Prozess und Philosophie des Helfens - Edgar H. Schein - E-Book

Prozess und Philosophie des Helfens E-Book

Edgar H. Schein

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Beschreibung

Die massiven wirtschaftlichen und finanziellen Krisen der letzten Jahre haben deutlich gemacht, dass den Führungsverantwortlichen oft Kernkompetenzen des Managements fehlen. Hier setzt Schein an und entwickelt, wie man in persönlichen Beziehungen, Teams und Organisationen Hilfe professionell und verständnisvoll anbietet, effektiv leistet und vertrauensvoll annimmt: Hilfe als System. Der Autor entwickelt in seinem neuen Buch, das sein System von Beratungswissenschaft abrundet, wie man in persönlichen Beziehungen, Teams und Organisationen Hilfe professionell und verständnisvoll anbietet, effektiv leistet und vertrauensvoll annimmt: Hilfe als System. In seinen Ansätzen von 'Prozessberatung', 'Kulturentwicklung', 'Karriereanker und Führung' sowie 'Lerngeschichte' stellen die Konzepte von Führung und Helfender Beziehung die Grundlagen jedes Veränderungsmanagements dar. Mit diesem Buch hat er sich der systematischen Darstellung von Hilfe als System angenommen. Helping is a fundamental human relationship

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Edgar H. Schein

PROZESS UND PHILOSOPHIE

DES HELFENS

EHP – ORGANISATION

Hrsg. von Gerhard Fatzer

in Zusammenarbeit mit Wolfgang Looss und Sonja A. Sackmann

Der Autor:

Edgar H. Schein, Professor emeritus der Sloan School of Management am Massachusetts Institute of Technology, wo er heute noch arbeitet; als Schüler von Douglas McGregor und Richard Beckhard und als einer der Mitbegründer der Organisationspsychologie und der Organisationsentwicklung war er Co-Leiter von Kurt Lewins Forschungszentrum für Gruppendynamik am MIT; zahlreiche Veröffentlichungen zur Entwicklung der Prozessberatung als grundlegender Form von OE, zur Analyse und Entwicklung der Organisationskultur und zur Karriereentwicklung sowie zur Organisationspsychologie; zusammen mit Warren Bennis und Chris Argyris Trainer in den National Training Labs in Bethel; Berater von großen Konzernen, Regierungen und Führungskräft en in der ganzen Welt.

1969 begründete er zusammen mit Dick Beckhard die erste Buchreihe zur Organisationsentwicklung; sowohl seine eigenen Bücher als auch die von ihm herausgegebenen Titel und die seiner Schüler sind in eine Vielzahl von Sprachen übersetzt; 1999 Mitbegründer der Zeitschrift Reflections. International Journal for Change, Learning, Dialogue, seit 2001 American Editor von Profile. Internationale Zeitschrift für Veränderung, Lernen, Dialog; Consulting Editor der Reihe EHP-Organisation.

Neben dem vorliegenden neuen Buch sind auch seine Klassiker Prozessberatung, Organisationskultur, Aufstieg und Fall von Digital Equipment Corporation, Karriereanker und Führung und Veränderungsmanagement dem deutschsprachigen Leser zugänglich.

Edgar H. Schein

PROZESS UND PHILOSOPHIE

DES HELFENS

Einzelberatung, Teamberatung

und Organisationsentwicklung

Mit einem Nachwort von Gerhard Fatzer

Aus dem Amerikanischen von

Irmgard Hölscher

E H P

– 2010 –

© 2010 für die deutsche Ausgabe

EHP - Verlag Andreas Kohlhage, Bergisch Gladbach

www.ehp-koeln.com

© 2009 by Edgar Schein

First published by Berrett-Koehler Publishers, Inc., San Francisco, CA, USA

All Rights Reserved

Aus dem Amerikanischen von Irmgard Hölscher

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über https://portal.d-nb.de abrufbar.

Umschlagentwurf: Gerd Struwe / Uwe Giese

– unter Verwendung eines Bildes von Claudine Fessler: NY Central Park 2006 – (www.c--art.ch)

Satz: MarktTransparenz Uwe Giese, Berlin

Alle Rechte vorbehalten

All rights reserved. No part of this book may be reproduced or transmitted in any form or by any means, electronic or mechanical, including photocopying, recording or by any information storage and retrieval system, without permission in writing from the publisher.

