Quarantäne! Eine Gebrauchsanweisung - Anselm Grün - E-Book

Quarantäne! Eine Gebrauchsanweisung E-Book

Anselm Grün

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Beschreibung

Quarantäne! Und plötzlich ist alles anders. Auf einmal lebt man wochenlang an einem Ort, mit den immer gleichen Menschen. Niemand hat das vorher ausprobiert – oder etwa doch? Die Mönche haben seit 1500 Jahren Erfahrungen mit exakt dieser Situation und wissen, wie das Zusammenleben auf engstem Raum klappt. Pater Anselm Grün OSB erklärt, was wirklich hilft – die geeignete Gebrauchsanweisung für alle, egal ob Single, Familie oder WG. Anselm Grün zeigt, wie man Streit vermeidet und die Zeit nutzt, wie man sich Freiräume schafft und gemeinsame Ziele und Rituale entdeckt. Das wichtigste Buch für diese Quarantäne-Tage, aber auch für andere Krisensituationen. Konkret, alltagsnah und motivierend. "Mit diesem Buch möchte ich die Erfahrungen, die wir Mönche seit mehr als 1500 Jahren gemacht haben und die heute wirklich konkret helfen können, teilen."

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Anselm Grün

Quarantäne! Eine Gebrauchsanweisung

So gelingt friedliches Zusammenleben zu Hause

Mit Simon Biallowons

Als deutsche Bibelübersetzung ist zugrunde gelegt:

Die Bibel. Die Heilige Schrift des Alten und Neuen Bundes.

Vollständige deutschsprachige Ausgabe

© Verlag Herder GmbH, Freiburg im Breisgau 2020

Alle Rechte vorbehalten

www.herder.de

Umschlaggestaltung: © Verlag Herder

Umschlagmotiv: Archiv Herder

E-Book-Konvertierung: Daniel Förster, Belgern

ISBN E-Book 978-3-451-82165-3

ISBN Print 978-3-451-38869-9

Inhalt

Widmung

Warum dieses Buch?

Erfahrung aus über 1500 Jahren: Die drei Benedikt-Kriterien

Aus dem Rhythmus gebracht: Die Stunde der Rituale

Alte und neue Ziele: Das uralte Mittel gegen Trägheit und Traurigkeit

Nischen, Frei-Räume und die Frage: Bin ich bei mir daheim?

Balance halten: Nähe und Distanz

Keine Angst vor Emotionen – oder: Wie ich mich und andere aushalte

Von der falschen und der rechten Sorge – oder: Warum Solidarität mehr als ein Fremdwort ist

Über die Autoren

Widmung

Das Buch, das aus einem gemeinsamen längeren Gespräch zwischen Simon Biallowons und mir entstanden ist, widmen wir beide allen Menschen, die durch die Corona-Krise aus dem Gleichgewicht geraten sind. Wir haben diese Gedanken aber auch aufgeschrieben für alle Menschen, die durch diese Krise aufgerüttelt worden sind und das Gefühl haben, dass wir unser Leben neu bedenken sollten. Denn Situationen, wie sie durch die Corona-Krise ausgelöst worden sind, werden uns immer wieder begegnen: das Leiden an der Enge, das Leiden an unserer Gefährdung durch Krankheit und Tod, das Leiden an unserer Hilflosigkeit und unserem Ausgeliefertsein an Situationen, die wir uns selbst nicht ausgesucht haben, die Erfahrung von schweren Zeiten, die wir durchmachen. Die Krise hat Fragen in uns wachgerufen, wie wir mit unseren Emotionen umgehen, wie wir zueinander stehen und welche Ziele wir uns setzen wollen. So wird uns die Krise noch lange beschäftigen und vor die Frage stellen: Wie verstehen wir uns selbst als Menschen in dieser Gesellschaft? Wo­rin sehen wir den Sinn unseres Lebens? Welche Spur möchten wir eingraben in unsere Welt?

So möchte ich allen Lesern und Leserinnen Gottes Segen wünschen und diesen Segen ausdrücken in einem Gebet: »Barmherziger und guter Gott, segne alle Menschen, die von der Corona-Krise aus ihrem gewohnten Leben herausgerissen wurden. Lass Deinen Segen um sie sein wie ein schützender Mantel, so dass sie sich bei all der Unsicherheit, die unsere Gesellschaft prägt, in Deinem Segen geborgen und behütet fühlen. Durchdringe sie mit Deinem Segen, dass sie trotz der äußeren Gefährdung mit sich selbst in Einklang kommen, dass sie bei allem äußeren Unfrieden mit sich selbst in Frieden sind. Segne sie, damit sie für andere zum Segen werden dürfen. So lasse Gott sein gütiges Antlitz über Euch leuchten und schenke Euch Seinen Frieden. Amen.«

Warum dieses Buch?

