Raumdenken® in der Hundeerziehung - Ursula Löckenhoff - E-Book
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Raumdenken® in der Hundeerziehung E-Book

Ursula Löckenhoff

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Beschreibung

Ursula Löckenhoff hat ein eigenes Konzept entwickelt, Hunde über Räume erfolgreich zu führen. Ihr Raumkonzept ist ein Wechselspiel von Freiraum geben und Grenzen setzen. In diesem Buch erfahren Hundehalter, wie man Räume in der Hundeerziehung etablieren und darüber seinen Hund führen kann: im persönlichen Bereich, im häuslichen Bereich, an der Leine und in der Natur. Die natürliche Kommunikation mit dem Hund und das gegenseitige Vertrauen stehen dabei im Mittelpunkt. Auf diese Weise wächst ein Team aus Mensch und Hund, das auch im Alltag Bestand hat.

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ZU DIESEM BUCH

»Freude am Schauen und Begreifen ist die schönste Gabe der Natur.«

Albert Einstein

Perfekt kann jeder und ist auch langweilig. Es sind die Eigenheiten und die Individualität, die uns ausmachen und es ist die gemeinsam verbrachte Zeit, die uns verbindet. Lebt man mit Hunden mitten in der Stadt, gehört dazu nicht nur der häusliche Alltag, sondern auch der Spaziergang durch die Natur. Jeden Tag ziehe ich mit meiner Hundegruppe durch mehr oder weniger stark befahrene Straßen. Vorbei an Schulkindern, Briefträgern, der Müllabfuhr, Fahrrädern, Katzen und vielen weiteren Reizen. Vorbei an Hunden, die uns hinter Gardinen und Gartenzäunen freundlich grüßen, wie auch an denen, die uns lautstark verbellen. Im Grünen angekommen, haben wir zwar Asphalt und Lärm hinter uns gelassen, müssen uns nun aber den Großraum „Natur“ mit den Erholungssuchenden teilen. Und wenn ich einmal die Zeit Revue passieren lasse, dann stelle ich fest, dass es immer voller wird, dass immer mehr Menschen mit ihren Hunden in „unser“ Revier drängen, den Wald und die weiten Wiesenflächen auch zu den ihren machen. Bliebe dabei jeder in „seinem Raum“, gäbe es keine Probleme!

Wir alle sind Teil unseres natürlichen und unseres sozialen Umfelds. Darin nehmen wir unsere räumlichen Grenzen stets subjektiv und oft unbewusst wahr. Um aber ein stärkeres Bewusstsein, eine Achtsamkeit, dafür zu entwickeln, sollten wir uns die folgenden Fragen stellen: Wie sieht der Raum aus, durch den wir uns bewegen? Wie viel Raum benötige ich darin, um mich wohl und nicht von anderen bedrängt zu fühlen, und wie viel Raum benötigt mein Hund oder mein Gegenüber? Manche Menschen und Hunde scheuen keine Nähe, andere wiederum bestehen auf Distanz. Aussie-Hündin Nala zum Beispiel, nähert sich ohne Anleitung distanzlos Hunden und Passanten, während Schäferhund Wolfi auf ausreichend Abstand besteht und ihm ist es dabei auch nicht peinlich, das lautstark einzufordern. Im Haus verhält es sich ähnlich, manche Hunde lassen sich regelrecht stapeln, beispielsweise die Whippets Elsa, Carlo und auch Vizsla Lotta. Sie können gar nicht eng genug an- und aufeinander liegen, während der Herdenschutzhund Faraón einen Platz für sich ganz allein beansprucht.

Hunde leben im „Hier und Jetzt“ und denken räumlich. Sie wissen die Gegenwart zu nutzen, ihre Chancen wahrzunehmen und den Raum für sich zu optimieren. Über mein Engagement im Tierschutz konnte ich die unterschiedlichsten Hundecharaktere kennenlernen und während meiner täglichen Arbeit mit und in der Hundegruppe zum Raumverhalten der Hunde kontinuierlich Erfahrung sammeln. Instinktsicher nehmen Hunde Einfluss auf die räumliche Position des anderen, denn so lässt sich auch die Position im sozialen Gefüge verbessern. Es ist unglaublich spannend, an ihren „Gesprächen“ teilhaben zu können und an ihrem Raumverhalten zu erkennen, wo ein Hund mehr Hilfestellung benötigt, also mehr gefördert als unterbrochen werden sollte, oder aber auch umgekehrt, wo eine genauere Grenzsetzung erforderlich ist.

