PSEUDO Endstation - Roland Scheller - E-Book

PSEUDO Endstation E-Book

Roland Scheller

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Beschreibung

   Der dritte und letzte Teil der kieler Punkromantrilogie.    The Great Literature Swindle. Der große Literatur Betrug.   In gewohnter Weise kurze Kapitel, die Begebenheiten aus der Punk und Skinheadszene der 80er wiedergeben.   Klappentext PSEUDO Endstation Der dritte und letzte Teil der Kieler Punkromantrilogie. Es gibt wieder drei Hauptkapitel über die Punk-, Skinhead- und Post- Skinhead-Phase. Jede Phase ist mit einer Reihe von Unter- kapiteln illustriert, die die Kieler Szene in den 80ern beschreiben, auch wenn die Schlusskapitel Anfang der 90er in Berlin spielen. Die Themen sind wie gewohnt Punks, Skinheads, Straßenclubs, Jugendalkoholismus und Jugendkriminalität, Cops, Berlin-Trips und schlussendlich Tschernobyl. Alles frei nach dem Motto "bloß den Humor nicht verlieren". Wir diskutierten über das gewaltverherrlichende Potential von Uhrwerk Orange, ob die Droogs sogar Nazis seien. Dem wurde entgegengestellt "Dann hätten sie die Billyboy Droogs nicht fertig gemacht." 

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Roland Scheller

PSEUDO Endstation

Punkroman - Dritter Teil

BookRix GmbH & Co. KG81371 München

SYLT MUSS STERBEN

                               PSEUDO Endstation

 

                    Sylt Muss Sterben

 

 

 

I. Punk-Phase

...

 

 

Foto: Flyer, Einladung Party Alte Meierei '85

Schon wieder auf der Müllkippe

Das war Ende der 70er. Als in UK die großen 77er-Punkbands für Furore sorgten, spielten wir als Kinder auf der Mülldeponie, sogar auf den Bahngleisen neben der Deponie, an der Mole Stickenhörn und auf dem Abbi Abenteuerspielplatz. Wir brauchten Abwechslung.

      Wir liefen Hunderte von Metern die Gleise entlang von der Fördestraßenbrücke bis zum Müllplatz Schusterkrug, manchmal auch in die andere Richtung bis zum Reitparkur Dreikronen. Mal liefen wir wie auf dem Schwebebalken die Schienen entlang, mal Schritt für Schritt von Holzschwelle zu Holzschwelle. Wir checkten, dass wir mit den Bonanzarädern zwischen den Schienen fahren konnten. Das brachte 10 bis 20 Meter Spaß. Danach wurde es anstrengend.

      Wir planten Mutproben, die wir nie umsetzten, uns längs zwischen die Schienen zu legen und den Zug über uns fahren zu lassen. Oder jemand legte sich auf die Gleise und durfte erst weglaufen, wenn der Zug gefährlich nah dran war. Wir legten ein Ohr aufs Gleis, da jemand erzählte, wir könnten an den Vibrationen nahende Züge erkennen, wenn sie noch nicht einmal zu hören oder zu sehen waren. Wir versuchten auf langsam fahrende Züge aufzuspringen. Jedes Mal war der Schrottplatz das Ausflugsziel. Auf dem Rückweg waren wir ausgetobt.

      Sobald wir auf dem Schrotter eintrafen, suchten wir uns Ramscherhaken, unser tägliches Werkzeug. Da Malereibetriebe offensichtlich ihren Dreck hier wegkippten, waren immer reichlich Farbrollen zu finden, ursprünglich das Gestell von kleinen Farbwalzen, von denen die Rolle abgezogen wurde. Sie bestanden aus einem Plastikgriff, einer dünnen Stange, die aus dem Griff ragte, sowie eine winklig abgebogene Achse, auf der die Farbwalze aufgesteckt war. Die Ramscherhaken waren bestens geeignet, um damit im Müll rumzustechen. So ließ sich Schicht für Schicht die Oberfläche systematisch abtragen, um an tiefergelegenen Stellen im Müllberg nach Fundstücken zu suchen. Wenn ein Müllhaufen an der Oberfläche interessante Objekte preisgab, konnte es sich lohnen, mit dem Ramscherhaken tiefer vorzudringen. Mit bloßen Händen wühlten wir nur ungern. Das sahen selbst wir, die Kinder, ein. Das war zu dreckig und ungesund. Es sei denn, wir mussten große Objekte bewegen, an denen die Ramscherhaken scheiterten, sodass wir am Ende doch trotz aller Vorsicht mit den Giften in Kontakt kamen. Manchmal gab es Streit, wenn wir unsere Ramscherhaken verlegten oder wenn er dir von einem anderen Kind abgenommen wurde.

      „Das ist meiner!“

      „Nein, das ist mein Ramscher.“

Nach wenigen Minuten auf dem Schrottplatz hatten wir uns an den beißenden Gestank gewöhnt. Wir nahmen erst wieder Gerüche wahr, wenn sie extrem waren und an bestimmten Stellen akut auftraten. Die Nasenschleimhäute reagierten besonders auf ätzenden Chemikalien und verweste Tiere.

      Manchmal versteckten wir die Ramscherhaken im Gebüsch neben den Bahngleisen, wenn wir den Müllplatz verlassen wollten.

 

 

 

Foto: Luftbild ehemalige Mülldeponie Schusterkrug, heute dichtgekippt und überwuchert

Wir Onanieren gemeinsam auf dem Rückweg vom Schrottplatz

An diesem Nachmittag waren wir nach der Schule wieder auf der Mülldeponie Schusterkrug. Wie gewohnt trafen sich dort Kids aus dem ganzen Stadtteil, die den Müllplatz united wie einen Freizeitpark nutzten und nach Schätzen „ramschten“. Auf dem Rückweg ging es den Trampelpfad entlang in Richtung Roter Spielplatz, der ein paar Hundert Meter weiter in die Weststraße mündete. Einer von uns musste pinkeln, was eine Gruppendynamik auslöste. Wir blieben kurz stehen und gingen nach links durch das Gebüsch. Jetzt standen mehrere Kids an einem Strauch und pinkelten. Doch Rallek fing direkt nach dem Pinkeln an zu onanieren.

      „Ich wichs mir jetzt einen. Macht doch mit!“

Da gingen die anderen nach Abschluss des Pissens ebenso direkt zum Onanieren über. Jetzt standen mehrere Kids am Strauch und wixxten. Auch Kids, die ein paar Meter dahinter warteten, gingen jetzt zum Strauch und begannen sich einen zu keulen. Da sagte Rallek

      „Du musst immer weiter reiben, bis da etwas Weißes kommt.“       „Bei mir kommen nur Körner!“

rief Maurice.

Rallek entjungferte die Schwester des Pfefferminz-Türstehers im Keller des Wohnblocks im Wegnerring. Später war die Frau sogar mit einem Speedway-Weltmeister liiert. Rallek gewann jedes Weitpinkeln, es sei denn, dass A.K. dabei war. Ich hingegen hatte keine Chance.

      Jetzt standen wir ein paar Minuten am Gebüsch und schrubbten um die Wette, lachten währenddessen, weil es ein verbindendes Gruppenerlebnis war. Dies Feeling sollte uns erst ein paar Jahre später im UCK wieder zu Teil wurden.

