Pros & Cons: Ridge - A.E. Wasp - E-Book

Pros & Cons: Ridge E-Book

A. E. Wasp

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Beschreibung

Fünf Aufträge. Fünf Chance auf Wiedergutmachung. Eins ist sicher: Diese Männer sind keine Engel. Zwei Aufträge haben wir erledigt, drei liegen noch vor uns. Der nächste fällt an mich. Mein Name ist Ridge Pfeiffer. Ich bin Juwelendieb und stamme aus einem heruntergekommenen Armeleuteviertel. Ach ja, und ich bin nicht besonders teamfähig. Es ist so: Ich erledige die Aufgabe, die Charlie für mich vorgesehen hat, und dafür löscht Miranda die Beweise für meine zwielichtige Vergangenheit. Damit wären meine größten Probleme aus der Welt geschafft. Dummerweise ist die Ursache meines allergrößten Problems jemand, von dem ich gar nicht will, dass er aus meinem Leben verschwindet – Diplomatic Security Agent Davis Ethan. Davis hat mich während unserer zweiten Mission bei einem Einbruch erwischt, und eigentlich hätte ich deshalb hinter Gittern landen müssen. Stattdessen landete ich in seinem Bett. Er ist reich, attraktiv und privilegiert, unsere einzige Gemeinsamkeit ist unsere Vorliebe für schöne Wäsche und gut aussehende Männer. Er stellt all das dar, was mir verhasst ist, und ist doch alles, was ich will. Allerdings hat er mich auch vollkommen in der Hand. Wenn er sein Schweigen bricht, könnte er mein Leben zerstören. Dieser Auftrag ist ein einziges Risiko. Mein Verstand rät mir, ihn abzulehnen und es darauf ankommen zu lassen, dass meine Vergangenheit ans Licht kommt. Mein Herz will jedoch, dass ich ihn erledige, denn der Lohn ist eine weitere Nacht mit Davis. Und dafür würde ich alles tun. Noch ein Auftrag, noch eine gemeinsame Nacht, danach verschwinde ich auf Nimmerwiedersehen.

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Seitenzahl: 317

Veröffentlichungsjahr: 2023

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A. E. WASP

PROS & CONS: RIDGE

PROS & CONS 3

Aus dem Amerikanischen von Anne Sommerfeld

Über das Buch

Zwei Aufträge haben wir erledigt, drei liegen noch vor uns. Der nächste fällt an mich. Mein Name ist Ridge Pfeiffer. Ich bin Juwelendieb und stamme aus einem heruntergekommenen Armeleuteviertel. Ach ja, und ich bin nicht besonders teamfähig.

Es ist so: Ich erledige die Aufgabe, die Charlie für mich vorgesehen hat, und dafür löscht Miranda die Beweise für meine zwielichtige Vergangenheit. Damit wären meine größten Probleme aus der Welt geschafft. Dummerweise ist die Ursache meines allergrößten Problems jemand, von dem ich gar nicht will, dass er aus meinem Leben verschwindet – Diplomatic Security Agent Davis Ethan.

Davis hat mich während unserer zweiten Mission bei einem Einbruch erwischt, und eigentlich hätte ich deshalb hinter Gittern landen müssen. Stattdessen landete ich in seinem Bett. Er ist reich, attraktiv und privilegiert, unsere einzige Gemeinsamkeit ist unsere Vorliebe für schöne Wäsche und gut aussehende Männer. Er stellt all das dar, was mir verhasst ist, und ist doch alles, was ich will. Allerdings hat er mich auch vollkommen in der Hand. Wenn er sein Schweigen bricht, könnte er mein Leben zerstören.

Dieser Auftrag ist ein einziges Risiko. Mein Verstand rät mir, ihn abzulehnen und es darauf ankommen zu lassen, dass meine Vergangenheit ans Licht kommt. Mein Herz will jedoch, dass ich ihn erledige, denn der Lohn ist eine weitere Nacht mit Davis. Und dafür würde ich alles tun.

Noch ein Auftrag, noch eine gemeinsame Nacht, danach verschwinde ich auf Nimmerwiedersehen.

Über die Autorin

Amy Wasp ist eine geborene Träumerin und Idealistin. Nachdem sie ihre Kinder großgezogen, verschiedene College-Abschlüsse erworben und die Welt im Dienst des US-amerikanischen Außenministeriums bereist hat, widmet sie sich jetzt wieder ihrer ersten großen Liebe, dem Schreiben.

Am liebsten schreibt sie über Menschen, die in einer einsam erscheinenden Welt Liebe und Zuversicht finden. Dabei zeigt sie ihre Figuren gern von ihrer verletzlichsten Seite, mit all den Hoffnungen und Ängsten, die auch ihre Leserinnen und Leser kennen.

Amy hat in Großstädten und kleinen Dörfern auf vier Kontinenten gelebt und dabei gelernt, dass Zeit und Entfernung keine Hindernisse für die Liebe sein müssen.

 

Die englische Ausgabe erschien 2020 unter dem Titel »Pros & Cons of Desire« bei Kelpie Press.

Deutsche Erstausgabe Mai 2021

 

© der Originalausgabe 2020: A. E. Wasp

© für die deutschsprachige Ausgabe 2021:

Second Chances Verlag

Inh. Jeannette Bauroth, Steinbach-Hallenberg

 

Alle Rechte, einschließlich des Rechts zur vollständigen oder auszugsweisen Wiedergabe in jeglicher Form, sind vorbehalten.

Alle handelnden Personen sind frei erfunden, Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

 

Umschlaggestaltung: AngstyG

Umschlagmotiv: iStock

Lektorat: Annika Bührmann

Korrektorat: Julia Funcke

Satz & Layout: Second Chances Verlag

 

ISBN: 978-3-948457-24-2

 

www.second-chances-verlag.de

 

Inhaltsverzeichnis

Titel

Über die Autorin

Impressum

Widmung

Die Akteure

Prolog

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Epilog – eine Nacht zuvor

Weitere Bücher von A.E. Wasp

Danksagung

Für Raul Silva, weil du meinen Geist, meinen Körper, meine Seele und meinen Minivan einen ganzen Monat lang zusammengehalten hast und wegen deiner beständigen Unterstützung während der letzten Jahrzehnte.

 

DIE AKTEURE

DIE STRIPPENZIEHER

Charlie Bingham (45) – verstorben. Hochstapler, Dieb, Erpresser, Informationsbroker und vermutlich noch so einiges mehr.

