Projekt Mars - Jesco Puttkamer - E-Book

Projekt Mars E-Book

Jesco Puttkamer

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Beschreibung

Der rote Planet lockt die Menschen seit Beginn der Sternenforschung in der Antike. Der Mars ist nicht nur einer der auffälligsten Himmelskörper, nach heutigem Wissensstand ist es sogar möglich, dass ihn Menschen in Zukunft bewohnen können. Doch welche technischen Voraussetzungen sind notwendig, um erst einmal dorthin und wieder zurück zu gelangen, welche physischen und psychischen Strapazen werden die Astronauten auf dem Flug aushalten müssen, was erwartet sie in der unwirtlichen Landschaft des Planeten und wie können sie dort ihr (Über-)Leben organisieren? Der international angesehene Raumfahrtexperte Prof. Dr. Jesco von Puttkamer erklärt, warum das Jahrtausendprojekt Mars keine Spielerei ist, sondern eine der größten und bedeutendsten Aufgaben für die Menschheit.

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Seitenzahl: 352

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Bildnachweis:NASA: Titelei, 1, 5, 7, 8, 13, 14, 15, 18, 21, 22, 24, 25, 26, 27, 28, 29, 30, 31, 32, 33, 34, 35, 36, 37, 38, 39, 41, 42, 43, 44, 45, 46, 53, 54, 55, 60, 61, 63, 64, 65, 66 (P. Rawlings), 67, 68, 69, 70, 71, 73, 74, 75, 76, 77, 78, 79, 80, 81, 82, 83, 84, 85, 86, 87, 88, 89, 90 (P. Rawlings), 91, 92, 93, 95, 96, 97, 98, 99

ESA/NASA: 23, 40, 50, 51

ESA: 72

Privatarchiv des Autors: 2, 3 (entnommen aus »Astronomiae instauratae mechanica« von Tycho Brahe, 1598), 4, 6, 9, 10, 11, 12, 16, 17, 19, 20, 47, 48, 49, 52, 56, 57, 58 (M. Wade), 59, 62, 94

Vollständig überarbeitete Neuausgabe des 1997 im Herbig Verlag erschienenen Titels »Jahrtausendprojekt Mars. Chance und Schicksal der Menschheit«

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Inhalt

VorwortKapitel 1Beginn der Forschung: Mars mit bloßem AugeKapitel 2Mars im Fernrohr von gestern und heuteKapitel 3Mars ist erreichbar – aber wie?Kapitel 4Raumsonden am Mars: Vorhut des MenschenKapitel 5Areologie: Eine Welt voller Rätsel und WunderKapitel 6Menschen zum Mars – Visionen, Pläne und KonzepteKapitel 7Human-Maschinerie: Die Technologiebasis des MarsprojektsKapitel 8Mars als Chance der Menschheit – warum eigentlich?AnhangTabellenLiteratur

Vorwort

»Die Expedition zum Mars sollte als die Krönung einer schrittweisen und oft schmerzlich langsamen Entwicklung der bemannten Raumfahrt betrachtet werden, die viele Jahrzehnte beanspruchen dürfte.«

Wernher von Braun (Paulskirche Frankfurt/Main, 1956)

Am 26. November 2011 startete die NASA ihren neuesten Forschungsroboter zum Mars; eine Atlas-V541-Rakete brachte das automobilgroße, fast 900 kg schwere Mars Science Laboratory MSL Curiosity auf den Weg zum Roten Planeten. Sein Ziel, der Krater Gale, soll »Neugier« im August 2012 erreichen.

Die Vertreter der ihm vorausgegangenen Rovergeneration der NASA, Spirit und Opportunity, haben den Mars seit ihrer Landung Anfang 2004 unermüdlich erforscht und von ihm laufend neue Entdeckungen gemeldet.

Als Curiosity zum Mars aufbrach, war Opportunity gerade auf seinem seit der Landung zurückgelegten 33-km-Entdeckungszug mit der Erforschung des 22 km weiten faszinierenden Kraters Endeavour beschäftigt. Dort untersuchte der Rover unter anderem einen ungewöhnlichen Felsbrocken von Fußbank-Größe und merkwürdiger Färbung, wie bisher noch bei keinem anderen Marsgestein vorgefunden. »Tisdale 2«, so die informelle Bezeichnung für den offensichtlich durch einen Einschlag aus der Kraterwand herausgeschmetterten Brocken, enthält neben einer Vielfalt von Fragmenten wie anderes vulkanisches Gestein viel mehr Zink und Brom, als man bisher in Marsgestein entdeckt hat. Beide NASA-Rover, Opportunity und sein Zwilling Spirit, waren eigentlich nur für eine Lebensdauer von 90 Tagen ausgelegt. Während Spirit fast sieben Jahre lang funktionierte, bis seine Nachrichtenverbindung zur Erde im März 2010 abbrach, setzt Opportunity unverdrossen seinen epischen Forschungszug auf unbestimmte Zeit fort, getreu seiner Rolle als früher Wegbereiter später nachfolgender menschlicher Forscher. Denn das ultimative Ziel all unserer robotischen und menschlichen Explorationszüge ins All ist und bleibt Mars.

Warum?

Eine unabdingbare Gesetzmäßigkeit der Evolution ist der Vorstoß ins Unbekannte – ohne diesen ist jene nicht möglich. Zu ihm gehört auch die Erforschung fremder Welten. Schon bald, in höchstens 20–25 Jahren, wird der Mensch zum ersten Mal seinen Fuß auf den Boden des Mars setzen. Ein wichtiger Schritt ist bereits getan: Im Mai 2007 veröffentlichte die neugegründete ISECG (International Space Exploration Coordination Group), ein Gremium von derzeit 14 internationalen Raumfahrtagenturen, die Rahmenbedingungen für eine zunächst unverbindliche Post-ISS-Zusammenarbeit im All. Dabei geht es um die Festlegung und Koordinierung praktikabler und nachhaltiger gemeinschaftlicher Bemühungen um die Erforschung des Weltraums über die erdnahen Orbits hinaus – zum Mond, zu erdnahen Asteroiden und zum Mars mit seinen Monden. Wahrscheinlich werden Menschen dieses erste weltweite Übereinkommen einst als historischen Moment sehen.

Hervorgegangen aus der überaus erfolgreichen, bislang 14-jährigen globalen Zusammenarbeit beim Bau und Betrieb der Internationalen Raumstation ISS und aufbauend auf einer gemeinsamen Vision koordinierter Erkundung unseres Sonnensystems durch Menschen und Roboter, stellten die Raumfahrtagenturen von Deutschland, Europa, Frankreich, Italien, Japan, Kanada, Südkorea, Indien, Russland, Ukraine, Vereinigtes Königreich und Vereinigte Staaten von Amerika durch ISECG Ende August 2011 im japanischen Kyoto eine »Global Exploration Roadmap« (GER) vor, eine Art Fahrplan möglicher »Rangier«-Wege zur Realisierung der Vision in den nächsten 25 Jahren. Dabei sind sich die Länder darin einig, dass die gemeinsame Verfolgung dieser Wege die Zukunft der Menschheit bereichern und stärken, die Nationen in einem friedensfördernden »Common Cause« (gemeinsame Sache) auf neutralem, unumstrittenen Boden zusammenbringen, neues Wissen enthüllen, Menschen anregen und inspirieren sowie technische und kommerzielle Innovationen auslösen wird. Diese erste Version der Roadmap soll der internationalen Gemeinschaft dabei helfen, sich für ihre produktive Beteiligung zu informieren, zu positionieren und zu stärken. Sie soll im Lauf der Zeit aktualisiert werden und einen wachsenden globalen Konsens über die Explorationsziele, die damit verbundenen Architekturen und die von den einzelnen Ländern zu übernehmenden Rollen realisieren. Durch den Austausch früher Ergebnisse dieser Arbeit mit der Öffentlichkeit wollen die Raumfahrtbehörden außerdem das breitere Publikum zu innovativen Ideen und Lösungsansätzen für die Herausforderungen der Zukunft anregen.