      Wir kamen frisch von der Mülldeponie, auf der hochgiftige Abfälle lagen, hatten dreckige Finger und onanierten damit jetzt am Knick. War das noch gesund? Jeder blickte mal ruckartig zur Seite zum Wichsnachbarn, was der so anstellte. Einige tauschten sich über ihre Onaniertechniken aus, mit links wichsen, mit beiden Händen, Handrücken nach oben, nur mit Daumen und Zeigefinger. Einer griff sich mit dem rechten Arm von hinten um den rechten Oberschenkel, um nach vorne gebeugt den Fohtoss zu wienern.

      „Das kannst du auch mit links machen!“

Einer ging etwas in Rückenlage, hockte dabei leicht und brachte die Knie nach vorn. Der nächste beugte sich mit Rundrücken weit nach vorne. Ein anderer zog die Schultern hoch und knickte den Kopf ganz nach vorn. Vorsichtig wurde nach hinten über die Schulter gelinst, ob Spaziergänger oder Spanner vorbeiliefen. Plötzlich schrie einer

      „Da kommt jemand!“

Alle drehten sich erschrocken um, onanierten aber vorsichtig weiter. Fehlalarm. Niemand war zu sehen. Schließlich packte der erste ein. Es war erneut Rallek.

      „Normal spritzt das. Hat mein großer Bruder erzählt.“

      „Bei mir ist überall Eichelkäse.“

      „Bei mir sind richtig kleine Flocken.“

      „Kuck mal, bei mir kommen Körner.“

      „Äh, das stinkt.“

In dem Alter hatten wir noch nicht mal die erste Zigarette geraucht.

      Sehr gerne tauschten wie uns über die unterschiedlichsten Begriffe fürs Onanieren aus, als da wären:

 

beflecken in die Hand fröscheln

einen runterholen

abwanken (von to wank)

wanken

den Willi wanken

sich (selbst) befriedigen

yockeln einen juckeln

wichsen abwichsen wixxen

onanieren

ornanieren abonanieren masturbieren Hand anlegen

Handmaschine sich einen von der Palme wedeln

die Palme wedeln die Palme schrubben selbst beglücken sich einen ziehen sich einen striegeln kleine Sünde begehen fünf gegen Willi abkolben ablaichen abmelken einen schütteln einen keulen Keulemanns machen den Ast hacken sich den Ast reiben den Delfin lackieren den Dolch schärfen den Hahn würgen den Willi würgen den Lurch würgen die Nudel würgen einen wienern einen schleudern einen rubbeln einen schrubben den Aal abziehen den Kaspar schnäutzen die Wurst pellen sich einen schlackern es sich besorgen es sich selbst machen den Knochen häuten den Lachs buttern die Banane schwingen die Glatze mit der Mütze polieren Mütze-Glatze machen das Rohr freipumpen Eigenhandentspannung einhandsegeln selbsthandbefummeln entsamen seinen eumeln einen hobeln fappieren in die Faust jauchen die Gurke schälen den Lümmel auskneten die Flinte polieren

 

 

Foto: T-Shirt Liste Vinyl Boogie

Hundescheiße über all(es)

„Mein Cousin (R.i.p.) war ein Paradebeispiel für notorischen „Punker-Hass“ bei Rockern. Das legte sich erst Mitte der 80er als Oma starb. Dabei fing alles so peacig an.“

 

1980/81 war ein megakrasses Silvester. Zu der Zeit war Leuchtmunition in Mode, mit der Patronen in die Luft geschossen wurden, die mit hellrot-glühendem Leuchtstoff an einem Fallschirm langsam zu Boden segelten. Wir waren scharf auf die kleinen seidenen Fallschirme, die überall herumlagen mit dem runtergebrannten Rest der Leuchtmunition. Manchmal konnten wir das restliche Pulver extrahieren und entzünden. Wer aus wenigen Metern in die Stichflamme schaute, war minutenlang geblendet und hatte dunkle Flecken auf der Netzhaut. Wir wussten gar nicht, wie die Munition abgeschossen wurde, ob mit einer Pistole oder wie auch immer. Jedenfalls leuchtete der Nachthimmel von dem Leuchtstoff hellrot. Wir fragten uns, wie sie an diese Leuchtmunition rankamen, und ob es die zu Silvester in den Kasernen gratis gab. Wir fragten uns, wie wir Kids an diese Munition herankommen könnten, und was die wohl kosten mochte. Nach Silvester hatte jeder von uns bestimmt 5 bis 10 dieser Mini-Fallschirme auf Tasche, die wir aufbewahrten, und damit später auf dem Abbi spielten. Wir tauschten sie untereinander, banden daran Gegenstände fest, warfen sie in die Luft und ließen sie zu Boden gleiten.

      Das Geknalle ging in diesem Jahr zu Silvester früh los. Wir hatten uns rechtzeitig mit Unmengen an Böllern eingedeckt, um das alte Jahr gebührend zu verabschieden und das neue angemessen zu begrüßen. Wir waren recht jung, kauften trotzdem Knaller, die nur an Volljährige herausgegeben werden durften. Das lief ähnlich wie mit Alkohol. Neben Knall-Fröschen, Heulern und Chinaböllern waren Matten sehr beliebt, die in verschiedenen Größen in den Regalen lagen, sogar beim Fahrradhändler. Mit den Matten konnten wir so richtig rumaasen, sie als Ganzes anzünden oder die einzelnen Miniböller auseinanderpuhlen. Es tat kaum weh, einen einzelnen Mattenböller zwischen den Fingerspitzen zu zünden, zumindest bei den kleinen Matten. Wir bewarfen uns damit oder konnten kleine Sprengungen vornehmen, sie in leere Dosen werfen, in Gullys, die Fußsohle auf die Knaller halten und viele weitere leichtsinnige Mutproben. Wir lernten einzelne Matten und Böller so ins Wasser zu werfen, sodass sie direkt auf der Oberfläche explodierten, damit das Wasser durch die Gegend spritzte. Die kleinen Matten knallten nicht laut. Sie gaben eher ein Peng oder Puff von sich.

      Am Silvestertag traf ich mich schon früh mit meinem Cousin Schurre, um gemeinsam zu knallen. Ich war gerade mal 13, mein Cousin vier Jahre älter. Wir trafen uns mit den Pöhl-Brüdern, die schräg gegenüber von Schurre wohnten, um auf dem Bürgersteig die ersten Knaller zu zünden. Wir mussten bloß aufpassen, dass vorbeifahrende Fahrzeuge nichts abbekamen. Ich stand hier als Punk in Spe zwischen den Rockern. Jeder von uns hatte ein oder zwei Feuerzeuge und die Taschen voll mit Böllern, Fröschen, Heulern und Matten. Jeder war mit den eigenen Knallern beschäftigt. Jeder musste aufpassen, dass in seinem Umkreis kein friendly fire explodierte.