EPUB-ISBN 978-3-89797-518-7

eBook-Herstellung und Auslieferung: Brockhaus Commission, Kornwestheimwww.brocom.de

Inhalt

Zur ReiheEHP-Organisation

Vorwort

1. Kapitel: Was ist Helfen?

2. Kapitel: Ökonomie und Theater – Das Wesen der Beziehung

3. Kapitel: Ungleichgewicht und Uneindeutigkeit in der helfenden Beziehung

4. Kapitel: Helfen als Theater – Drei verschiedene Helferrollen

5. Kapitel: Zurückhaltende Befragung – Der Schlüssel zum Aufbau einer dauerhaften helfenden Beziehung

6. Kapitel: Den Frageprozess anwenden

7. Kapitel: Teamarbeit als ständige wechselseitige Hilfe

8. Kapitel: Hilfe für Führungskräfte und Organisationen

9. Kapitel: Prinzipien und Tipps

Literatur

Statt eines Nachwortes: Die Grundlagen von Organisationsentwicklung, Beratung und die Rolle von Edgar H. Schein(Gerhard Fatzer)

Für meine Frau Mary,

die mir alles beigebracht hat,

was ich über Helfen weiß

Zur ReiheEHP-Organisation

Seit 1988 Ed Nevis’ Organisationsberatung erschien, stellt die Reihe erfolgreich wichtige Basistexte zum Bereich der Organisationsentwicklung und des Change Managements sowie neue, grundlegende Texte und Übersetzungen für den deutschsprachigen Leser vor. Dabei werden unterschiedliche Interventionsformen ausführlich dargestellt, um zur Entwicklung einer Beratungswissenschaft jenseits der reinen Technikorientierung beizutragen. Die Reihe widmet sich besonders dem interkulturellen Austausch zwischen Europa, Amerika und anderen Kulturräumen.

EHP-Organisation stellt sowohl Diskussionsgrundlagen und Denkfiguren im Bereich der OE für das 3. Jahrtausend als auch historische Grundlagen der OE in ihrer Aktualität bereit. Anliegen war es stets, eine Reihe mit sorgfältig ausgewählten Titeln zu entwickeln, inspiriert durch die amerikanischen Kollegen und langjährige Wegbegleiter Chris Argyris, Edgar H. Schein, Fred Massarik, Ed Nevis, Warren Bennis und die Kollegen um Peter Senge am M.I.T., aus deren Kreis sich auch die Consulting Editors von EHP-Organisation rekrutieren.

Der verantwortliche Herausgeber der Reihe stellte mit Supervision und Beratung die Grundlagen von Supervision und Organisationsberatung umfassend dar, und mit der mittlerweile 11. Auflage ist es eines der erfolgreichsten Handbücher des Feldes. Ergänzend dazu erschien Gute Beratung von Organisationen – Supervision und Beratung 2.

Die Trias-Kompasse bilden Trends und Diskussionslinien ab und ermöglichen eine Orientierung im Feld der Organisationen und unterschiedlicher Beratungsformen (Bd. 1: Erfolgsfaktoren von Veränderungsprozessen, Bd. 2: Schulentwicklung als Organisationsentwicklung, Bd. 3: Zur Bedeutung von Kurt Lewin, Bd. 4: Nachhaltige Transformation in Organisationen).

Organisationsentwicklung für die Zukunft, eine breite Darstellung der Grundlagen der lernenden Organisation von Peter Senge u.a., stellte diese ebenso zum ersten Mal im deutschen Sprachraum vor wie die Texte von Chris Argyris zur »eingeübten Inkompetenz« und zu »defensiven Routinen«.

Neben internationalen Autoren publizieren wichtige deutschsprachige Autorinnen und Autoren in der Reihe wie zum Beispiel der Aufsehen erregende Band einer Gruppe um die VW-Coaching-Abteilung (Der Beginn von Coachingprozessen), dessen Autorinnen und Autoren Billmeier, Kaul, Kramer, Krapoth, Lauterbach und Rappe-Giesecke aus der sorgfältigen gemeinsamen Analyse von Einzelfällen Qualitätsstandards für das Coaching entwickeln.

Zum ersten Mal stellte Wolfgang Loos kritische Fragen an den Coaching-Begriff, als der große Hype um den Begriffim deutschsprachigen Raum noch gar nicht richtig gestartet war: Zusammen mit Kornelia Rappe-Giesecke und Gerhard Fatzer untersuchte Looss in dem Band Qualität und Leistung von Beratung die drei Beratungsmethoden Supervision, Organisationsentwicklung und Coaching.

Loos’ Klassiker Unter vier Augen: Coaching für Manager ist bis heute das wichtigste Buch zum Thema geblieben, stellt eine Einführung dar und blickt gleichzeitig hinter die Oberfläche des Begriffs und fragt kritisch, was Einzelberatung von Führungskräften zu leisten vermag.

Die Reihe orientiert sich nicht an Trends, und dort, wo die Professional Community der Berater, Coaches und Supervisoren ihre eigenen Grundlagen und Methoden nicht ausreichend berücksichtigt, sehen wir ein Ziel von EHP-Organisation darin, Einbahnstraßen der Wahrnehmung und kulturelle Ignoranz zu unterlaufen. Es kommen die Autorinnen und Autoren zu Wort, die diesen interkulturellen Dialog praktizieren und konzeptionell untermauern.