Die Aufgabe, neue Menschheitsziele auszuspähen und als Initiativen vorzustellen, ist allen Bereichen unserer Kultur gestellt. Raumfahrt ist deren nur einer: eine trotz seiner 50 Jahre noch junge Ausdrucksform des Geistes und der Gesinnung des Menschen, doch hat sie das langfristige Potenzial, uns zu vormals undenkbaren Horizonten führen zu können. Mars ist dabei das nächste Ziel: Menschheitstraum und Zukunftsvision. Warum Mars, und wie es dazu kam und kommt, dass der Rote Planet als unser Schicksal und unsere Chance dieses Millenniums charakterisieren wird – ein Jahrtausendprojekt, an dessen umfassende Globalität kein anderes Ziel auch nur entfernt heranreicht –, das zeigt dieses Buch.

Kapitel 1

Beginn der Forschung: Mars mit bloßem Auge

Wesentliche Voraussetzung für die Entwicklung einer Raumfahrtvorstellung war die Akzeptanz anderer Welten im All. Heute erscheint uns dies selbstverständlich. Aber jahrtausendelang glaubte der Mensch sich und seinen Heimatplaneten einzig und allein in der Schöpfung dastehend oder jedenfalls hermetisch gegen »draußen« abgeschlossen. 500 Jahre vor Beginn unserer Zeitrechnung lagen sich die Philosophen über die Frage der Vielfalt der Welten in den Haaren, und im Mittelalter, ja selbst noch nach der Renaissance flammte der Streit immer wieder in verschiedenen Formen auf. Er mag uns heute absurd erscheinen, aber er illustriert, wie tief verwurzelt und hart umkämpft das Fundament der Grundidee war, das wir heute im Raumfahrtzeitalter als so selbstverständlich annehmen, dass es kaum der Rede wert erscheint.

Einer der gewaltigsten Gegner war der große Aristoteles. Von einer Pluralität der Welten, ganz gleich in welcher Form, wollte er nichts wissen: Der unwandelbare Himmel mache jeden Glauben an andere Erden unmöglich, und da alle Materie in einer Welt angesammelt sei, könne es nicht noch andere geben. Seine Worte sollten später, vom Mittelalter bis zur Renaissance, auch im Dienst der Kirche als »Wahrheit« angenommen werden und damit den Fortschritt (d. h. das, was dem Menschen die Augen öffnet) für Jahrhunderte zum Halten bringen.

Typisch für das Dogma des hohen Mittelalters war die Ansicht der »Sibylle vom Rhein« Hildegard von Bingen (1098–1179), Äbtissin des Benediktinerklosters Disibodenberg und eine vielerorts als Heilige angesehene visionäre Mystikerin, die in ihrer Heilkunde schrieb: »… Das Firmament dreht sich mit großer Geschwindigkeit. Die Sonne samt den fünf Planeten läuft ihm dabei in umgekehrter Richtung etwas langsamer entgegen und hemmt so seine Geschwindigkeit. Würde die Sonne mit dieser Blockade das Firmament nicht bremsen oder würde sie mit den übrigen Planeten ihm mit der gleichen Geschwindigkeit entgegenwirken, mit welcher dieses sich selber dreht, dann müsste alles durcheinandergeraten, und das Weltgefüge als Ganzes würde auseinanderbersten. Wäre indes das Firmament gänzlich unbeweglich und würde sich nicht drehen, dann müsste die Sonne nahezu den ganzen Sommer über der Erde stehen, ohne dass es Nacht würde, und fast den ganzen Winter ohne Tag unter der Erde bleiben. Nun aber dreht es sich auf diese Weise: während es selber der Sonne entgegenwirkt und diese dem Firmament, wird es um so schneller von ihrer Wärme verdichtet und gefestigt; die Sonne durchläuft dann nämlich das ganze Firmament und durchdringt und durchströmt es mit ihrem Feuer.«

Schuld an der Bewegung des Firmaments war nach Meinung der Seherin Adams Sündenfall. Vor ihm war das Firmament »unbeweglich gewesen und drehte sich nicht; erst nach dem Sündenfall begann es sich zu bewegen. Nach dem Jüngsten Tag aber wird es wieder unbeweglich dastehen, so wie es im ursprünglichen Schöpfungsstand vor Adams Fall gewesen war.«

Noch 1600, am frühen Morgen des 17. Februar, wurde der »abtrünnige« Dominikanermönch Giordano Bruno in Rom auf dem Campo dei Fiori nach acht Jahren Verhör und Einzelhaft lebendig auf dem Scheiterhaufen verbrannt, weil er unter anderem die Theorie vertrat, dass sich die Erde um die Sonne bewegte und unzählige andere mit Lebewesen bevölkerte Welten im Universum existierten: »Die Erschaffung einer begrenzten Welt ist mir der göttlichen Güte und Macht unwürdig erschienen, wenn Gott neben ihr noch eine andere und unbegrenzt mehrere andere erschaffen konnte. Daher habe ich erklärt, dass es endlos weitere Welten gibt, die ähnlich unserer Erde sind. Mit Pythagoras sehe ich die Erde als einen Stern an, und ihr ähnlich sind der Mond, die Planeten und andere Sterne, die unbegrenzt an Zahl sind, und alle diese Himmelskörper sind Welten.«

In seinen 1585 entstandenen Dialogen ließ er einen gewissen Philotheus grob gegen Aristoteles wettern und ihm Wortspielerei und sinnleere Annahmen vorwerfen: »Es ist unmöglich, einen zweiten zu finden, der unter dem Titel eines Philosophen leerere Annahmen aufgestellt, seinen Gegnern törichtere Behauptungen in den Mund gelegt und einer solchen Leichtfertigkeit Raum gegeben hätte, wie man sie in den Auseinandersetzungen (des Aristoteles) findet. […] So sagen wir, die wir hier auf der Erde leben, dass die Erde der Mittelpunkt sei, und die modernen und antiken Philosophen, welcher Richtung sie auch angehören, können ebenfalls, ohne ihren Prinzipien zu widersprechen, sagen, sie befinde sich in der Mitte. […] So argumentiert denn dieser Disputant in der Form eines Zirkelbeweises und setzt das voraus, was er beweisen soll. Er nimmt, meine ich, das, was dem Gegenteil der gegnerischen Behauptung entspricht, zum Ausgang.«

Als Galilei aristotelische Professoren des Gymnasiums in Florenz zu einem Blick durch sein neues Fernrohr auf die von ihm entdeckten Jupitermonde einlud, weigerten sie sich mit der Begründung, wenn Teleskopaugen ihrer Natur entsprächen, hätte Gott ihnen schon welche gegeben. Noch bis gegen Ende des 17. Jh. mussten Lehrer an Hochschulen einen Eid auf die Philosophie des Aristoteles ablegen, ehe sie die Lehrerlaubnis erhielten.