      Die Häuser hier an der Straße, das der Pöhls, das von A.K. und von Krischner, hatten alle Mauern zum Bürgersteig hin, etwa einen Meter hoch, auf deren Oberkante die Rasenfläche anschloss. Vor der Mauer der Pöhls lag frische Hundekacke, die nicht fest und dunkelbraun war, sondern hellbraun und matschig. Es war wahrscheinlich der Angstschiss eines verängstigten Hundes, dem das Knallen auf die Nerven ging. Wir standen hier zu viert: die zwei Pöhls, Schurre und ich und warfen fleißig mit Knallern. Ich war mit Abstand der Jüngste und hauptsächlich mit den Minimattenböllern beschäftigt, hatte aber mein Pensum an China-Böllern auf Tasche. Die anderen zündeten vor allem China-Böller A, aber auch kleine und mittelgroße Matten.

      „Oh, du hast ja die mittleren Matten?“

Hin und wieder wurden Chinaböller D aus der Jackentasche gekramt, gezündet und erst im letzten Augenblick bei heruntergebrannter Lunte weggeworfen. Das wurde von den anderen aufmerksam beobachtet und mit Applaus quittiert. Wenn der Böller erst auf dem Boden explodierte und nicht in der Luft, warst du ein Dilettant.

      Jetzt standen wir in der Straße und knallten mit diesen roten Matten und grün-weißen Böllern. Plötzlich entdeckte Schurre den frischen Hundehaufen, der wohl erst am Morgen von einem Hund abgelassen wurde. Schurre griff sogleich in seine Jackentasche und holte eine Matte der mittleren Matten-Böller hervor. Er löste einen der roten Knaller aus der Charge, steckte die restliche Matte zurück in die Jackentasche und ging zielstrebig zum Hundeschiss. Während wir anderen drei anfingen zu kichern und blöde Kommentare abzugeben, steckte er den roten Knaller vorsichtig mit Zeigefinger und Daumen in den Haufen, ohne mit den Fingern die Scheiße zu berühren. Ganz vorsichtig wurde der rote Knaller mit dem Zeigefinger mehrmals angetippt, bis er fast ganz in der Scheiße steckte.

      „Da musst du aber schnell weglaufen!“

rief einer der Pöhl-Brüder.

      „Pass bloß auf!“

rief ich Schurre zu.

Schurre nahm das Feuerzeug, entzündete die Lunte und sprintete ein paar Meter weg vom Haufen, der unmittelbar vor der kleinen Mauer stinkend vor sich hindümpelte. Es war ohnehin rätselhaft, wie ein Hund so nahe an die Mauer schittern konnte. Alle glotzten den Haufen an, bis er mit einem platzpatronenähnlichen Peng explodierte. Wir hatten nicht mit dieser Sprengkraft gerechnet, versuchten uns im Moment der Explosion wegzuducken und zu schützen. Doch die Fetzen der Scheiße flogen in alle Richtungen. Wir schrieen

      „Äääh!“

und       „Iiih!“

und

      „Bäh!“

und       „Scheiße!“

und       „Igitt!“

Jeder von uns hatte kleine Scheißepartikel abbekommen. Wir liefen aufgeschreckt und entsetzt umher, musterten uns gegenseitig, um zu sehen, wo wir Scheißepartikel hängen hatten. Der jüngere Pöhl hatte ein Stück Scheiße an der Wange. Der ältere Pöhl hatte Scheiße in der blonden Vokuhila. Ich hatte Scheiße an der Jeanshose. Schurre hoffte zunächst, nichts abbekommen zu haben. Wir suchten nach weiteren Fetzen an der Kleidung und suchten uns gegenseitig ab, an Stellen, die wir selbst nicht überblicken konnten, so auch am Rücken. Plötzlich fand jemand an Schurres Kapuze ein hellbraunes Stück Scheiße.

      „Äääh, an der Kapuze hängt Scheiße.“

Er zog sofort die Jacke aus und brachte sie zu seiner Mutter in die Wäsche. Ich wischte die Scheiße von der Jeans mit einem Tempo ab, wechselte später dennoch die Hose. Später waren die Umrisse des Kackeflecks trotz mehrmaligen Waschens immer noch zu sehen. Wir hatten noch nie so gelacht wie an diesem Silvesternachmittag.

      In der Silvesternacht verschossen ortsansässige Hirnis wie gewohnt Leuchtmunition, die rot-glühend langsam an Fallschirmen niederschwebte. Phasenweise war der ganze Nachthimmel rot, besonders wenn mehrere Leuchtgranaten gleichzeitig mit einem roten Lichthof herabsegelten. Am Neujahrstag suchten wir die Mini-Fallschirme, die wir auf Wiesen, an Straßen, in Vorgärten und anderen Grundstücken finden konnten.

      „Die müssen ja vor Silvester ein ganzes Waffenarsenal mit Leuchtmunition leergeräumt haben.“

      Schurre hasste Punks, oder Punker, wie er sagte. Bloß bei mir wollte er nicht wahrhaben, dass ich etwas mit der Punkszene zu tun hatte, auch wenn er mich wahrscheinlich nie mit Nietenjacke sah, und wenn doch, vielleicht zufällig in der Bergstraße oder in der Innenstadt, beide volltrunken. Ausschließen kann ich das nicht. Mein Cousin gab sich nur mit Rockern ab. Später kamen ein paar komische Gestalten dazu, Hollie, Mützel, Ziegel und Diek. Das war sein Ende.

      Die Nachbarn meines Cousins auf der gegenüberliegenden Straßenseite fuhren als aktive Rocker leichte Motorräder. Aufgrund meines Alters und der Verwandschaft zu Schurre akzeptierten sie meine aufkommenden Punk-Eskapaden.

      „Das wird sich schon wieder einrenken.“

Nach diesem Silvester wurde mir langsam klar, dass ich mich ausklinken musste aus diesem Rockerwohnumfeld, da die Leute offensichtlich nur Scheiße im Kopf hatten. Doch zu allem Überdruss schenkte Großvater uns zwei Motorradhelme. Einmal nahm mein Cousin mich mit diesen Helmen auf dem Motorrad mit, um sie mal zu testen. Es kam mir gar nicht Spanisch vor, dass er ja gar keinen Führerschein besaß. Er hatte eine Sperre seit dem 17. Lebensjahr, da er als Jugendlicher ohne Lappen erwischt wurde – und das als KFZ-Mechaniker.

      Nicht unerwähnt bleiben soll Schurres Schlägerei mit den Punks auf der Kieler Woche ’81. Bereits am ersten Samstagnachmittag der Kieler Woche sah ich vom parkenden Passat meines Vaters vom Schwanenweg aus eine Reihe Punks, circa 15 Personen, vom Düsternbroker Weg den Fußweg zur Kiellinie runtergehen, schlacksig, aber schnellen Schrittes. Das sah bedrohlich aus. Ich bin mir sicher, dass einer der größtenteils im ‘77er-Stil und Schwarz gekleideten Punks eine schwere Eisenkette in den Händen trug. Im Nachhinein sah der aus wie Gonnrad, obwohl ich Gonnrad noch nicht persönlich kannte.

