche Anforderungen
„Mut zur Lücke“
Film- und Fernsehproduktionen als Projektarbeit
Definition eines Projektes
Projektphasen
Projektorganisation
Exkurs: DER PRODUCER
Das magische Dreieck der Filmproduktion
Vorwort
Ich werde immer wieder gefragt: „Du bist doch Produktionsleiter beim Film. Was macht ein Produktionsleiter eigentlich?“ Und auch wenn ich diesen Beruf nun schon seit einigen Jahren ausübe, kann ich diese Frage bis heute nicht mit einem Satz beantworten.
Ein Grund dafür ist sicherlich, dass die Anforderungen an einen Produktionsleiter sehr abhängig vom konkreten Projekt sind und von daher auch sehr unterschiedlich sein können. Es gibt grosse und kleine Projekte. Es gibt grosse Budgets und sehr kleine Budgets. Es gibt langfristige Projekte und kurzfristige Projekte. Es gibt nationale und internationale Projekte. Es gibt Serien, TV-Movies, Kinofilme, Studioproduktionen und Pilotfilme. Es gibt Live-Sendungen und Dokumentationen, usw., usw.
Trotzdem kann man schon aus der Berufsbezeichnung „Produktionsleiter“ eine Definition ableiten. Dieses Wort besteht wie unschwer zu erkennen ist aus den beiden Substantiven „Produktion“ und „Leitung“. Um diesen Beruf erfolgreich ausüben zu können, sollte man also etwas von „Produktion“ und etwas von „Leitung“ verstehen. „Produktion“ umfasst Kenntnisse beispielsweise über Kalkulation, Drehplan, Verträge, Controlling, also mehr die kaufmännischen Fähigkeiten. „Leitung“ hingegen beinhaltet die Fähigkeit der Führung, konkreter gesagt der Menschenführung und damit Faktoren, wie Teamzusammenstellung, Teamführung und Motivation sowie Delegation oder auch Konfliktmanagement.
Der Produktionsleiter ist also im wahrsten Sinne des Wortes derjenige, der die Produktion, also die Dreharbeiten, leitet. Er ist der kaufmännische Chef des Projektes. Er ist für den finanziellen Erfolg des Projektes (mit-)verantwortlich. Er ist Finanzminister, Organisationsminister und Logistikminister. Aber er ist auch Seelsorger, Motivator, Moderator und Konfliktmanager.
Dieses Buch richtet sich in erster Linie an alle Kollegen, die sich mit dem Gedanken tragen, Produktionsleitung machen zu wollen oder ein Angebot haben, eine solche Position einzunehmen. Es richtet sich aber auch an alle Kollegen in dieser Position, die sich unwohl oder überfordert fühlen oder immer wieder mit Problemen zu kämpfen haben, für die sie keine Lösungen haben. Nicht zuletzt richtet es sich auch an Entscheider wie Geschäftsführer, Herstellungsleiter, Producer und Produzenten, die einen Produktionsleiter anstellen wollen, aber nicht wissen, welche Fragen sie stellen bzw. welche Kriterien sie für ihre Entscheidung anlegen sollen.
Dieses Buch ist kein Lehrbuch. Es stellt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Vielmehr ist es eine Sammlung meiner Ideen und Gedanken basierend auf meiner bisherigen Tätigkeit als Produktionsleiter.
Dieses Buch vermittelt auch kein Detailwissen. Es skizziert das grundsätzliche Berufsbild eines Produktionsleiters und zeigt auf, welche Fähigkeiten er haben oder erwerben sollte, um auch schwierige Projekte sicher zum Erfolg zu bringen. Es ist auch eher als Handbuch konzipiert, in dem man mal schnell nachschlagen kann, was einen interessiert. Daher kommt es an der ein oder anderen Stelle zu Wiederholungen. Diese Redundanz wird in Kauf genommen, um diesen Buch eben nicht von Anfang bis Ende lesen zu müssen.
Allgemeine Anforderungen an einen Produktionsleiter
Zunächst vorweg: Produktionsleiter kann jeder werden und Produktionsleiter kann sich jeder nennen. Produktionsleiter ist keine geschützte Berufsbezeichnung. Man braucht dafür keine Ausbildung, keinen Abschluss, kein Diplom oder Sonstiges. An Filmhochschulen kann man zwar Produktionsleitung studieren. Die meisten Kollegen aber, die ich kenne, sind irgendwie anders an diesen Job gekommen. Sei es die klassische Laufbahn vom Fahrer über Set-Aufnahmeleitung und 1. Aufnahmeleitung oder aber als Quereinsteiger über die Produktionsassistenz oder aber wie ich:
Ich habe Betriebswirtschaftslehre (BWL) studiert und während meines Studiums zufällig in einer Fernsehproduktion als kaufmännische Hilfskraft gearbeitet. Ich hatte viel Zeit und viel Spass und vor allem hatte ich keine Ahnung, was ich nach dem Studium so treiben wollte. Film und Fernsehen war sicherlich eine der Möglichkeiten, aber eben nur eine von Vielen.
Ich hatte meine Diplomarbeit geschrieben und auch die schriftlichen Arbeiten lagen hinter mir, als ich von der Firma gefragt wurde, ob ich bei einer laufenden Produktion im kaufmännischen Bereich nicht mal „nach dem Rechten“ schauen könnte. Da bräuchte es noch eine ordnende Hand und auch sonst gäbe es da noch das ein oder andere zu optimieren. „Das mache ich gerne, habe ich gesagt. Ich habe ja gerade Zeit. Bis zu den mündlichen Prüfungen dauert es sowieso noch eine Weile.“
Und ohne auch nur den blassesten Schimmer einer Ahnung zu haben, auf was ich mich da eingelassen hatte, bin ich ins Studio gefahren und habe mal angefangen zu arbeiten. Schnell stellte sich heraus, dass es mit der Bitte „mal nach dem Rechten zu sehen“ wohl kaum getan sein würde. Ich wusste nicht genau, was sie bis jetzt getan hatten. Aber eins war mir schnell klar. Eine finanziell und organisatorisch geordnete Produktion sieht anders aus. Wie genau, wusste ich auch nicht: aber anders.