Doch die Herausforderung der Schöpfung währte von Anfang an fort und war unübersehbar: Der leuchtende Ring der Milchstraße erstreckte sich über die Himmelskuppe, und Sterne und Planeten kehrten in regelmäßigen Zeitabständen an die gleichen Orte zurück. Sie alle verlangten Antwort auf ihr Bestehen. So entstand aus mythischen und astrologischen Anfängen die Astronomie: enge Verwandte, ja wohl Mutter der Raumfahrt. Das macht es verständlich, warum die Sternkunde die älteste der Naturwissenschaften ist. Sie zeichnet sich vor den anderen durch eine langsame, stufenweise Entwicklung von den frühesten Zeiten bis zur Gegenwart aus.

Trotz Aristoteles gab es in der Antike noch einige strahlende Lichtblicke, bevor die Finsternis des Mittelalters hereinbrach. An erster Stelle steht der »antike Kopernikus« Aristarch von Samos (ca. 310–230 v. Chr.), vielleicht der bedeutendste griechische Astronom des Altertums. Er stellte u. a. die Hypothesen auf, dass der Mond sein Licht von der Sonne erhält und sich um die Erde dreht, dass der Erdschatten so breit wie zwei Monde ist und dass der Mond ein Fünfzehntel eines Tierkreiszeichens einnimmt (2°). Als Erster vermaß er das heliozentrische System von Sonne, Mond und Erde, doch da er von falschen Voraussetzungen über die räumliche Begrenztheit des Universums ausging, musste er verständlicherweise zu falschen Resultaten kommen.

Und dann Hipparch von Nicäa (ca. 190–125 v. Chr.), der erste wirkliche Astronom des Altertums, der als Vater der wissenschaftlichen, auf Beobachtung und nicht auf Spekulation beruhenden Astronomie gilt: Er bestimmte die Elemente der Bewegung der Sonne und des Mondes, entdeckte die Präzession und stellte nach eigenen Beobachtungen den ersten, leider nicht erhalten gebliebenen Sternkatalog auf. Nach ihm der Grieche Plutarch (46 –120 n. Chr.): zwar nicht Astronom, sondern Biograf, aber in seinem Buch De Facie in Orbe Lunae (Über das Gesicht im Mond), einer wilden Mischung von Mythos, Religion, Metaphysik und Astronomie, erkannte er den Mond als andere Welt ähnlich der Erde, mit Bergen, Tälern und eigenen Bewohnern.

1 Unser Sonnensystem mit seinen von NASA-Sonden fotografierten Planeten: (v. r.u.) Merkur, Venus, Erde mit Mond, Mars, Jupiter, Saturn, Uranus, Neptun (Kleinplanet Pluto fehlt)

Von den Arbeiten Hipparchs bis zur Neuzeit durchlief die Vorstellung des Weltsystems drei große Entwicklungsepochen: das ptolemäische System, in welchem die Erde keine Bewegung hat und die scheinbare Bewegung der Sterne und Planeten um sie als reell angesehen wurde, das kopernikanische System, in dem die Sonne Mittelpunkt der Planetenbewegung und die Erde ein um sie kreisender, rotierender Planet ist, und das newtonsche System, in welchem alle Bewegungen der Himmelskörper durch das eine Gesetz der allgemeinen Anziehung erklärt werden.

Das ptolemäische Weltbild stellte alle Bewegungen der Himmelskörper durch eine Folge von Kreisbewegungen dar. Die Erde, immerhin bereits eine Kugel seit Pythagoras (ca. 572–500 v. Chr.), nahm den Mittelpunkt der Himmelskugel ein und hatte keine fortschreitende Bewegung. Die alten Astronomen standen jedoch bei der Erklärung der beobachteten Bewegung der Planeten vor einem gewaltigen Rätsel. Da sie in Wirklichkeit die jährliche Bewegung der Erde um die Sonne widerspiegelten, umkreisten sie, wenn man sie von der Erde aus sah, die Sonne scheinbar nicht auf einfachen, leicht voraussagbaren Kreisbahnen im Gegenuhrzeigersinn, wie es ein Beobachter sehen würde, der vom himmlischen Nordpol weit außerhalb des Sonnensystems senkrecht darauf hinunterschaut. Aufgrund der Erdbewegung zeigt sich ihre Bewegung als komplizierte Schleifenbahn zwischen den Sternen.

Zum Beispiel der Mars. Zumeist bewegt er sich vor dem Sternenhintergrund in östlicher Richtung, kommt jedoch dann und wann zum Stillstand, läuft eine Weile westwärts, dreht dann um und wandert wieder gen Osten. Natürlich tut er dies nicht wirklich; es ist die gleiche Illusion, die wir beobachten können, wenn wir in einem Schnellzug einen parallel mit uns in gleicher Richtung fahrenden Güterzug überholen: Er scheint sich dabei rückwärts zu bewegen. Im Sonnensystem ist die Erde der Schnellzug und der Mars der Bummelzug. In den zwölf Monaten, die die Erde für eine Umkreisung der Sonne benötigt, schafft der Mars nur ungefähr eine halbe Umkreisung (d. h. also: das Marsjahr ist zwei Erdjahre lang).

Die durch die wechselnde »Rechtläufigkeit« und »Rückläufigkeit« geformten Schleifen und Kurven unterscheiden sich von Planet zu Planet, und je sorgfältiger ihre Bahnen vermessen wurden, desto schwieriger war es, ein Modell zu erfinden, das das Bahnverhalten von allen einheitlich zu erklären vermochte. Ein solches System stellte Claudius Ptolemäus (ca. 100–180 n. Chr.) aus Alexandria in einer wirklich monumentalen Geistesleistung mit der sogenannten Epizyklentheorie auf: Nach ihr sollte sich jeder Planet auf seiner Kreisbahn um die Erde auf einem Laufkreis (Epizykel) und einem Leitkreis (Deferent) bewegen und dadurch Schleifen bilden.

Ptolemäus’ Lehre blieb über 1300 Jahre lang allgemein unangefochten, doch ergaben die auf seine Theorie gestützten Berechnungen im Verlauf der Jahrhunderte immer wieder falsche Werte. Schon 1050 n. Chr. stimmten damit vorausgesagte Mondorte nicht mehr, und der Kirchenkalender zeigte eine Abweichung von mehreren Tagen. Mitte des 13. Jh. entstandene Tabellen der Stellungen der Planeten und des Erdtrabanten wichen erheblich von den wirklich beobachteten Orten ab. Als unter Papst Leo X. im lateranischen Konzil die notwendig gewordene Verbesserung des Kirchenkalenders erörtert wurde, musste sie unerledigt bleiben, weil die Länge des Jahres und des Monats wie auch die Bewegungen von Sonne und Mond noch nicht hinreichend genau bekannt waren.