Miranda Bosley (42) – Rechtsanwältin. Charlies Nachlassverwalterin. Wahrscheinlich Charlies beste Freundin.

Josie DuPont (Alter unbekannt, da sie es nicht preisgibt) – Charlies Mitarbeiterin. Mysteriöse Dame von Welt. Versteht sich als Ersatzmutter der Jungs (sogar von Leo).

Der interessierte Freund (?) – eine körperlose Stimme am Telefon. Scheint über alle Geschehnisse auf dem Laufenden zu sein. Spricht nur mit Leo. Möchte Al genannt werden.

 

 

DIE JUNGS

 

Leo Shook (45) – Special Agent beim FBI. Beurlaubt aus nicht näher bekannten Gründen. Spezialist für Charlie Bingham. Codename: Silberfuchs

Castille (Steele) Alvarez (30) – Close Protection Specialist (Bodyguard). Ex-Army-Ranger. Bezeichnet sich selbst als Sumpfratte aus Georgia. Codename: Rusty

Carson Grieves (Alter unbekannt) – Meister der Täuschung und des Betrugs. Hochstapler. Geburtsort und Geburtsdatum unbekannt. Bekannte Alias: Benjamin Waters, Peter Nobocook, Codename: Chaney

Ridge Pfeiffer (21) – Dieb. Nicht sehr gesprächig. Experte für das Knacken traditioneller Safes und Schlösser. Fassadenkletterer und Einbrecher. Codename: Spidey

Wesley Bond (27) – Hacker und Social Engineer, Internet-Trickbetrüger. Kämpfer für soziale Gerechtigkeit. Codename: Neo

 

 

DIE ARMEN KERLE, DIE IN DEN SCHLAMASSEL MIT REINGEZOGEN WURDEN

 

Breck Pfeiffer (21) – Ridges Zwillingsbruder. Ex-Collegestudent, Ex-Escort-Boy, kam über einen von Charlies Aufträgen zur Gruppe. Verrückt nach Steele. Codename: Undercover Lover

Danny Munroe (19, fast 20) – Ex-Escort-Boy, ein Freund von Breck. Wird in die Geschehnisse hineingezogen und dann von Josie, Miranda und eigentlich auch allen anderen adoptiert. Ist mit Wesley zusammen. Codename: Arm Candy

Davis Ethan (29) – Agent beim Diplomatic Security Service, seit den Ereignissen auf der Isla de Santa Rosa Ridges Liebhaber

PROLOG

EIN INTERESSIERTER FREUND

Mirandas Missbilligung brannte sich mir heißer in den Nacken als die Sonne Floridas. Vielleicht fühlte sie sich auch eher wie Messer an. Oder Klauen. Welches Bild passte besser? Wahrscheinlich die Klauen. Miranda war definitiv eine Großkatze. Wie ein Panther. Ja, ein Panther. Sie machte den Eindruck, als würde sie liebend gern ihre Krallen in mich schlagen, mich auf einen hohen Baum zerren und mir das Genick brechen.

»Was machst du hier?«, fragte sie und legte sich den Schal enger um die Schultern. Mit »hier« meinte sie den Vorgarten von Charlies Villa.

»Die Rosen beschneiden.« Ich deutete mit der riesigen Gartenschere, die ich mir von den eigentlichen Gärtnern geborgt hatte, auf die Rosenbüsche.

Miranda starrte mich an und ließ ihren Blick dann auf die Rosenblüten fallen, die um meine Füße verstreut lagen. »Du bist gefeuert.« Sie nahm mir die Schere ab und deutete auf den Pick-up, der in Charlies Einfahrt parkte.

»Aber ich bin nicht fertig.«

»Oh, du bist fertig«, sagte sie, packte mich am Oberarm und schleppte mich zum Gehweg.

Definitiv ein Panther. Oder ein Jaguar. Was war da überhaupt der Unterschied?

»Was hast du dir dabei gedacht?«, zischte sie. »Du bist viel zu nah. Viel zu nah. Jeder hätte dich sehen können.«

»Und? Du weißt, dass niemand auf die Angestellten achtet.«

»Diese Männer schon. Ich bin in meinem ganzen Leben noch nie einer Gruppe so misstrauischer Kerle begegnet. Ihnen entgeht nichts. Nichts. Deine Besessenheit wird dir noch das Genick brechen.«

»Bei dir klingt Besessenheit wie etwas Schlechtes.«

Miranda öffnete die Beifahrertür des Trucks.

»Das ist nicht mein Truck.«

»Ist mir egal. Du setzt dich hier hin und denkst darüber nach, was du getan hast.«

»Stellst du mich etwa in die Ecke, Randa-Panda?« Trotzdem stieg ich in den Truck. Der Mann, der gerade den Kantenschleifer von der Ladefläche nahm, schaute uns komisch an, schüttelte aber nur den Kopf und ging. Kluger Kerl.

Seufzend stützte ich meinen Arm auf die Tür, damit Miranda sie nicht zuschlagen konnte. »Ich wollte nur sehen, wann du es ihnen gibst«, gestand ich. »Ich wollte sein Gesicht sehen.«

Ihr finsterer Blick wurde etwas weicher. Sie schüttelte den Kopf. »Das kannst du nicht. Das weißt du.«

»Ich weiß es. Aber dieser Fall ist anders.«

»Dieses Mal ist es was Persönliches?«, fragte sie mit einem kaum sichtbaren Lächeln.

»Du weißt, dass es so ist.«

»Vertrau mir, ich regle das. Dafür hat Charlie mich eingestellt. Deshalb hast du mich eingestellt.«

»Dieser Auftrag ist anders.« Ich beharrte so fest darauf, weil es die Wahrheit war. Die anderen Aufträge hatten die Gang gegen die bösen Jungs antreten lassen. Jungs, die zu groß gewesen waren und zu starke Verbindungen gehabt hatten, als dass Charlie sie hätte ausschalten können. Dieses Mal war Charlie selbst der Böse.

Wieder einmal zeigte Miranda ihre raffinierten Künste im Gedankenlesen. »Diese Situation ist nicht Charlies Schuld«, sagte sie im selben Tonfall, den sie auch bei den letzten zehn Malen benutzt hatte, als wir über diesen Auftrag gesprochen hatten. Es war eine Mischung aus Freundlichkeit und Verzweiflung. Miranda hatte keine Zeit für Selbstmitleid. Vor allem nicht für Selbstmitleid aus zweiter Hand.

