Psychoanalyse tut gut - Dunja Voos - E-Book

Psychoanalyse tut gut E-Book

Dunja Voos

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Beschreibung

Wer darüber nachdenkt, eine Psychoanalyse zu beginnen, steht vor vielen Fragen. Hilft mir die Methode bei meinen Problemen? Muss ich mich auf die Couch legen? Was kann die Methode leisten und wo liegen ihre Grenzen? Psychoanalyse hilft bei vielen Störungen – unter anderem bei Ängsten, Depressionen und ADHS. Sie fragt danach, wie das Leiden entstanden ist, und versucht, mithilfe dieses Verstehens einen Ausweg zu finden. Dabei lernt man manchmal Seiten an sich kennen, die man lieber nicht kennengelernt hätte – aber dieses Kennenlernen führt zu größerer Eigenständigkeit und zu einem besseren Verständnis von und für sich selbst. Im ersten Teil des Buches werden Fragen rund um die Psychoanalyse erläutert. Der zweite Teil beschreibt die gängigsten Krankheitsbilder und ihre möglichen Ursachen aus psychoanalytischer Sicht.

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Seitenzahl: 210

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Dunja Voos

Psychoanalyse tut gut

Ein Ratgeber für Hilfesuchende

Inhalt

Teil 1: Die psychoanalytische Therapie

Der Weg zur psychoanalytischen Therapie

Wie funktioniert eine psychoanalytische Therapie?

Ängste rund um die Psychoanalyse

Vorurteile – was ist dran?

Probleme rund um die Therapie

Teil 2: Häufige Diagnosen

Die Psyche verstehen

Neurosen

Persönlichkeitsstörungen

Grenzgebiete der Psychoanalyse

Anhang

Weiterführende Adressen

Studien zur Wirksamkeit psychodynamischer Therapien

Literatur

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

E-Book-Ausgabe 2014

© der Originalausgabe 2011 Psychosozial-Verlag

Walltorstr. 10, D-35390 Gießen

Fon: 06 41 - 96 99 78 - 18; Fax: 06 41 - 96 99 78 - 19

E-Mail: [email protected]

www.psychosozial-verlag.de

Alle Rechte vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotografie, Mikrofilm oder andere Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.

Umschlagabbildung: Paul Klee: »Herzdame«, 1922, Aquarell und Bleistift auf Papier, 29,5 x 16,4 cm

Umschlaggestaltung & Satz: Hanspeter Ludwig, Wetzlar

www.imaginary-world.de

ISBN Print-Ausgabe 978-3-8379-2145-8

ISBN E-Book-PDF 978-3-8379-6662-6

ISBN E-Book-EPUB 978-3-8379-6663-3

Vorwort

Überlegen Sie gerade, ob eine psychoanalytische Therapie das Richtige für Sie wäre? Oder sind Sie vielleicht schon mittendrin? In beiden Fällen werden Sie in diesem Buch Antworten auf viele Fragen finden.

Möglicherweise haben Sie schon lange vor, eine Psychoanalyse zu beginnen, aber Sie zögern noch, weil zu viele Ängste mit im Spiel sind. Da ist zum Beispiel die Angst vor dem großen Unbekannten, dem eigenen Unbewussten. Da ist die Befürchtung, an einen unfähigen Therapeuten zu geraten, oder die Angst davor, alte Wunden aufzureißen – all das hindert Sie daran, das Telefonbuch aufzuschlagen, Ihren Hausarzt zu fragen oder im Internet weiter nach Therapeuten zu suchen.

Das ist allzu verständlich. Wem es gerade schlecht geht, der fürchtet sich davor, dass alles nur noch schlimmer werden könnte. Fühlt man sich seinen eigenen Ängsten, Zwängen oder Depressionen sowieso schon ausgeliefert, so erscheint der Gang zum Psychotherapeuten wie ein riesiges Wagnis. Die Sorge davor, sich von einem Therapeuten abhängig zu machen, der möglicherweise selbst eine »Macke« hat und unmerklich die Lage verschlimmern könnte, ist gerade zu Anfang einer Therapie der Begleiter vieler Patienten. Erst nach einem vorsichtigen Kennenlernen sieht man klarer – entweder fasst man Vertrauen oder beschließt, zu einem anderen Therapeuten zu gehen. Doch der erste Schritt ist und bleibt der schwierigste. Viele Menschen tragen jahrelang ihre Sorgen mit sich herum, bevor sie überhaupt darüber nachdenken, eine Psychotherapie zu machen.