Dass das ptolemäische System als mathematisches Modell versagte, lag daran, dass die Planeten und der Mond nicht perfekten Bahnen folgen (zum Glück, möchte man sagen, denn liefen sie auf echten Kreisen, hätte das kopernikanische System wahrscheinlich erheblich schwierigeres Spiel gehabt). Aus der Diskrepanz zwischen den theoretisch bestimmten Werten und der praktischen Beobachtung entstand der tiefe Konflikt zwischen Religion, für die Gottes Schöpfung vollkommen war (sodass die Planeten nur auf perfekten Kreisen laufen konnten), und Wissenschaft.

Man versuchte natürlich verzweifelt, das Modell durch immer weiter ineinander verschachtelte Epizyklen zu korrigieren, bis es davon über 50 enthielt. Dadurch wurde es so kompliziert, dass die Kritik der Wissenschaftler, die im 15. Jh. mit Nikolaus Krebs von Kues, dem »Cusaner«, und im 16. Jh. mit Giordano Bruno begonnen hatte, trotz der Furcht vor der Inquisition mehr und mehr um sich griff. Einen Hinweis darauf gibt ein berühmter Stich der Dürerschule aus der Zeit um 1530, der den Durchbruch des Menschen aus seinem scheinbar geschlossenen Erdweltbild symbolisch ausdrückt: ein Mensch mit Pilgerstab und Büßerkutte, der auf Knien den Kopf durch die Fixsternsphäre steckt und dahinter unendlich viele neue Welten entdeckt.

Der Ruhm, der Welt als Erster die wahre Natur der kosmischen Bewegungen verkündet zu haben, gebührt fast ausschließlich Kopernikus, einem Zeitgenossen Martin Luthers. Die fundamentalen Prinzipien seines heliozentrischen Systems lassen sich in zwei einfachen Sätzen zusammenfassen: 1. Die tägliche Umdrehung des Himmels ist nur scheinbar; hervorgerufen wird sie durch die tägliche Umdrehung der Erde um eine Achse durch ihren Mittelpunkt. 2. Die Erde ist ein Planet und kreist wie alle anderen Planeten um die Sonne als Mittelpunkt der Bewegung: »In der Mitte aber von Allen steht die Sonne. Denn wer möchte in diesem schönsten Tempel diese Leuchte an einen anderen oder bessern Ort setzen, als von wo aus sie das Ganze zugleich erleuchten kann?« Sowohl Welt als auch Erde waren kugelförmig, und der Himmel war im Verhältnis zur Größe der Erde »unermesslich«.

Damit stieß Kopernikus die Tür zur neuen Zeit auf, doch erst als 68-Jähriger wagte er es, sein epochales Werk über die Kreisbewegung der Weltkörper, De Revolutionibus Orbium Coelestium (Über die Kreisbewegungen der Himmelskörper), aus der Hand zu geben, damit Freunde den Druck betreuten. Verlegt wurde es durch Osiander in Nürnberg. Sein Autor empfing es am 24. Mai 1543, als er, schon halb von Sinnen, auf dem Totenbett im Sterben lag. Die Vorrede hatte er an Papst Paul III. gerichtet, »weil Du auch in diesem sehr entlegenen Winkel der Erde, in welchem ich wirke, an Würde des Ranges und an Liebe zu allen Wissenschaften und zur Mathematik für den Erhabensten gehalten wirst; sodass Du durch Dein Ansehn und Urteil die Bisse der Verleumder leicht unterdrücken kannst, obgleich das Sprichwort sagt, es gebe kein Mittel gegen den Biss der Verleumder …« Wie er weiter ausführt, habe er die Darstellung der neuen Lehre nicht nur neun Jahre lang zurückgehalten, wie es Horaz für das Ausreifen eines Werkes forderte, sondern mehr als dreimal so lange: »Heiligster Vater, ich kann mir zur Genüge denken, dass gewisse Leute, sobald sie erfahren, dass ich in diesen meinen Büchern, die ich über die Kreisbewegungen der Weltkörper geschrieben habe, der Erdkugel gewisse Bewegungen beilege, sogleich erklären möchten, ich sei mit solcher Meinung zu verwerfen. […] bewog mich die Verachtung, welche ich wegen der Neuheit und scheinbaren Widersinnigkeit meiner Meinung zu fürchten hatte, fast, dass ich das fertige Werk ganz beiseite legte. Aber meine Freunde brachten mich, der ich lange zauderte und sogar mich widersetzte, davon wieder ab …« Je widersinniger seine Lehre den meisten erschiene, so hatten ihn seine Freunde überzeugt, desto mehr Bewunderung und Dank würde sie ernten, wenn jene durch die Herausgabe seiner Theorie den »Nebel des Widersinnigen durch die klarsten Beweise« beseitigt sähen.

Man möchte diese Worte, wären sie nicht so tragisch, fast treuherzig nennen. Sicher ahnte er nicht, dass er durch seine Lehre nicht nur eine Zeitwende herbeiführte, sondern dass durch sie 100 Jahre später der Kampf zwischen Wissenschaft und Kirche seinen Höhepunkt erreichen würde.

2 Nikolaus Kopernikus (1473–1543)

Selbst Luther zog gegen ihn vom Leder, auf die von ihm übersetzte Bibel pochend (Josua 10, 12–13): »Der Narr will die ganze Kunst Astronomia umkehren. Aber die Heilige Schrift sagt uns, dass Josua die Sonne stillstehen ließ und nicht die Erde.« Folglich musste es die erstere sein, die sich normalerweise bewegte. Im Jahr 1616 verbot die römische Kirche schließlich alle Schriften über die Bewegung der Erde mit einem Dekret, in dem es hieß: »Die Behauptung, die Sonne stehe unbeweglich im Mittelpunkt der Welt, ist töricht, philosophisch falsch und, weil ausdrücklich der Heiligen Schrift zuwider, förmlich ketzerisch.« Über 200 Jahre lang, bis 1835, blieb das Werk des Kopernikus auf dem Index librorum prohibitorum, der Liste der verbotenen Bücher.

Für das kirchliche Dogma bestand die kopernikanische Ketzerei im Grunde nicht darin, dass die Erde nicht länger den Mittelpunkt des Kosmos einnahm, sondern dass sie nicht länger in absoluter Ruhe war und damit der Begriff einer Relativierung aller Bewegung, ja allen Seins Fuß fassen konnte. Die Welt wurde damit an die Schwelle der modernen Physik gebracht. Die weltanschauliche Bedeutung des Kampfes zwischen Ptolemäus und Kopernikus ist uns heute offenkundiger als jemals zuvor.

Drei Jahre nach Kopernikus’ Tod erblickte in Dänemark ein Mann das Licht der Welt, der zum größten Beobachter der Gestirne des späteren Mittelalters werden sollte und aus dessen Beobachtungstabellen, vor allem des Mars, Johannes Kepler später seine fundamentalen Gesetze der planetarischen Bewegung ableitete: Tycho Brahe (1546–1601), der letzte große Astronom der Vor-Fernrohrzeit. Seine Größe lag auf praktischem Gebiet, auf dem der Beobachtungskunst, mit bloßem Auge wohlgemerkt, der er neue Bahnen eröffnete.