»Irgendwie schon.« Also, ich hatte Charlie genauso geliebt wie jeder andere Hochstapler, aber es war sinnlos, so zu tun, als wäre er eine Art Pfadfinder gewesen. Seine posthumen Versuche, für ausgleichende Gerechtigkeit zu sorgen, kamen nicht annähernd an echte Wiedergutmachung heran.

»Was auch immer passiert ist, liegt fast hundert Jahre zurück.«

»Nein, er hat nicht damit angefangen, aber er hat es schlimmer gemacht. Und er hat es auch nicht wieder in Ordnung gebracht, als er die Chance dazu hatte. Entgegen der landläufigen Meinung heilt die Zeit nicht alle Wunden.«

Sie seufzte schwer, doch in ihren Augen schimmerte ein Hauch von Verständnis und Schmerz. Miranda war Anwältin, sie machte alles nach Vorschrift, aber manchmal konnte das Gesetz eine tödliche Waffe sein. Gesetzmäßig hieß nicht immer ethisch oder moralisch. Meiner Meinung nach war es meistens das genaue Gegenteil. Ohne das Gesetz zu brechen, hatten Miranda und die Kanzlei, für die sie gearbeitet hatte, bevor sie Charlie kennenlernte, eine Menge Menschen (gesetzmäßig und im Licht der Öffentlichkeit) um eine Menge Geld betrogen und viel Leid verursacht.

Reue wegen dieser Taten war eine der ersten Verbindungen gewesen, die sie und Charlie zusammengebracht hatten. Gemeinsam hatten sie den Plan entworfen, der gerade in Gang gesetzt wurde. Und gemeinsam hätten sie ihn ausführen sollen. Als Charlie gestorben war, war Miranda stinksauer gewesen. Ich glaube, dass nicht einmal der Tod ihn vor Mirandas Zorn retten konnte. Aber sie war ein Profi. Sie würde ihre Wut zurückhalten, bis der erste Schwung von Aufträgen erledigt war. Danach, nun, würde wohl das dicke Ende kommen.

»Also, darf ich zuschauen?«, fragte ich und sah sie mit großen, unschuldigen Augen an.

»Nein.« Sie bedeutete mir mit einem Nicken, die Füße in den Truck zu ziehen. Ich folgte ihrer Bitte, und sie knallte die Tür zu. »Lass dich nicht wieder von mir auf dem Grundstück erwischen.«

»Ja, Ma’am. Aber du hältst mich auf dem Laufenden? Auch darüber, wie sie reagieren?«

»Ich verspreche es. Aber ich glaube, dass du dir grundlos Sorgen machst. Es ist ja nicht so, als würden sie sich irgendwelche Illusionen über Charlies Charakter machen. Vor allem Agent Shook. Er weiß alles.«

Ich schüttelte den Kopf. »Das nicht. Davon weiß er nichts.«

Miranda tätschelte mir überraschend tröstend den Arm. »Geh nach Hause. Ich halte dich auf dem Laufenden. Wenn ich dich wieder hier erwische, rufe ich die Polizei.«

Ich riss die Augen auf. Miranda sprach niemals leere Drohungen aus, und von der hiesigen Polizei aufgegriffen zu werden, wäre schlimm – in jedem Sinn des Wortes. »Ich verspreche es. Du wirst mich nie wieder sehen.«

Sie verengte die Augen. »Lass es mich noch einmal anders formulieren. Bis ich dich persönlich kontaktiere und einlade, wirst du dieses Grundstück unter keinen Umständen noch einmal betreten, gesehen oder ungesehen, erkannt oder unerkannt. Habe ich mich klar ausgedrückt?«

»Kristallklar.«

Sie nickte zufrieden und wandte sich zum Gehen.

»Du weißt, dass das nicht wirklich mein Truck ist«, rief ich ihr nach. Wie erwartet ignorierte sie mich.

Ich liebte diese Frau.

KAPITEL 1

RIDGE

Als ich meine Umgebung musterte, wurde mir klar, dass Leo recht gehabt hatte. Ich hatte aus dem Haus rausgemusst. Einfach nur hier draußen zu sein, war bereits entspannend. Alles war perfekt. Eine mondlose Nacht, ein schlechtes Sicherheitssystem, ein Haus, das an eine mit reichlich Bäumen bepflanzte offene Fläche grenzte, und ein Balkon mit Glasschiebetüren. Was konnte sich ein heißblütiger amerikanischer Dieb mehr wünschen?

Mein Wurfhaken glitt am Haus von Dr. und Mrs Bradley Ashford in West Palm Beach präzise zwischen den Balkonstreben im ersten Stock hindurch. Es war aufmerksam von ihnen gewesen, einen Balkon direkt vor den Glastüren ihres Schlafzimmers anzubauen. Noch praktischer war die Tatsache, dass ihr ganzes minderwertiges Sicherheitssystem am selben Stromkreis hing, der sich mit Leichtigkeit unterbrechen ließ.

Eine einsame Videokamera war auf den Balkon gerichtet. Für den unwahrscheinlichen Fall, dass er tatsächlich überwacht wurde, schaltete ich sie mit einem gekonnt geworfenen Ei aus. Gott sei Dank hatte ich das in meiner Jugend ausgiebig geübt.

Ich betätigte den Hebel, und die Streben des Hakens klappten sich aus. Perfekt. Wenn mich mein Sportlehrer jetzt doch nur sehen könnte, dachte ich, als ich Knoten für Knoten an dem Seil nach oben kletterte. Ich hätte schneller sein können, hatte gestern aber Stunden an der Indoor-Kletterwand verbracht. Meine Schultern und Waden brannten noch immer. Außerdem war Bewegung der Feind der Heimlichkeit, also ließ ich mir Zeit. »Nicht mal ein Sicherheitsriegel an der Tür«, sagte ich zu der Fledermaus, die an mir vorbeizischte. »Idioten.« Es war, als würden sie geradezu darum betteln, ausgeraubt zu werden. Tja, wer war ich denn, dass ich ihnen eine gute Geschichte verweigern sollte, die sie auf ihrer nächsten Dinnerparty erzählen konnten?

Nachdem ich mein Messer kurz im Rahmen versenkt hatte, um das Schloss zu öffnen, war ich drin und schob die Tür hinter mir zu. Gesamtzeit: eine Minute, vier Sekunden.

Emily Ashford war stolze Besitzerin mehrerer schöner und sehr teurer zusammenpassender Schmuck-Garnituren. Ich wusste das, weil sie es liebte, sich mit ihnen für Gesellschaftsseiten fotografieren zu lassen, und ich liebte es, diese Bilder zu betrachten. Sie waren wie Kataloge für Diebe.