So wird mit dem Band von Fatzer/Jansen (Die Gruppe als Methode) die oft fehlende gruppendynamische Grundlage für die Beratung von Gruppen, Teams und Organisationen wieder zugänglich gemacht. Ein weiteres Beispiel ist die Monographie von Albert Koopman (Transcultural Management), die als erste ein erfolgreiches interkulturelles OE-Projekt in Südafrika dokumentierte und daraus ein breit anwendbares Modell der interkulturellen Beratung entwickelte. Das Buch von Barbara Heimannsberg und Christoph Schmidt-Lellek (Interkulturelle Beratung und Mediation) wendet die Grundlagen der Mediation auf den interkulturellen Bereich und auf die Organisationsentwicklung an. Zuletzt erschien dazu ein Buch, das dem Lebenswerk von Burkard Sievers gewidmet ist: Ahlers-Niemann / Beumer / Redding Mersky / Sievers: Organisationslandschaften, mit seiner breiten internationalen und multiprofessionellen Perspektive auf das wichtige Thema der destruktiven Prozesse in Organisationen.

Eine der wichtigen Interventionsformen, die EHP-Organisation (wie übrigens auch andere Veröffentlichungen im selben Verlag) besonders berücksichtigt, ist ›Dialog‹ als Methode: William Isaacs (Dialog als Kunst gemeinsam zu denken) und der Band von Christoph Mandl, Markus Hauser und Hanna Mandl (Die schöpferische Besprechung) haben hier im deutschsprachigen Raum Qualitätsstandards gesetzt.

Die Autoren sind übrigens ebenfalls Beiträger der Zeitschrift Profile. Internationale Zeitschrift für Veränderung, Lernen, Dialog / International Journal for Change, Learning, Dialogue, die mit ihrem Anliegen, das Verständnis von Menschen, Teams und Organisationen zu fördern, die Reihe EHP-Organisation ergänzt.

Die Arbeit von Ed Schein stand von Anfang an im Zentrum des publizistischen Auftrags von EHP-Organisation. Zahlreiche seiner Aufsätze erschienen früh in den Sammelbänden der Reihe und hier liegen seine Grundlagentexte in Übersetzungen vor. Sein Klassiker Prozessberatung für die Organisation der Zukunft ist einer der erfolgreichsten Bände der Reihe. Der Referenzcharakter von Scheins Büchern wird auch im provozierenden Buch Organisationskultur(›The Ed Schein Corporate Culture Survival Guide‹) unter Beweis gestellt. Seine Fähigkeit, auf lesbare Art komplexe Organisationszusammenhänge zu vermitteln, macht die Lerngeschichte von Digital Equipment Corporation auch zu einem Lektüregenuss (Aufstieg und Fall von Digital Equipment Corporation. DEC ist tot, lang lebe DEC).

Mit seinem Buch Führung und Veränderungsmanagement liegt ein Band vor, der so noch nicht in Englisch erschienen ist und den wir durch eine DVD mit seiner überzeugenden Züricher Rede von 2006 ergänzen.

Scheins hier vorliegendes neues Buch Prozess und Philosophie des Helfens stellt ausführlich eine der Grundkompetenzen von Managern und Beratern vor, die bisher aus dem Fokus geraten ist, die aber in Scheins Konzept der Prozessberatung von entscheidender Funktion ist: das Helfen.

Herausgeber, Autoren und Verlag möchten Sie als Leser einladen, das vorliegende Buch und die gesamte Reihe als Möglichkeit zum Dialog innerhalb der globalen Professional Community zu verstehen.

Gerhard Fatzer

Vorwort

Helfen ist eine grundlegende menschliche Eigenschaft : Eine Mutter stillt ihr Baby; die Geliebte, ein Freund oder Ehepartner helfen mir, etwas in Gang zu bringen; in einer Gruppe spielen die einzelnen Mitglieder ihre Rolle beim Erreichen des gemeinsamen Zieles; der Therapeut hilft einem Patienten, der Coach und der Organisationsberater unterstützen Einzelne oder Organisationen bei der Verbesserung ihrer Funktionen. Die grundlegende Beziehung zwischen Helfer und Hilfesuchendem sorgt dafür, dass es weitergeht. Im Alltag gilt Hilfe als so selbstverständlich, dass wir das Wort häufig nur dann in den Mund nehmen, wenn jemand in einer Situation, in der Hilfe selbstverständlich hätte sein sollen, »nicht behilflich« war. Aber über die emotionale Dynamik dieser Beziehung wissen wir paradoxerweise trotzdem relativ wenig.

Über formale Hilfe durch Psychotherapeuten, Sozialarbeiter und andere Angehörige der helfenden Berufe ist viel geschrieben worden, aber wir wissen wenig darüber, was schiefgegangen ist, wenn der Versuch, einem Freund zu helfen, grob zurückgewiesen wird. Wie ist es möglich, dass jemand, der ins Wasser gesprungen ist, um einem Ertrinkenden zu helfen, sich vor Gericht wiederfindet, weil er dem Geretteten bei seinem Rettungsversuch die Schulter ausgerenkt hat? Warum landen so viele der Berichte, die Berater für das Management schreiben, im Papierkorb? Warum klagen so viele Ärzte, die Patienten nähmen die verschriebenen Medikamente einfach nicht?