      Am Abend des besagten Tages zog Schurre mit seinen Rockerkumpels vom Motorradclub Toxavit auf die Kieler Woche. Sie trafen auf eine Gruppe Punks. Ich weiß nicht, ob das die Punks vom Nachmittag an der Kiellinie waren. Es kam zu bilateralen Spannungen zwischen Punks und Rockern. Darum ging es damals und um nichts anderes: Punks gegen Rocker. Schlussendlich kam es zu einer Schlägerei, bei der ein Punk meinem Cousin eine Eisenkette über den Kopf zog. Ich erfuhr das von meiner Tante, dass es da einen Vorfall gegeben hat. Schurre landete am besagten Abend stark betrunken und mit blutiger Stirn auf der Falckwache nahe dem Alten Mark. Ich weiß nicht, ob die Polizei bei der Schlägerei Punks gegen Rocker an der Kiellinie intervenierte und diese abbrach, und ob mein Cousin dort verhaftet wurde, oder ob die Polizei ihn später an anderer Stelle abgriff. Jedenfalls gab es auf der Wache Ärger mit Polizisten. Im weiteren Verlauf wurde er von den Schergen die Treppenstufen runtergeschubst. Das sollte er der Polizei bis an sein Lebensende nicht verzeihen. Dieser Konflikt wurde deshalb später so brisant, da meine Schwester mit einem Polizisten zusammenkam, der zu der Zeit des Vorfalls mit hoher Wahrscheinlichkeit auf der Falckwache beschäftigt war.

      Mein Cousin war 1981 in der Ostseehalle auf dem berüchtigten AC/DC-Konzert, oder Atze-Datze, wie Hecker sagte. Bei dem Mammuth-Konzert wurde ein Rocker auf den Rängen erstochen. Mein Cousin erzählte selbst Jahre später von diesem Konzert der Hell’s Bells Tour – nicht von dem Mord, sondern von der großen Glocke auf der Bühne, deren Glockenschläge ohrenbetäubende Geräusche erzeugten.

      Vom Bandnamen AC/DC leiteten wir später die Bezeichnung Acer ab. Acer war, ich wiederhole mich nur ungerne, ein abwertender Begriff für Leute, die AC/DC hörten. Diese Leute waren im Prinzip wie Teds, die Hardrock und Metal hörten, bloß verrohter und mit Acer-Matten oder Neudeutsch Vokuhila statt Tolle. Das Wort Acer ließ sich beliebig komponieren: Acer-Tucke für dicke Acer, Acer-Musik für Hardrock und Metal, Acer-Kneipe, Acer-Disco, Acer-Schweine, Fascho-Acer oder Acer-Faschos, Acer-Treffen, Acer-Methoden, Bullen-Acer, Acer-Braut. Schließlich gab es die Acer-Bank oder Acer-Reihe, womit die letzte Reihe im Bus gemeint ist.

      Als ich Schurre Jahre später über den Vorfall mit den Punks während der Kieler Woche befragte, war ich bereits selbst in der Punk-Szene. Er rekapitulierte in seiner Wohnung traumatisiert und voller Hass die Schlägerei mit dem „Punker-Pack“ auf dem Holstenbummel, als ihm einer der Punks die Eisenkette über den Kopf zog. Da war ich tief in meinem Inneren für die Punks. Für mich war das ein unglaublicher Konflikt, da ich, inzwischen selbst im Struggle, mich bei den Punks zu behaupten, mit der Rockerszene permanent Ärger hatte.

      Ich erhielt später einen weiteren Bericht aus der Szene über einen Holstenbummel Anfang der 80er, bin mir nicht sicher, ob es die Kieler Woche mit der Eisenkette war.

 

„1980 gab es ein großes Treffen zur Kieler Woche. Das Ganze endete, wie es enden musste. Viel Polizei, Steine, Plündern eines Ladens und ich bin mit einem anderen Punk aus der Wik in einen Keller geflüchtet. Viele wurden festgenommen und kamen abends wieder raus. Dann noch einmal Randale am Bahnhof, die Hamburger mussten ja den letzten Zug bekommen. Ich habe nur zugesehen und war doch leicht geschockt. Dann ab durch die Nacht nach Hause.“

 

(Augenzeugenbericht Üwe S., ehem. Sänger der Kieler Punkband Plüschtierf*cker)

 

Bei einigen Rockern rettete es mich, wenn sie wussten, dass Schurre mit mir verwandt war. Im Fußballverein schadete es mir eher seit dem Zeitpunkt, als bekannt wurde, dass Schurre auf Eitsch war. Ich schaffte es, ihn zu reaktivieren, und wir spielten eine Saison zusammen in der Dritten. Bis der Betreuer der Zweiten, Herr Heiltmann, ihn verunglimpfte

      „Was los Schurre, willst Du hier im Verein Deine Heroinspritzen verteilen?“

Da war der Frieden im Verein futsch.

Mein Cousin arbeitete kurz an der Kasse am Eingang zum Pfefferminz als Vertretung für den anderen Rocker aus Friedrichsort. Vielleicht machte er an diesem Abend zum ersten und letzten Mal Kasse. Er gab mir jedenfalls gratis einen Stempel auf den Handrücken. Bier konnte er nicht locker machen.

      Mein Vater ließ sich mehrmals von ihm den grünen Passat reparieren und speiste ihn mit ein paar Holsten Edel ab. Als er schließlich im Rockermilieu heiratete, sagte mein Vater

      „Dein Hochzeitsgeschenk bekommst Du zur Scheidung.“

Das fand ich entschieden zu hart und verurteilte es.

Trotzdem waren einige Aktionen, die mein Cousin brachte, zwar lustig, aber nicht tolerierbar und keineswegs zur Nachahmung geeignet. So beobachtete ich, wie er am späten Abend einen Nachwuchs-Rocker auf dessen Enduro stoppte. Das geschah auf der Liliencronstraße direkt vor der Bäckerei Bopahl. Er schubste den Jungrocker von der Maschine und stellte sich rechts neben den Lenker. Er gab Gas, ließ die Kupplung kommen, hielt währenddessen die Bremse blockiert. Als er die Bremse löste, hielt er für Bruchteile von Sekunden den Lenker fest, sodass das Hinterrad unter dem Vorderrad hindurchfuhr. Die Maschine hob ab wie im Trickfilm, drehte sich spiralförmig wie ein Windrad und kreiste meterweit durch die Luft. Am Ende der Flugbahn krachte die Maschine auf den Asphalt. Das wirkte horrorshowmäßig, wie ein Evil Knevel-Stunt, bloß ohne Fahrer. Der junge Rocker weinte, richtete seine beschädigte Maschine auf und schob sie zurück nach Hause. So hoch legte mein Cousin die Messlatte für Rockertum in Friedrichsort, vielleicht zu hoch. Das war in meinen Augen sogar Punkrock.

 Foto: Buttons an der Lederjacke

Großmutters Handtasche

Meine Großmutter war inzwischen das sechste oder siebte Mal bei der Führerscheinprüfung durchgefallen. Wir dachten schon, ihr Fahrlehrer ließ sie mit Absicht zappeln, um sie zu schröpfen. Jedenfalls war Großmutter sehr häufig zu Besuch bei meiner Mutter und bei meiner Tante, wo sie gemeinsam in der Wohnstube saßen und quatschten. Wenn Oma bei uns war, stellte sie ihre Handtasche im Flur ab. Mal stand die Handtasche vorne am Metallgitter, an dem die Jacken hingen, mal stand sie an der gegenüberliegenden Wand. Meistens lag sie jedoch auf dem Flur in Richtung Schlafzimmer zwischen Kellertreppe und Bad.