Den Bildern auf der Instagram-Seite des Norton Museum of Art zufolge hatte sie die Graff-Smaragde für den Besuch einer Ausstellung der – meiner Meinung nach ziemlich langweiligen – Fotografien von Prinz Nikolai von Liechtenstein gewählt. Das bedeutete, dass die Rubin-und-Diamant-Kollektion von Van Cleef & Arpels noch irgendwo im Haus war. Es bestand sogar eine große Chance, dass sie genau hier war. Direkt in der riesigen Kombination aus Ankleidezimmer und begehbarem Kleiderschrank, die ich sehen konnte.

Mit einer winzigen Stiftlampe zwischen den Zähnen schlich ich durch den dunklen Raum. Wesley würde mich wahrscheinlich mit etwas Besserem ausstatten, wenn ich ihn fragte, aber mir gefiel das Gefühl, es nach der alten Schule zu machen. Außerdem funktionierte es wirklich gut. Ich ging zum Schrank. Ich konnte genauso gut am offensichtlichsten Ort anfangen.

Während ich »Been Caught Stealing« von Jane’s Addiction vor mich hin summte, bewegte ich mich leise durch das Zimmer. Dieses Lied war mein Glücksbringer, irgendwo zwischen Ritual und Aberglaube. Der Raum roch nach alten Leuten, Mottenkugeln und puderigem Parfüm, und meine Füße verursachten auf dem dicken Teppich so gut wie kein Geräusch.

Der dünne Strahl der Taschenlampe traf auf Kleiderständer mit Abendkleidern und Smokings, teuren Wollanzügen und gesitteten Strickröcken von St. John in gedeckten Pastellfarben. Bis zur Decke reichende Regale voller Schuhe, Handtaschen und Hüte zogen sich über die Wände. Hier drin war es wie in einem verdammten Luxus-Kaufhaus.

Ich ging zu Mrs Ashfords Seite des Raums. Hier würde die Beute sein.

Volltreffer.

Zwischen den Schuhregalen befand sich ein hoher Schmuckschrank. Zumindest hoffte ich, dass es das und nicht der Unterwäscheschrank einer alten Dame war. Nicht, dass ich etwas gegen Dessous hatte. Eigentlich genau das Gegenteil, aber sie mir an einer alten weißen Frau vorzustellen? Nein danke.

Nachdem ich die lachhafte Imitation eines Schlosses mit einer Büroklammer geknackt hatte, öffnete ich die oberste Schublade.

Eine ansehnliche Sammlung aus Halsketten, Armbändern und den großen, farbenprächtigen Ringen, die alte Frauen zu lieben scheinen, glitzerte auf dem schwarzen Samt, mit dem die obersten Schubladen ausgekleidet waren. Nach einer groben Schätzung hätte ich gesagt, dass die Stücke jeweils etwa fünf- bis sechstausend Dollar wert waren. Nett, aber es lohnte sich nicht, dafür verhaftet zu werden.

Die Rubine und Diamanten, nach denen ich suchte, waren nicht hier.

Verdammt. Es musste irgendwo einen Safe geben. Ich konnte die Uhr in meinem Kopf ticken hören. Drei Minuten und vierzehn Sekunden. Mein Plan war es, in unter fünf Minuten drin und wieder raus zu sein.

Denk nach, Ridge. Denk nach.

Okay. Der Doktor und seine Frau waren alt. Etwa in den Sechzigern. Ihr Safe würde nicht auf Bodenhöhe oder zu weit oben sein. Sie lebten in einer bewachten Wohnanlage in einer wohlhabenden Gegend, also machten sie sich eher Sorgen, von den Angestellten ausgeraubt zu werden als von Dieben.

Ich ließ das Licht der Taschenlampe auf Hüfthöhe durch den Raum gleiten. Etwas zwischen zwei Kleiderbeuteln auf der Seite des Doktors fing das Licht ein. Ich ging hinüber und schob die Beutel auseinander.

Jackpot. Ein kleiner Safe mit einer Uhrenschachtel darauf.

Teure Uhren waren meine Schwäche. Ich betrachtete die Spulen auf dem Safe, die sich vor- und zurückbewegten, um die Automatikuhren am Laufen zu halten.

Zwei Rolex und eine Patek Philippe. Die Rolex waren mir ziemlich schnuppe, ich konnte sie nehmen oder es lassen, aber die Platin-Travel-Time-Calatrava war ein persönliches Lieblingsstück. Niemand verdiente eine verdammte Fünfzigtausend-Dollar-Uhr. Mit einem Handgriff könnte ich sie nehmen, für etwa zwanzigtausend Dollar verkaufen, zehn für mich selbst behalten und trotzdem noch das Schulessen für die Hälfte der benachteiligten Kinder in Florida zahlen.

Gott, es war verlockend.

Ich zwang mich, die Uhren in Ruhe zu lassen, und kniete mich vor den niedrigen Safe. Ein schwarzer Kasten mit etwa dreißig Zentimeter Kantenlänge. Es war ein Standardmodell, das ich mit einem gut platzierten Magneten in drei Sekunden öffnen konnte. Aber zuerst wollte ich etwas überprüfen. Ich zog am Griff, und die schwere Safetür öffnete sich.

Jap. Ich hatte das schon ein paar Dutzend Mal gesehen. Die Hausbesitzer wussten, dass sie spät nach Hause kommen und müde und vielleicht etwas betrunken sein würden. Und diese verdammten Tasten wurden mit jedem Jahr kleiner. Ihr ganzes Haus war wahrscheinlich vollkommen sicher, was konnte es also schaden, die Tür unverschlossen zu lassen? Zu, aber nicht verschlossen.

Gottverdammt, sie bettelten förmlich darum, ausgeraubt zu werden.

Im Inneren befanden sich einige Schmuckschatullen und persönliche Dokumente. Ich nahm die flache Van-Cleef-&-Arpels-Schachtel heraus und öffnete sie. Oh ja. Da war er: ein Rubinanhänger, so groß wie ein Silberdollar, der von umwerfenden Diamanten umgeben war. Zusammen waren sie im Verkauf 350.000 Dollar wert.

Und sie lagen einfach in einem unverschlossenen Safe herum.

Ernsthaft. Diese Idioten verdienten es, ausgeraubt zu werden. Es war nicht so, als würde es ihnen wehtun. Dieses Zeug war mehr als gut versichert.