Formale Hilfe, das lehren Intuition und Erfahrung, erfordert ein gewisses Maß an Verständnis und Vertrauen zwischen Helfer und »Klient«, wie ich die Person nenne, die Hilfe sucht. Verständnis ist nötig, damit der Helfer weiß, wann und welche Hilfe er anbieten sollte. Vertrauen ist nötig, damit der Klient sein wahres Problem benennen, die angebotene Hilfe akzeptieren und die Lösung umsetzen kann, die sich im das Gespräch mit dem Helfer abzeichnet.

Die psychotherapeutische Literatur widmet dem Aufbau dieses Vertrauen viel Aufmerksamkeit, aber in der alltäglichen Routine des Helfens und Hilfe Annehmens ist unklar, wie man es aufb aut, wie man erkennt, dass es vorhanden ist, und wie man es aufrecht erhält. Dazu kommt, dass die meisten helfenden Situationen im Alltag unerwartet auftauchen und zeitlich begrenzt sind. Die Frau, die ihrem Mann helfen soll, den richtigen Anzug für das entscheidende Gespräch mit dem Chef auszusuchen, setzt sich ja nicht mit ihm zu einer Besprechung zusammen, wie sie ein Therapeut beim Erstgespräch führt. Wer einem Blinden Hilfe beim Überqueren der gefährlichen Kreuzung anbietet, denkt nicht über den Aufb au einer vertrauensvollen Beziehung nach, bevor er seinen Arm ergreift und mit ihm losgeht. Und selbst dann kann es passieren, dass der Blinde »Nein, danke« sagt und sich allein auf den Weg macht. Dann steht man da und fragt sich, ob man ihn beleidigt hat und ob die Ablehnung der Hilfe unnötige Gefahren für ihn mit sich bringt. Wie könnte man es herausfinden?

Eine allgemeine Theorie des Helfens ist nur dann sinnvoll, wenn sie den Unterschied zwischen effizienter und ineffizienter Hilfe in allen, auch den einfachsten Situationen erklären kann, etwa, wenn jemand nach dem Weg fragt. Um die Elemente einer solchen Theorie zu entwickeln, muss man die einzelnen Beziehungen analysieren und klären, was man unter Vertrauen versteht.

An Anfang steht die These, dass es bei allen menschlichen Beziehungen um Positionierung, Status und »Situationsangemessenheit«, geht, wie es die Soziologen nennen. Es ist menschlich, den Rang einnehmen zu wollen, der einem in den eigenen Augen gebührt, egal, ob hoch oder niedrig, und jeder will sich so verhalten, wie es in der Situation angemessen ist. Wir wollen besser oder zumindest genauso gut sein wie der andere und beurteilen alle Interaktionen danach, was wir dadurch gewinnen oder verlieren. Eine erfolgreiche Interaktion, das Gefühl, etwas erreicht zu haben, ist Ergebnis eines dem Ziel angemessenen Handelns. Im Idealfall ist das Ziel eins, bei dem alle Beteiligten gewinnen können.

Die helfende Situation zeichnet sich dadurch aus, dass man bewusst versucht, einem anderen zu helfen, seine Ziele zu erreichen. In der helfenden Beziehung werden Zeit, Gefühle, Ideen und Dinge investiert und deshalb wird eine Gegenleistung, und sei es nur ein Dank, erwartet. Geht alles gut, haben beide an Status gewonnen. Leider geht es oft nicht gut, und dann riskieren wir, Status zu verlieren – weil wir nicht geholfen haben, wo Hilfe angebracht gewesen wäre, weil wir Hilfe dort angeboten haben, wo sie nicht gebraucht oder gewünscht war, weil wir falsch oder nicht lange genug geholfen haben.

In diesem Buch analysiere ich die Dynamik der helfenden Beziehung, erkläre die Bedeutung des Vertrauens und erläutere, was jeder potentielle Helfer wissen muss, um tatsächlich helfen zu können, und was jeder Hilfesuchende tun kann, um den Prozess zu fördern. Ich glaube mittlerweile, dass die soziale und psychische Dynamik des Helfens immer die gleiche ist, ob es darum geht, jemandem den Weg zu erklären, eine Führungskraft zu coachen oder einen kranken Ehepartner zu pflegen. Deshalb stelle ich zahlreiche Beispiele aus meiner persönlichen und beruflichen Erfahrung vor. Geholfen wurde mir in der Psychotherapie, durch Tennisstunden und auf zahllose andere Weise. Geholfen habe ich als Ehemann, als Vater von drei Kindern und Großvater von sieben Enkeln, als Lehrer, als Berater von einzelnen Klienten und von Organisationen und als jahrelanger Pfleger meiner an Brustkrebs erkrankten Frau. Erst wenn man die Ähnlichkeiten all dieser verschiedenen Situationen erkennt, kann man eine umfassende Theorie des Helfens entwickeln.