Wir haben dann alle gearbeitet wie die Tiere. Wir hatten kein Geld, wir hatten keine Zeit, wir hatten keine Bücher und wir wussten oft nicht, ob wir das Ding überhaupt gestemmt bekommen. Aber wie es dann immer so ist: Auch dieser Film wurde gedreht.
Eines Nachmittags ging es dann darum, den Abspann zu erstellen. Wir pinnten schön alle Namen und Funktionen auf und irgendwann wurde ich gefragt: „Was schreiben wir denn bei Dir? Was hast Du eigentlich hier gemacht?“ „Keine Ahnung“, sagte ich „Wie nennt man denn das, was ich hier gemacht habe wohl am ehesten?“ Wir schauten so durch die Liste der Möglichkeiten und da gab es die Position des „Produktionsleiters“. An der blieben wir hängen. Wir schauten uns an und waren gemeinsam der Meinung, dass es das wohl gewesen sein wird.
Auch wenn meine eigene Geschichte wahrscheinlich nicht repräsentativ ist. Ich bin der festen Überzeugung, dass jeder in diesen Beruf einsteigen kann, wenn er denn bereit ist, hart zu arbeiten und darüber hinaus noch ein, zwei andere Basisqualifikationen mitbringt.
Intellektuelle Anforderungen
Ich habe an meinem Schlüsselbund einen kleinen Anhänger. Da steht drauf „Denken hilft“. Und genau so isses. Man kann diesen Beruf ausüben, wenn man sich an diesen Grundsatz hält. Man muss kein Genie sein. Man sollte aber über ein gewisses Mass an formaler Intelligenz verfügen. Und wenn man schon mal einen Blick in das Filmbusiness geworfen hat, kann auch das natürlich nicht schaden. Folgende Fähigkeiten halte ich persönlich für elementar, um im Beruf des Produktionsleiters erfolgreich arbeiten zu können:
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analytisches Denken
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strukturiertes und systematisches Handeln
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kaufmännisches Denken
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Kommunikationsfähigkeit
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sicherer Umgang mit dem Internet sowie gängiger Office-Software wie Word und Excel und vielleicht einer Kalkulationssoftware
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gesunder Menschenverstand.
Eine kaufmännische Ausbildung schadet natürlich nicht. Muss aber nicht sein. Das notwendige Wissen hierüber kann man sich auch selbst aneignen, wenn man sich mal ein Buch über so spannende Themen wie „Kostenrechnung“ oder „Buchhaltung“ kauft und zumindest die Grundlagen durcharbeitet. Danach weiss man einiges über Soll und Haben und wie Buchhaltung grundsätzlich funktioniert. Ausserdem fällt einem dann die Unterscheidung zwischen Kosten und Liquidität leichter und wenn man Glück hat, sagen einem dann auch die Begriffe „Direkte Kosten“ und „Indirekte Kosten“, „Fixe Kosten“ und „Variable Kosten“ oder auch das schöne Wort „Deckungsbeitrag“ etwas.
Menschliche Anforderungen
Die menschlichen Qualifikationen sind vielleicht auch besser unter dem Begriff der „Sozialen Intelligenz“ bekannt. Hiermit sind alle Eigenschaften gemeint, die man benötigt, um ein Filmteam zusammenzustellen und zu führen.
Bei einem Filmteam handelt es sich um eine Ansammlung von ausgeprägten Individualisten. Individualisten zeichnen sich unter anderem dadurch aus, dass sie gerne mal sehr selbstbezogen manchmal sogar egozentrisch sind, dass sie ihren „eigenen Kopf“ haben und am liebsten immer ihre eigenen Ideen durchsetzen wollen. Individualisten haben sehr individuelle Bedürfnisse und Fähigkeiten, sie haben Ecken und Kanten und sie reagieren unter Druck oder im Kontakt mit anderen Menschen sehr unterschiedlich, manchmal auch, formuliere ich es mal vorsichtig „unvorhergesehen“. Sie sind also alles andere als „graue Mäuse“. Das mag der ein oder andere bedauern, gerade Produktionskollegen tun dies ab und an und auch ich selbst kann mich davon nicht ganz freisprechen, wenn mir „die Künstler“ mal wieder zu weit und damit auf die Nerven gehen. Aber auf der anderen Seite braucht es genau diese Menschen, um einen guten Film zu machen. Was will ich denn mit uninspirierten, unkreativen, langweiligen Jasagern? Die braucht keiner. Es ist schon gut so, wie es ist. Und wenn ich mir die Kollegen anschaue, mit denen ich bis jetzt zusammengearbeitet habe: Von einigen Ausnahmen abgesehen, waren sie alle bezaubernd.
Das Problem ist nur, dass diese bezaubernden Individualisten in einem Team zusammenarbeiten müssen und zwar für mehrere Wochen, unter zum Teil sehr harten Bedingungen. Es ist also Teamfähigkeit gefragt. Und Individualismus und Teamfähigkeit sind nun mal zwei Eigenschaften, die relativ wenig miteinander zu tun haben.
