Zip-Tagebuch - Roland Scheller - E-Book

Zip-Tagebuch E-Book

Roland Scheller

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Beschreibung

Das Tagebuch entstand 2009, nachdem ich in die Psychiatrie eingewiesen wurde. Zuvor wurden mir Stellenausschreibungen vom LKA vorgelegt und Druck ausgeübt mich dort zu bewerben. Als ich mich weigerte, eine Karriere bei der Polizei einzuschlagen, wurde eine Zwangsuntersuchung anberaumt und ein psychiatrisches Gutachten erstellt, das stark diskriminierend war. Im weiteren Verlauf schaukelte sich alles weiter hoch, ausgelöst durch die Beschwerden über die Zwangsmaßnahmen, bis Psychiatriemitarbeiter kurzen Prozess machten.    

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Roland Scheller

Zip-Tagebuch

(Ein Psychiatrie-Tagebuch)

BookRix GmbH & Co. KG81371 München

Zip-Tagebuch

 

 

 

Anmerkung:

 

Das Tagebuch entstand 2009, nachdem ich in die Psychiatrie eingewiesen wurde. Zuvor wurden mir Stellenausschreibungen vom LKA vorgelegt und Druck ausgeübt mich dort zu bewerben. Als ich mich weigerte, eine Karriere bei der Polizei einzuschlagen, wurde eine Zwangsuntersuchung anberaumt und ein psychiatrisches Gutachten erstellt, das stark diskriminierend war. Im weiteren Verlauf schaukelte sich alles weiter hoch, ausgelöst durch die Beschwerden über die Zwangsmaßnahmen, bis Psychiatriemitarbeiter kurzen Prozess machten.

 

 

 

 

Wegen der folgenden Vorkommnisse bezeichne ich die Behandlung als Folter: Schlafentzug; Frischluftentzug; grundlose Fixierung; während der Fixierung das Handgelenk permanent umdrehen (über den Schmerzpunkt hinaus); Übergriffe (Stechen mit dem Zeigefinger von schräg hinten in den Hals); Anschreien; Zwangsmedikation; sich ständig wiederholende Gewaltandrohung; permanente Androhung von zunehmender Verschärfung der Maßnahmen (Spritzen statt Tabletten einzusetzen); erzwungene Ernährungsumstellung (erzwungener Verzicht auf Sportlerernährung); Muskelabbau aufgrund von Bewegungsmangel und Wegfall der sportl. Betätigung; Vorwurf der Weigerung Tabletten zu nehmen, um die Dosis laufend erhöhen zu können; Übersteigung der maximal zulässigen Höchstdosis; Überdosisbehandlung, Medikamentenversuche bis zum Erbrechen; Gürtelentnahme und zweimaliges Antreten zur Gerichtsverhandlung mit rutschender Hose ohne Gürtel (Festhalten der rutschenden Hose während der Gerichtsverhandlung); permanente Unterstellungen; wiederholtes verhörähnliches Ausfragen mit Terminvergabe auf Station zu speziellen Themen (Dissertation, Rockerszene, Zivildienst-Sonderkenntnisse, ... ) unter Anwendung von "Zungenlösern" mit anschließender Gehirnwäsche; Androhung, die Sexualität zu ändern; Manipulation und Abschalten der Sexualität; Gehirnwäsche; Ignorieren von Nebenwirkungen wie Tremor, Rigor, Gedächtnisstörungen und Herzattacken - stattdessen weitere Erhöhung der Dosis; medikamentöses Verursachen von schweren motorischen Störungen; wochenlange Isolation. Gezielte Desintegration trotz des Versprechens, einen Arbeitsplatz zu vermitteln. (Das Gravierende beim Frischluftentzug war übrigens, dass es auf der Station intensiv nach Pisse und altem Essen gerochen hat, dazu nach kaltem Zigarettenrauch. Im Winter wird sowieso nicht mehr ausreichend gelüftet.)