Wenn sie schließlich bemerkten, dass die Kette fehlte, würden sie ein paar Minuten lang geschockt und entsetzt sein. Dann würden sie die Polizei rufen, Anzeige erstatten und einen Schaden bei der Versicherung melden, und in ein paar Tagen würden sie eine große Auszahlung bekommen und eine Geschichte für Cocktailpartys haben, die sie jahrelang zum Besten geben konnten.

Vielleicht würde ich sogar eine kleine Nachricht hinterlassen, wie: Danke für das Geburtstagsgeschenk. In Liebe, R. PS: Die Rolex sind gefälscht. Manchmal war ich einfach ein Arschloch.

Ein leises Klicken ertönte, und Licht flutete den Raum.

Mein Herz stand still und schlug mir dann so laut bis zum Hals, dass es jeder in einem Umkreis von drei Metern hören konnte.

Bitte lass das ein automatisches Licht sein.

Ein Räuspern hinter mir zerstörte diese vage Hoffnung. »Haben Sie etwas Interessantes gefunden, Mr Pfeiffer?«, fragte Josie.

Oh, shit.

* * *

»Also war es Josie?«, fragte Danny. »Josie hat dich erwischt?«

Wir waren in Dannys Zimmer in Charlies Villa. Danny lag im Bett, und ich saß auf dem übergroßen Sessel, der in der Fensternische stand. Obwohl es der nächste Morgen war, trug ich noch die enge schwarze Kleidung. Mir fehlten der Greifhaken, mein zweiter Satz Dietriche und meine schwarze Kreditkarte. Josie hatte sie eingezogen und dann gesagt, dass ich Hausarrest hätte.

»Sie hat die ganze Zeit im Dunkeln gesessen und auf mich gewartet! Und mich wie eine knapp eins sechzig große Gefängniswärterin angestarrt.« Verdammt, ich wollte diese Frau heiraten.

»Ach du Scheiße.« Er lachte, bis ihm Tränen über die Wangen liefen und sich sein Lachen in ein röchelndes Husten verwandelte.

Ich wartete, bis er nicht mehr hustete, ehe ich sprach. »Hey, lach nicht. Es war verdammt furchteinflößend. Ich hatte schon vor ausgebildeten Kampfhunden weniger Angst.«

Ein weiteres Husten schüttelte Danny. Seit wir ihn aus seinem Leben auf der Straße gerettet hatten, hatte er etwas Gewicht zugelegt, war aber immer noch schmerzhaft dünn. Als er Luft einsog, traten seine Rippen deutlich unter seiner Haut hervor. Nachdem er auf der Isla de Santa Rosa nur knapp am Tod vorbeigeschrammt war, war er mit einer schlimmen Erkältung, die sich schnell zu einer Bronchitis entwickelt hatte, aus den wogenden Wellen aufgetaucht.

Und anscheinend war ich von all den Leuten im Haus der Einzige, der wusste, wie man sich um eine kranke Person kümmert. Gott weiß, dass ich dank der Kater und Entzüge meiner Mutter und Brecks jährlicher Grippe genug Übung hatte. Ich wusste, wie es war, zu müde zum Lesen zu sein, zu ruhelos zum Fernsehen und zu schwach, um aus dem Bett zu kommen, also hatte ich Danny ein Buch übers Schlösserknacken und ein paar durchsichtige Schlösser besorgt, an denen er üben konnte. Man wusste nie, wann man diese spezielle Fähigkeit brauchen würde.

»Sie muss stinksauer gewesen sein«, sagte er. »Was hast du dir dabei gedacht?«

»Ich wollte nicht wirklich etwas stehlen. Es war wie eine Übungsaufgabe. Steele geht ins Fitnessstudio. Du schwimmst.«

»Und du brichst bei Leuten ein«, beendete Danny den Gedanken.

»Nicht oft. Nur zwei Mal. Höchstens drei Mal. Ich schwöre.« Das war die absolute Wahrheit. »Regel Nummer eins in diesem Job: Man scheißt nicht da, wo man isst.«

»Reizend.«

»Es heißt einfach, dass man keine Leute ausrauben sollte, die man am nächsten Tag im Supermarkt treffen könnte.« Etwas, das ich gelernt hatte, nachdem ich jemandem, den ich ausgeraubt hatte, im Supermarkt über den Weg gelaufen war, möchte ich hinzufügen.

Danny biss sich auf die Unterlippe, als er sich darauf konzentrierte, einen dünnen Metallstab in das Sicherheitsschloss zu schieben, das von Amazon am meisten empfohlen wurde. Er drehte den Stab und fluchte leise, als nichts passierte. Also spulte er das Video auf seinem iPad ein paar Sekunden zurück und sah sich mit konzentriertem Blick noch einmal an, wie der »LockPickingLawyer« den Prozess zeigte. »Oh«, sagte er. »Okay.« Er schob den Stift hinein, drehte ihn sanft, und das Schloss öffnete sich mit einem leisen Klick. »Ja!«, rief er und warf die Hände in die Luft. »Ich hab’s geschafft!«

»Sehr schön«, lobte ich. »Du bist ein Naturtalent.«

»Wenn du Geld brauchst, ich bin sicher, dass ich dir was besorgen kann«, bot er an.

»Nein. Alles gut. Ich hab einen Haufen Bargeld in meinem Zimmer. Außerdem zwinge ich Breck einfach, mir seins zu geben, wenn ich Geld brauche. Wozu sind Brüder sonst gut?«

Die Tür schwang auf, und Breck schlenderte herein, als würde ihm der ganze Laden gehören. Er trug ein T-Shirt mit der Aufschrift Ich habe meinen Prinzen gefunden. Er heißt Daddy.

»Wenn man vom Teufel spricht«, kommentierte Danny.

»Nettes Shirt«, sagte ich. Zumindest gehörte es tatsächlich ihm. Ich versteckte meine mittlerweile. Wenn Breck ein Shirt brauchte, konnte er seine Wäsche gefälligst selbst waschen, wie der Rest von uns.

»Danke.« Er zog es ein Stück von seinem Körper weg, um die mit Strass-Steinen beklebte Krone und die silberne Schrift zu begutachten. »Ich finde die Botschaft subtil und trotzdem wirkungsvoll. Ooh, du trägst deine Raubzug-Kleidung. Was hab ich verpasst? Was hast du vor? Verdirbst du die Jugend Amerikas? Kann ich helfen?« Ohne auf eine Antwort zu warten, sprang er neben Danny aufs Bett, sodass die Bücher, Dietriche und Schlösser in alle Richtungen flogen. »Willst du verdorben werden?«, fragte er Danny anzüglich, während er ihn auf die Matratze zog.