In dieser Situation ist es für den Produktionsleiter äusserst ratsam, seine eigenen Bedürfnisse, seine eigene Individualität im Job, also in seiner Funktion, zurückzunehmen. Er sollte, bei allem notwendigen Engagement für das Projekt eine eher distanziert Position einnehmen. Dadurch bekommt er einen Blick „von aussen“. Das hilft, den Überblick zu bewahren und vor allem schützt es davor, sich in die verschiedensten Strömungen oder Konflikte innerhalb des Teams reinziehen zu lassen.
Konkret bedeutet das: Ein guter Produktionsleiter ist ehrlich, fair und gerecht. Er kann zuhören und spricht auch mal ein Lob aus. Er nimmt sich selbst nicht so wichtig, er ist nicht befindlich und schon gar nicht empfindlich, er fühlt sich nicht so schnell persönlich angegriffen, er ist nicht eitel oder beleidigt und er ist auch nicht nachtragend. Und ganz wichtig: Der Produktionsleiter ist gelassen und behält immer die Ruhe. Was immer für Krisen und Katastrophen passieren mögen. Und die passieren eigentlich immer. Der Produktionsleiter ist der berühmte „Fels in der Brandung“.
„Mut zur Lücke“
Diese Qualifikation verdient eine extra Erwähnung. Zum einen, weil ich sie wirklich für elementar halte und zum anderen, weil hier schon Ungemach droht, wenn man sich darüber nie Gedanken gemacht hat.
„Mut zur Lücke“ bedeutet, dass man sich darüber bewusst ist, dass man vieles nicht kann und weiss und auch nicht können und wissen muss!
Etwas nicht zu wissen, oder nicht zu können ist keine Schande. Gerade für einen Produktionsleiter nicht. Das liegt einfach daran, dass ein guter Produktionsleiter grundsätzlich ein Generalist und kein Spezialist ist. Er kann nicht alles wissen, braucht nicht alles wissen und sollte es daher auch gar nicht erst versuchen. Seine Aufgabe ist es, die richtigen Spezialisten um sich zu scharen, diese zu einem guten Team zusammen zu schmieden und erfolgreich durchs Projekt zu bringen. Ich sage von mir immer: „Ich habe von nichts wirklich Ahnung: von Kamera nicht, von Regie nicht, von Ausstattung nicht, von Maske nicht, von Aufnahmeleitung nicht, von Technik nicht und auch nicht von Schnitt oder Postproduktion oder irgendeinem anderen Gebiet.“ Das gilt selbst für Kernbereiche wie der Kalkulation und des Controllings. Auch hier weiss der Spezialist, in diesem Falle die Filmgeschäftsführung, im Detail häufig besser Bescheid als ich. Und das ist auch gut so. Dafür habe ich sie ja eingekauft.
Folgt man dieser Argumentation, kann man sich als Produktionsleiter viel Arbeit ersparen. Folgt man ihr nicht, wird man sich zwangsläufig immer in Situationen wiederfinden, in denen man vorgeben muss, etwas zu wissen. Mal abgesehen davon, dass ich ein solches Verhalten als fragwürdig empfinde, führt es auch ganz schnell dazu, dass ich mir selbst das Leben als Produktionsleiter unnötig erschwere.
Ein klassisches Beispiel dazu: Der Kostümbildner wurde vom Produktionsleiter gebeten, seine Teamstärke inklusive der Vorbereitungs- und Nachbereitungszeiten aufzulisten und das Kostümbudget zu kalkulieren. Beide treffen sich zum Gespräch. Zur Erinnerung: Generalist trifft auf Spezialist.
Und jetzt passiert folgendes: Der Produktionsleiter schaut sich das Team an. Skeptische Blicke treffen den Kostümbildner. Der Produktionsleiter stellt Vorbereitungs- und Nachbereitungszeiten in Frage, vielleicht stellt er auch einzelne Positionen im Ganzen in Frage und über die Gagen muss sowieso noch mal geredet werden. Sie diskutieren. Im besten Falle einigen sie sich. Tun sie es aber nicht, wird irgendwann der Produktionsleiter das Team, die Zeiträume und die Gagen festlegen, von denen er glaubt, dass sie ausreichend sind. Er ist ja schliesslich der Chef.
Dann geht es an die Kostümkalkulation. Die ist aus der Sicht des Produktionsleiter natürlich auch viel zu hoch. Auch hierüber wird diskutiert, vielleicht sogar im Detail und der Produktionsleiter behauptet eventuell sogar, dass es das ein oder andere Kostüm gar nicht braucht oder es sicher irgendwo billiger zu haben ist. Auch hier werden sie sich im besten Falle einigen oder aber der Produktionsleiter trifft auch hier eine einsame Entscheidung.
Egal, ob sie sich nun geeinigt haben oder der Produktionsleiter alleine entschieden hat. Was ist in beiden Fällen passiert? Der Produktionsleiter hat die Kompetenz des Kostümbildners in Frage gestellt. Er hat behauptet, den Sachverhalt genauso oder sogar besser beurteilen zu können als der Spezialist. Und was denkt der Kostümbildner sich jetzt? „Warum habe ich mir eigentlich die ganze Arbeit gemacht? Warum hat der mich überhaupt nach den Zahlen gefragt? Wenn er es doch eh besser weiss? Soll er es beim nächsten Mal doch bitte schön selbst machen. Er hat ja anscheinend schon viele Filme als Kostümbildner gemacht!“
Die Folgen eines solchen Gesprächs sind Frust und Misstrauen beim Kostümbildner. Einen Freund hat der Produktionsleiter dadurch sicher nicht gewonnen. Jetzt muss man sich nur vorstellen, dass der Produktionsleiter solche Gespräche auch mit vielen anderen führt. Das Ergebnis wäre eindeutig: Er hat gar keine Freunde mehr im Team. Stattdessen hat er sich ohne Not selbst konsequent in die Isolation manövriert. Da der Produktionsleiter aber das Wenigste wirklich selbst machen kann, ist er auf seine Mitarbeiter angewiesen. Man kann es auch noch überspitzter formulieren. Der Produktionsleiter ist nur so gut wie seine Mitarbeiter. Und da ist Isolation gar keine gute Idee!