Die meisten Menschen wenden sich mit ihren seelischen Nöten zuerst an ihren Hausarzt, der sie dann häufig an einen Neurologen oder einen Facharzt für Psychiatrie überweist – doch sie sind auf Dauer nicht immer die richtige Adresse. Neurologen kümmern sich um krankhafte Veränderungen der Nerven und des Gehirns. Patienten mit einem Schlaganfall oder mit Multipler Sklerose wären hier eindeutig an der richtigen Stelle. Psychiater kümmern sich zwar um seelisches Leid, doch sehen sie psychische Beschwerden häufig hauptsächlich als Folge von Stoffwechselstörungen des Gehirns an. Daher verordnen sie recht früh Medikamente. Menschen, die an schweren psychischen Störungen wie Verfolgungswahn, Halluzinationen oder schwerer Alkohol- und Drogensucht leiden, finden bei Psychiatern oft die beste Hilfe. Psychiater kennen sich gut mit sozialen Hilfsangeboten und rechtlichen Fragestellungen aus, sodass die Patienten weitreichende Unterstützung von ihnen erwarten können.

Die vollständige Bezeichnung des Psychiaters lautet »Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie«. Also führen auch Psychiater Psychotherapien durch – meistens haben sie sich auf die Verhaltenstherapie spezialisiert. Eine Verhaltenstherapie ist für viele Patienten hilfreich, doch nicht jedem ist damit geholfen. Sind die Probleme tief verwurzelt, ist eine psychoanalytische Therapie oft der geeignetere Weg. Einige Psychiater haben eine Ausbildung zum Psychoanalytiker absolviert – meistens ist das aus dem Praxisschild ersichtlich. Es spricht jedoch auch nichts dagegen, in der Praxis anzurufen und sich nach der Arbeitsweise des Psychiaters zu erkundigen.

Die Informationen über psychoanalytische Therapien sind rar gesät. In den Medien werden psychische Störungen fast immer nur aus Sicht des Hirnstoffwechsels oder der Verhaltenstherapie betrachtet. »Eine Sendung über Depressionen? Interessant! Die schaue ich mir gleich mal an!«, denke ich häufig. Doch schon bald merke ich, dass die Informationen schon wieder recht einseitig sind. Selbst bundesweite Organisationen wie z.B. das »Kompetenznetz Depression« sprechen überwiegend von Stoffwechselstörungen, Verhaltenstherapie und Medikamenten. Vielen Menschen mag mit der Ansicht geholfen sein, dass ihre Beschwerden nichts anderes als Stoffwechselstörungen sind. Häufig wird die Depression sogar von namhaften Ärzten in den Medien mit einem Diabetes (Zuckerkrankheit) verglichen. Die Symptome zu bearbeiten und Medikamente zu nehmen, scheint da die einfachste Lösung zu sein. Doch es gibt viele Betroffene, die sich durch diese Sichtweise im Regen stehengelassen fühlen. Warum ist das so?

Psychische Störungen sind oftmals nichts anderes als ein Stehenbleiben auf einer kindlichen Entwicklungsstufe. Unsere Psyche besteht aus unzähligen Anteilen, wobei einzelne Anteile unterschiedlich weit gereift sein können. Wir können im Beruf vielleicht ohne Mühe eine Rede vor hundert Menschen halten, trauen uns aber nicht, dem Ehepartner zu sagen, was wir wirklich fühlen. Ein anderer kann vielleicht sehr gut seine Wut beherrschen, meidet aber jeden Aufzug, weil er darin Todesangst bekommt. Wer eine psychische Erkrankung hat, der ist auf mancher Ebene Kind geblieben, weil er nie die Chance hatte, in Anwesenheit einer vertrauten Person spezielle psychische Strukturen ausreifen zu lassen. Wenn ein Kind herzzerreißend weint, geht die Mutter normalerweise hin, nimmt es in den Arm und tröstet es so lange, bis es sich beruhigt hat. Wenn das Kind aber in einem Klima aufwächst, in dem es keine Trauer zeigen darf, und wenn es niemanden hat, der es bei Trauer tröstet, dann wird es alles dafür tun, um seine Trauer zu verdrängen. Ist dieser Mensch erwachsen, so kann er möglicherweise auch in traurigen Momenten keine Trauer mehr empfinden, denn das käme dem Verlassenheitsgefühl aus der Kindheit gleich. Stattdessen fühlt er sich dumpf, leer oder abgestorben – dieser Mensch hat schlichtweg eine Depression. Die angemessene Reaktion wäre es – wie bei einem Kind auch –, hinzugehen, zuzuhören, Taschentücher für die Tränen bereitzustellen und zu trösten. Wenn die Tränen denn überhaupt kommen: Viele Depressive leiden darunter, dass die Tränen der Erleichterung ausbleiben.