      Da ich immer häufiger mit der Punkszene trinken ging, auch unter der Woche, brauchte ich als Schüler das nötige Kleingeld für Alkohol und Zigaretten. Beim ersten Mal sollte es nur ein bisschen Kupfergeld sein, vielleicht 50 Pfennige, um genug Geld für eine Schachtel Zippen zu haben. Also schlich ich zu Omas Handtasche, während sie sich mit meiner Mutter in der Wohnstube unterhielt. Ich ging in die Hocke, öffnete die Handtasche, griff Omas Geldbörse, öffnete sie und schaute, wie viele Münzen darin waren. Ich nahm mir etwas Geld heraus. Da sich im Portmonee viele unterschiedliche Münzen befanden, achtete ich darauf, von jeder Münzsorte etwas zu nehmen, vor allem Pfennige, Fünfpfennigstücke und Groschen, sodass es nicht auffallen würde. Es war nicht viel Geld, und es sollte eine einmalige Aktion bleiben.

Doch mein Taschengeld reichte hinten und vorne nicht. Seitdem ich regelmäßig mit den Punks trinken ging, brauchte ich deutlich mehr für Sprit, trotz der Tatsache, dass ich manchmal Getränke aus dem Schnappskeller meines Vaters entwendete. Das war in meinen Augen kein Diebstahl.

Außerdem lag wieder eine Bestellung bei Vinyl Boogie an, wo ich ein paar Pogo-Platten ordern wollte. Auch dafür brauchte ich Kleingeld. Nach der Bestellung bei Vinyl Boogie war vor der Bestellung. Die nächste Pissgelbe Punkliste kam bestimmt – wie gewohnt im Briefkuvert. Der Kaufdruck war enorm.

      Scheine nahm ich nie aus dem Portmonee, immer nur Kleinstmünzen. Es waren selten mehr als zwei Mark, die ich einsteckte. Das tat mir gar nicht leid, da mir klar war, dass die fehlenden Minimalbeträge nicht ins Gewicht fallen würden. Sonst wäre es familienintern verfolgt und geahndet worden, oder sie hätten mich ins Kinderheim Hof Hammer gebracht. Doch auf Dauer lepperten sich die Beträge.

      Ich erzählte bis auf den heutigen Tag niemandem von diesen kleinen Delikten, nicht einmal meinem Cousin, dem anderen Enkel, der seinerseits so manch Schattenseite hatte. Diese Schilderung hier ist deshalb mein Coming Out als pseudo-krimineller Teenage-Punk.

      Vielleicht fragst Du Dich, weshalb sie die Handtasche nicht mit in die Stube auf die Couch nahm. War es Absicht, dass sie die Handtasche im Flur liegen ließ? Wollte sie ihre Enkel prüfen? Meiner Großmutter musste längst klar gewesen sein, dass einer ihrer Enkel inzwischen Punk war. Das erkannte ich an den misstrauischen Blicken. Meine Tante muss es ihr erzählt haben, die mich längst als Punk identifiziert hatte. Außerdem gab es immer wieder Berichte über Punk im TV, in Zeitungen und Illustrierten. Die Bürger waren informiert und gewarnt.

Als Großmutter schließlich die Führerscheinprüfung bestanden hatte, pendelte sie fortan im Schneckentempo zwischen Dorf P. und Friedrichsort-Pries. Sie baute nie einen Unfall.

      Bei anderen Personen als meiner Großmutter rührte ich keine Handtaschen an, vielleicht noch mal bei meiner Mutter, wenn es gar nicht mehr anders ging und ich mich pünktlich mit den anderen Punks oder Pseudos zum Saufen treffen wollte. Allerdings war Handtaschenraub sehr populär zu der Zeit, vielleicht sogar noch populärer als der Enkeltrick heutzutage. Es war fast schon Volkssport. Immer wieder stand etwas darüber in der Zeitung. Doch nie publizierten sie Schätzungen über die Dunkelziffer beim Handtaschenraub und ebensowenig die landesweit erbeuteten Geldsummen. Es war nicht einmal ein Fall für Eduart Zimmermann, dem Moderator von Aktenzeichen XY … ungelöst. In der Zeitung hingegen hieß es ständig, dass es Jugendliche waren. Seltsamerweise hieß es in der Täterbeschreibung eher „dunkle, kurze Jacke“, als dass Wörter wie Bomberjacke oder Lederjacke ausgesprochen wurden, was vielerorts höhnisches Gelächter ausgelöst hätte. Es wurden sogar Markennamen wie Adidas und Puma ausgespart, um diese Firmen nicht in Verruf zu bringen.

      Ich versuchte zwar einmal mit einem Kumpel, Gunner aus Dorf P., eine Handtasche zu rauben, doch wir stellten uns dermaßen hohlköpfig an, dass es fehlschlagen musste. Uns wurde erzählt, einige Omas würden mit horrenden Geldsummen in der Handtasche durch den Ort laufen, speziell die Nazi-Witwen. Deshalb legten wir uns am Strandweg Brauner Barg direkt hinter der Pistolen-Fabrik Sieg-Sau-und-Söhne auf der Pferdekoppel auf die Lauer, direkt hinter einer kleinen Erdwelle. Hier warteten wir, bis schlussendlich eine ältere Dame mit Handtasche und dem gewünschten Opferprofil Nazi-Witwe vorbeikommen würde. Das geschah auch bald. Wir wollten gerade lospreschen, um ihr die Handtasche zu entreißen, als sie wie von Geisterhand gesteuert eine Kehrtwendung um 180° machte und wieder zurück in Richtung Ort ging. Wir hatten den geeigneten Moment verpasst, ihr die Handtasche wegzureißen. Weil das missglückte, klaute ich bis auf den heutigen Tag nie eine Handtasche. Dafür hätte ich wohl Drogen nehmen müssen, Drogen die herzlos machen. Ergo blieb meine Großmutter das einzige Opfer, und es war nicht mal ein klassischer Handtaschenraub, sondern nur ein „aus-der-Handtasche-Raub“.

      Auf diese Weise stahl ich Omi im Laufe meiner Punk-Zeit bestimmt 10 bis 20 Mark aus dem Portemonnee. Auch wenn dies eine vorsichtige Schätzung ist, waren es auf keinen Fall mehr als 30 Mark insgesamt, das kann ich schwören. Mein Großvater hingegen musste mehr leiden. Einmal nahm ich eine ganze Stange Stuyvesant aus dem massiven Wohnzimmerschrank meiner Großeltern, der von einem ausgestopften Eichelhäher und einer Eule bewacht wurde. Doch das war nur eine einmalige Aktion. Bei meiner Großmutter war es eine ganze Kette von kleineren Delikten.

Die Momente, in denen ich Oma in die Geldbörse griff, waren mit äußerster nervlicher Anspannung verbunden, als würde ich eine Bombe entschärfen oder mit entflammbarem Material hantieren. Ich müsste zu jeder Zeit die Geldbörse blitzschnell schließen können und in der Handtasche verschwinden lassen, falls jemand aus der Wohnstube kam. Großmutter steckte mir regelmäßig ein geringes Taschengeld zu.