Mi. 18.02.2009

Mi. 18.02.2009

 

Es ist doch soweit gekommen: ich bin am Montag gegen 19:30 Uhr im Foyer des Zip [1] von ca. acht Mitarbeitern gepackt und überwältigt worden. Ich war erst im Telefon-Shop im Knooper Weg, telefonierte mit Frank Hüstege, der mir sagte, er hätte mir schon vor Tagen eine Email zukommen lassen, die ein Attachment hatte in dem ich die Anzahl der Urlaubstage hätte ankreuzen sollen. Das Attachment hätte ich ausdrucken, unterschreiben, einscannen und zurückmailen sollen. Später fragte ich mich, weshalb ich es einscannen usw. und nicht faxen sollte. Ich führte noch ein zweites Telefonat, wahrscheinlich mit Fr. Isermeyers AB [2]. An der Kasse bezahlte ich 45 Cent. Moment, ich telefonierte nicht mit Fr. Isermeyers bzw. mit dem AB, sondern mit einer Telefonnummer aus dem Express, um mich für einen Spülerjob zu bewerben. Ich ging direkt zu dem Bewerbungsgespräch, obwohl es hieß, bereits 30 Leute hätten angerufen. Ab 14 Uhr sollte ich mich vorstellen. Ich kaufte mir noch einen Tofu im Asia-Laden, ging bei McDonalds im Cap auf Toilette und wartete bei dem Brasilianer neben der Diskothek „Mausefalle“. Es warteten bereits zwei Leute. Zwei weitere kamen, als ich wartete. Schließlich wurde ich von einer Osteuropäerin interviewt. Sie hatte vor sich ein Datev-Formular liegen, befragte mich zu meiner Eignung als Spüler. Als ich erfuhr, dass es in den ersten ein oder zwei Wochen 5,50 €/h geben würde, danach 6 €, und dass die Einarbeitungszeit von einem Tag nicht bezahlt sei, sagte ich, dass die sich bei diesen Konditionen den Ruf versauen würden und verabschiedete mich. Jedoch war ich auf 180. Ich ging zum Gesundheitsamt, wollte mich noch einmal wegen des nicht berücksichtigten Vorspiels des Gutachtens beschweren, aber auch wegen der Arbeitsbedingungen in dem Restaurant, da platzte mir der Kragen. Ich sprach erst mit der Frau mit dem rosa Lippenstift mit der ich mich vor einer Weile schon einmal unterhalten hatte, als mir von hinten vorbeikommend ein Arzt auf die rechte Schulter klopfte. Ich regte mich sofort auf, sagte „Fassen Sie mich nicht an!“, beschwerte mich schließlich bei einer Frau in der Parterre beim Amt für Sexualität und Aufklärung oder Familienberatung. Sie arrangierte einen Termin bei einer Dr. Schaaf, die ihr Büro neben Dr. Jehs hat. Ich sollte oben warten, verlor die Geduld, erwischte zwei Frauen auf dem Gang, sagte mal wieder: „Ich glaube Dr. Jehs und Richterin Isermeyer wollen mich in den Selbstmord treiben!“, als die eine Frau mich harsch anfuhr. Danach geriet ich in Rage, es wurde laut auf dem Flur, Fr. Dr. Schaaf bat mich in ihr Büro, es war noch eine Zeugin dabei. Ich sollte zunächst auf einem Stuhl in der Ecke platznehmen, davon fühlte ich mich provoziert, nahm einen anderen Stuhl. In dem folgenden Gespräch wiederholte ich meine Vorwürfe gegen Dr. Jehs und die Richterin, schlug zweimal mit der linken Handkante auf den Tisch, dass die Frauen erschreckten und mich zur Raison bringen wollten. Als ich sagte, dass ich im Anschluss an dieses Gespräch zur Hochbrücke fahren würde, um herunter zu springen, war das Gespräch gelaufen. Die Ärztin sagte, sie würde die Polizei benachrichtigen, (da) sagte ich, sie hätte mir auch HV [3] geben können, doch sie ließ mir bewusst lange Leine. Ich glaube, als Ärztin hätte sie sich sofort den Ton verbieten lassen müssen. Doch im SPD [4] lassen die solche Sachen laufen. Sie wartete, bis ich mich in die Sache hineingesteigert hatte und schaute betroffen. Als sie das Thema Polizei ansprach, verließ ich das Amt, ging hoch zum Knooper Weg, hörte mp3,die Polizei fuhr an mir vorbei und nahm keine Notiz, obwohl, wie ich später erfuhr, bereits eine Fahndung gegen mich heraus war. Ich trank im Peaberries einen Kaffee, las in der KN, ging zur ZBW [5], schrieb zwei Bewerbungen bzw. Anfragen, schrieb auch an M.E.C. [6] weiter. Als ich gehen wollte, es war bereits 19 Uhr, rief der kölner Pförtner [7] hinterher „Ist schon wieder Weihnachten?