Film- und Fernsehproduktionen als Projektarbeit
Film- und Fernsehproduktionen sind Projektarbeit. Überall in der Wirtschaft werden Projekte gemacht. Ob es nun ein Hausbau ist, eine Softwareentwicklung, ein Strassenbau, die Entwicklung eines Flugzeuges, die Mondlandung oder aber auch nur die Veranstaltung eines Betriebsfestes. All das sind Projekte. Über das Management solcher Projekte existiert ein Haufen von Literatur von klugen Menschen geschrieben. Für einen Produktionsleiter, den man auch als Projektmanager eines Filmprojektes bezeichnen kann, kann es nicht schaden, wenn er sich mit diesem Gebiet einen Moment befasst hat.
Definition eines Projektes
Zunächst ist es wichtig, dass man sich darüber im Klaren ist, was eigentlich ein Projekt ist. Wie für Vieles hat das Deutsche Institut für Normung auch für den Begriff „Projekt“ eine Definition herausgebracht.
Demnach ist ein Projekt nach DIN 69901 ein Vorhaben, bei dem innerhalb einer definierten Zeitspanne ein definiertes Ziel erreicht werden soll, und das sich dadurch auszeichnet, dass es im Wesentlichen ein einmaliges Vorhaben ist.
Das gilt eben auch für Filmprojekte. Nehmen wir das Beispiel einer Auftragsproduktion eines Senders für ein 90 Minuten TV-Movie: Die Zeitspanne für die Produktionsfirma ist definiert von der ersten Idee bis zur Abgabe beim Sender. Das definierte Ziel, ist die Erstellung eines abendfüllenden Fernsehfilms. Und auch wenn die Produktionsfirma solche Filme öfter herstellt. Es bleibt doch immer im Wesentlichen ein einmaliges Vorhaben, da jeder Film anders ist.
Projektphasen
Projekte laufen in verschiedenen Phasen ab, auch Filmprojekte. Dies wird für viele keine neue Erkenntnis sein. Dennoch lohnt ein Blick darauf. Denn viele auftretende Probleme während eines Filmprojektes können mit diesen Phasen zu tun haben. Ein Produktionsleiter ist gut beraten, wenn er dann darauf vorbereitet ist und sich nicht von den Ereignissen überraschen lässt. An dem Beispiel des TV-Movie kann man dies deutlich machen. Ein solches Projekt kann grob in vier Phasen unterschieden werden.
Drehbuchentwicklung | Produktionsvorbereitung | Produktion | Postproduktion
Heisst konkret: Wenn wir ein fertiges Drehbuch haben, können wir vorbereiten. Wenn die Vorbereitungsarbeiten abgeschlossen sind, können wir drehen. Wenn wir gedreht haben, können wir mit der Postproduktion anfangen.
Das fühlt sich gut an und ist ein Ablauf, dem jeder zustimmen wird, wo jeder sagen wird: „Selbstverständlich. Ist doch klar. Erst wenn die eine Phase abgeschlossen ist, fangen wir mit der nächsten an. Das ist wie beim Hausbau. Da fängt man ja auch nicht mit dem ersten Stock an, wenn der Keller noch nicht fertig ist.“ Und sie haben natürlich Recht und es wäre schön, wenn es in unserer Branche so wäre. Aber in der Realität ist es leider meistens anders. Im Filmbusiness wird gerne schon mal mit einer neuen Phase begonnen, obwohl die vorherige noch nicht abgeschlossen ist. Im Projektmanagement spricht man in einer solchen Situation von „Phasenüberschneidung“.
Solche Phasenüberschneidungen finden in der Filmbranche häufig statt. Der Klassiker, den ich schon oft erlebt habe, ist, dass mit konkreten Vorbereitungen angefangen wird, obwohl noch gar kein fertiges Buch vorliegt. Manche fangen sogar an zu drehen, obwohl das Buch noch nicht fertig ist! Da sagt einem der gesunde Menschenverstand doch, dass das nicht ohne Konsequenzen bleiben kann.
Um bei dem Beispiel des Hausbaus zu bleiben: Wenn man auf einen halbfertigen Keller mit den Arbeiten am ersten Stock anfängt, kann man sich leicht vorstellen, was passieren wird. Früher oder später bekommt man erhebliche Probleme. Vielleicht bricht das Haus auch zusammen. Auch wenn Hausbauen und Filmemachen nicht direkt zu vergleichen sind und es beim Film meistens auch nicht so schlimm kommt. Am Prinzip ändert das nichts.
Grundsätzlich gilt: Je grösser die Phasenüberschneidungen sind, desto grösser sind die Probleme und die Mehrarbeit und desto höher sind tendenziell die Mehrkosten.
Für einen Produktionsleiter empfiehlt es sich also, wenn er einen Job angeboten bekommt, einige Fragen zu stellen wie zum Beispiel: Ist das Buch fertig? Wie viel Vorbereitungszeit ist geplant? Wann soll gedreht werden? Haben wir einen Regisseur? Haben wir die Hauptdarsteller?