      „Dankeschön Oma heißt das! “

      „Danke! “

      „So, jetzt gibst du Oma noch einen Kuss auf die Wange!“

Nur mit Widerwillen küsste ich ihr die Wange, denn sie hatte einen feinen Frauenbart und hielt mir die Wange übertrieben entgegen. Außerdem fand ich die Kluncker in ihren Ohrläppchen überproportional, die mich eher an Queen Elisabeth erinnerten. Wenn ich die Queen als Fotocollage auf Plattencovern von den Sex Pistols sah, musste ich unterschwellig an meine Großmutter denken. Sie war fast genauso alt wie die Queen und sah ihr sehr ähnlich.

      Spätestens seitdem ich ausschließlich Punk hörte und eine Nietenjacke im Kleiderschrank versteckte, muss bei Oma der Groschen gefallen sein. Sie wusste garantiert aus Hörzu und Quick wie Punks aussehen. Oder sie hatte mit Opa die ein oder andere Reportage über Punks gesehen, teils mit Warnungen über diese neue Subkultur.

      Als Großmutter später an ALS erkrankte, wurde ihr feuerroter Golf noch zu Lebzeiten verkauft. Die vier Enkelkinder erhielten je ein Viertel des Verkaufserlöses. Ich sollte mir das Geld auf ein Sparbuch legen. Das tat ich auch und war unheimlich stolz auf die Summe von 1400 Mark. Nie zuvor hatte ich so viel Geld besessen. Doch ich verprasste das Geld in Rekordzeit.  

Manchmal frage ich mich, ob es solch subtiles Verhalten, Verwandte beklauen oder Ladendiebstahl, auch in der F*cking DDR gegeben hat, zumal es dort weniger Reichtum und vermutlich weniger Handtaschen gab. Denn eins sollte sowohl in der BRD als auch in der DDR klar gewesen sein

      „Beklauen unter Verwandten geht gar nicht.“

Deshalb möchte ich den folgenden Appell an meine tote Großmutter richten.

 

„Liebe Oma, Du bist zwar viele Jahre tot, doch ich will mich an dieser Stelle dafür entschuldigen, dass ich Dir mehrmals geringe Mengen Kleingeld aus der Handtasche genommen habe. Sorry Oma! Ich weiß, Du und Opa musstet viel durchmachen und mitmachen im Dritten Reich, als Du ’39 als 16-jährige von Oberösterreich nach Porta Westfalica verschickt wurdest in ein Lager für junge Frauen, wo du polizeilich gemeldet warst, von wo Du mit Opa zwangsverheiratet wurdest, um ihm zu Kriegszeiten zwei Mädchen zu gebären. Und dann stielt Dein Enkel Dir auch noch etwas von Deiner Rente. Das geht gar nicht.“

 

 

Foto: Schriftzug, Logo und Adresse von Malibu (Plattenversand)

Ein Asi-Rocker will mich zu einer Straftat animieren

(Jane statt GBH und Exploited?)

 

Sowohl Punks als auch Pseudo-Punks, im Normalfall auch richtige Skinheads, empfanden die Bandnamen von Hardrock- und Metal-Bands als peinlich und störend, ja in einigen Fällen sogar als lächerlich. Dabei war Metal in Rockerhochburgen wie Kiel meistens die größere Nummer. Wir machten uns lustig über Bandnamen wie Saxon, Judas Priest und Iron Maiden, und es krachte deshalb unaufhörlich. Einer der Wiker Punks hörte heimlich Hardrock. Deshalb empfand ich diesen Punk zunehmend als Pseudo, obwohl er mit seinem breiten, grünen Iro inklusive über die Stirn fallende Koreapeitsche noch so furchteinflößend aussah. Er war in meinen Augen kein Vollpunk. Er war irgendwie ein Hardrock-Punk, und das geht gar nicht.

      Im NDK war bekannt, dass ich jetzt in der Punkszene war. Es gab trotzdem frühzeitige, jedoch vergebliche Rettungsversuche seitens der Asi-Rocker, mich aus der Punkszene rauszuholen. Ich besaß bereits meine ersten Pogo-Platten, The Great Rock ’n' Roll Swindle, Punks Not Dead und die City Baby attacked by Rats, als ich mit einem der Asi-Rocker trinken musste. Tony (Name geändert) war ein Suffschläger vor dem Herrn. Seine Faustschläge ins Gesicht kamen wie aus dem Nichts. Er war bekannt für schwere Raubdelikte in jungen Jahren und landete bald das erste Mal im Knast, Drehtüreffekt inklusive. Er nahm mich einmal mit in die Schanze, eine Kneipe im Herzen Friedrichsorts, wo ich mit ihm Unmengen an Rum saufen musste. Die Schanze wurde betrieben von einer Familie aus Jugoslawien, wie die Region auf dem Balkan damals noch hieß. Wenn Tony Anfang des Monats Geld bekam oder durch seine Raubüberfälle in Geld schwamm, warf er mit den Scheinen um sich, als gäbe es kein Morgen. Ergo bestellte er in der Schanze eine ganze Buddel Rum, die er mit mir am Tresen trank. An diesem Abend tauchte Vielmanns Schwester mit „50-Pfennig“ in der Schanze auf. Vielmanns Schwester war nicht mein Typ. Trotzdem sagte Tony, der Asi-Rocker, ich solle mit ihr einfach mal rummachen. Er versuchte mich mit ihr zu verkuppeln. Dabei war ich eher scharf auf die wasserstoff-blonde Freundin „50-Pfennig“. Wir waren alle sehr voll. Plötzlich flüsterte mir Tony, ich solle mit Vielmanns Schwester auf die Toilette gehen. Das tat ich auch. Ich machte mit ihr auf Toilette rum und weiß nicht mehr, ob es die Herrentoilette oder die Damentoilette war. Ich weiß nur, dass ich mich mit ihrer Oberweite beschäftigte und dabei etwas überfordert war, denn ihre Brüste waren wie abgeschnürrt, als hätte sie drei enge BHs übereinander getragen. Die Brüste wirkten deshalb wie Kanonenkugeln. Wir kamen nicht sehr weit, beschäftigten uns gerade mit Knutschen und ersten Fummeleien, als plötzlich die jugoslawische Wirtin vor der Toilettenzelle stand und mit geballten Fäusten unaufhörlich gegen die Tür hämmerte.

      „Was macht ihr da? Kommt da sofort raus.“

Wir hörten auf zu knutschen und verstummten in Schockstarre. Jemand musste uns verpfiffen haben. War es sogar Tony? Die Wirtin hämmerte weiter gegen die Toilettentür, bis Vielmann Schwester flüsterte

      „Lass uns rausgehen.“

Wir gingen an der schimpfenden Wirtin vorbei die Treppe hoch, und sie lief uns schimpfend hinterher bis zum Tresen. Auch hinterm Tresen fluchte sie fortwährend.

      „Das will ich hier nicht haben. Das ist eine anständige Kneipe.“ Da lachten sogar die Asi-Rocker am Tresen und die Minipli-Acer an den Tischen. Ich wäre sicher sofort rausgeflogen und hätte wieder Hausverbot bekommen, wenn Tony nicht dabei gewesen wäre. Denn er hatte seine Spendierhosen an und setzte sich als Schlichter für mich ein. Er bestellte währenddessen die nächste Flasche Rum. Mein Tony arrangierte mit der Wirtin, dass ich mich wieder zu ihm an den Tresen setzen durfte, um mit ihm die Flasche Rum zu köpfen, denn er brauchte schließlich einen Trinkpartner, mit dem er es sich noch nicht verscherzt hatte. Ich weiß nicht mehr, wie der Abend endete.

