Rassismus, Antirassismus und du - Jason Reynolds - E-Book

Rassismus, Antirassismus und du E-Book

Jason Reynolds

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Beschreibung

Lass uns über Rassismus reden … Jede rassistische Beleidigung schlägt eine Wunde – das wissen schon Kinder. Je mehr wir über Rassismus wissen, desto besser können wir ihn bekämpfen. Und genau das will dieses Buch. Es ist kein Geschichtsbuch. Selbst wenn es auch von der Vergangenheit handelt, will es das Hier und Heute verändern. Es nimmt junge Leser mit auf eine Reise, zeigt ihnen auf kindgerechte Weise, wo der Ursprung rassistischer Ideen liegt und welche Wirkung sie hatten und bis heute haben. Antirassisten wie Martin Luther King und Angela Davis kommen zu Wort. Sie schärfen den Blick dafür, was Rassismus bedeutet. Denn er betrifft uns alle. Überall. Sich früh mit Rassismus auseinanderzusetzen, heißt: Dinge verändern zu können.

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Seitenzahl: 109

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Jason Reynolds / Ibrahim X. Kendi

Rassismus, Antirassismus und du

Bearbeitet von Sonja Cherry-Paul

Mit Bildern von Rachelle Baker

dtv Verlagsgesellschaft mbH & Co. KG, München

Für January Hartwell, meinen Urururgroßvater – JR

Für die Leben, die angeblich nicht zählen – IXK

Für Big Ma und Bully, für alles, was ihr gesät habt – SCP

Für Bridgette, meine Mutter, in Liebe – RB

Liebe Leserinnen, liebe Leser,

Ihr fragt euch bestimmt: Was ist das eigentlich für ein Buch? Weil ihr daran gewöhnt seid, erfundene Geschichten zu lesen. Märchen, Fantasy-Bücher über Helden und Monster oder Gutenachtgeschichten über vergangene Zeiten, lange bevor ihr geboren wurdet, wo die Leute so komisch geredet haben. Und bestimmt habt ihr auch schon ein paar Sachbücher gelesen. Bücher über das Sonnensystem, coole Tiere wie Wölfe. Oder über historische Ereignisse wie die Französische Revolution oder den Zweiten Weltkrieg. Oder über historische Persönlichkeiten, die den Kampf für Menschenrechte geprägt haben wie Mahatma Gandhi, Nelson Mandela oder Martin Luther King. Wenn ihr solche Bücher über Menschen oder Ereignisse aus der Vergangenheit in der Schule lesen musstet, habt ihr euch vielleicht gefragt: Und was hat das alles mit mir und meinem Leben heute zu tun? Na ja, dieses Buch hier handelt von der Vergangenheit, und trotzdem ist es direkt mit unserem Alltag verbunden, den wir in genau dieser Sekunde leben.

In diesem Buch werdet ihr vielen Leuten begegnen. Ein paar davon kennt ihr vielleicht schon, aber es könnte sein, dass ihr nach diesem Buch ganz anders über sie denkt. Und vielleicht werdet ihr sogar euer eigenes Leben etwas anders sehen. Dieses Buch ist nämlich kein Geschichtsbuch. Es ist ein Buch über die Gegenwart. Über das Hier und Heute, über das, was jetzt im Moment gerade passiert. Ein Alltagsbuch sozusagen. Ein Buch, das euch zum Beispiel helfen kann zu verstehen, worum es bei der Black-Lives-Matter-Bewegung eigentlich geht. Ein Buch, das euch hilft zu verstehen, wo wir jetzt gerade stehen, wenn es um Gerechtigkeit und Gleichberechtigung geht, und wie wir dorthin gekommen sind – vor allem, wenn es um das Thema »Rasse« geht.