Intellektuelle Wurzeln und der Aufbau des Buches

Dieses Buch ist eher ein Essay als eine wissenschaftliche Abhandlung. Dank meiner Ausbildung am Harvard Department of Social Relations habe ich mich viel mit Soziologie und Anthropologie beschäftigt, zwei Disziplinen, die nach meiner Meinung in unseren sozialen und psychologischen Analysen gesellschaft licher Phänomene eine zu geringe Rolle gespielt haben. Vor allem die Chicagoer Schule ist bei der Analyse des Helfens wichtig. Erving Goffman (1959, 1963, 1967) hat den dort von Cooley (1922), Mead (1934), Hughes (1958 und Blumer 1971) formulierten Ansatz des »symbolischen Interaktionismus« durch seine höchst aufschlussreichen Mikroanalysen des Sozialverhaltens auf brillante Weise weiterentwickelt. Mit Goffman habe ich am Walter Reed Institute of Research, wo er von 1953 bis 1956 als Berater tätig war, eng zusammengearbeitet und mich auch in der Zusammenarbeit mit dem Soziologen John van Maanen (1979) darauf konzentriert.

Weitere wesentliche Erkenntnisse verdanke ich meiner jahrzehntelangen Arbeit am National Training Lab (Bradford 1974; Schein & Bennis 1965), wo ich Encountergruppen leitete und an der Entwicklung des Lernlabors in Bethel, Maine, mitarbeitete. Diese Forschergeneration hatte neben dem großen persönlichen Gewinn, den die Gruppenarbeit brachte, auch einen enormen Einfluss auf Gruppendynamik und Führung. Besonders erwähnt seien Doug McGregor, Lee Bradford, Ken Benne, Ro und Gordon Lippitt, Herbert Shepard, Warren Bennis, Jack Gibb, Chrys Argyris, Edie und Charlie Seashore und Dick Beckhard.

In der Arbeit mit dieser Gruppe und den gemeinsam entwickelten Workshops standen die interpersonalen Prozesse im Mittelpunkt. Die Konzentration auf den Prozess und den symbolischen Interaktionismus half mir bei der Entwicklung meines eigenen Beratungsstils, der Prozessberatung (Schein 1969, 1999), und durch meine umfassende Erfahrung in der Beratung habe ich gelernt, dass Helfen nicht nur ein wichtiger Bestandteil der Organisationsberatung, sondern ein zentraler sozialer Prozess ist, der der Analyse bedarf.

Dieses Buch fasst Erfahrungen, mit denen wir alle vertraut sind, in Begriffe. Da es sich nicht um ein wissenschaftliches Werk handelt, habe ich mich nicht bemüht, die gesamte Literatur zu diesem Thema darzustellen. Es geht mir um praktische Erkenntnis, darum, Helfen und die dazu nötigen Fähigkeiten zu verstehen. Der Leser sollte wissen, dass sich heute die meisten Analysen von Helfen, Coaching und Beratung auf die psychologischen Faktoren konzentrieren, etwa Temperament und Persönlichkeit. So wichtig das auch ist, so ist es meiner Meinung nach für das Verständnis der helfenden Beziehung entscheidend, sie aus kultureller und soziologischer Perspektive zu betrachten.

Der Humorist Stephen Potter (1950, 1951) kannte die Regeln der sozialen Interaktion sehr genau und hat satirisch beschrieben, wie man mit diesen Regeln Status gewinnt und Konkurrenten aus dem Feld schlägt. Die Beispiele, die er in seinen Büchern bringt, mögen Karikaturen sein, spiegeln aber erkennbar die ständigen Beobachtungen in unserer Umgebung. Und es ist kein Zufall, dass diese Form des Bluffens heute sprichwörtlich geworden ist, zeigt sie doch, dass Statusrituale universell benutzt werden, um soziale Ziele zu erreichen.

Da Helfen eine besondere Form der Beziehung ist, muss man auch seine besonderen Merkmale berücksichtigen. Anregung dazu verdanke ich auch den bahnbrechenden Arbeiten von Ellen Langer, insbesondere ihrem Buch Mindfulness (1989), das aus der Innensicht erklärt, was Goffman so effektiv auf der interpersonalen Ebene untersucht hat.

Natürlich hat meine Grundthese, dass ein Teil des sozialen Lebens Wirtschaft und der andere Teil Theater ist, eine lange Tradition in Wissenschaft und Philosophie. Es gibt nicht viele kulturelle Universalien, aber in allen Gesellschaften, darin ist sich die Anthropologie einig, gibt es Schichten, und alles soziale Verhalten ist reziprok. Auf diese beiden soziologischen und anthropologischen Prämissen stütze ich meine Beobachtungen und Thesen zum helfenden Prozess. Sie ermöglichen durch ihren etwas anderen Blick auf soziale Interaktionen und auf die Rolle des Helfens im Alltag ein besseres Verständnis.