Danny schnappte sich das iPad, bevor es vom Bett rutschen konnte, legte es hinter sich und rollte sich neben Breck zusammen. »Ich glaube, dass Steele etwas dagegen hätte, wenn du mich noch mehr verdirbst, als du es schon getan hast.«

»Nein, hätte ich nicht«, widersprach Steele und lehnte sich gegen den Türrahmen, den er vollständig ausfüllte. »Solange ich zuschauen darf.«

Danny sah zwischen Breck und Steele hin und her und hob die Brauen, als würde er über das Angebot nachdenken. Ich schnaubte. Ja, das würde nicht passieren. Danny hatte sich kürzlich Wesley aufgerissen, und der rothaarige Hacker teilte seine Sachen nicht gerne – um es milde auszudrücken. Ich hatte mir einen seiner PlayStation-4-Controller geborgt, und er hatte Leo praktisch dazu gebracht, mich zu verhaften.

»Außerdem«, bemerkte Steele und betrat den Raum, wodurch dieser sich augenblicklich kleiner anfühlte. »Ich dachte, du hättest ihn schon verdorben.« Die Matratze sank ein, als sich Steele auf den Bettrand setzte, sodass Danny und Breck gegen ihn kullerten.

»Oh, es war gegenseitig«, sagte Breck und schlang stützend einen Arm um Dannys Mitte. »Gegenseitige vorteilhafte Verdorbenheit.«

Ich spannte die Kiefermuskeln an, als ich mich erneut daran erinnerte, wie Danny in unser Leben gekommen war. Breck sah mich an und zuckte zusammen.

Er machte zu Recht eine betretene Miene. Ich wusste nicht, wie er Witze darüber reißen konnte, dass wir Danny nur kannten, weil er und Breck sich beim Anschaffen kennengelernt hatten und vom selben Freier beinahe zu Tode geprügelt worden waren.

Breck tat so, als sei es ein Witz, aber ich wusste, dass es Danny wirklich traumatisiert hatte. Ich hätte Geld darauf gesetzt, dass es auch Breck stärker mitgenommen hatte, als er zugab. Er hatte seinen Schmerz noch nie gern gezeigt. Andererseits, Mann, wer tat das schon?

Ich wusste nicht, wen ich mehr beschützen wollte, Breck oder Danny. Wahrscheinlich Danny ein winziges bisschen mehr, wenn ich ganz ehrlich sein sollte.

Ja, sicher, Breck war mein Blutsverwandter, mein Bruder, meine andere Hälfte und so weiter und so weiter. Aber ich hatte mich, seit wir fünf gewesen waren, in einem beschissenen Trailer nach dem anderen in unserer verdammten Stadt um Breck gekümmert. Himmel, elterliche Vernachlässigung war alles, was wir kannten.

Aber nicht Danny. Danny kam aus einer reichen Mittelklasse-Familie in einem Vorort mit viel Grün. Seine Eltern hatten alles für ihn getan und ihm alles gegeben. Bis er ihnen gesagt hatte, dass er schwul war. Und dann hieß es: Adiós, Reisende soll man nicht aufhalten. Er war siebzehn gewesen. Welche Eltern taten einem das Kind an?

Ich meine, selbst unsere Mom hatte uns nie rausgeschmissen, und sie war eine gottverdammte Süchtige, die Probleme damit hatte, Körper und Seele zusammenzuhalten. Mit neunzehn war sie mit Zwillingen schwanger geworden, von einem Arschloch, das verschwunden war, bevor sie auf einen Schwangerschaftstest aus dem Billigladen hatte pinkeln können.

Je älter ich wurde und je weiter ich von Colorado wegkam … Tja, ich hatte ihr nicht wirklich vergeben. Wahrscheinlich würde ich das auch nie. Wenn ich nie wieder mit ihr reden würde, vor allem nach der Sache mit Breck und dem Geld, wäre es immer noch zu früh.

Danny hatte niemanden.

Also hatte ich Danny irgendwo zwischen seinem Sprung ins Meer während eines Hurrikans und Josies Auftauchen in einem verdammten Helikopter, der ihn gesund und sicher wieder an Land gebracht hatte, anscheinend als eine Art jüngeren Bruder adoptiert. Und niemand legte sich mit meiner Familie an. Niemand. Kein Senator, kein reicher Mistkerl, keine Erkältungsviren.

Wenn ich – falls ich – jemals Kinder hätte, würde ich der beste Vater aller Zeiten werden. In der Zwischenzeit hatte ich Danny und Breck.

Breck war der einzige Grund, warum ich mich noch nicht aus diesem Irrenhaus verabschiedet hatte. Es war mein Job, mich um ihn zu kümmern, und das war leichter, wenn ich ihn sehen konnte.

Sicher, Steele, sein riesiger Professioneller-Bodyguard-Freund, eignete sich gut für den körperlichen Schutz, aber er war nutzlos, wenn es darum ging, Brecks Impulsivität im Zaum zu halten. Eigentlich glaube ich sogar, dass er sie unterstützte. Breck konnte sein eigener schlimmster Feind sein, und Steele war das gottverdammte Teufelchen auf seiner Schulter.

Ich war selbst kein Engel, aber ich wollte verdammt sein, wenn ich nicht zumindest versuchen würde, ihn vor den Teufeln in seinem Kopf zu beschützen.

Danny rutschte herum, bis er den Kopf auf Brecks Schoß legen konnte. Er nahm das Buch, das ich ihm besorgt hatte, und öffnete es an der Stelle mit dem Lesezeichen. Mit der Unterlippe zwischen den Zähnen malte er vorsichtig mit dem Textmarker über eine Passage im Buch. Verdammt, er war goldig.

Und noch wichtiger, er war ein guter Junge. Die Art, die alle Eltern sich wünschen. Wie hatten seine Eltern ihn einfach so wegwerfen können?

»Ridge kann großartig Schlösser knacken, wusstest du das?«, fragte Danny.

Normalerweise wollte ich nicht, dass die Leute auf meine unanständigen Talente hinwiesen – nicht, dass ich viele anständige hatte –, aber irgendwie war es schön, dass jemand meine Fähigkeiten zu schätzen wusste.