Auf der Insel Hven im Sund zwischen Kopenhagen und Hälsingborg baute Tycho auf Geheiß des dänischen Königs Friedrich II. seine weltberühmte Sternwarte Uranienborg (1587), die er dank der Freizügigkeit des Königs mit den kostbarsten Instrumenten und Gerätschaften seiner Zeit ausrüstete. Mit zahlreichen Gehilfen, darunter der hervorragende Longomontanus (1562–1647), erforschte er hier 20 Jahre lang den Himmel, und seine außerordentliche Begabung für die astronomische Beobachtung kommt in der Verbesserung und Benutzung der Instrumente hervorragend zur Anwendung. Da das Teleskop erst 1608, sieben Jahre nach seinem Tod, erfunden wurde, war er bei allen seinen Tausenden von Sternbeobachtungen auf das nackte Auge angewiesen. Um so erstaunlicher ist die Genauigkeit, die er dabei erzielte: Die Länge des Jahres ermittelte er mit einem Fehler von weniger als einer Sekunde, und in der Bewegung des Mondes um die Erde entdeckte er Unregelmäßigkeiten, die ihren heutigen Werten sehr nahe kommen. Die wichtigste Leistung des Dänen, für den die Planeten nach wie vor nur Lichtkugeln ohne Masse bildeten, war die langjährige Beobachtung und Tabulierung der Planetenorte, die später zu Keplers Entdeckung der Gesetze der Planetenbewegung führten, wie wir noch sehen werden.

Die wichtigsten Instrumente vor der Erfindung des Fernrohrs dienten zur Zeit- und Winkelmessung. Zu ihnen gehörte etwa das Gnomon: eine weiterentwickelte große Sonnenuhr einfachster Konstruktion, bei der die Höhe der Sonne und ihre Entfernung von der Mittagslinie aus der Länge und Richtung des Schattens einer senkrechten Säule bekannter Länge bestimmt wurde. Mit derartigen Geräten ließ sich die Länge des Jahres mit einer für die Zwecke des täglichen Lebens ausreichenden Genauigkeit bestimmen.

Das Parallaktische Lineal oder Triquetrum bestand im Wesentlichen aus einem an einem vertikalen Stab befestigten Visierstab, der auf einer dritten, geteilten Latte verschiebbar war. Gemeinsam bildeten die Stäbe die Seiten eines gleichschenkligen Dreiecks mit dem Skalenstab als Grundlinie; an ihm konnte man die Höhe des anvisierten Gestirns ablesen. Die Armillarsphäre, die auf frühe Anfänge im Altertum zurückging, bedeutete einen großen Fortschritt der astronomischen Instrumente. Häufig auch Astrolabium genannt (unter dem man jedoch ein anderes, erst von den Arabern erfundenes Instrument zur Messung der Gestirnhöhen und gleichzeitigen mechanischen Lösung verschiedener Aufgaben der sphärischen Astronomie verstand), bestand die Armillarsphäre oder »Armille« aus einer Kombination mehrerer Kreise, die den Meridianen (Großkreisen) der Sphäre entsprechend gestellt werden konnten. Durch Anpeilung eines Gestirns durch einen Diopter; ähnlich der Kimme und Korn eines Gewehrs, konnte sein Längen- und Breitengrad ermittelt werden. Hipparch und Ptolemäus benutzten beide Armillarsphären und ähnliche Instrumente zur Bestimmung größerer Ungleichheiten in den Bewegungen von Sonne, Mond und Planeten sowie der Örter der Fixsterne.

3 Der große Mauerquadrant des Tycho Brahe in Uranienborg, 1587: Ein im Meridian an einer Mauer angebrachter Viertelkreis mit zwei beweglichen Dioptern (D und E). Tycho Brahe selbst deutet auf das feste Diopter A. Der Beobachter F visiert durch E und A das Gestirn an; der Gehilfe vorne rechts liest die Zeit ab und der Gehilfe vorne links notiert diese sowie die am Quadrant abgelesene Meridianhöhe CE.

Am wichtigsten für Tychos Beobachtungen war der Mauerquadrant, in einfachster Form ebenfalls bereits Ptolemäus bekannt: ein im Meridian an einer Mauer angebrachter und mit Skalenteilung und Absehvorrichtung versehener Viertelkreis zum Anvisieren und Ortsbestimmen von Gestirnen. Der berühmte Mauerquadrant von Uranienborg hatte gewaltige Ausmaße; es war besonders dieses Gerät, mit dem Tycho Brahe durch wesentliche Verbesserungen weitaus größere Genauigkeiten als alle seine Vorgänger erreichte. Auch von Hevelius (Johannes Höwelcke, bzw. Hevel, 1611–1687) in Danzig sind uns Beschreibungen seiner Instrumente alten Stils erhalten, die er neben dem gerade eingeführten Fernrohr noch eifrig benützte.

Bei aller Genialität blieb Tycho nicht ohne Widersacher. Seine Stellung bei Hofe wurde untergraben, als Christian IV. nach Friedrichs Tod (1588) den Thron bestieg und sein Geld lieber in die militärische Rüstung steckte als in die Sternenguckerei, weil derartige Untersuchungen »nutzlos und voll schädlicher Kuriosität« seien. Hinzu kam wohl auch das Unvermögen des heftigen, selbstbewussten Wissenschaftlers, mit seinen Nachbarn auf gutem Fuß zu leben. Die von anderen Inselbewohnern eingezogenen Mieten steckte er in den Haushalt von Uranienborg; Wartung und Unterhalt der vermieteten Immobilien wie auch des für die Schifffahrt lebenswichtigen Leuchtturms wurden gänzlich vernachlässigt.

1597 verließ Tycho Brahe mitsamt Familie, Studenten, Instrumenten und Aufzeichnungen Dänemark für immer. Es folgte ein zweijähriger Aufenthalt bei dem befreundeten Grafen Rantzan in Wandsbeck, wo er in seinem Werk Astronomiae instauratae mechanica Beschreibungen seiner Sternwarte und ihrer Instrumente niederlegt (1598). Dann trat er als kaiserlicher Astronom und Mathematiker in die Dienste des deutschen Kaisers Rudolf II. von Habsburg in Prag ein, von wo aus er Kepler als Gehilfen beruft (und so auf glückliche Weise Theorie und Praxis zusammenbringt). Dort entstand auch sein Hauptwerk, die Astronomiae instauratae progymnasmata (erschienen 1602), doch konnte der große Däne die neugefundene Ruhe nur zwei Jahre lang genießen: Am 21. November 1601 starb er plötzlich, und Kepler trat seine Nachfolge an.

Tychos Werk enthielt nicht nur tabulierte Beobachtungen, sondern auch ein eigenes Weltbild, mit dem er sich größtenteils gegen das von Kopernikus aufgestellte System stellte (»Die Erde ist faul und träge und für eine Bewegung gänzlich ungeeignet«), und zwar deshalb, weil die Entfernungen der Fixsterne, die dieses System zu seiner Richtigkeit verlangte, für Tychos Zeit einfach unfaßbar groß waren.