“ Da war ich gerade die Treppe heruntergekommen. Ich nahm meine Sachen aus dem Spind und ging ins ZIP. Beim Ex-Wrongs-Schlagzeuger [8] verlangte ich einen Termin, sagte: „Man muss sich gegen Mobbing wehren!“ Ich durfte mich mit Fr. Dr. Wilms unterhalten, nach wenigen Minuten klingelte ihr Telefon, sie sagte „können Sie wegen der Schweigepflicht herausgehen?“ – offensichtlich ein Vorwand. Als ich wieder hineingebeten wurde, hieß es: „Ich werde Sie heute Nacht hierbehalten!“ Ich sagte, „Nein, ich gehe nach Hause!“ Als ich schließlich das Notfallzimmer verließ, standen draußen ca. neun Personen, vielleicht noch mehr, sie packten mich, ich dachte einen Moment daran, mich zu wehren, Hr. Semler war ganz vorne dabei, viele Frauen, alle deutlich jünger als ich, einer griff mir von hinten ins Genick, jemand schob ein Krankenbett heran, ich machte mit, legte mich hin, wurde festgeschnürt – fixiert in der Fachsprache – ein Mann mit schwarzen Haaren knickte mir die Hand weiter nach vorne um, das war sehr schmerzhaft und hörte auch nicht auf, als ich bereits fixiert war. Ich sagte zweimal laut „willst du mir den Arm brechen?“ bis er schließlich zu drücken aufhörte. Ich wurde auf die Station P4 geschoben, war sehr aufgebracht, ging zur Bauchatmung über, sah hinter mir eine attraktive Frau, die schob und mich mit hellwachen Augen ansah. Ich sagte: „Das ist eine Straftat!“ Kurz darauf, als wir in die P4 fahren, „Sind hier noch mehr freie Journalisten untergebracht?“ Ich wurde in ein Zimmer geschoben, in dem ich jetzt gerade auch schreibe und die letzten zwei Tage übernachtet habe. Ich wurde von Fr. Wilms, die zuvor die ganze Zeit neben mir ging, belehrt, von Hr. Semler wurde ich gefilzt, ich hob die Arme, das wollte er nicht hinnehmen, ich sagte: „So machen die das bei Hertha BSC auch“, mir wurden Kopfhörer, Arafat-Tuch und Gürtel [9] abgenommen, im Laufe des Abends unterschrieb ich noch einen Einspruch, der ans Amtsgericht gefaxt wurde bzw. werden sollte, heute ließ ich ein Fax ans Landgericht senden, nachdem ich gestern am Dienstag ein Gespräch mit Fr. Isermeyer [10], Hr. RA [11] Fitza und Dr. Kruse (in dessen Büro) hatte. Ich regte mich wieder auf, Fr. Isermeyer füllte einen Einweisungsbescheid [12] aus und ich war der Gelackmeierte. RA Fitza, der mir als erstes nach dem Gespräch erzählte, dass er seit 30 Jahren Jiu Jitsu und Judo bei Yawara [13] macht, lieh mir noch 5 € und ich forderte ihn exemplarisch auf, mich sofort „hier raus“ zu holen. Doch er ging. Ich weiß noch nicht, was ich als Nächstes initiieren werde. Ich habe einen Brief über Misshandlung geschrieben, den ich morgen abliefern werde. Ich werde auch mehrere Telefonate führen. Heute Morgen war Visite: drei Ärzte und drei Schwestern. Oberarzt Koch nannte das ein Dilemma. Der Vater von Harald Thiel, der auf der Fritz-Reuter in meiner Klasse war, ist auch hier, wahrscheinlich wegen Demenz. Er hatte vorhin von seiner Ehefrau und Harald Besuch. Ich spielte vorhin Kicker, löste Sudoku, unterhielt mich mit einem Entmündigten über Prostitution, bin in Zimmer 1 einquartiert worden. Ich mache regelmäßig Ki-Übungen [14]. Mein Zimmerkollege kommt aus Niedersachsen, hat ein Yamaha-Keyboard zu Hause, eine Glatze, machte Jiu Jitsu, ist seit Juli ’92 arbeitslos, heißt Marcel und scheint ok zu sein.

 

 

 

 

[1] Zentrum für Integrative Psychiatrie Kiel (Psychiatrische Klinik am Universitätsklinikum Kiel)

[2] Anrufbeantworter

[3] Hausverbot

[4] Sozialpsychiatrischer Dienst

[5] Zentralbibliothek für Wirtschaftswissenschaften

[6] M.E.C. steht für „Meine ersten Chaostage“, eine Kurzgeschichte, die später als eigenständiges Kapitel im Kieler Punkroman erschienen ist.

[7] Pförtner in der ZBW (Zentralbibliothek für Wirtschaftswissenschaften)