Eine durchaus realistische Antwort darauf könnte lauten: „Das Buch ist schon ziemlich weit. Aber da brauchen wir noch mindestens eine Fassung. Aber das ist kein Problem. Die Motive stehen ja schon fest. Da kann man schon mal anfangen zu suchen. Den Hauptdarsteller haben wir. Der hat allerdings im Anschluss das nächste Projekt. Deswegen müssen wir bald anfangen zu drehen. Am liebsten in vier Wochen. Deswegen muss auch schnell ein Team an den Start. Und den Regisseur haben wir auch. Der musste jetzt nur noch ein paar Tage Urlaub machen und steht ab Mitte nächster Woche voll zur Verfügung.“
Übersetzt heisst das für den Produktionsleiter: Während der gesamten Vorbereitungsphase wird noch an dem Buch gearbeitet werden. Die Entscheidungsgrundlage für alle Mitarbeiter wird sich also immer wieder ändern. Auf Grund des Termindrucks des Hauptdarstellers haben wir eine sowieso schon kurze Vorbereitungszeit, die sich zusätzlich auch noch dadurch verkürzt, dass der Regisseur eigentlich nur gut drei Wochen Zeit für die Vorbereitung hat. Also werden auch die Vorbereitungen aller Wahrscheinlichkeit nach nicht bis zum Drehbeginn abgeschlossen sein und parallel zum Dreh weiterlaufen.
Durch diese wenigen Informationen sind für den Produktionsleiter die Rahmenbedingungen schon klar. Er weiss schon jetzt, auf was er sich einlässt: Es wird schwierig. Es wird knirschen und es wird zusätzliches Geld kosten.
Was macht ein Produktionsleiter jetzt mit dieser Erkenntnis? Zunächst könnte er versuchen, die Rahmenbedingungen zu ändern. Das wird aber in aller Regel nicht funktionieren. Das liegt einfach nicht in seinem Einflussbereich. Die Buchentwicklung kann er nicht beeinflussen und die Entscheidung über Hauptdarsteller und Regie ist auch nicht seine. Er könnte natürlich auch einfach den Job nicht annehmen. Das kann man sich als Produktionsleiter aber nicht immer leisten. Zudem ist das beschriebene Szenario so oder so ähnlich gar nicht so selten. Und dann hat man eben schnell gar keine Jobs mehr. Was also bleibt, ist sich darauf einzustellen.
Zunächst mental: „Die Probleme werden kommen. Aber sie sind systembedingt. Ich als Produktionsleiter kann nur versuchen, sie zu minimieren und zu lösen, bin aber nicht der Verursacher und auch nicht Schuld daran.“ Das hilft schon mal. Zusätzlich aber muss er versuchen, sich im Budget für die zu erwartenden Mehrkosten finanzielle Reserven zu schaffen und zwar aus einem Grund: Wenn das Projekt abgedreht ist und Wochen später der Kostenstand auf dem Tisch liegt, wird vom Produktionsleiter erwartet, dass Geld verdient wurde. Von systembedingten Mehrkosten oder Phasenüberschneidungen oder so einem Quatsch will keiner mehr was wissen. Schon gar nicht etwas davon, dass das Buch nicht fertig war. Alles Schnee von vorgestern. Und wenn die Zahlen nicht stimmen, ist man als Produktionsleiter grundsätzlich schnell mal der Dumme.
Projektorganisation
Projektorganisation bedeutet nichts anderes als die Organisationsstruktur des Projektes. Genau wie jede Firma eine Organisationsstruktur hat, hat das auch ein Projekt. Die Abbildung einer solchen Struktur ist auch bekannt als Organigramm.
Organigramme sind kein Selbstzweck. Sie dienen auch nicht der Pflege der Eitelkeiten der verschiedenen „Chefs“, die dann sehen, wie viele Mitarbeiter sie haben und wie wichtig sie sind. Schon gar nicht dienen sie dazu, Hierarchien im negativen Sinne aufzuziehen. Sie sind vielmehr ein wichtiges Instrument, um Kompetenzen und Verantwortungen klar aufzuzeigen. Jeder weiss im positiven Sinne, wofür er verantwortlich ist und für was nicht und an wen er sich wenden muss, wenn er Entscheidungen oder Hilfe braucht. Zusätzlich werden durch ein Organigramm auch die Entscheidungswege klar definiert. Das hilft allen, auch dem Produktionsleiter, im Projekt effektiv zu kommunizieren. Die Organisationsstruktur eines Filmprojektes kann zum Beispiel wie folgt aussehen:
Zunächst ist zu erkennen, dass ein Filmprojekt anscheinend eine ziemlich hierarchische Angelegenheit ist. Als ich so ein Ding zum ersten Mal erstellt habe, war ich auch erstaunt, wie viele Entscheidungsebenen so ein Filmprojekt hat.
Ganz oben steht natürlich der Auftrageber. Der ist für den Produktionsleiter aber nur von nachrangiger Bedeutung. Im täglichen Geschäft spielt er für ihn keine Rolle. Das Handling des Auftraggebers liegt im Aufgabenbereich seines Chefs, dem Produzenten.
Der Produzent ist der kaufmännisch und inhaltlich Gesamtverantwortliche für den Film. Er hat das Projekt entwickelt, er hat es verkauft und er muss damit auch Geld verdienen.