Bedenken wir: Tychos Welt war geprägt vom ptolemäischen Modell der epizyklischen Planetenbewegungen. Wenn sich die Erde tatsächlich bewegte, so argumentierten die religiösen Dogmatiker, dann sollte sich dies doch auch in einer Ortsveränderung zumindest der näherstehenden Fixsterne äußern. Eine derartige Bewegung konnten Tycho und seine Vorgänger jedoch nicht beobachten. Die Kopernikaner vermochten dies nur durch die weite Entfernung der Fixsterne zu erklären, die so groß sein müsse, dass die jährliche Erdbewegung und damit selbst der Durchmesser der Erdbahn im Vergleich dagegen nur verschwindend klein waren.

Tycho konnte eine halbjährliche Ortsveränderung von 3–4 Bogenminuten (etwa der neunte Teil des Monddurchmessers) sehr wohl ausmachen; da er bei den Sternen keine fand, musste der Abstand ihrer Sphäre mindestens 1000-mal so groß wie der Sonnenabstand oder mindestens 100-mal so groß wie der Abstand des äußersten damals bekannten Planeten, des Saturns, sein. Für die Naturphilosophen galt seit Aristoteles das Axiom des horror vacui, welches besagte, dass jedwede Leere der Natur widerstrebt und diese deshalb einen leeren Raum nicht unausgefüllt lasse. Deswegen schien es selbst Tycho einfach unmöglich, dass zwischen der Saturnbahn und den Sternen ein so weiter leerer Raum liegen sollte. Andererseits waren Kopernikus’ Gründe für die Bewegung der Erde zu triftig, als dass man sie hätte ignorieren können. Tycho erfand deshalb ein System, das ptolemäische und kopernikanische Elemente verband: die fünf bekannten Planeten bewegten sich bei ihm zwar um die Sonne, doch die Sonne bewegte sich ebenfalls, und zwar um die Erde, die weiterhin im Zentrum des Universums in Ruhe blieb.

Die Erfindung des Fernrohrs sieben Jahre nach Tychos Tod beseitigte die letzten Zweifel an der Richtigkeit des kopernikanischen Systems. Doch vorher gab es da noch einen Mann, den man heute als einen der bedeutendsten Astronomen und Mathematiker aller Zeiten ansieht: Tychos Gehilfen Kepler.

»Die Geometrie, ewig wie Gott und aus dem göttlichen Geist hervorleuchtend, hat Gott die Bilder zur Ausgestaltung der Welt geliefert.« So schrieb der am 27. Dezember 1571 im württembergischen Weil der Stadt geborene Johannes Kepler 1619 in seinem in Linz erschienenen Lieblingswerk Harmonices mundi (Weltharmonien), in welchem er seinen jahrelangen Bemühungen, den Bau des Sonnensystems auf einfache Zahlenverhältnisse zurückzuführen, literarischen Ausdruck verlieh. »Mein Ziel ist es, zu zeigen, dass die himmlische Macht keine Art göttliches lebendiges Wesen ist, sondern eine Art Uhrwerk …«

Als Kepler das kopernikanische System 1596 in seinem Mysterium Cosmographicum befürwortete, nahm er kein Blatt vor den Mund. Er begann seine Diskussion mit den Worten: »Wenn es auch die Frömmigkeit erheischt, sich sogleich am Anfang dieser naturwissenschaftlichen Untersuchung zu fragen, ob nichts darin gegen die Hl. Schrift ausgesprochen wird, so halte ich es doch nicht für gelegen, diese Streitfrage hier zu behandeln, solange man mich in Ruhe lässt. Ich verspreche im Allgemeinen, dass ich nichts sagen werde, was ein Unrecht gegen die Hl. Schrift bedeuten würde …«

Als Erzherzog Ferdinand sein Landesherr wurde und im Zuge der Gegenreformation den Protestantismus mit den Wurzeln auszurotten begann, musste Kepler Graz verlassen (1600), doch sollte es ihm – und der Welt – zum Segen werden: Er folgte nämlich dem Ruf Tycho Brahes. Der bot ihm in Prag eine Stelle als Hilfsrechner an und überstellte ihm zwei Jahre später auf dem Totenbett sein umfangreiches Beobachtungsmaterial, vor allem die bei den neun Erscheinungen des Planeten Mars zwischen 1580 und 1600 entstandenen Tabellen, zur Verwertung nach eigenem Ermessen. Möglicherweise trug sich Tycho mit der Hoffnung, dass sein Weltmodell damit getestet und bestätigt würde.

Aus der Auswertung der Daten fand Kepler seine drei Gesetze; die ersten beiden veröffentlichte er 1609 in Prag in seiner Astronomia nova, das dritte 1619 in Harmonices mundi. Die Größe der Leistung dieses gequälten Menschen, der seiner Zeit so weit voraus war, kann man nur ermessen, wenn man bedenkt, dass auf seinem Gebiet noch keinerlei Vorarbeit geleistet worden war. Seit den Tagen des Hipparchs, fast 2000 Jahre früher, bestand das starre, strenge Dogma (an dem auch Kopernikus festgehalten hatte), dass die Himmelskörper nur perfekten Kreisbahnen mit gleichförmiger Bewegung folgen konnten. Mit seinen ersten beiden Gesetzen, die einzelne Planeten betreffen, räumte Kepler ein für alle Mal damit auf.

Gefunden hat sie Kepler durch die beiden Grundannahmen, dass einmal die Erde auf einer bekannten kreisförmigen Bahn um die Sonne läuft, und zum anderen der Mars sie ebenfalls, jedoch auf unbekannte Weise, umkreist. Durch Beobachtung seiner Positionen in Bezug auf Sonne und Fixsterne hatte man ermittelt, dass der Planet nach 687 Tagen wieder genau an seinen ursprünglichen Ort zurückkehrt. Da die Erde zur Umkreisung der Sonne 365 Tage benötigt, nimmt sie zu diesen beiden Zeiten unterschiedliche Orte ein, die jedoch bekannt sind. So entsteht aus der Sonne, den beiden bekannten Stellungen der Erde und dem jeweiligen Ort des Mars ein Viereck, aus dessen Geometrie unter Voraussetzung einer konstanten Distanz Sonne–Erde sich die Entfernung des Mars vom Mittelpunkt bestimmen lässt. Kepler tat dies für unzählige Punkte und verglich sie mit Tychos Tabellen. Solange er für Mars eine Kreisbahn annahm, stimmten die Werte nicht überein, d. h. es musste sich um eine andere Kurvenform handeln. Aber welche?

Jahrelang probierte er herum. Immer wieder versuchte er es mit Varianten des Kreises in unzähligen Kombinationen, beginnend mit exzentrischen Kreisen, bei denen die Sonne nicht im Mittelpunkt stand, über verwickelte Epizyklen bis zu ovalen Eiern und einer pausbäckigen Bahnform. Als er endlich zur Familie der Ellipsen kam, bei denen es ebenfalls unendlich viele Variationsmöglichkeiten gibt, hatte er Glück: die damit errechneten Werte stimmten genau mit Tychos sehr präzisen Beobachtungen überein. Um ganz sicher zu sein, wiederholte er die Berechnungen, wie er später berichtete, 70-mal.