Das jedenfalls wäre ein Weg, der vielen depressiven Menschen gut tun würde. Ein Weg, der in der Psychoanalyse gegangen werden kann. Stattdessen werden die Menschen mit Medikamenten abgespeist. Aber würden Sie einem weinenden Kind einfach eine Tablette verabreichen?

Dieses Buch soll Ihnen einen Überblick über die Psychoanalyse verschaffen. Im ersten Teil geht es um die psychoanalytische Therapie. Hier erfahren Sie, wie diese Therapie aussieht, was den Patienten (Analysanden) erwartet, welche Chancen diese Therapieform bietet und welche Probleme sie eventuell mit sich bringt. Der zweite Teil beschreibt häufig gestellte Diagnosen aus psychoanalytischer Sicht und kann als kleines Nachschlagewerk dienen.

Teil 1: Die psychoanalytische Therapie

Der Weg zur psychoanalytischen Therapie

Psychoanalyse oder Verhaltenstherapie?

Die Aufzugtür schließt sich, und Tanja erlebt dasselbe wie immer – blitzschnell werden ihre Hände schweißnass. Sie nimmt den Aufzugraum wie eine enge Röhre wahr und bekommt kaum noch Luft. Die Angst, einfach laut loszuschreien, wird schier unerträglich. Als sie gerade denkt, dass sie es nicht mehr aushalten kann, öffnet sich die Aufzugstür. Angekommen. Tanja hat es überlebt. Aber die Qualen will sie so schnell nicht wieder auf sich nehmen. Auf dem Rückweg entschließt sie sich, die 22 Etagen zu Fuß herunterzugehen.

Die Angst vor der Enge (»Klaustrophobie«) ist vielen Menschen bekannt und oft mit weiteren Ängsten verbunden. Ist da zunächst nur die Angst vor dem Fahrstuhl, so kann die Angst im Laufe der Zeit viele Formen annehmen: Angst vor der Fahrt mit der U-Bahn, vor dem Flug mit dem Flugzeug oder vor dem Gang über freie Plätze (»Agoraphobie«) gehören dazu. Die Psyche ist da sehr erfinderisch. Es gibt Angstpatienten, die sich nicht mehr aus dem Haus trauen. Doch was kann man gegen diese Angst tun? Wie ist sie zu verstehen?

Verhaltenstherapeuten gehen unter anderem davon aus, dass die Angst erlernt ist und durch verschiedene Strategien auch wieder »verlernt« werden kann. Ein verhaltenstherapeutischer Weg, um Ängste zu verlieren, ist beispielsweise die »Desensibilisierung«. Ähnlich wie bei einer medizinischen Desensibilisierung bei Allergien, wird der »problematische Stoff« – bzw. hier die problematische Situation – so an den Patienten herangetragen, dass er irgendwann nicht mehr so »krankhaft« darauf reagiert. Der Patient wird also mit der angstauslösenden Situation schrittweise so konfrontiert, dass er irgendwann die Angst davor verliert. Therapeut und Patient fangen dabei kleinschrittig an. Bei einer Spinnenphobie schaut man sich zunächst ein Foto von der Spinne an, dann einen Film. Schließlich sitzt der Patient mit der Spinne in einem Raum. Die Behandlung wird so weit entwickelt, dass der Patient schlussendlich die Spinne sogar anfassen kann, ohne mit Angst zu reagieren.