Der Produzent ist für den Produktionsleiter aber auch für den Regisseur sehr wichtig. Und zwar deshalb, weil er die letzte Entscheidungsinstanz ist. Wenn Probleme auf den nachrangigen Ebenen nicht gelöst werden konnten, kommt der Produzent ins Spiel und sagt, wo es langgeht. Am Besten wird er vom Produktionsleiter auch erst dann ins Spiel gebracht. Denn Produzenten sind viel beschäftigt und haben wenig Zeit. Aufgabe des Produktionsleiters ist es eben auch, seinen Chef zu entlasten. Dafür wurde er eingestellt. Ein Produktionsleiter sollte ihn daher nur „belästigen“, wenn es wirklich ernst ist. Das hat den Vorteil, dass er sich dann auch für einen Zeit nehmen wird. Denn er weiss: „Das ist jetzt wichtig.“
An dieser Stelle ein kleiner Exkurs zu einem Filmschaffenden, der dem Produktionsleiter früher oder später über den Weg laufen wird:
Der Producer
Ein Producer wird immer dann engagiert, wenn der Produzent selbst keine ausreichenden Kapazitäten hat, sich um das Projekt zu kümmern. Das kommt sehr häufig bei grösseren Produktionsfirmen vor. Dort ist der Geschäftsführer der letztendlich verantwortliche Produzent, delegiert aber die einzelnen Projekte an seine Producer. Der Begriff Producer kommt aus dem englischen und heisst übersetzt nichts anderes als Produzent. Zur Unterscheidung beider Positionen hat sich aber auch im deutschen Sprachgebrauch der Producer durchgesetzt. Auf das Organigramm bezogen könnte also statt „Produzent“ auch genau so gut„Producer“ in dem Kästchen stehen. Denn von der Definition her, unterliegt dem Producer die finanzielle und künstlerische Gesamtleitung eines Projektes. Für den Produktionsleiter würde es also keinen Unterschied machen, ob sein Chef ein „Produzent“ oder ein „Producer“ ist.
In der Praxis ist ein Producer allerdings häufig nicht mit den zuvor genannten Vollmachten ausgestattet. Er entwickelt zwar das Drehbuch, hält den Kontakt zum Sender, sucht den Regisseur aus, entscheidet über das Casting und kümmert sich um alle anderen künstlerischen Belange. Dabei schaut ein guter Producer natürlich auch immer aufs Geld. Aber eher mittelbar. Ihm obliegt nicht die direkte finanzielle Verantwortung. Er bekommt beispielsweise auch keine Kostenstände und hat auch keinen detaillierten Einblick in die Kalkulation. Er erfüllt also nicht die kaufmännische Funktion eines Produzenten. Manchmal soll er es nicht und manchmal kann er es auch einfach nicht. Diese Funktion ist dementsprechend verwaist und wird dann gerne mal dem Produktionsleiter zugedacht.
Für den ist eine solche Situation undankbar. Er hat einen Producer als Chef, soll aber gleichzeitig Teile seiner Funktion übernehmen, nämlich die finanzielle Verantwortung. Er ist also manchmal Partner und manchmal Mitarbeiter des Producers. Umgekehrt gilt das natürlich auch: Eigentlich fühlt sich der Producer als Chef der Veranstaltung, denn schliesslich ist es ja auch sein „Baby“. Trotzdem muss er häufig in finanziellen Dingen auf seinen Produktionsleiter hören.
Eine solche Konstruktion ist in einem Organigramm kaum abzubilden, schon deshalb nicht, weil häufig die Verantwortungen so konkret gar nicht ausgesprochen beziehungsweise definiert werden. Da wird dann gerne gesagt: „Ihr macht das Beide zusammen.“ Und genau das passiert auch. Und es funktioniert. Aber nur, wenn sich Producer und Produktionsleiter ständig eng abstimmen und immer mit einer Stimme gegenüber dem Team sprechen. Denn eins ist in der Situation klar: Da es nicht den einen Chef gibt, wird natürlich bei jeder Gelegenheit versucht, einen Keil zwischen Producer und Produktionsleiter zu treiben, um seine Wünsche erfüllt zu bekommen. Da sind die Kollegen gerne mal wie Kinder. Versuchen wir er erst einmal bei Papa. Funktioniert das nicht, schauen wir mal bei Mama vorbei.
Nach diesem kleinen Exkurs aber weiter im Organigramm einer Filmproduktion.
Bei einen Blick auf die nachrangigen Ebenen wird schnell klar, dass der Produktionsleiter einen Haufen Personalverantwortung hat. Der Produktionsleiter ist der Chef. Der Chef des „Geldes“. Aber da gibt es noch einen anderen Chef mit genau so viel Personalverantwortung: den Regisseur. Er ist der Chef der „Kunst“. Auf dieser Ebene gibt es also zwei gleichberechtigte Chefs. Klar ist zu erkennen, dass Beide auf einer Stufe stehen. Weder der Produktionsleiter hat Weisungsbefugnis dem Regisseur gegenüber, noch umgekehrt. Der Eine will nur möglichst viel Kunst machen und der Andere möglichst wenig Geld dafür ausgeben.
Daraus ergibt sich zwangsläufig ein Spannungsfeld zwischen Beiden. Mein Standardspruch dazu ist immer: „Der Produktionsleiter ist der natürliche Feind des Regisseurs und umgekehrt.“ Auch wenn das ein wenig martialisch klingt und Film natürlich nicht „Krieg“ ist. In der Realität existiert dieses Spannungsfeld definitiv. Der Regisseur muss und möchte möglichst viel Kunst machen und der Produktionsleiter muss und möchte möglichst wenig Geld dafür ausgeben. Das mag jetzt für den ein oder anderen als Fehlkonstruktion erscheinen. Aber im Prinzip ist es genau richtig. Durch dieses Spannungsfeld wird nämlich erreicht, dass das zur Verfügung stehende Geld für die notwendige Kunst optimal eingesetzt werden kann.