Vielleicht wird sich manch einer fragen, ob es wirklich nötig war, solch ein Buch jetzt zu veröffentlichen. Ich kann solche Fragen verstehen. Aber ich glaube zutiefst, dass wir alle in solch einer Situation zusammenhalten müssen, dass wir uns solidarisch zeigen müssen, dass wir uns unterstützen und teilen müssen – und mit diesem Buch möchte ich die Erfahrungen, die wir Mönche seit mehr als 1500 Jahren gemacht haben und die heute wirklich konkret helfen können, teilen. Und ich möchte mit diesem Buch die Erfahrungen teilen, die die Menschen in Taiwan mit dieser Krise gemacht haben. Meine taiwanesische Verlegerin, Frau Hsin-Ju Wu, erzählte mir, wie die ganze Gesellschaft gemeinsam die Krise bewältigen will. Sie handeln nach dem Grundsatz: »Ich schütze mich, um dich zu schützen.« So prägt eine christliche Idee die ganze Gesellschaft, in der nur 6 % Christen sind. Es geht mir in diesem Buch um die beiden Gedanken: die Solidarität und den guten Umgang mit der Situation, in der wir auf uns selbst geworfen sind, in der uns viele Ausweichmöglichkeiten genommen werden.

Wir Mönche kennen uns aus mit Abgeschiedenheit, mit Stille, mit Zusammenleben auf engstem Raum. Und natürlich können diese Erfahrungen nicht Probleme der Wirtschaft lösen, sie können keine Existenzen retten, sie können keine Warenengpässe beheben, sie können auch keine Kranken heilen. Und auf keinen Fall dürfen wir diese Krise, die die meisten in diesem Ausmaß so noch nie erlebt haben, und die sehr konkrete Auswirkungen hat, die Existenzen bedroht, die in unseren Alltag auf eine Weise eingreift, wie wir es bislang nicht kannten, bagatellisieren und spirituell überhöhen.

Zugleich dürfen wir gerade jetzt die existenziellen Momente und Bedürfnisse nicht missachten, weil der Mensch von mehr lebt als dem Brot allein. Deshalb können wir mit unserem Wissen obige Probleme sicher nicht lösen. Aber wir können mithelfen, dass etwas vielleicht besser gelingt, was wir manchmal verlernt haben: Zusammenleben. Wir leben in einer Zeit, in der es immer mehr Single-Haushalte gibt, in der Patchwork-Familien häufiger werden, in der wir nicht selten sehr verschiedene Lebens-Rhythmen haben, die von Schule oder Arbeit extern immens bestimmt sind, und sind tagelanges und enges Zusammenleben oft schlichtweg nicht mehr gewohnt. Das ist kein Vorwurf, woher auch? So, wie unser Leben getaktet und unsere Gesellschaft strukturiert ist, haben wir nicht selten weniger Berührungspunkte. Sich aus dem Weg zu gehen, scheint einfacher als früher. Doch das geht jetzt nicht mehr. Damit meine ich nicht nur, anderen aus dem Weg zu gehen. Wir gehen oft auch uns selbst aus dem Weg, flüchten uns dorthin und hierhin, suchen Ablenkungen und immer neue Reize. Das wird jetzt schwieriger, teilweise sogar unmöglich!