Oh-oh. Das böse R-Wort. Vielleicht hat man euch gesagt, dass man darüber nicht reden sollte. Oder vielleicht hat man euch auch das Gefühl gegeben, dass ihr das nicht dürft, so, als wäre es ein schlimmes Wort. Aber das ist es nicht. Das sollte es nicht sein. Und das darf es auch nicht sein. Deshalb holen wir jetzt alle mal tief Luft. Einatmen. Atem halten. Ausatmen und dabei laut sagen:

 

R A S S E

 

Und? War gar nicht so schlimm, oder? Wir werden das ganze Buch hindurch immer wieder kleine Pausen einlegen – um tief durchzuatmen und in uns hineinzuspüren –, während ihr von dieser seltsamen Erfindung namens »Rasse« lest, darüber nachdenkt oder redet. Denn darüber zu reden gehört zu den wichtigsten Fähigkeiten, die ihr lernen könnt. Stellt euch einfach das Coolste vor, das ihr tun könnt, und nehmt das mal zwei. So cool ist es, über »Rasse« und Rassismus reden zu können. Und mindestens drei Mal so wichtig. Und das ist der Grund dafür:

 

Erst wenn wir über die Erfindungdes Begriffs »Rasse« und seine Bedeutung reden können, wird das Gift des Rassismus verschwinden.

 

Wenn ihr über »Rasse« lest oder nachdenkt, dann stellt euch dabei ein Seil vor. Manchmal kann ein Seil nämlich eine Rettungsleine sein. Es hilft Kletterern dabei, sich sicher an einer Felswand in die Höhe zu hangeln, und schützt sie davor abzustürzen. Ein Seil kann aber auch eine Waffe sein. Es kann dazu benutzt werden, andere zu fesseln und Schaden anzurichten. Seile können Menschen und Dinge auf eine sehr stabile Weise miteinander verbinden. Zum Beispiel beim Seilspringen im Sommer, wenn sich alle deine Freunde und Freundinnen auf der Straße zum Spielen treffen. Oder bei einer Schaukel, die an einem Klettergerüst oder einem dicken Ast hängt und dich bis in den Himmel fliegen lässt.

Seile können also benutzt werden, um etwas festzubinden, zu fesseln, zu sichern oder zu ziehen.

Wie kommt es, dass Menschen an rassistische oder antirassistische Meinungen gebunden werden? Wer sind diese Leute, die an den verschiedenen Enden des Rassismus-Seils zerren? Wie können rassistische Vorstellungen Menschen gefesselt halten? Und wie können antirassistische Ideen Menschen besser machen?

Wie konnte dieser ganze Wirrwarr überhaupt entstehen? Und wer sind die Menschen, die sich bemühen, dieses Schlamassel wieder zu entwirren?

Behaltet dieses Bild von einem Seil im Kopf und versucht dabei, euch drei Begriffe zu merken. Diese Begriffe beschreiben die unterschiedlichen Leute, die wir in diesem Buch erforschen wollen, und die Meinungen, die sie vertreten:

 

SEGREGATIONISTEN

ASSIMILATIONISTEN

ANTIRASSISTEN

 

Es gibt feste Definitionen für diese Begriffe … aber ich will euch hier mit meinen Worten erklären, was sie bedeuten.

Segregationisten sind Hater. Also, richtige Hater, voller Hass und Wut. Leute, die andere Leute hassen, weil sie nicht so sind wie sie.

Assimilationisten dagegen sind Leute, die dich nur dann mögen, wenn du genauso bist wie sie.

Und dann gibt es noch die Antirassisten. Sie lieben dich so, wie du bist.

Das sind nicht einfach nur drei Worte, die wir verwenden, um die Leute in diesem Buch zu beschreiben. Denn, nicht vergessen, das ist kein Geschichtsbuch über die Vergangenheit. Es ist ein Gegenwartsbuch. Ein Alltagsbuch. Deshalb sind das auch die Begriffe, mit denen wir beschreiben, wer du bist und wer ich bin und wer wir alle sind … jeden Tag.

Dabei werdet ihr feststellen, dass auf die meisten Leute oft nicht nur einer dieser drei Begriffe passt. Es kann gut sein, dass sie jede dieser drei Meinungen glauben und vertreten – manchmal sogar in ein und demselben Satz. Aber was noch wichtiger ist: Menschen können sich ändern.

Das wiederhole ich am besten noch mal:

 

MENSCHEN KÖNNEN SICH ÄNDERN.

 

Seit den Anfangstagen der Vereinigten Staaten von Amerika gab es unterschiedliche Ansichten darüber, was Freiheit bedeutet und wem Freiheit zusteht. Diese unterschiedlichen Ansichten waren immer mit dem Thema Rasse verbunden. Deshalb will dieses Buch euch auf eine Rassismusreise mitnehmen, von damals bis heute, mit ein paar Leuten, die hinterher vielleicht neue Helden oder Heldinnen für euch sind. Antirassisten und Antirassistinnen, die uns helfen, uns selbst zu sehen. Die dich lieben, weil du so bist, wie du bist.