So kam er nach sechsjähriger bienenfleißiger Arbeit zu seinem 1. Gesetz, das von der Bahnform handelt: »Die Planeten bewegen sich in Ellipsen, in deren einem Brennpunkt die Sonne steht«, und zum 2. Gesetz über die Bewegung der Planeten: »Bei der Bewegung um die Sonne überstreicht der Radiusvektor (Leitstrahl, Verbindungslinie Planet–Sonne) eines Planeten in gleichen Zeiten gleiche Flächen (Sektoren).« Daraus folgt, dass sich der Planet in Sonnennähe rascher bewegt als in Sonnenferne.

Zehn Jahre später, am 15. Mai 1618, gelang es Kepler, wie er selbst berichtet, »aus den wildesten und ganz absurden Einfällen die Wahrheit herauszufinden« und sein 3. Gesetz zu entdecken, das sich auf alle Planeten gemeinsam bezieht: »Die Quadrate der Umlaufszeiten je zweier Planeten verhalten sich wie die Kuben (dritten Potenzen) ihrer mittleren Abstände von der Sonne.« 17 Jahre hatte er dazu gebraucht.

Genau genommen gilt das Gesetz in der von Kepler gefundenen Form nur näherungsweise, da es die Massen der Planeten nicht berücksichtigt, doch sind diese gegenüber der Sonnenmasse so klein, dass es eine ganz gute Annäherung darstellt. Zusammen beschreiben die drei Gesetze die Bewegung der Körper des Sonnensystems vollständig, obwohl Kepler sie allein empirisch aus Beobachtungen gefunden hat, noch ohne das theoretische Fundament, das sie begründete. Was verursacht ihre elliptische Bewegung? Hierzu war ein weiterer Schritt erforderlich: die Verbindung der mathematischen Beziehungen mit der Physik, an der inzwischen Galilei und andere zu arbeiten begonnen hatten.

4 Keplers 3. Gesetz: Trägt man es mit doppellogarithmischen Koordinaten auf, so liegen alle Planeten angenähert auf einer Geraden.

5 Frostig-weiße Wassereiswolken und wirbelnde orangefarbene Staubstürme: Mars in Opposition aus 68 Mio. km Entfernung vom Weltraumteleskop Hubble am 26. Juni 2001 aufgenommen. Auflösung (kleinstes Detail): 16 km

Johannes Kepler hat nach Kopernikus den zweiten großen Erkenntnisschritt in der Astronomie getan. Gemeinsam mit seinen großen Zeitgenossen Galilei und Christian Huygens bereitete er einem noch Größeren den Weg zur wichtigsten Erkenntnis der modernen Naturforschung: dem Engländer Isaac Newton und seiner Entdeckung des Gravitationsgesetzes.

Kopernikus, Tycho Brahe und Kepler brachten das Weltbild ihrer Ära so weit, wie es zu einer Zeit, in der die Astronomie noch auf das bloße Auge angewiesen war, nur gebracht werden konnte. Erst die Verbindung des Fernrohrs mit Brahes Winkelmessinstrumenten verfeinerte die Himmelsbeobachtungen in einem Maße, dass seine Erfindung eine neue Epoche der astronomischen Wissenschaft einleitete. Wie damit der Planet Mars uns näher kam und in den Brennpunkt wissenschaftlichen Interesses rückte, wollen wir im nächsten Kapitel sehen.

Kapitel 2

Mars im Fernrohr von gestern und heute

Der menschliche Intellekt begann seinen Großangriff auf den Roten Planeten nicht gleich mit der Erfindung des Fernrohrs. Dazu musste zunächst die Beobachtungstechnik so weit fortgeschritten sein, dass sich im Okular die ersten Einzelheiten auf der fremden Welt enthüllten. Dann allerdings, im 18. und 19. Jh., kam die Marsforschung rasch in Fahrt, bis sich die neuen Erkenntnisse, vor allem im »Marsjahr« 1877, förmlich überstürzten.

Um die enorme Leistung der auf das bloße Auge angewiesenen Beobachter vom Schlage eines Tycho Brahes voll zu würdigen, müssen wir wissen, dass Mars ein verhältnismäßig lichtschwacher Planet ist. Dass man ihn trotzdem schon frühzeitig als Wandelstern erkannte, liegt an seiner stark roten Farbe, eine Folge seiner Oberflächenbeschaffenheit: der Marsboden ist mit Eisenoxid (d. h. Rost) beschichtet. Aber für das unbewaffnete Auge bilden er und die anderen Wandelsterne körperlose Lichtpünktchen wie alle Sterne. Erst im Teleskop zeigen sie sich als Scheibchen, während die Fixsterne weiterhin punktförmig erscheinen. So entpuppten sich die Planeten nach der Erfindung des Fernrohrs mit einem Schlag als solide, massebehaftete Körper.

Weil Mars so weit entfernt ist, bleibt allerdings das Bildchen, das wir von ihm auch bei den stärksten Vergrößerungen sehen, sehr klein. Wie in Kapitel 3 näher erklärt, kommen sich Mars und Erde selbst unter den günstigsten Konstellationsbedingungen, bei denen beide Planeten auf der gleichen Seite der Sonne stehen, den sogenannten Periheloppositionen, niemals näher als 56 Millionen Kilometer. Bestenfalls! Das ist noch immer 150-mal weiter als die Strecke zum Mond.

Bei Beobachtungen vom Boden ist der möglichen Vergrößerung eine obere Grenze gesetzt durch Beugungserscheinungen (Aberration) in der Optik sowie Unruhe und Verschmutzung in unserer Lufthülle. Außerdem sinkt mit steigender Vergrößerung im gleichen Teleskop der Kontrast auf der Planetenoberfläche, und die Bilder werden flauer. Im Grunde liegt das natürlich daran, dass der Mars, der von der Sonne weiter als die Erde entfernt ist, weniger Licht empfängt und daher von geringerer Helligkeit (Albedo) erscheint. Deshalb gibt es eine bestmögliche (optimale) Vergrößerung, deren Überschreiten wenig sinnvoll wäre. Auch unter günstigsten Bedingungen, also auf hohen Berggipfeln, wie etwa dem fast 3000 m hohen Observatorium auf dem Pic du Midi in den französischen Pyrenäen, lässt sich selten eine Vergrößerung von 1000x oder besser erzielen; 500- bis 600-fache Vergrößerungen sind eher die Spitze.

Zur Angabe des Durchmessers, unter dem uns ein Himmelskörper erscheint, benützt man Bogenmaße. Zum Beispiel überspannt die Halbkugel des Firmaments einen Bogen von 180 Grad (°), eine Weite entsprechend etwa 360 aneinandergelegten Vollmonden. Steht uns der Erdtrabant auf seiner leicht elliptischen Bahn am nächsten, so bringt er es bei voller Phase bis auf eine Weite von 33 Bogenminuten (´) und 30 Bogensekunden (´´). Grob überschlägig kann man also sagen: 2 Vollmonde machen am Himmel rund ein Bogengrad aus. Das Scheibchen des Mars misst natürlich nur einen winzigen Bruchteil davon: bestenfalls 25,7´´, d. h. es ist 70-mal kleiner als der Vollmond (wir erinnern uns: ein Bogengrad hat 60´ und eine Bogenminute 60´´).