Der Patient arbeitet mit dem Verhaltenstherapeuten daran, sein Denken über angstauslösende Dinge und Situationen zu verändern. In der Verhaltenstherapie würde der Therapeut beispielsweise fragen: »Was wäre das Schlimmste, was Sie sich in der angstbesetzten Situation vorstellen können?« Bezogen auf die Platzangst im Fahrstuhl würden einige Patienten vielleicht sagen: »Ich befürchte, dass ich losschreien könnte.« Andere würden sagen: »Dass ich sterbe.« Dann überprüfen Therapeut und Patient gemeinsam, wie realistisch es ist, dass die Angst in Erfüllung geht. Dass man vor Angst im Aufzug stirbt, ist sehr unwahrscheinlich. Dass man anfängt, zu schreien, ist ebenfalls nicht zu erwarten – schließlich ist das den meisten Patienten nie wirklich passiert. Und wenn, dann wäre es keine Katastrophe. Wenn man dem Patienten sagt, er könne einfach in seinen Ärmel oder in die vorgehaltene Hand schreien, dann kann das schon eine Entlastung sein. So können viele Patienten ihren Kreis Schritt für Schritt wieder erweitern und sich wieder vor die Haustür wagen. Nachdem sie dann viele Male mit dem Aufzug oder mit der U-Bahn gefahren sind, haben viele ihre Angst überwunden.

Für zahlreiche Patienten sind diese Schritte hilfreich. Insbesondere hilft die Verhaltenstherapie mit Tipps und konkreten Verhaltensanweisungen, kritische Situationen zu überstehen. Verhaltenstherapie ist oft ein guter Weg, um überhaupt erst einmal wieder lebensfähig zu werden. Bei vielen Patienten ist sie auch als alleinige Methode ausreichend. Besonders bekannt für die Verhaltenstherapie bei der Angststörung ist z.B. die Christoph-Dornier-Klinik in Münster (www.c-d-k.de).

Vielen Menschen sind die in der Verhaltenstherapie erlernten Techniken ein wertvoller Halt. Dazu gehören zum Beispiel Atemübungen, Entspannungsübungen, bewusstes Umdenken, Denken an Vorbilder und vieles mehr. Wie einen »Werkzeugkoffer« können sie ihre Techniken überallhin mitnehmen. Häufig ist auch eine Kombination verschiedener Therapierichtungen sinnvoll. Besonders in psychotherapeutischen Kliniken werden zahlreiche Therapiemethoden wie z.B. Tanztherapie, Musiktherapie, Gruppen- und Einzeltherapie kombiniert. Natürlich können auch Patienten, die eine psychoanalytische Therapie machen, von verhaltenstherapeutischen Elementen profitieren.

Eine Verhaltenstherapie ist für diejenigen Menschen ausreichend, die sich Techniken und Strategien wünschen, um ihre Symptome zu bekämpfen. Die psychoanalytische Therapie ist für Menschen gedacht, die nach dem »Warum« fragen und sich selbst genauer kennenlernen wollen. Vielen Patienten reicht eine reine Verhaltenstherapie einfach nicht aus, denn allein durch bewusstes Umdenken verbessern sich die Symptome oft nicht. Außerdem bestehen häufig viele Symptome wie Ängste, Grübeleien, Zwänge, Depressionen oder Unruhe nebeneinander. Zudem sind die inneren Nöte und Ängste eine innere Realität. Die Befürchtungen werden so stark empfunden, als wären sie schon Wirklichkeit. Die Angst hat einen Symbolcharakter. Die Psyche drückt damit aus, dass etwas im Leben nicht stimmt. Sie will damit sagen, dass das aktuelle Leben bedrückt oder dass Situationen aus der Vergangenheit nicht bearbeitet sind, und sie lässt damit keine Ruhe, bis man der Ursache auf den Grund geht. Ist die Angst vor der Enge mittels Verhaltenstherapie überwunden, so weicht sie vielleicht auf andere Situationen aus. Die Betroffenen empfinden dann Angst in neuen Situationen, die zuvor nicht angstbesetzt waren.

Beispielsweise kann die Angst vor der Enge deshalb entstehen, weil man sich in seinem Leben eingeengt fühlt. Angenommen, unsere Patientin Tanja hätte überstrenge Eltern gehabt. Sie durfte bei ihnen vielleicht nie ihre Gefühle äußern, geschweige denn ihren Ärger zeigen. Sie fährt nun Aufzug mit einem Kollegen, der sie mit seinem unkollegialen Verhalten schon seit Langem verärgert. Doch den Ärger verdrängt sie so weit, dass sie ihn noch nicht einmal richtig spürt. Die Aufzugtür schließt sich. Sobald sie die wenigen Sekunden mit diesem Kollegen auf engem Raum verbringen muss, drohen die ärgerlichen Gefühle nach oben ins Bewusstsein zu steigen. Das macht Tanja solche Angst, dass sie eine Panikattacke erleidet. Die Ursache ist dann aber nur bedingt der enge Raum im Aufzug. Der Aufzug ist ein Symbol dafür, dass es Tanja zu eng in ihrem Leben geworden ist. Zu sehr hat sie sich selbst vergessen, zu sehr ihre eigenen Gefühle übersehen. Diese Gefühle möchten gelebt werden und halten es da unten, im Keller, nicht länger aus.