      Tony plante jetzt schon den nächsten Einbruch. In ein paar Tage würde er kein Geld mehr haben. Dummerweise erzählte ich ihm, dass mein Vater im Keller ein regelrechtes Alkoholarsenal stehen hatte. Als ich erwähnte, dass jede Menge Rum im Keller stand, vor allem Hansen Präsident, sagte Tony

      „So, wir gehen jetzt zu dir und du holst eine Flasche Rum aus dem Keller.“

Da war keine Widerrede möglich. Tony wusste, dass ich inzwischen auf Punk war, und er versuchte mich umzupolen. Also trug er mir auf, eine Flasche Rum aus dem Keller zu besorgen, während er kurz zu sich nach Hause ging, um eine Hardrock-LP zu holen. Es war die LP einer Band namens Jane. Tony wollte nicht, dass ich weiterhin Punk hörte. Das sei nicht gut für mich. Er wollte mich zum Metal bekehren. Für ihn war das eine Selbstverständlichkeit. Für mich war Hardrock die Hölle.

      Tony wohnte gleich in der Nähe im Händlerweg, ging kurz zu Fuß nach Hause und kam wenige Minuten später mit der Jane-LP wieder, als ich ihn ins Haus ließ. Die Flasche Rum war noch nicht aus dem Keller geholt. Deshalb forderte er mich erneut auf, sofort die Flasche Rum hochzuholen. Also ging ich in den Keller und holte eine Flasche Hansen Präsident, die mit dem roten Etikett. Ich wollte sofort GBH oder Exploited auflegen, doch Tony konnte solche „Punkerscheiße“ nicht ertragen und sagte

      „Leg mal meine Jane auf.“

Er sagte erneut, Punk sei nicht gut für mich, ich solle besser Jane und andere Hardrock-Bands hören. Ich wusste nicht was da auf mich zukam, denn ich kannte Jane nicht. Ich wusste nur, dass ich Bands wie AC/DC, Saxon und Judas Priest hasste, und dass sowas nicht auf meinem Plattenteller kam. Wir waren schon sehr voll. Ich hatte auch eine Flasche Cola aus dem Keller holen müssen, dazu zwei Gläser für die Mische. Ich war an diesem Abend stirnhagelvoll wie nie zuvor in meinem Leben. Wir dösten regelrecht in meinem Zimmer, saßen auf dem Boden in einer Ecke, als Jane gegen meinen Willen auf dem Plattenspieler lief. Ich mochte die Musik sichtlich nicht. Trotzdem sagte Tony

      „Schließ einfach die Augen und genieße die Musik!“

Meine Augenlider waren vom Saufen ohne schon schwer, sodass die Augen fast automatisch zufielen. Jetzt saßen wir da mit geschlossenen Augen, ich mit Widerwillen und Tony in Cola-Rum-Trance, und hörten die Hardrock Band Jane. Mir gingen meine paar Punkplatten durch den Kopf, die neben dem Plattenspieler standen. Ich sehnte mich nach meinen Sampler-Tapes, auch nach dem Tape, das Brandy mir mal aufgenommen hatte, denn ich hätte jetzt lieber “Suspect Devive“ (live), “I’m the Hunted“ und “Fuck the Army“ gehört als diesen anstrengenden Hardrock-Scheiß, auf den ich gar keinen Bock hatte. Doch Tony hatte in meinem Zimmer längst das Sagen.

      „Geil, hörst du das Gitarrensolo? … Hörst du es?“

Ich sagte

      „Ja!“

Da sagte Tony

      „Geil, hörst du jetzt diese Stelle? Geil, die Gitarre, ach wie geil. Ich sagte

      „Mm, Ja!“

obwohl mir die Musik missfiel. Wir hatten die Rumflasche nicht ganz geschafft, als plötzlich meine Mutter ins Zimmer platzte.

      „Rollant ihr müsst das hier jetzt abbrechen. Es ist schon spät.“

Da bekam Tony Respekt und ging sofort nach Hause, nachdem wir unsere Gläser Rum-Mischung ausgetrunken hatten. Es kann sein, dass er mir die Platte von Jane ein zwei Tage daließ, doch ich legte am nächsten Morgen gleich wieder Exploited auf, hörte “Barmy Army“, hörte “Army Life“, hörte “Sex & Violence“, hörte “I Believe in Anarchy“und sang bei den Refrains laut mit. Das wirkte befreiend. Keine Ahnung, ob ich in der Nacht die Kloschüssel umarmte und kübelte. Das kam zu der Zeit ungewöhnlich häufig vor.

      Die Sache mit Tony war keineswegs ausgestanden. Jetzt wollte mein Rockerfreund wider Willen einen Jeansladen ausrauben, und ich sollte ihm helfen. Ich checkte schon, das gehört sich so, dass ich ihn suppporte, und es sei etwas ganz Normales in Friedrichsort. Tony hatte längst einen Plan ausgeheckt, und sich einen Jeansladen in der Stadt ausgesucht. Er erklärte mir seinen Plan. Er würde den Laden zur normalen Öffnungszeit betreten, direkt zur Kasse gehen, die Verkäuferin bei Seite schubsen und entweder das Geld aus der Kasse nehmen oder gleich die ganze Registrierkasse unter den Arm klemmen und weglaufen. Ich sollte direkt vor der Eingangstür warten und ihm Bescheid sagen für den Fall, dass Gefahr drohte, und andere Kunden nicht in den Laden lassen. Wir einigten uns darauf, dass ich sagen solle

      „Sie können den Laden jetzt nicht betreten, da ist heute Inventur.“

Ich sollte dafür einen Anteil an der Beute erhalten.

      Tony trug mir ferner auf, ich soll keine Boots, sondern Turnschuhe tragen. Also fuhren wir mit der Linie 44 in die Stadt. Ich war sehr aufgeregt, denn es war das erste Ding, bei dem ich mitwirken sollte. Auf der einen Seite fühlte ich mich geehrt, weil Tony ausgerechnet mich auserwählt hatte, als würde ich jetzt in eine höhere Liga aufsteigen. Auf der anderen Seite fühlte ich mich wie ein willenloser Spielball, der in etwas hineingerissen wurde. Es war ein beklemmender Zwiespalt. Doch es musste sein. Jetzt saßen wir im Bus hinten in der Acer-Reihe. Es war Samstagvormittag, und es ging auf die Mittagszeit zu. Tony sagte

      „Zu der Zeit ist die Kasse randvoll. Ich habe den Laden schon ein paar mal ausspioniert.“

Ich war mir sicher in nur 20 bis 30 Minuten gemeinsam mit Tony „das Ding“ hinter mich gebracht zu haben. Mit einem absolut mulmigen Gefühl im Bauch traute ich mich nicht, Tony zu widersprechen. Station für Station ging die Busfahrt weiter und die Spannnung wuchs. Als der Bus jedoch die Bushaltestelle Belvedere anfuhr, wo ich jeden Tag auf dem Weg zur Schule aussteigen musste, schrie Tony