»Zeig es ihm, Ridge«, sagte Danny. »Nimm das hier.« Er wühlte sich durch die verschiedenen Schlösser, die ich ihm gegeben hatte, und warf mir eines der u-förmigen Fahrradschlösser zu, die Kuriere im ganzen Land so liebten.

Ich fing das schwere Schloss auf, bevor es mich im Gesicht traf. Oh, ich stand auf diese Dinger. Die ganzen idiotischen Fahrradfahrer in ihrer Elasthan-Kleidung benutzten sie und glaubten, dass ihre Tausend-Dollar-Fahrräder damit sicher seien. Sie hätten sich in ihre Lycra-Hosen gemacht, wenn sie mich jetzt hätten sehen können.

Danny beobachtete, wie ich den Stift hineinschob, und starrte mich an, als könnte er irgendwie durch das dicke Metall schauen. Als sich das Schloss nach nur wenigen Sekunden öffnete, schien sogar Steele beeindruckt zu sein.

»Wow!« Danny streckte eine Hand nach dem Schloss aus, und ich gab es ihm. Er drehte die Teile in seiner Hand, als würde er nach dem Trick suchen. »In der Werbung hieß es, dass sie nicht zu knacken sind.«

»Nur sehr wenige Dinge lassen sich nicht knacken«, erklärte ich. »Aber jeder anständige Fahrraddieb wird einfach einen Bolzenschneider oder eine Flex nehmen, um das Schloss zu öffnen. So hab ich das gemacht. Die Schlösser zu knacken, dauert viel länger.«

»Ist es nicht etwas verdächtig, mit einer Flex rumzulaufen?«, erkundigte sich Breck.

»Du wärst überrascht, was den Leuten so alles nicht auffällt.«

»Du hast niemals Fahrräder geklaut, oder, Ridgie?«, fragte er.

Ich seufzte. Breck wusste nicht einmal die Hälfte von dem, was ich getan hatte, um ihn zu beschützen und satt zu bekommen, und wenn es nach mir ginge, würde das auch so bleiben. In zehn Jahren ein oder zwei Fahrräder zu klauen, war nichts.

»Hattest du je ein Fahrrad?«, fragte ich zurück.

»Ja«, antwortete er stirnrunzelnd. »Das weißt du doch. Ich hab zum Abschluss der sechsten Klasse das blaue bekommen. Und dann das coole Mountainbike, als ich sechzehn wurde.«

Schweigend sah ich ihn an und wartete darauf, dass er die richtigen Schlüsse zog.

»Oh«, sagte er langsam, als es ihm dämmerte. Er runzelte die Stirn. »Mom hat behauptet, dass sie die für mich gekauft hat.«

»Ja«, murmelte ich. »Sie hat auch behauptet, dass sie einkaufen war und die Miete bezahlt hat.«

Breck schwieg. Was sollte er darauf erwidern?

»Also, was ist das Geheimnis beim Schlösserknacken, Ridge?«, wollte Danny wissen. »Wenn du mir einen Tipp geben müsstest? Geduld? Ruhige Hände?«

Ich dachte eine Sekunde darüber nach. »Das ist alles wichtig und sogar notwendig. Aber ich glaube, dass das Wichtigste das Verlangen ist. Du musst das, was das Schloss dir verwehrt, so sehr wollen, dass du alles tust, was nötig ist, um es zu bekommen. Du musst, was auch immer es ist, mehr wollen, als das Schloss dich davon fernhalten will.«

»Tja, diese Schurkenversammlung kann nichts Gutes bedeuten«, erklang Leos Stimme von der Tür her. Ohne auf eine Einladung zu warten, trat er ein.

»Agent Shook, kommen Sie doch rein«, sagte ich.

»Wann wirst du mich Leo nennen, Ridge?«

»Wenn ich sicher bin, dass du mich nicht verhaftest«, antwortete ich vollkommen ernst. Shook schien ein guter Kerl zu sein, und er war bei den letzten beiden Aufträgen definitiv hilfreich gewesen, aber ich war es nicht gewohnt, Cops beim Vornamen zu nennen.

Leo ging zum Bett und legte seinen Handrücken an Dannys Stirn. »Kein Fieber«, stellte er fest. »Das ist gut.« Mit einem Finger hob er das Buch in Dannys Hand an, um das Cover besser sehen zu können. »›Schlösserknacken für Dummies‹. Reizend. Nicht ganz das, was ich meinte, als ich sagte, dass du über deine berufliche Zukunft nachdenken sollst. Woher hast du das?«

»Von Ridge«, entgegnete Danny.

»Schockierend. Und woher hat Ridge es?«

»Amazon«, antwortete ich. »Es war im Angebot.«

»Mhm.« Leo griff nach Dannys Set von Übungsdietrichen. »Und die?«

»Amazon, Opa«, erwiderte ich. »Du musst schon davon gehört haben.«

»Argh. Ich schaffe es nicht.« Stöhnend warf Danny das durchsichtige Plastikschloss übers Bett.

»Versuch es weiter. Das braucht Übung.« Ich streckte einen Arm aus und nahm das Schloss. Leise vor mich hin pfeifend, schob ich einen Fuß unter meinen Rucksack und zog ihn in Reichweite.

»Zehntausend Stunden?«, fragte Danny mit einem schmalen Lächeln.

»Hm?« Ich steckte auf der Suche nach meinen eigenen Dietrichen mit dem Kopf bereits halb im Rucksack.

»Zehntausend Stunden«, wiederholte er wenig hilfreich und nickte mir zu, als würde es das irgendwie klarer machen.

»Äh, ich weiß nicht, wie viele Stunden.« Ich hatte nie zusammengerechnet, wie lang ich mit Dietrichen und Schlössern und so weiter geübt hatte.

Leo blickte mir über die Schulter, als ich das in schwarzes Leder gebundene Set zum Schlösserknacken aufrollte, das ich Stück für Stück selbst zusammengestellt hatte. Er berührte mit einem Finger mein Lieblingswerkzeug. Es war etwa so lang wie meine Hand und sah wie eine Mischung aus einem Eispickel und einer Injektionsnadel aus. Ein dünner, spitzer Metallstift ragte aus einem dicken, zylindrischen Edelstahlgriff heraus. Das Ende des Dietrichs ließ sich ausfahren und drehen. Damit konnte man fast jedes Scheibenschloss knacken. Bei dieser Art von Schloss wurden rotierende Scheiben als Schließmechanismus benutzt. Und davon gab es Unmengen. Das Werkzeug hatte mich ein paar Hundert Dollar gekostet, aber es hatte sich gelohnt.