© Anna Auerbach

Ursula Löckenhoff mit Whippethündin Elsa

Jeder Hund ist ein Individuum, hat eine eigene Persönlichkeit und Geschichte und stellt ganz eigene Anforderungen an seinen Halter. Territoriale Verhaltensweisen sind dabei von großer Bedeutung. Das Raumdenken® eint uns mit dem Hund, denn auch wir Menschen agieren territorial. Stellen Sie sich nur mal vor, jemand setzt sich am Strand auf Ihr Badehandtuch, benutzt Ihre Sonnencreme und trinkt aus Ihrer Wasserflasche. Territoriale Verhaltensweisen helfen uns, all das, worauf wir Anspruch erheben, zu sichern. Machen wir uns das bewusst, lässt sich auch das hündische Verhalten besser verstehen. Die Erkenntnisse helfen dabei, sich zu reflektieren und sinnvolle Lösungen fürs Zusammenleben zu finden.

Wenn wir uns unserer Führungsaufgabe bewusst werden und bereit sind, von und mit unseren Hunden zu lernen, dann werden wir mit ihnen „zusammen wachsen und zusammenwachsen!“ Dabei sind Engagement und Durchhaltevermögen gefragt, mit dem Willen sich und den Hund im Raum zu bewegen. Ich freue mich, Sie mit diesem Buch in die Welt der Hunde mitzunehmen, damit wir das Geheimnis der Räume gemeinsam lüften.

Ihre Ursula Löckenhoff

& die Hunde

WARUM RAUMDENKEN®?

© Anna Auerbach

WAS IST RAUM?

Die Frage „Was ist Raum?“ ist wahrscheinlich so alt wie die Wissenschaft selbst, denn sie wurde bereits bei den Mathematikern und Philosophen der alten Griechen thematisiert. Zunächst bezeichnet der Begriff „Raum“ ganz simpel eine in Länge, Breite und Höhe eingegrenzte Ausdehnung. Die Grenzen können aus klar sichtbaren festen Wänden bestehen, Zimmern, Gebäuden oder einer Mauer. Sie können aber auch Territorien mit variablen Grenzen beschreiben, wie zum Beispiel Lebensräume und Reviere, die eher durch geografische Auffälligkeiten oder andere Markierungen erkennbar sind. Physikalisch betrachtet ist Raum der „Behälter“ aller Dinge, der leer (frei) sein oder etwas beinhalten (besetzt sein) kann.

Sinnverwandte Begriffe für Raum sind zum Beispiel: Territorium, Bereich, Fläche, Platz, Gebiet, Zone, Umkreis, Ausdehnung, Ausmaß, Rahmen → mit diesen Begriffen lässt sich „Raum“ umschreiben.

Untergeordnete Begriffe für Raum sind zum Beispiel: Nahraum, Großraum, Individualraum, Taburaum, Freiraum, Leinenraum, Schutzraum, Spielraum, Verhaltensraum → diese Begriffe werde ich im Verlaufe des Buches noch ausführlich besprechen.

RÄUMLICH POSITIONIEREN

Raum ist ein grundlegender Bestandteil der Realität. Er umgibt uns, wir bewegen und verhalten uns darin und dafür brauchen wir Platz. Dazu ein einfach nachvollziehbares, physikalisch begründetes Beispiel: Wenn Sie sich von Raum A nach Raum B bewegen, dann muss Raum B frei sein. Hier braucht es schon mehr Vorstellungskraft und auch abstraktes Denken, denn diese Räume sind nicht sichtbar eingegrenzt und damit auch nicht einheitlich zu definieren. Das Ausmaß des Bereichs, den man für sich braucht, ohne sich bedrängt zu fühlen, wird nach individuellem Empfinden angezeigt und ist variabel: Es lässt entweder Nähe zu oder fordert Distanz. Es beschreibt den persönlichen Bereich, den Individualraum.

Hunde agieren territorial, haben also ein instinktives räumliches Bewusstsein. Sie orientieren und positionieren sich ihrem Umfeld gegenüber mit unterschiedlich starker Präsenz. Dabei kommunizieren sie über ihr Raumverhalten: Sie geben, nehmen oder halten Raum und entscheiden auch über den einzuhaltenden Abstand.