Eine letzte Sache noch: Ihr werdet in diesem Buch sehen, dass Geschichten von unterschiedlichen Leuten unterschiedlich erzählt werden, je nachdem, was für eine Meinung sie vertreten. Und auf diesen Seiten hört ihr meine Stimme, die euch auf dieser Reise begleitet. Aber eines will ich gleich mal klarstellen: Das ist kein Buch über die Meinungen, die ich vertrete. Es ist ein Buch über die Geschichte des Rassismus, von seinen Anfängen in Europa und Amerika, und über dich. Dieses Buch ist voller Wahrheiten. Es ist vollgepackt mit Fakten über die Entscheidungen, die Leute vor Hunderten von Jahren trafen und die uns an den Punkt geführt haben, an dem wir heute stehen. Über Entscheidungen, die auch heute noch von Menschen getroffen werden.

Also denkt beim Lesen daran, dass ihr in diesem Moment schon am nächsten Kapitel mitschreibt. Eure Entscheidungen, eure Worte, die Art, wie ihr euch selbst und die Menschen um euch herum betrachtet – das alles zählt. Ihr zählt. Ich hoffe, ihr glaubt daran, dass die Welt ein guter Ort sein kann, dass Dinge sich ändern können und dass das Wissen über die Geschichte uns hilft, eine bessere und ehrlichere Zukunft zu gestalten. Jeden Tag.

1Eine riesengroße Lüge

1415–1619

Okay, wo sollen wir loslegen? Springen wir doch direkt rein und fangen mit dem ersten Hater an, der rassistische Überzeugungen beliebt machte. Das ist schon seeehr lange her, damals im Jahr 1415, als die Europäer damit beschäftigt waren, einen Haufen anderer Länder zu erobern. Und nachdem sie eine Gegend erobert hatten, fingen und versklavten sie die Menschen, die dort lebten, als wären sie nur ein paar Reiseandenken.

Damals hatte Sklaverei noch nichts mit Hautfarbe zu tun. Es spielte keine Rolle, wie man aussah, es spielte nur eine Rolle, dass man erobert wurde. Bis so ein Hater kam, ein Mann namens Gomes Eanes de Azurara, und neue Gedanken über die Sklaverei herumposaunte. Neue Gedanken, mit denen die Sklaverei nun doch mit der Hautfarbe in Verbindung gebracht wurde. Und dazu noch eine Idee, wie sich mit dem Handel von versklavten Menschen viel Geld verdienen ließ. Aber wie genau hat Azurara das geschafft?

Ganz einfach, indem er Geschichten erzählte.

[Kurze Pause]

Worte sind wichtig. Geschichten sind wichtig. Lügen sind wichtig. Sie beeinflussen, wie wir denken, woran wir glauben und wie wir handeln. Achtet beim Weiterlesen mal darauf, wie Worte, Geschichten und Lügen genau das tun – wie sie beeinflussen, wie wir über Menschen und Hautfarben denken … und wie wir dementsprechend handeln.

Azurara schrieb ein Buch, eine Biografie über das Leben und den Sklavenhandel seines Chefs, Prinz Heinrich von Portugal. Azurara gehörte zwar nicht zu denen, die Afrikaner versklavten oder misshandelten. Tatsächlich spielte er dabei eher eine Nebenrolle. Aber er hat eben diese Geschichte geschrieben und dadurch die Regeln bestimmt. Und er hat die Geschichte – sein wirklich schlimmes Märchen – dazu benutzt, um Prinz Heinrich als guten Menschen darzustellen. Als wäre Heinrichs Wunsch, afrikanische Menschen zu entführen und zu versklaven, eine gute Tat und kein grausames Verbrechen.

Wenn Azurara davon sprach, Menschen zu besitzen, klang es so, als wären sie ein Paar coole Sneaker. Allerdings beschrieb er die Afrikaner als »wilde Tiere«, die gezähmt werden müssten, und so würden wir doch niemals über Sneaker reden, oder? Also hat er sie vielleicht als Schnürstiefel gesehen. Glänzende schwarze Lederschuhe, die so lange eingetragen werden müssen, bis sie weich geworden sind und nicht mehr drücken an den Füßen. Und, schlimmer noch, er behauptete, Afrikaner zu versklaven, wäre ein Auftrag von Gott. Gott? Echt jetzt? Und dass es die Pflicht der Europäer wäre, sie zu zivilisieren und zu zähmen – ihnen das Christentum beizubringen, um ihre verlorenen Seelen zu retten. Und mit der Zeit überzeugten diese rassistischen Lügen sogar ein paar afrikanische Menschen davon, dass sie nicht so gut wie Weiße Menschen wären.