»Wir haben das auf meiner Dienststelle«, bemerkte Leo kopfschüttelnd. »Woher hast du es?«, wollte er wissen. »Lass mich raten, Amazon?«

Ich konnte ein schnaubendes Lachen nicht unterdrücken. »Hättest du wohl gern.«

»Malcolm Gladwell sagt, dass es durchschnittlich zehntausend Stunden dauert, ein Experte in etwas zu werden«, führte Danny aus, als würde das alles aufklären.

»Gut für ihn?«, fragte ich.

»Es ist ein Buch«, erläuterte Danny.

»Ich glaube nicht, dass Gladwell über Verbrechen gesprochen hat«, meinte Leo.

»Hätte er aber tun können«, mischte sich Breck ein.

»Denk nicht allzu viel darüber nach«, empfahl ich. »In der Realität ist es für gewöhnlich schneller und einfacher, die Schlösser zu umgehen oder sie gewaltsam zu öffnen, als sie tatsächlich zu knacken. Das Knacken ist der letzte Ausweg.«

Es klopfte leise am Türrahmen. Carson trug heute ein weißes Tennis-Outfit, inklusive Stirnband und Handgelenkschonern. Normalerweise kleidete er sich für die Webcam nur von der Hüfte an aufwärts, aber heute trug er auch kurze Hosen und Tennisschuhe, und ich fragte mich, ob er so angezogen nach draußen gegangen war.

Hatten er und Josie über Outfits gesprochen? Ich hätte liebend gern einen Blick in ihre Kleiderschränke geworfen. Hatte Carson diese Sachen mitgebracht, als er zur Beerdigung gekommen war? Hatte Miranda sie hierher liefern lassen? Ich hatte so viele Fragen.

»Schlösserknacken?«, fragte er. »Wie entzückend.«

»Hast du schon mal Schlösser geknackt?«, erkundigte sich Danny.

»Nein«, antwortete Carson herablassend. »Das ist eine Fähigkeit für Gelegenheitsdiebe.«

Ich zeigte ihm den Mittelfinger.

»Falls je der Zeitpunkt kommt, zu dem ich ein Schloss knacken muss, bin ich am Ziel vorbeigeschossen. Wortwörtlich.«

»Wie stiehlst du dann Dinge?«, hakte Danny nach.

»Ich stehle nicht«, antwortete Carson beleidigt. »Die Leute geben mir Dinge.«

»Das ist der beste Weg«, stimmte ich zu. »Stehlen macht Spaß und so, aber das Beste ist es, das Ziel dazu zu bringen, das Zeug einfach zu übergeben. Oder es zumindest an einen weniger gesicherten Ort zu schaffen.«

»Was zum Beispiel, und wie?«, fragte Danny und setzte sich auf. Sofort fing er an, sich die Lungen aus dem Leib zu husten. Breck rieb in kleinen Kreisen über seinen Rücken.

Carson und ich tauschten einen Blick. Er bedeutete mir anzufangen. Ich zuckte mit den Schultern. »Es gibt verschiedene Wege. Lass sie in dem Glauben, dass der Ort unsicher ist. Dass das Sicherheitssystem unterbrochen wurde oder es eine Überschwemmung oder so was gibt. Du könntest dich als möglicher Käufer oder Versicherungsvertreter ausgeben.«

»Oder Reporter«, schlug Carson vor. »Jemand, der ein Buch oder einen Zeitungsartikel schreibt.«

»Die Sache ist die«, sagte ich, »bei jemandem einzubrechen, ist das letzte Mittel. Und selbst dann musst du in Privathäusern weniger Schlösser knacken, als du denkst. Wachleute langweilen sich und gucken auf ihren Handys Pornos, sodass du einfach durch die Tür marschieren kannst. Die Leute haben zu Hause ein falsches Gefühl von Sicherheit. Sie verschließen Türen nicht und legen Schmuck in ihre Unterwäscheschubladen.«

»Es ist definitiv sehr viel einfacher, die Leute dazu zu bringen, die Arbeit für dich zu erledigen«, kommentierte Wesley, als er, ohne anzuklopfen, ins Zimmer kam.

Wie es aussah, war die Gang vollständig versammelt. Ironischerweise hatte ich kurz das Gefühl, dass ich ein Schloss an der Tür anbringen sollte.

»Willst du meinen besten Rat?«, fragte Carson und fuhr fort, als Danny nickte: »Such dir jemanden aus, der nicht die Polizei verständigen wird. Das Wichtigste ist das richtige Ziel.«

»Das stimmt. Das beste Werkzeug ist dein Verstand«, fügte ich hinzu. »Es ist eine Einstellung. Du fängst an, die Dinge anders zu sehen.«

»Gütiger Gott«, stöhnte Leo. »Dieser Ort ist eine Schule für Kriminelle. Charlie Bs Heim für missratene Schwule. Carson, bist du aus einem bestimmten Grund hier, oder willst du nur die Jugend Amerikas verderben?«

»Kann ich nicht beides machen?«, fragte er grinsend. »Aber, ja. Miranda bittet uns alle, in die Küche zu kommen.«

Oh, toll. Das konnte nur eins bedeuten. Ein neuer Auftrag.

KAPITEL 2

RIDGE

Da es Morgen war, versammelten wir uns in der Küche. Josie schlenderte durch die geöffnete Balkontür herein und brachte den Geruch von Meer und brennendem Motorenöl mit sich. Sie trug einen lilafarbenen Lederoverall, dessen Ärmel und Hosenbeine mit den Aufnähern von Sponsoren übersät waren, und hatte sich einen Helm unter den Arm geklemmt. »Morgen, Jungs. Wollt ihr Frühstück?«

»Ja, bitte«, sagte Breck. Er stützte die Arme hinter sich ab und zog sich auf den Rand der Kücheninsel.

Leo schlug auf dem Weg zu der Hightech-Kaffeemaschine mit einer zusammengerollten Zeitung nach ihm. »Setz dich nicht mit deinem Hintern dahin, wo mein Essen steht.« Leo hatte das Kommando über den Kaffee übernommen, wofür ich dankbar war. Ich liebe Cappuccino, aber diese Maschine machte mir eine Heidenangst. Ich glaube, dass sie Satelliten vom Himmel holen konnte.

Breck verzog das Gesicht, bewegte sich aber nicht. Seine Füße schlugen leise gegen den Schrank unter der Arbeitsplatte. Carson gesellte sich zu uns, als Miranda mit einem braunen Umschlag und einem Schuhkarton in die Küche kam.