Wer sich so in seinem Leben eingerichtet hat, der verliert seine Angst nicht so schnell. In mühe- und schmerzvoller Kleinarbeit wird den Patienten in der Therapie bewusst, dass sie bestimmte Gefühle schon jahrelang verdrängt haben, dass sich in ihnen große Wut verbirgt oder dass sie nie gelernt haben, angemessen mit ihrem Ärger umzugehen. Solche Zusammenhänge werden nur langsam klar. Häufig leisten die Patienten erstmals wirksame Trauerarbeit und können, indem sie trauern, Begebenheiten aus der Vergangenheit besser in ihr Leben integrieren. Viele lernen erst in der psychoanalytischen Therapie, ihre Gefühle zu erkennen und sie zu benennen. Diese Patienten meiden vielleicht jahrelang die Fahrt mit dem Aufzug. Doch wenn sie auf ihrem Weg weitergekommen sind, können sie auf einmal in einen Lift steigen, ohne behindernde Angst zu verspüren. Vielleicht ist da noch ein mulmiges Gefühl, doch die Bezeichnung »Angst« wäre übertrieben – und das, obwohl sich diese Patienten mit der Situation kein einziges Mal mehr konfrontiert haben. Sie verstehen sich selbst jetzt so gut, dass die Angst vor der Aufzugfahrt überflüssig geworden ist. Das ist ein befreiendes Gefühl. Dies macht auch deutlich, dass man sich den äußeren Situationen, die so große Angst machen, nicht unbedingt aussetzen muss. Man muss sich nicht in die angstauslösende Situation hineinquälen, um den Umgang mit ihr zu »üben«. Man kann an einer ganz anderen Baustelle arbeiten und merkt, wie die Ängste vor speziellen Situationen ganz von selbst zurückgehen.

Es gibt beispielsweise Stewardessen, die jahrelang in ihrem Beruf arbeiten und täglich fliegen. Von heute auf morgen bekommen sie Flugangst und betreten kein Flugzeug mehr. Auch für viele Geschäftsreisende ist die Flugangst ein massives Problem. Eine einfache Lösung bei Flugangst lautet, einfach kein Flugzeug mehr zu betreten. Man kann auch in einer hohen beruflichen Position dafür kämpfen, nicht mehr überall hinfliegen zu müssen. Für die Umwelt ist es allemal gut. Aber für viele Betroffene ist das keine wirkliche Lösung. Hilfreicher kann es für sie sein, die Angst zu durchleuchten.

Am Beispiel der Flugbegleiterin, die Flugangst bekommt, wird ersichtlich, dass Angst nicht unbedingt durch »Vermeidung« entsteht, sondern von unbewussten Vorgängen getriggert sein kann. Natürlich kann ein bestimmtes Erlebnis die Flugangst auslösen – z.B. ein Unwetter, das zu einem gefährlichen Flug führte. Der Angstauslöser kann aber auch ein unglückliches Verliebtsein in den Flugkapitän sein – eine Situation, die die Flugbegleiterin überfordert. Vielleicht wird durch das unglückliche Verliebtsein ein alter Vater-Tochter-Konflikt wiederbelebt. Möglicherweise war aber auch eine Passagierin an Bord, die in ihrem Aussehen oder Verhalten an die »verhasste Mutter« erinnerte. Solche Situationen können dazu führen, dass eine Flugbegleiterin von jetzt auf gleich an Flugangst leidet – ohne dass sie eine bewusste Idee davon hätte, warum sie sich jetzt so fühlt.

Hinter einer Flugangst können z.B. auch Partnerschaftsprobleme stecken. Bewusst ist dem Betroffenen nur die Flugangst. Unbewusst mag er jedoch denken: »Vielleicht will ich einfach nicht mehr zurückfliegen. Vielleicht möchte ich woanders ein neues Leben beginnen – einen neuen Partner kennenlernen und meinem bisherigen Leben den Rücken kehren.« Doch das wagt der Betroffene noch nicht einmal zu denken. Zu absurd scheint ihm diese Idee, zu wagemutig. Er verdrängt diese Impulse und Gedanken – doch sie kommen als Angst zurück. Das Leben, so wie es der Betroffene jetzt führt, ist ihm einfach zu eng. Und der Einstieg ins Flugzeug bewirkt, dass dieses Engegefühl ganz deutlich wird.