© Anna Auerbach

Elsa wird von A nach B geführt.

© Anna Auerbach

Elsas Laufweg ist besetzt, sie versucht auszuweichen.

© Anna Auerbach

Lottas Nähe ist Elsa zu viel, sie fühlt sich bedrängt.

Dazu greife ich das Beispiel von oben auf Wenn sich Fiffi von Raum A nach Raum B bewegt, dann muss Raum B frei sein. Ist nun aber Raum B von Bello besetzt, dann hält Bello entweder den Raum und Fiffi muss weichen, oder aber Bello weicht aus und Fiffi nimmt Raum B ein.

Ein Beispiel aus meiner Hundegruppe Westhighland Terrier Charly (kastriert) wird morgens in den Hort gebracht. Im Eingang steht der ranghöhere Schäferhund Wolfi (intakt). Für Charly ist ausreichend Platz, um an Wolfi vorbeizugehen. Aber Wolfi signalisiert, dass er den gesamten Eingangsbereich beansprucht. Charly akzeptiert dies. Aus ihrem jeweiligen Raumverhalten lassen sich Rückschlüsse über die Positionen der Hunde im sozialen Gefüge ziehen.

Ein Bereich für Mensch und Hund Über das Raumdenken® schaffen Sie für sich und Ihren Hund einen Bereich, um sich untereinander auszurichten und zu positionieren. Darüber lässt sich Ihre emotionale Beziehung physisch, das heißt räumlich und körperlich, abbilden und auch verbessern.

RÄUMLICH ORIENTIEREN

Räume definieren sich durch verschiedene Arten von Grenzen. Dazu zählen auch Ort, Zeit und Verhalten. Sie bilden beim Raumdenken® Fixpunkte, die Orientierung geben. Dazu ein Bild: Stellen Sie sich vor, Sie sind ein Astronaut und steigen aus Ihrer Raumkapsel. Der Boden wird Ihnen unter den Füßen weggerissen, statt Erdung finden Sie hier Schwerelosigkeit. Oben wird zu unten, es gibt kein Rechts und kein Links und so schweben Sie orientierungslos durch das unendliche All. Das Zeitgefühl schwindet, während die Unsicherheit immer größer wird – wie sollen Sie sich nun verhalten? Sie machen sich auf die Suche nach Anhaltspunkten, etwas, das die unendliche Weite begrenzt. Sie schauen sich um, sehen ein Sicherungsseil und bekommen es zu fassen. Das Zeitgefühl kommt zurück, Sie haben genau zehn Minuten, um zur Kapsel zurückzukommen. Sie wissen, dass das nur gelingen kann, wenn Sie sich ruhig und konzentriert am Seil zurückhangeln. Tatsächlich haben Sie nun eine Orts-, Zeit- und Verhaltensvorgabe, also Fixpunkte, die die unendliche Weite begrenzen und Ihnen Halt und Orientierung bieten.

Über das Raumdenken® setzen Sie, bildlich gesehen, Wände. Sie bilden einen Raum, der Ihren Hund birgt und schützt. Statt sich zu verlieren, bieten Sie Ihrem Hund durch Zeit- und Verhaltensvorgaben Orientierung.

© Anna Auerbach

Das Beziehungsgeflecht ist räumlich erkennbar: Kora ist autark, Wolfi ist meine rechte Hand, Nala braucht Schutz und Nähe – alle formieren sich um mich.

VOM TERRITORIALEN VERHALTEN ZUM RAUMDENKEN®

Als soziale Lebewesen unterliegen Hunde sozialen Mechanismen, dazu gehört auch das territoriale Verhalten. Es bezeichnet Verhaltensweisen, die bei Inanspruchnahme und Verteidigung von Räumen Anwendung finden. Bei der Raumeinnahme wird ein Bereich besetzt, dessen Grenzen in der Regel vom Gegenüber respektiert werden. Werden Grenzen überschritten, folgen Abwehrreaktionen, wie zum Beispiel ein Drohverhalten, die einen Kampf verhindern sollen. Territoriales Verhalten zeigt folglich Grenzen auf und steuert darüber auch das Konfliktverhalten unter sozialen Individuen.