Im Gegensatz zum Produktionsleiter und dem Regisseur, die nur einen Chef haben, sieht es auf der Ebene der „Head of Departments“ anders aus. Hier ist ersichtlich, dass diese immer zwei Chefs haben – den Produktionsleiter und den Regisseur – beide ausgestattet mit einem entsprechenden direkten Weisungsrecht. Diener zweier Herren zu sein, ist aber nicht so einfach. Dementsprechend sorgfältig muss ich als Produktionsleiter mit meinem Weisungsrecht gegenüber diesen Mitarbeitern umgehen. Auch wenn ich das unmittelbare Weisungsrecht hinsichtlich des Geldes habe. Ich sollte es nicht so ohne weiteres anwenden.
Ein Beispiel: Der Ausstatter kommt mit einer Liste von Motiven zu mir, in denen gedreht werden soll. Eins davon ist eine Villa. Ich höre nur „Villa“? „Ich habe von einer Villa im Drehbuch nichts gelesen.“ Der Ausstatter zuckt mit den Schultern. Er auch nicht so direkt: „Aber es war eine Idee der Regie und die Regie will die unbedingt haben.“ „Hm“, sage ich „Was soll die denn kosten?“ Der Ausstatter zögert kurz mit der Antwort und nennt mir einen Preis, der mir den Atem stocken lässt. Ich lache und sage: „Herr Kollege, das ist eine schöne Idee. Richte doch bitte der Regie aus: Wir sind hier nicht im Wunschkonzert. Ich will auch vieles, was ich nicht bekomme. Ich bin ja mit allem einverstanden. Aber die Villa kann er sich von der Backe schmieren!“
Was jetzt folgt ist genauso vorhersehbar wie überflüssig. Der Ausstatter, im Konflikt mit mir und seinem Regisseur, sucht Selbigen auf. Wenn er nett ist, der Ausstatter, versucht er, meine Entscheidung, dem Regisseur zu „verkaufen“. Wenn er ganz nett ist, macht er ihm vielleicht noch billigere Vorschläge. Und im optimalen Falle lässt der Regisseur sich auch zähneknirschend darauf ein. Viel wahrscheinlicher ist aber, dass ihm, dem Regisseur, sofort der Kamm schwillt und er zwei Minuten später in meinem Büro steht, weil er sich in seiner Kreativität eingeschränkt und in seiner Autorität gegenüber dem Ausstatter geschwächt fühlt. Was er ja de facto auch ist. Ich habe jetzt also einen aufgeregten Regiekollegen im Zimmer stehen und habe die nächste Stunde nichts anderes zu tun, als den wieder vom Baum zum holen und die Wogen zu glätten. Eine Stunde ist da auch gerne mal noch wenig.
Zusätzlich habe ich im Hintergrund einen frustrierten Ausstatter, weil der das Gefühl hat, dass hier irgendwas nicht stimmt. Irgendwie wurde hier versucht, ein Problem auf seinem Rücken auszutragen und das kann ja eigentlich nicht sein. Und auch er hat Recht.
Das Ergebnis ist also insgesamt nicht zufriedenstellend. Wie aber könnte es besser gehen? Im Beispiel mit der Villa vielleicht so: Wenn ich vom Ausstatter ein Motiv vorgelegt bekomme, das mir wegen der Motivmiete fast den Atem stocken lässt, gehe ich damit zum Regisseur und zwar mit dem Ausstatter zusammen. Ich beschreibe das Problem und höre mir seine Meinung dazu an. Manchmal stellt sich schon an dieser Stelle heraus, dass sich das Ganze ein wenig anders darstellt, als es bisher beschrieben wurde. Vielleicht gab es einfach ein Missverständnis zwischen Ausstatter und Regie. Vielleicht hat der Ausstatter nur geglaubt, dass dieses Motiv unbedingt sein muss. Der Regisseur hat dies aber so explizit nie gesagt. Oder der Regisseur ist sich nicht im Klaren, was das kostet. Und als ich ihm den Preis sage, sagt der vielleicht: „Ja, sind die denn wahnsinnig! Kommt gar nicht in Frage. Ich wusste nicht, dass die Motivmieten hier derart hoch sind. Da können die ihr Hütte behalten. Wir suchen was anderes.“ Vielleicht besteht er aber tatsächlich auf der Villa. Dann höre ich mir die Argumente an. Denn er hat sich ja sicher dabei was gedacht. Gemeinsam überlegen wir dann, wo man an anderer Stelle entsprechend einsparen kann. Der Regisseur macht einen Vorschlag, der Ausstatter macht eventuell auch einen Vorschlag und mir fällt vielleicht auch noch was dazu ein. Und dann kommt man zu einer Entscheidung, wie immer die auch aussehen mag. Danach ist das Thema aber durch und jeder geht wieder an die Arbeit. Bis zum nächsten Problem.
In der Praxis ist das Weisungsrecht des Produktionsleiter also nicht allzu viel wert, wenn er es alleine ausübt. Nur in Zusammenarbeit mit dem Regisseur wird ein Schuh draus.
Wie oben erwähnt, bildet ein solches Organigramm auch die Entscheidungswege und damit die Kommunikationswege ab. Direkte Kommunikationswege bestehen für den Produktionsleiter zwischen ihm und den Head of Departments. Das bedeutet, dass der Produktionsleiter im Wesentlichen auch nur mit diesen Personen spricht. Um einem Missverständnis vorzubeugen: Ich spreche natürlich mit jedem im Team und auch gerne. Aber im Moment geht es um Entscheidungen und nicht um menschliches Miteinander oder die Pflege und Hege von jedem Einzelnen im Team.