Wir können es auch so ausdrücken: Um Mars auf die scheinbare Größe unseres Vollmonds zu erweitern, benötigen wir eine 70-fach vergrößernde Optik. Auch unter besten Umständen und mit großen Instrumenten können wir den Roten Planeten vom Boden aus niemals besser sehen als den Mond in einem schwachen Feldstecher; und eine punktförmige Einzelheit auf ihm, etwa eine »Oase«, muss, um von uns überhaupt gesehen zu werden, eine Größe von mindestens 0,1´´ bzw. 30 km haben. Bei linienförmigen Gebilden können wir allerdings eine Auflösung von weniger als 5 km erzielen, wenn sie nur lang genug sind. Daran lässt sich erkennen, mit welchen Schwierigkeiten die Erforschung dieser Welt auch per Fernrohr von Anbeginn an zu tun hatte. Zu den großen Namen, die sich mit diesem Kampf über drei Jahrhunderte verbinden, gehören Galilei, Huygens, Herschel, Maggini, Schiaparelli, Lowell, Antoniadi, Flammarion, Pickering und Scharonow.

Es war Galileo Galilei in Italien, der als Erster durch ein Fernrohr ins Sonnensystem guckte: im Jahr 1610. Das Instrument war jedoch nicht seine eigene Idee. So viel wir wissen, wurde es von dem holländischen Brillenmacher Jan Lippershey (auch: Jan Lapprey und Hans Lippersheim) erfunden und der Welt erstmalig 1608 auf der Frankfurter Buchmesse vorgestellt. Als der 45-jährige Mathematik-Professor Galilei an der Universität Padua von der Erfindung hörte (von der er fälschlich glaubte, sie stamme aus »Belgien«), erkannte er offenbar sofort ihr Funktionsprinzip durch Deduktion. Noch bevor das erste Instrument aus den Niederlanden in Padua eintraf, hatte sich der geschäftstüchtige Praktiker flugs selbst ein Teleskop gebastelt, das er »Perspicillum« oder auf Italienisch »occhiale« nannte. Die von ihm in der Folge gebauten Linsenfernrohre erwiesen sich denn auch den importierten überlegen. Den Dogen von Venedig beeindruckten sie dermaßen, dass er den Herrn Professor später zu einer Demonstration vorlud.

Kaum hatte der Professor 1610 sein selbst gebasteltes Fernrohr neugierig in den Nachthimmel gerichtet, als er auch schon in rascher Folge eine Reihe sensationeller Entdeckungen machte. In der Nacht des 7. Januar fielen ihm in der Nähe des Planeten Jupiter drei winzige Lichtpunkte auf; in der folgenden Nacht standen sie an anderen Stellen. Zwei Nächte später waren nur zwei Sternchen zu sehen, doch am 13. Januar fand Galilei gleich vier und ebenso am 15. Es waren, wie er richtig erkannte, »… vier erratische Sternenkörper, die ihre Umläufe um Jupiter ausführen.« Er nannte sie »Mediceische Gestirne«, zu Ehren seines Gönners, des Herzogs von Medici, doch setzte sich der Sammelname nicht durch. Heute kennen wir diese vier »klassischen« oder »galileischen« Jupitermonde, neben denen es unseres derzeitigen Wissens nach noch 54 weitere gibt, unter den Namen Io, Europa, Ganymed und Kallisto. (Gleichzeitig und unabhängig von Galilei entdeckte sie auch Simon Marius in Ansbach, dem Galilei darauf den – unbegründeten – Vorwurf des Plagiats machte.)

Andere Entdeckungen Galileis folgten rasch aufeinander: die Mondoberfläche zeigte sich von Gebirgen übersät, die Zahl der sichtbaren Fixsterne vermehrte sich durch das Fernrohr mit einem Mal in ungeahnter Weise, und einige der mit bloßem Auge sichtbaren nebelähnlichen Gebilde in der plötzlich aus Myriaden von Sternen bestehenden Milchstraße entpuppten sich im Fernrohr als Massen von Sternen und Sternhaufen. Die Wirkung dieser Erkenntnisse auf den Gelehrten ist für uns heute kaum vorstellbar!

Ein Jahr nach dem Erscheinen von Keplers Buch Neue Astronomie (1610) veröffentlichte Galilei seine Entdeckungen überstürzt in seinem Werk Sidereus Nuncius (Sternenbotschaft).

Später entdeckte Galilei auch die »Dreigestalt« des Saturns, unter der sich der Planet aufgrund seiner Ringe zu verschiedenen Zeiten zeigt (allerdings deutete Galilei sie noch nicht als Ringe), die Sonnenflecken und die Phasen der Venus, deren Beobachtung eine wichtige Bestätigung des kopernikanischen Systems bedeutete: Da der Morgen- und Abendstern zwischen Erde und Sonne liegt, sollte er deutliche Phasen zeigen, wie wir es beim Erdtrabanten mit Neumond, Vollmond und zu- bzw. abnehmender Zwischenphase kennen. In der Vor-Fernrohr-Zeit hatte man solche bei der Venus jedoch niemals gesehen und dies als Gegenbeweis gegen Kopernikus betrachtet.

Wie Kopernikus und Kepler verbannte der Klerus auch Galilei auf die Verbotsliste, den »Index«. Trotz seiner teleskopischen Bestätigung des kopernikanischen Systems wurde die Lehre vom Stillstand der Sonne und der Bewegung der Erde noch 1616 von den Theologen der Inquisition als töricht und schriftwidrig erklärt.

Am 5. Januar 1643, ein Jahr nach Galileis Tod, kam in Whoolsthorpe in Lincolnshire, im Osten Englands, Isaac Newton auf die Welt. Schon mit 26 Jahren wurde er Professor in Cambridge, mit 29 Mitglied der »Royal Society«, damals neben der Pariser Akademie die Hochburg der europäischen Wissenschaft. Newtons große Tat – im Alter von 22 Jahren! – war der Beweis, dass die Bewegungen der Himmelskörper, auch von Menschen geschaffener, durch eine allgemeine Kraft bestimmt sind, von der die uns als Ursache des Fallens bekannte Kraft nur eine Erscheinungsform ist. Den himmlischen Bewegungen, von denen man sich vor Newton nicht vorzustellen vermochte, dass sie mit den bekannten irdischen Bewegungen fundamental verwandt sein konnten, entzog er auf diese Weise den Schleier des Geheimnisvollen.

Das aus den Werken seiner Vorgänger Kepler, Kopernikus, Galilei und anderer abgeleitete Gravitationsgesetz wurde erst 1687 veröffentlicht, nach erheblicher »Ermunterung« und dank der Finanzierung durch Edmond Halley (1656–1742), Englands großem Astronomen, der den nach ihm benannten Kometen entdeckt hat. Das weltberühmte Monumentalwerk erschien in London unter dem Titel Philosophiae Naturalis Principia Mathematica (Mathematische Grundlagen der Naturphilosophie, wobei wir unter »Naturphilosophie« heute theoretische Physik verstehen). Während wir in Galileis Werk noch das Ringen des Entdeckers mit dem Neuen reflektiert sehen, erscheinen Newtons Einsichten bereits in mehr abgeklärter Form.