Im ersten Kapitel betrachte ich die vielen Formen des Helfens, die einen Eindruck davon geben, wie umfassend der Begriffist. Das zweite Kapitel zeigt, dass man über die Sprache und Bilderwelt von Wirtschaft und Theater die Grundlagen aller menschlichen Beziehungen besser verstehen kann. Im 3. Kapitel beziehe ich diese Begriffe auf die helfende Beziehung und stelle die These auf, dass all diese Beziehungen zunächst unausgeglichen und vieldeutig sind. Das vierte Kapitel beschreibt drei verschiedene Helferrollen und erläutert die Notwendigkeit, die helfende Beziehung stets mit Prozessberatung zu beginnen. Die Einleitung der helfenden Beziehung durch zurückhaltende Befragung wird im fünften Kapitel erläutert; im sechsten finden sich ausführliche Beispiele. Im siebten und achten Kapitel schließlich werden anhand dieses Modells des Helfens einige wesentliche Aspekte von Teamarbeit, Führung und Veränderungsmanagement in Organisationen beleuchtet. Kapitel 9 fasst Prinzipien und Tipps für zukünftige Helfer zusammen.

Danksagung

Viele Freunde und Kollegen haben die Kapitel dieses Buchs in allen Stadien der Bearbeitung gelesen. Das war eine große Hilfe und hat mich dazu gebracht, einiges neu zu überdenken. Mein besonderer Dank geht an Otto Scharmer, Lotte Bailyn, John van Maanen, David Coghlan, Sue Lotz, Mary Jane Kornacki und vor allem an die Lektoren von Berrett-Koehler für ihr ausführliches Feedback. John Gallos und Michael Arthur haben das fertige Manuskript gelesen und mir damit zu einer weiteren Klärung verholfen.

Während ich an diesem Buch arbeitete, ist meine Frau gestorben. Die letzten sechs Monate ihres 25-jährigen Kampfs gegen den Krebs haben mir viele Anstöße zum Nachdenken über Helfen und Pflege gegeben. Ich danke ihr posthum für die 52 wunderbaren Jahre, die wir zusammen verbracht haben, und für die kreative häusliche Atmosphäre, die mir das Schreiben zur Freude statt zur Pflicht gemacht hat.

Edgar H. Schein, Cambridge, MA.

1. Kapitel

Was ist Helfen?*

Hilfreiches und nicht hilfreiches Helfen

Helfen ist ein komplexes Phänomen: Manchmal hilft es, manchmal nicht. Die Unterschiede will ich in diesem Buch herausarbeiten. In meiner beruflichen Laufbahn als Professor und gelegentlicher Berater habe ich oft darüber nachgedacht, was hilft und was nicht, warum manche Seminare gut laufen und andere nicht, warum Coaching und Erfahrungslernen oft erfolgreicher sind als Vorträge und warum es bei der Arbeit mit Klienten aus dem Organisationsbereich besser ist, sich auf die Inhalte statt auf die Prozesse zu konzentrieren, also nicht auf die Frage, was getan, sondern wie es getan wird. In diesem Buch will ich dem Leser die Einsicht vermitteln, die nötig ist, um dort, wo Hilfe gefordert ist oder um Hilfe gebeten wird, tatsächlich zu helfen, und sie dort, wo sie gebraucht und angeboten wird, auch anzunehmen. Beides ist meist schwieriger, als man glaubt.

Vor ein paar Tagen zum Beispiel bat mich ein Freund um Rat, der Probleme mit seiner Frau hatte, aber als ich ihm Vorschläge machte, meinte er unwirsch, das habe er alles schon versucht, und implizierte zudem, solche Vorschläge könne nur ein ausgesprochen unsensibler Mensch machen. Das erinnerte mich an viele ähnliche Erfahrungen, bei denen die Bitte um oder das Angebot von Hilfe erfolglos geblieben war und Unbehagen hinterlassen hatte.

Dann fiel mir ein Beispiel für erfolgreiche Hilfe ein: Eine Frau im Auto hatte mich nach dem Weg zur Autobahn gefragt. Ich fragte, wohin sie denn wolle, und erfuhr, dass sie in die Bostoner Innenstadt wollte. Als ich ihr sagte, dass die Straße, auf der wir waren, direkt in die Innenstadt führe und sie die Autobahn gar nicht brauche, bedankte sie sich sehr herzlich, weil ich sie nicht zu der Autobahn geschickt hatte, nach der sie gefragt hatte.

Nach meiner Erfahrung bleibt Hilfe, ob erbeten oder angeboten, besonders häufig bei Computerproblemen nutzlos. Wenn ich bei einer Hotline anrufe, verstehe ich meist nicht einmal die diagnostischen Fragen, mit denen die Helfer herausfinden wollen, wie sie mir helfen können. Will mich ein Computerfachmann Schritt für Schritt durch ein Problem führen, fällt es mir schwer zu sagen: »Halt! Ich habe den ersten Schritt noch gar nicht verstanden.« Ein Computerlehrer allerdings hat mich zuerst gefragt, wofür ich meinen Computer vor allem benutzen wolle, und als ich ihm sagte, ich brauche ihn hauptsächlich zum Schreiben, hat er mir alle Programme und Hilfsmittel erklärt, die das Schreiben erleichtern. Das war hilfreich. Wenn ich aber meiner Frau beim Computer helfen soll, mache auch ich immer wieder denselben Fehler: Ich sage ihr, was ich tun würde, sie fühlt sich überfordert, und am Ende sind wir beide frustriert.