Aber auch das Gefühl des Verlorenseins, der wortwörtlichen »Bodenlosigkeit«, kann angstauslösend sein. Wer sich gerade frisch von seinem Partner getrennt hat, dem ist ein wichtiger Bezug in seinem Leben verloren gegangen. Die Verbindung ist durchtrennt und der Start in die Luft symbolisiert das neue Lebensgefühl – im Positiven wie im Negativen. Menschen, die hoch auf ihre Karriereleiter geklettert sind, haben Angst vor dem Fall und fühlen sich durch die Höhe an die Möglichkeit des Falls erinnert. Auch der Gedanke, dass einem der gewählte Beruf eigentlich überhaupt nicht gefällt, kann die wahre Ursache der Flugangst von Managern, Piloten oder Flugbegleitern sein.

Andere Reisende wiederum fühlen sich nur in einem vollbesetzten Flugzeug unwohl. Sie haben in Wirklichkeit Angst vor den anderen Menschen, vor den unkontrollierbaren Massen. Betrunkene an Bord lösen in ihnen größtes Unbehagen aus. Wäre das Flugzeug halb leer oder würden sie die Mitreisenden vorher näher kennenlernen, verginge ihre Angst. Es ist sogar einigen Menschen mit Flugangst möglich, sich selbst zum Piloten ausbilden zu lassen, denn ihre wahre Angst rührt daher, dass sie niemandem ihr Leben anvertrauen möchten und dass sie nur sich selbst trauen. Die Ursachen für die Flugangst sind also vielfältig. Das ist auch der Grund dafür, dass die häufig angebotenen Kurse gegen die Flugangst nur bedingt wirksam sind.

Das reine Üben von angstauslösenden Situationen reicht also oft nicht aus und ist zudem nicht immer von Vorteil. Zum einen können dadurch die »wahren Ursachen« einer Phobie oder Angststörung weiterhin verdrängt werden. Zum anderen kann das Gehirn damit auch überfordert sein. Im aufgeregten Zustand ist man kaum zum Nachdenken fähig. Angstpatienten, die täglich mit vielen beängstigenden Situationen konfrontiert werden, haben kaum die Chance, dass ihre Nervenstraßen einmal zur Ruhe kommen. Doch erst, wenn wieder Ruhe eingekehrt ist, wird das Gehirn in der Lage sein, Situationen, Gedanken und Gefühle zu verarbeiten. Erst in Ruhe kann der Patient über sich selbst nachdenken. Daher ist so manchem Angstpatienten besser damit gedient, sich bei einer U-Bahn-Phobie ein Auto zu kaufen, um damit zur psychoanalytischen Therapie zu fahren. Verläuft die Therapie erfolgreich, so kann der Patient das Auto anschließend wieder verkaufen – oder er genießt die Freiheit, nach Belieben mit dem Auto oder mit der U-Bahn zu fahren. Ganz ohne »Üben«.

Tiefenpsychologisch, psychodynamisch, psychoanalytisch – was denn nun?

Wenn Sie im Telefonbuch nach Psychotherapeuten suchen, finden Sie beispielsweise so etwas:

Dr. phil. Gerd Mustermann,

Psychologischer Psychotherapeut (DGPT)

Das bedeutet, dass Sie es mit einem Psychologen zu tun haben, der der Deutschen Gesellschaft für Psychoanalyse, Psychotherapie, Psychosomatik und Tiefenpsychologie (DGPT) angehört, also psychoanalytisch orientierte Psychotherapien durchführt. An anderer Stelle treffen Sie vielleicht auf die Begriffe »psychodynamische« oder »tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie«. Da kann einem schon einmal die Luft ausgehen. Doch die Begriffe »psychodynamisch«, »tiefenpsychologisch« und »psychoanalytisch« bedeuten weitgehend dasselbe: Auf der Suche nach den Ursachen des psychischen Leides nimmt der Therapeut das Unbewusste des Patienten mit in seine Überlegungen auf.