Wenn ich also als Produktionsleiter eine Bitte habe oder aber Informationen loswerden möchte, spreche ich grundsätzlich nur mit dem Head of Departments und nicht mit einem seiner Mitarbeiter, weil der mir vielleicht gerade zufällig über den Weg läuft.
Das hat mehrere Gründe. Erstens erleichtere ich mir damit die Arbeit, weil ich nur mit einer Handvoll Mitarbeitern und nicht mit allen reden muss. Zweitens kommen die Informationen dahin, wo sie hingehören: zum verantwortlichen Mitarbeiter. Drittens ist er als erster informiert und das gehört sich auch so, für den Chef des Departments. Er weiss ja auch am Besten, wie er diese Information in seinem Department verarbeitet. Viertens übergehe ich damit nicht den Head of Department und mische mich in dessen Angelegenheiten ein. Insgesamt ist ein solches Vorgehen also ziemlich effizient. Es führt zu schnellen, fundierten und damit guten Entscheidungen und vermeidet zudem noch den ein oder anderen überflüssigen Ärger.
Ein solches Organigramm macht also Sinn. Die Frage ist nur, ob man für jedes Projekt ein solches Organigramm erstellen möchte oder ob einem das grundsätzliche Wissen hierüber ausreicht. Die Erstellung eines solchen Organigramms macht nämlich ziemlich viel Arbeit, weil man mit jedem diesbezüglich reden muss. Man kann das ja nicht einfach so erstellen und verteilen. Dann werden jede Menge Leute auf einen zukommen, die sich an anderer Stelle sehen oder Ängste haben, weil sie so etwas nicht kennen oder auch ihre Verantwortung gar nicht so ausdrücklich dokumentiert sehen wollen. Manche glauben vielleicht auch, dass der Produktionsleiter hier nur die grosse Bürokratie aufziehen will.
Ich habe ein paar Mal eine solche Projektorganisation aufgezogen. Aber immer nur dann, wenn mir selbst die Strukturen nicht klar waren und ich das Gefühl hatte, dass auch die anderen nicht genau wussten, wer eigentlich für was verantwortlich ist, vor allem in der Führungsebene. Aber als das Ding dann mal fertig war, waren alle sehr angetan und haben es als hilfreich angesehen: „So etwas habe ich ja noch nie bekommen. Aber ich finde es gut. Das ganze Projekt im Überblick auf einem Blatt Papier!“
Das Magische Dreieck der Filmproduktion
Immer wenn ich ein neues Produktionsbüro beziehe, hänge ich als Erstes folgendes Schild an die Wand:
Take two. You never get three!
Dies ist das Magische Dreieck der Filmproduktion. Jeder, der in mein Büro kommt, bleibt an diesem Schild hängen. Einige kennen es schon, die Anderen stehen eine Weile davor, können damit nicht auf Anhieb etwas anfangen und fragen mich dann, was es zu bedeuten hat.
Die Erklärung ist eigentlich recht simpel. Bei diesem Schild handelt es sich um ein grundlegendes Gesetz. Dieses Gesetz besagt, dass ein Film nicht gleichzeitig schnell, gut und billig produziert werden kann.
Ich kann einen guten, billigen Film machen. Dann werde ich Zeit brauchen. Ich kann auch einen guten Film in kurzer Zeit machen. Dann wird es aber teuer. Oder ich kann einen schnellen und billigen Film machen, dann wird er aber nicht gut. Alles drei zusammen geht nicht.
Wie gesagt, im Prinzip ziemlich einleuchtend und eigentlich sollte man denken, dass in unserer Branche nach diesem Gesetz gehandelt wird. Wird es aber nicht. Jedenfalls häufig nicht. Oder um es ganz klar zu sagen: Es wird sehr oft gegen dieses Gesetz verstossen.
Der Klassiker ist Folgender: Eine Produktionsfirma entwickelt ein tolles Projekt und bietet es einem Sender an. Der findet das auch ganz toll und es wird ein Drehbuch in Auftrag gegeben. Irgendwann geht es dann ums liebe Geld. Die Produktion erstellt eine Kalkulation und schickt diese dem Sender. Der fällt fast in Ohnmacht und behauptet, noch nie so viel Geld für einen solchen Film bezahlt zu haben. Er streicht alle Positionen rigoros zusammen. Das nun wiederum führt zu Protesten bei der Produktionsfirma. Es ist doch so ein toller Film. Der kostet eben auch mehr Geld als die Anderen. Es wird sich zusammengesetzt und verhandelt. Der Sender sieht sofort ein, dass es ein ganz besonders toller Film ist und natürlich würde er auch gerne das Geld geben, das die Produktion wünscht. Er hat es aber leider nicht und bittet dafür um Verständnis, dass man auf diesem Sendeplatz eben nur soundsoviel Geld pro Film zur Verfügung hat. Es werden eine Weile die Argumente ausgetauscht und schliesslich bietet der Sender einen Fixpreis an. Es ist ein wenig mehr als vorher, aber immer noch sehr viel weniger als die Produktionsfirma ursprünglich kalkuliert hat. Bei diesem Preis ist der Produktion eigentlich klar, dass es dafür nicht gehen kann. Aber was soll man machen? Wenn es nicht mehr gibt? Dann ist das halt so. Irgendwie wird es schon gehen.
Sie akzeptiert also. Wenn jetzt noch einige Sachzwänge dazu kommen, die dazu führen, dass man schnell produzieren muss, wie zum Beispiel die Verfügbarkeit des Hauptdarstellers, haben wir das magische Dreieck, dass nicht erfüllt werden kann: Es soll ein guter Film für wenig Geld in kurzer Zeit gedreht werden.