Freunde, Lektoren, Berater, Lehrer und Coachs haben oft Vorschläge gemacht und Tipps gegeben, die für mein jeweiliges Problem irrelevant waren. Und wenn ich diese dann so freundlich wie möglich ignorierte, machten mich die selbsternannten Helfer in irritiertem Ton darauf aufmerksam, sie hätten mir ja nur helfen wollen, und unterstellten damit, es sei meine Schuld, wenn ich ihre Hilfe nicht annehmen könne.

Eine meiner Töchter bat mich einmal um Hilfe bei einer Mathematikaufgabe. Ich unterbrach meine Arbeit, löste ihr Problem – und dann ging sie schmollend weg, ohne sich auch nur zu bedanken. Was hatte ich falsch gemacht? Als dann eine andere Tochter Hilfe bei einer Hausaufgabe wollte, sagte ich: »Erzähl doch mal …« Dabei stellte sich heraus, dass sie über ein schwieriges soziales Problem an der Schule reden wollte, das mit der Hausaufgabe gar nichts zu tun hatte. Es war ein gutes Gespräch, und hinterher ging es uns beiden besser.

Ärzte, Therapeuten, Sozialarbeiter und Berater aller Art wissen aus Erfahrung, dass Hilfe trotz bester Absichten fehlschlagen kann. Als Consultant und Karrierecoach für Manager in den verschiedensten Organisationen habe ich oft Lösungen für die vorgetragenen Probleme gefunden, nur um später festzustellen, dass mein Rat nicht funktioniert hatte und der Klient meinen Vorschlag nicht umsetzen konnte oder wollte. Und in der Supervision ist es mir oft genug passiert, dass man sich für Interventionen, die auf dysfunktionales Verhalten in der Gruppe zielten, herzlich bedankte, ohne dass sich das Verhalten veränderte.

Hilfe beschränkt sich natürlich nicht auf die Interaktion zwischen Einzelpersonen. Wenn Gruppen- und Teamarbeit ihre Ziele erreichen soll, müssen die Mitglieder ihre Rollen richtig spielen. In der Regel definiert man ein effektives Team nicht unbedingt als Gruppe von Menschen, die in der Lage sind, sich gegenseitig in angemessener Weise zu helfen. Aber genau das ist gute Teamarbeit: erfolgreiche gegenseitige Hilfe. Interessanterweise redet man in der Teamarbeit immer nur dann von »Hilfe«, wenn sie fehlt, wenn also zum Beispiel ein Mitglied zu einem anderen sagt: »Was du da getan hast, war nicht hilfreich«, oder: »Warum hast du mir nicht geholfen?«

Wie man sich im Team hilft, kann man im amerikanischen Football sehen, wo der Ballträger nur durchkommt, wenn ihm die Linemen den Weg freihalten. Viele erfolgreiche Ballträger laden ihre Linemen nach einem gewonnen Spiel als Dank für die Unterstützung zum Essen ein. Und wenn ein Läufer hinter der Linie angegriffen wird, sieht jeder, dass Hilfe gefehlt hat.

Helfen und Hilfe annehmen ist also komplexer, als es auf den ersten Blick scheint. Dieser scheinbar so alltägliche und ausgesprochen notwendige Prozess steckt voller Schwierigkeiten und misslingt häufig. Dieses Buch geht von der Voraussetzung aus, dass Helfen ein wichtiger, aber komplizierter Prozess ist. Es beschäftigt sich mit der Frage, was es wirklich bedeutet, zu helfen oder Hilfe anzunehmen, welche psychologischen, sozialen und kulturellen Fallen sich in diesem Prozess verbergen und wie man sie vermeidet. Die oben angeführten Beispiele zeigen, dass Hilfe weit mehr umfasst als die professionelle Hilfe, die wir von Ärzten, Anwälten, Geistlichen und Sozialarbeitern erwarten. Worum also geht es und wie können wir dafür sorgen, dass Hilfe hilfreich ist?

Die vielfältigen Bedeutungen des Helfens

Helfen ist ein sehr allgemeiner Begriff; er reicht vom Ritter in schimmernder Rüstung, der die Jungfrau vor dem Drachen rettet, bis zum Consultant, der daran arbeitet, die Kultur einer Organisation so zu verändern, dass neue strategische Ziele erreicht und bessere Leistungen möglich werden. Aus der Klientenperspektive beschränkt sich Hilfe nicht nur auf das, was vereinbart wurde, sondern schließt auch das spontane und großzügige Verhalten von Menschen ein, die erkennen, wann Hilfe gebraucht wird, selbst wenn man nicht darum gebeten hat.