Ursprung dieser Begriffe ist die Psychoanalyse, die die Ursachen für psychisches Leid in unbewussten Gedanken sieht. »Psychodynamisch« bedeutet, dass die Kräfte der Psyche miteinander ringen und dass sich die Psyche immer weiter entwickelt. Beispielsweise führt sich eine erwachsene Frau bewusst vor Augen, dass ihre Angst vor Spinnen unbegründet ist. Unbewusst drängen jedoch immer wieder angstmachende Fantasien »nach oben«. Und so kämpft diese Frau mit sich selbst. Bewusst sagt sie sich, die Angst vor Spinnen sei so überflüssig wie ein Kropf. Unbewusst jedoch verbindet sie mit der Spinne Situationen, die ihr Angst machen. Das Ergebnis dieses inneren Ringens kann sein, dass sie auf die Spinne zugeht, um sie aus dem Haus zu bringen, dann aber doch auf halber Strecke stehen bleibt, weil die Angst zu groß wird. Lieber ruft sie dann nach dem netten Nachbarn, der ihr die Spinne rausträgt.

In einer Psychosomatik-Vorlesung, die ich als Studentin besuchte, sprach der Dozent von einer Patientin, die unter einer starken Mäusephobie litt. Der Dozent betonte, dass die Ursachen einer Mäusephobie vielfältig seien und dass es bei jedem Menschen andere Gründe gäbe. Doch bei dieser Patientin sei das Typische nachweisbar gewesen: Die Mäusephobie war ein Symbol für einen ungelösten Konflikt in ihrem Sexualleben. Nachdem diese Konflikte in Gesprächen Raum bekamen, ging die Mäusephobie zurück.

Mich beeindruckte das. Als ich einer Freundin davon berichtete, sagte sie aufgebracht, das sei der größte Quatsch, den sie je gehört hätte. Schließlich hätte sie auch eine Mäusephobie, doch sie führte mit ihrem Mann ein sehr glückliches Sexualleben. Ich fragte sie dann, was sie denn mit einer Maus assoziierte. Ihr Gesicht verzog sich und sie sagte: »Dieser eklige, nackte Schwanz!« In dem Moment fingen wir beide an zu lachen. Es ist eben so: Manche Zusammenhänge, die die Psychoanalyse zutage bringt, scheinen lachhaft. Zahlreiche Witze und Sketche machen auf diese Zusammenhänge aufmerksam. Doch wenn man genauer hinsieht, lässt sich oft der Ernst hinter den Witzen erkennen. Meiner Freundin ging es natürlich wirklich gut mit ihrem Mann. Doch es gibt zahlreiche Patienten, denen es in ihrer Partnerschaft eben nicht gut geht und bei denen genau diese unbewussten Zusammenhänge zu ungeheuren Ängsten führen. Es lassen sich keine Pauschalaussagen treffen wie: »Wer eine Schlangenphobie hat, der fürchtet sich in Wirklichkeit vor dem Penis.« Man muss immer den einzelnen Menschen mit seiner Lebensgeschichte betrachten. Vielleicht hat Patient Nummer Eins eine lebensbedrohliche Situation mit einer Schlange auf seiner Wüstenexpedition erlebt. Möglicherweise hat Patient Nummer Zwei jedoch Alpträume von Schlangen, die auf einer erlebten Missbrauchssituation beruhen.

Doch zurück zur Begriffsvielfalt. Eine »psychodynamische Therapie« ist also eine Therapie, die sich mit den unbewussten Seiten eines Problems beschäftigt. Es ist der Oberbegriff für die »tiefenpsychologisch fundierte« und »psychoanalytische« Therapie. Unterschiede bestehen hauptsächlich in der Struktur der Therapie. Bei der tiefenpsychologisch fundierten Psychotherapie beziehen sich Therapeut und Patient auf ein aktuelles Problem. Meistens findet die Therapie einmal pro Woche im Sitzen statt und ist auf 50 bis 80 Stunden begrenzt. Eine Kurzzeittherapie endet nach 25 Stunden. Die Kurzzeittherapie kann jedoch bei Bedarf in eine Langzeittherapie überführt werden.

Eine »psychoanalytische Therapie« ist von vornherein für einen längeren Zeitraum bestimmt. Die gesetzlichen Krankenkassen übernehmen in der Regel die Kosten für 160 bzw. 240 Stunden – in manchen Fällen auch für bis zu 300 Stunden. Häufig finden die Stunden zweimal pro Woche statt, aber auch drei Stunden pro Woche und mehr sind möglich. Je nach Krankheitsbild, Therapieziel und Wünschen des Patienten werden die Stunden im Sitzen durchgeführt. Liegt der Patient auf der Couch, spricht man von der »klassischen Psychoanalyse«.