Der Begriff »Quarantäne« steht für eine Zeit der Abgrenzung, der Isolation, zeitlich begrenzt. Das ist wichtig: Es wird ein Ende der Quarantäne geben, das sollten wir uns immer wieder sagen. Allerdings weist die Herkunft des Wortes auch darauf hin, wie schwer und fordernd diese Zeit sein kann. Anfang des 15. Jahrhunderts mussten Seeleute, die unter Verdacht standen, die Pest oder andere Seuchen an Bord zu haben, außerhalb von Häfen ankern. In Italien bezeichnete man das als quaranta giorni, als »vierzig Tage«. Diese vierzig Tage und das Wort erinnern an das italienische quaresima, die Fastenzeit. Die Fastenzeit ist eine Zeit des Verzichts, eine Übungszeit, die den Menschen auf die Probe stellt. Nicht nur spirituell, sondern ganz konkret. Dass die Corona-Quarantäne mit der Fastenzeit zusammenfällt, ist dabei ein bemerkenswerter Zufall. Einer, den wir aber durchaus bedenken können, wenn es darum geht, was diese Zeit für uns und unsere Gesellschaft bedeutet. Wenn wir fragen, wie wir durch diese Krise kommen und was wir daraus lernen, ohne in einen blinden Fatalismus oder auch naives »Lob der Krise« abzurutschen. Denn wie gesagt: Viele Konsequenzen und Folgen haben mit Fastenzeit und Spiritualität nichts zu tun. Da sind Solidarität und Zusammenhalt, Wirtschaft und Politik, die gesamte Gesellschaft gefragt, konkret und immer wieder aktuell.

Das auszuhalten, sowohl die anderen als auch sich, das Zusammenleben oder auch die Einsamkeit, das ist eine hohe Kunst. Wir Mönche versuchen, uns in diese Kunst einzuüben. Wir haben dabei manche Schätze entdeckt, die wir auch selbst wiederentdecken müssen, auch dafür dient dieses Buch. Und wir haben konkrete Lösungen entwickelt, die auch außerhalb des Klosters funktionieren können, besonders in diesen Ausnahmesituationen, aber auch generell in Krisen und Umbrüchen. Diese Schätze, Wege und Lösungen anzubieten und mit Ihnen zu teilen, das ist mein Wunsch und Anliegen dieses Buches.

Erfahrung aus über 1500 Jahren: Die drei Benedikt-Kriterien

Wir Benediktiner haben von unserem Ordensgründer, dem heiligen Benedikt, klare Kriterien für ein gelingendes, friedliches Zusammenleben erhalten. Diese Regeln wurden in Zeiten aufgestellt, die turbulent waren, die durch Völkerwanderungen und andere einschneidende Veränderungen geprägt wurden. Der heilige Benedikt kennt sich daher aus mit dem Zusammenleben in stürmischen Zeiten. Und deshalb lohnt es sich, auf diese drei Kriterien näher einzugehen. Sie mögen in der Formulierung, die ihrer Zeit geschuldet ist, möglicherweise erst einmal überraschen. Doch es sind Kriterien und Prinzipien, die heute besonders wertvoll sein können.

Die Umbrüche, die Benedikt und seine Zeitgenossen erlebten, die Herausforderungen, die sich dadurch stellten, gerade für eine neue Gemeinschaft, waren enorm. Vor diesem Hintergrund sind die Regeln zu lesen, nach denen wir entscheiden sollen, ob ein Kandidat zu unserer Gemeinschaft passt. Benedikt nennt drei Kriterien: »Man achte genau darauf, ob der Novize wirklich Gott sucht, ob er Eifer hat für den Gottesdienst, ob er bereit ist zu gehorchen und ob er fähig ist, Widerwärtiges zu ertragen.« Gerade das letzte Kriterium klingt für unsere Ohren möglicherweise fremd und überzogen. Benedikt meint mit den Kriterien allerdings konkrete Charakterzüge, Eigenschaften und Handlungen, die auch heute noch relevant sind. Wenn der Novize Eifer hat für den Gottesdienst, dann ist er ein spiritueller Mensch, einer, der alle Dimensionen des Menschseins auslebt, sich nach etwas anderem ausrichtet, seiner Sehnsucht nachspürt – und zwar beständig und durchgängig, nicht nur in Momenten religiöser Schwärmerei oder Verzückung, sondern mit Eifer. Dahinter verbirgt sich auch die Offenheit für Beziehung, zu Gott, aber auch zum Menschen allgemein. Eifer zum Gottesdienst, das können wir mit Emotionsfähigkeit übersetzen, mit einer Absage an eine narzisstisch verstandene Gottsuche, die nur um sich selbst kreist und deshalb auch nur bei sich bleibt. Genauso brauchen wir in unserer Gesellschaft im Großen und in unseren Beziehungen und Familien Menschen, die offen sind, die Emotionen zeigen und verstehen, die empathisch sind, um diese Krise ohne große Verwerfungen zu meistern. Mit vielen Parallelwelten, in denen jeder für sich das Heil sucht, werden wir die Herausforderungen nicht meistern können. Das gilt für diese Krise und für viele andere, die uns immer wieder im Leben begegnen werden, auch.