Azurara war der Erste, der in seinen Schriften behauptete und verteidigte, dass Schwarze Menschen Eigentum wären. Sein Buch, das ein echter Bestseller wurde, pflanzte falsche, anti-Schwarze rassistische Überzeugungen in viele europäische Köpfe ein. Und es dauerte nicht lange, bis diese Überzeugungen sich überall verbreiteten und festsetzten.

Nach Azuraras unsinnigen Lügen folgten andere Europäer seinen rassistischen Fußstapfen, um ihre eigenen rassistischen Ansichten zu verbreiten und die Sklaverei zu rechtfertigen. Nachmacher. Ein paar fanden, Afrikaner wären minderwertig und keine richtigen Menschen und hätten nur deshalb eine dunkle Haut, weil das Wetter in Afrika so heiß sei. Würden sie in kälteren Regionen leben, würden sie auch Weiß werden. Wie lächerlich! Ein englischer Schriftsteller behauptete, die schwarze Hautfarbe sei ein Fluch von Gott. Genauso lächerlich! Andere absurde Theorien besagten, eben weil die Afrikaner »verflucht« seien, müssten sie versklavt werden, damit dieser Fluch aufgehoben würde. Außerdem wurde behauptet, dass zwischen versklavten Menschen und ihren Sklavenhaltern eine liebevolle und freundliche Beziehung bestehen würde – ungefähr so wie zwischen Eltern und Kindern. Und das ist nun WIRKLICH total lächerlich! Diese Aussagen waren Versuche, ein falsches Bild von den schrecklichen Erfahrungen zu zeichnen, die Menschen durch die Sklaverei erlitten. Und alles nur, damit die Weißen Sklavenhalter sich besser dabei fühlten, wenn sie Schwarze Menschen versklavten.

Und als die Europäer dann loszogen und das Land eroberten, das sie später Amerika nennen sollten, nahmen sie all diese lächerlichen, dummen und verrückten Ansichten mit.

2Gestohlenes Land, gestohlene Leben

1619–1688

Im Jahr 1619 traf das erste Schiff mit versklavten afrikanischen Menschen an Bord im neu kolonisierten Amerika ein. Amerika begrüßte die Sklaverei mit offenen Armen und nutzte sie aus, um das neue Land aufzubauen.

Jahre vergingen. Immer mehr Europäer trafen ein, die selbst vor Hatern flüchteten und nach Freiheit und Chancen suchten. Ein paar dieser Neuankömmlinge waren Missionare, gläubige Menschen, die ihre Religion verbreiten wollten. Darunter waren auch puritanische Priester, die sehr strenge religiöse Regeln befolgten. Nach ihrer Ankunft in Amerika bauten sie Kirchen und Schulen, in denen sie ihre Meinung verbreiteten: nämlich, dass sie besser wären als Leute, die keine Puritaner waren, und noch viiiel besser als amerikanische Ureinwohner und afrikanische Menschen. Sie predigten diese Ansichten in ihren Kirchen und Schulen, was zusammen mit Azuraras Vorstellungen und anderen Ansichten dazu beitrug, die Sklaverei für sehr, sehr lange Zeit zu rechtfertigen – weil diese Überzeugungen eben über die Kirchen und Schulen verbreitet wurden, die früher wiederum so was wie der Speck und die Eier für die Leute waren. Oder vielleicht das Brot und der Käse? Das Fleisch und die Kartoffeln? Ach, ihr wisst schon, was ich damit sagen will: Was in den Kirchen und Schulen gesagt wurde, das glaubten die Siedler damals eben.

Die Amerikaner verhielten sich ein bisschen so, als würden sie eines dieser Computerspiele spielen, in dem man eine neue Welt aufbauen muss. Nur war das eben komplett rassistisch. Weil – die amerikanischen Ureinwohner hatten ja schon eine Welt gebaut. Aber ein soziales Netzwerk aus Farmern und Missionaren eroberte diese Welt der Ureinwohner mit Gewalt und riss sich das Land unter den Nagel.