Wichtig zu wissen ist also nur, dass bei einer psychodynamischen Therapie das Unbewusste stark berücksichtigt wird. Im Gegensatz dazu spielt das Unbewusste in der Verhaltenstherapie eher eine Nebenrolle.

Den passenden Analytiker finden

»Ich war schon beim Psychiater, aber der hat mir nicht geholfen« – ein Satz, der mir häufig begegnet. Viele Patienten beklagen sich darüber, dass weder der Hausarzt, noch der Psychiater, Neurologe oder Heilpraktiker psychisches Leid lindern konnte. Die Nervosität, die Schlaflosigkeit, die Ängstlichkeit, Infektanfälligkeit oder die ständige Müdigkeit sind geblieben. Auch die Probleme am Arbeitsplatz, in der Schule oder in der Ehe sind unvermindert da, obwohl schon die verschiedensten Anlaufstellen aufgesucht wurden. Oft haben die Betroffenen bereits die Vorstellung, dass sie bei einem gut ausgebildeten Psychotherapeuten die Hilfe bekommen könnten, die sie suchen. Aber sie zögern noch.

Ein Grund des Zögerns mag darin bestehen, dass das Angebot auf dem »Psychomarkt« schier überwältigend ist. Wissenschaftlich anerkannt und von den Krankenkassen gezahlt werden die Verhaltenstherapie und die psychoanalytischen Verfahren. Alle anderen Therapieformen leiten sich mehr oder weniger daraus ab. Wer also ein paar grundlegende Informationen im Gepäck hat, für den gestaltet sich die Suche leichter.

Die Suche nach dem geeigneten Therapeuten auf eigene Faust ist möglich. Sie benötigen heute keine Überweisung Ihres Arztes mehr, um einen Psychotherapeuten zu kontaktieren. Sie können theoretisch einfach das Telefonbuch aufschlagen, einen Termin bei einem Psychotherapeuten machen und sich bei ihm vorstellen. Allerdings ist es wie bei der Suche nach einem guten Arzt: Wer eine Empfehlung hat oder bei der Suche begleitet wird, der findet oft schneller den »richtigen« Therapeuten.

Um einen Psychoanalytiker zu finden, ist es ein guter Weg, sich an ein psychoanalytisches Institut zu wenden. In Deutschland gibt es etwa 50 Institute – Listen von Instituten gibt es beispielsweise auf der Website derDeutschen Psychoanalytischen Vereinigung(www.dpv-psa.de/dpv-institute/) oder auf der Website derDeutschen Gesellschaft für Psychoanalyse, Psychotherapie, Psychosomatik und Tiefenpsychologie(www.dgpt.de). Hier finden Sie auch Adresslisten von Therapeuten in Ihrer Nähe – allerdings sind hier nur fertig ausgebildete Analytiker aufgelistet, die häufig eine lange Wartezeit haben. Da kann es hilfreich sein, sich an die Beratungsstelle eines Instituts zu wenden. Dort können Sie zum Beispiel auch an einen angehenden Psychoanalytiker (Ausbildungsteilnehmer) vermittelt werden. Sie können recht sicher sein, dass Sie auch bei einem Ausbildungsteilnehmer eine gute Therapie erhalten. Der angehende Analytiker gibt sich in der Regel besondere Mühe, korrekt zu arbeiten (Schmidbauer 1988), und wird von erfahrenen Analytikern begleitet. Eine weitere Möglichkeit ist der Weg über die psychotherapeutische Ambulanz einer Universitätsklinik. Dort kann man den Wunsch äußern, eine psychoanalytische Therapie zu machen, und wird dann in der Regel zu einem der Universität angeschlossenen Therapeuten vermittelt – dies sind dann gelegentlich auch Ausbildungskandidaten eines psychoanalytischen Instituts.

Empfehlungen von Freunden und Bekannten können hilfreich sein, allerdings sollte man bei einer psychoanalytischen Therapie darauf achten, nicht jemanden aufzusuchen, der bereits Psychotherapeut von Freunden, Bekannten oder Verwandten ist; denn darunter leidet entweder die Freundschaft oder die Therapie. In der psychoanalytischen Behandlung wird man über Beziehungen und intime Probleme sprechen, sodass Verbindungen jeder Art sehr hinderlich auf dem Weg sind.