Helfen spielt in zahlreichen Situationen im Leben eine Rolle (s. Abb. 1), es geschieht ständig, ob formell oder informell, und viele der in Abbildung 1 beschriebenen Rollen müssen wir in verschiedenen Situationen selbst übernehmen. Geht man noch einen Schritt weiter, lässt sich sagen, dass Helfen Bestandteil jeder Form von organisierter Arbeit ist, denn Organisation bedeutet ja gerade, dass man die Arbeit nicht allein tun kann. Bezahlte Hilfe beschränkt sich keineswegs auf Dienstboten und Pfleger, sondern umfasst alle Angestellten in einer Organisation, die Aufgaben erfüllen, die man selbst nicht erfüllen kann. Entsprechend ist auch pflichtbewusste Arbeit eine Form der Hilfe. Denken Sie an die Spannungen zwischen Abteilungsleitern und Mitarbeitern, wenn letztere ihre Aufgaben nicht gewissenhaft erledigen oder ersterer ihnen die dazu nötige Zeit oder Ressourcen nicht zur Verfügung stellt. Zwischen Mitarbeitern und ihren Vorgesetzten gibt es so etwas wie einen psychologischen Vertrag über die Art der Hilfe, die sie von einander erwarten können.

Die Komplexität dieses Konzepts zeigt sich auch in den vielen verschiedenen Begriffen, die für das Helfen benutzt werden (s. Abb. 2). Haben diese helfenden Prozesse etwas gemeinsam? Gibt es eine grundlegende gemeinsame Bedeutung, die Helfer wie Klienten verstehen müssen, um die Qualität der Hilfe zu verbessern, ob sie nun angeboten, gegeben, erbeten oder angenommen wird? Muss man die vielen Formen des Helfens – physische Assistenz, emotionale Unterstützung, Information, Diagnose, Rat und Empfehlung – exakt voneinander abgrenzen? Worin liegen die Ähnlichkeiten bzw. Unterschiede?

Formelle und informelle Hilfe

Im Alltag versteht man unter Hilfe das Handeln einer Person, mit dem eine andere Person in die Lage versetzt wird, ein Problem zu lösen, etwas zu erreichen oder etwas leichter zu tun. Ob die Person, der geholfen wird, die Aufgabe auch allein bewältigt hätte oder nicht: Helfen impliziert, dass die Aufgabe in irgendeiner Weise erleichtert oder, im Extremfall, überhaupt getan wurde (etwa bei der Rettung eines Ertrinkenden). Helfen ist also die Basis für Kooperation, Kollaboration und Altruismus in all seinen Formen. Ich bezeichne diese Art der Hilfe als informell. Sie ist in allen Kulturen institutionalisiert und wird als selbstverständliche Grundlage einer zivilisierten Gesellschaft verstanden. Wahrscheinlich hat sie eine genetische Basis, weil helfendes Verhalten auch bei anderen Arten als dem Menschen nachgewiesen ist. Helfen gehört zu dem Bereich, den wir als Manieren, d.h. als Regeln zivilisierten Verhaltens und als ethisches und moralisches Handeln bezeichnen. Helfen ist eine ständige, alltägliche Routine. Und eine Bitte um oder ein Angebot zur Hilfe darf nicht ignoriert werden – man muss auf irgendeine Weise damit umgehen, denn sonst kommt es zu Rissen im sozialen Gefüge und zu peinlichen Situationen für alle Beteiligten.

Die nächste Ebene der Hilfe könnte man als halbformell bezeichnen. Das betrifft die unterschiedlichen Fachleute für Hilfen im Haus, beim Auto, beim Computer, bei audiovisuellen Geräten u.Ä. Hier wird Hilfe benötigt, damit etwas funktioniert; man ist persönlich nicht besonders beteiligt und zahlt für den Service oder die Information. In diesem Bereich macht man besonders viele frustrierende Erfahrungen, ob als Kunde oder als Helfer, denn wir gehen davon aus, dass Geräte leicht zu bedienen sein sollten, und sträuben uns gegen neue Begrifflichkeiten und Abläufe, etwa beim Computer.

Formelle Hilfe wird bei persönlichen, gesundheitlichen oder emotionalen Problemen gebraucht, bei denen medizinische, rechtliche oder geistige Unterstützung von Menschen benötigt wird, die dazu qualifiziert und approbiert sind. Wir gehen zu Ärzten, Anwälten, Priestern, Beratern, Sozialarbeitern, Psychologen und Psychiatern, um individuelle Unterstützung zu finden. Führungskräfte in Unternehmen und Organisationen lassen sich bei Leitungs- oder Leistungsproblemen beraten. Diese Hilfe ist ein professioneller und formeller Prozess, bei dem Verträge, Terminpläne und der Austausch von Geld oder anderen Wertgegenständen gegen Dienstleistungen eine Rolle spielen. Die meisten Untersuchungen über den Bereich des Helfens beschäftigen sich mit dieser formellen Ebene, obwohl informelle oder halbformelle Hilfen sehr viel häufiger sind und ihr Scheitern schwerwiegendere Folgen hat.

Wir werden untersuchen, ob sich diese formelle Hilfe von der alltäglichen informellen und halbformellen Hilfe unterscheidet. Was macht ausgebildete und approbierte Helfer erfolgreicher bzw. erfolgloser und was können wir von ihnen lernen, um Fertigkeiten in weniger formellen Settings zu verbessern? Genauso wichtig ist die Frage, was die professionellen Helfer von einer genaueren Untersuchung der Dynamik informeller oder halbformeller Hilfe lernen können.

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