      „Die Kontros kommen!“

Er sprang auf und lief zur hinteren Tür, drückte den Türöffner, als die Kontros ihm schon mit geballten Fäusten entgegentraten. Die Kontros hatten sogleich gepeilt, dass ein Schwarzfahrer türmen wollte. Tony schlug mit den Armen windmühlenartig um sich, sodass die Kontros ihn nicht festhalten konnten. Einem fiel die Brille vom Kopf. Es waren nur zwei Kontros, weiter vorne stand ein dritter, der mit geballten Fäusten hinzueilte und vergeblich einzugreifen versuchte. Einer hielt Tony zwar am Ärmel fest, sodass er seine Jacke verlor. Doch es half nichts. Tony lief jetzt blitzschnell entgegen der Fahrtrichtung. Einer der Kontros versuchte, die Verfolgung aufzunehmen, doch Tony war einfach zu schnell. Er hatte ja auch lange Zeit Fußball gespielt, und war erst vor kurzem aus dem Verein geflogen, als er mit anderen Asi-Rockern, Steloch und Kameruhn, beim Diebstahl in der Umkleidekabine erwischt wurde – alle von oben bis unten total tätowiert. Er war kein schlechter Fußballer, durfte bloß seit dem Tag nicht weiterspielen. Und stattdessen beim Nachbarverein TSV Schilksee anzuheuern, war in diesen Kreisen verpönt.

      Die Kontros durchwühlten gemeinsam Tonys Jacke und fanden keinen Identitätsnachweis. Ich saß derweil hinten im Bus und drehte mich kurz um, sah aus dem Rückfenster Tony weiter bis zur Ecke sprinten und nach links in die Paul-Fuß-Straße einbiegen. Das sah mega kriminell aus. Natürlich wurde sogleich ein Anruf an die Polizei abgelassen, die die Verfolgung aufnehmen sollte. Aber Tonys Komplize, ausgerechnet ich Idiot, saß ja noch im Bus hinten auf der Acer-Bank, und der Bus war gut besetzt. Die Fahrgäste, die um uns herumsaßen, könnten jetzt den Kontros mitteilen, dass ich ja zuvor bei dem Schwarzfahrer saß und mich mit ihm unterhielt. Ich starb Tausend Tode, als die Kontro-Schergen auf mich zukamen. Zum Glück verpfiff mich niemand. Ich kam wieder mal mit einem blauen Auge davon, wahrscheinlich, weil keine Alt-Nazis im Bus saßen. Sonst hätten sie mich drängen können, den Namen preiszugeben. Nach dem Vorzeigen des Schüler-Monatstickets ging die Fahrt ohne Tony weiter. Ich war vorerst aus dem Schneider.

      Obwohl Tony nur Hardrock hörte und eine tätowierte Träne unter dem Auge trug, hätte ich ihn nie verraten, auch wenn sie mich gefoltert hätten. Ich fuhr in die Stadt und wusste nicht mal, welchen Jeansladen Tony für uns ausgesucht hatte, streunte etwas durch die Innenstadt, traf vielleicht ein paar Gleichgesinnte oder ging zu Membran oder Tutti Frutti.

      Jedenfalls landete Tony wenig später sowieso im Knast, in der JVA, nachdem er nachts in den Minimal Markt in Friedrichsort eingebrochen war. Vermutlich rammte er nicht nur einen, sondern gleich mehrere zusammengesteckte Einkaufswagen mit voller Wucht in die Eingangstür aus Glas. Vielleicht schob er sie nicht vorwärts, sondern rückwärts mit der Kante des Griffs voran, denn das Glas war ziemlich dick. Er machte so den Weg frei, damit er in den Laden stürmen konnte. Tony fuhr mit einem der Einkaufswagen durch den stockdusteren Supermarkt, fuhr zum Spirituosenregal und packte den Wagen randvoll mit Spirituosen, fuhr zur Kasse und riss den Zigarettenkäfig auf, um stangenweise Zigaretten oben auf die Schnapsflaschen zu legen. Etwas anderes brauchte er zum Überleben nicht. Als er kurz darauf mit dem randvollen Einkaufswagen just den Supermarkt durch die zerschlagene Eingangstür verließ, fuhren die Cops bereits auf den Kundenparkplatz vor und nahmen ihn in Empfang. Rocker Tony war sehr besoffen und versuchte zu türmen, doch sie catchten ihn nach wenigen Metern. Schade, von der Beute hätte der ganze Stadtteil profitiert. Danach verschwand unser Tony erst mal für eine Zeit in der JVA. Danach begann seine Suffschläger- und Raubkarriere erst richtig.

      Im Nachhinein vermute ich, dass Tony mich nur deshalb verschonte, weil er ein Auge auf meine Schwester geworfen hatte. Er war auch der Typ, der später vom Acer vor dem Jugendtreff mit einem Schlag zu Boden gestreckt wurde. Droogs Don’t Run.

 

Foto: Smash Fascism Sticker

 

Die Exploited Message

Wir hörten extrem viel Exploited zu der Zeit, mehr, als gut für uns war, sangen im Suff "Exploited Barmy Army. Exploited Barmy Army. Exploited Barmy Army.“ Vielmann hatte die “Troops of Tomorrow“, ich die “Punks Not Dead“. Zudem besaß ich die Exploited/ Anti-Pasti Split-EP von Tutti Frutti, Vielmann besaß sein Exploited Army Life T-Shirt und die “Dead Cites EP“. Wir waren also gut ausgestattet. Ich bestellte mir bald die Exploited live “On Stage“ mit rotem Vinyl bei Malibu, die sogar vorrätig war und vom Paketwagen an die Haustür geliefert wurde. Auf dem Plattencover ist der Sänger von Exploited Wattie im Seitenprofil zu sehen, wie er nach links in ein Mikro schreit. Oben steht der große Schriftzug THE EXPLOiTED mit Großbuchstaben, bloß das ‘i‘ ist kleingeschrieben. Der Iro ist rosafarben. Auf der Rückseite ist das Frontcover exakt spiegelverkehrt zu sehen.

      The Exploited waren auf mehreren beliebten Punk-Compilations vertreten, so auch auf Oi! The Album (“Daily News“, “I Still Believe in Anarchy“), dem Back-Stage Pass Sampler (“Crashed Out“), Burning Ambitions: A History of Punk (“Dead Cities“), dem Punk & Disorderly 3 (“Computers Don’t Blunder“) und The Secret Life of Punks (“Dogs of War“, “Army Life“). Wir konnten aber trotzdem nicht behaupten, dass wir Exploited-Hörer der ersten Stunde waren. Dafür fehlten uns noch ein bis zwei Jahre.

      Wir lernten schnell, was Exploited bedeutete, dass Exploited von dem englischen Verb “to exploit“ stammte, das auf Deutsch so viel wie ausbeuten heißt. Und genauso fühlten wir uns: ausgebeutet. Auch wir waren ein Stück weit exploited, ausgebeutet in der Schule, ausgebeutet von den Ausbildern und Arbeitgebern, ausgebeutet von Politikern, von der Werbeindustrie, von den Geschäftemachern und Trickbetrügern, ausgebeutet von der Propaganda.