Hierzu ein Beispiel aus der Praxis Retriever Paula liegt entspannt in ihrem Korb. Junghündin Nala nähert sich. Paula zieht ihre Lefzen hoch und droht. Über die Drohung kommuniziert sie ihren Bereich, ihren Wohlfühlraum, und signalisiert: „Ich möchte hier meine Ruhe haben und dulde deine Nähe nicht!“ Nala akzeptiert Paulas Bitte und wendet sich ab. Paula zeigt zwar aggressive Verhaltensweisen, beabsichtigt aber keinen Zank, sondern grenzt sich lediglich Nala gegenüber ab.

© Anna Auerbach

Orientierung bieten und Raum für soziales Miteinander schaffen.

AUCH MENSCHEN SIND TERRITORIAL

Auch wir Menschen verhalten uns territorial. Wir kennzeichnen unsere „Territorien“, zum Beispiel mit Zäunen, Mauern oder Landesgrenzen. In der Wohnung haben wir Lieblingsplätze, die wir für uns beanspruchen, oder Bereiche, wo wir nicht gestört werden wollen, zum Beispiel im Arbeitszimmer oder in der Privatsphäre des eigenen Zimmers. Oder aber wir nehmen einen Raum zeitlich ein, markieren zum Beispiel für die Badezeit einen Liegeplatz am Strand mit einem Handtuch. In der Regel wird das respektiert und dieser Bereich frei gelassen. Steuert nun doch jemand auf unser Handtuch zu, dann signalisieren wir, dass dieser Platz bereits besetzt ist und gegebenenfalls nutzen wir dafür auch Drohverhalten.

© Anna Auerbach

Hier ist besetzt: Schutz durch Abwehr.

TERRITORIALES VERHALTEN UND REGLEMENT

Territoriales Verhalten bringt Aggressionsverhalten mit sich, ohne das Selbstschutz und Überleben nicht möglich sind. Es hilft, eigene Belange durchzusetzen und zu sichern und es lässt sich darüber zum Beispiel Schutz und Abwehr, Nähe und Distanz ausdrücken. Aber es braucht auch unbedingt Regulierung, denn Hunde sind mit einem gefährlichen Fang ausgestattet und müssen lernen, ihn sozial angemessen zu nutzen. Egal, ob es sich um den Tierschutz- oder den Familienhund handelt, Hunde müssen erfahren dürfen, ob sie sich im sozialen Gefüge richtig oder falsch verhalten. Wachsen Hunde ohne Reglement auf, werden sie sozial auffällig. Sie zeigen kein soziales Raumverhalten, geben sich extrem distanzlos bis übermäßig territorial, wählen den Angriff oder aber entziehen sich durch Meiden bis hin zur Flucht (siehe Aggressionsverhalten, siehe Erziehung).

© Anna Auerbach

Golden Retriever Josy verteidigt ihr Auto. Vizsla Lotta akzeptiert die Grenzsetzung, ein Kampf wird so verhindert.

Ein Beispiel aus meinem Alltag Der noch kleine Hubi ist extrem niedlich. Seine Halter können schlecht „Nein“ sagen. Er darf also ins Bett und aufs Sofa, er hat sein Futter zur freien Verfügung und wenn er etwas vom Tisch stiehlt oder dem Besucher auf den Schoß springt, wird dies als putzig empfunden. Nun wird er aber älter und beansprucht immer mehr Raum, so auch mehr Platz im Bett. Das möchten die Halter unterbinden, doch auf die nun folgende Korrektur reagiert Hubi erfolgreich mit Drohverhalten. Seine Halter haben nun Angst vor ihm. Will man Hubi fortan anfassen und begrenzen, flüchtet er aus dem Nahbereich des Menschen oder aber er droht kurz, geht nach vorn und schnappt. Hubi hat gelernt, dass er Grenzen nicht akzeptieren muss, dass man sich nach ihm richtet und er mit seinem Verhalten die Abläufe bestimmen kann: Er ist der kleine König und seine kleine Welt gehört ihm.

Seine Halter haben Hubi ins Tierheim gebracht. Das mag sich bitter anhören, war aber eine neue Chance für den kleinen Mann. Ich habe ihn aufgenommen, um ihn zu beurteilen und seine Resozialisierung auf den Weg zu bringen. Hubi hat als erstes gelernt, dass er keine territorialen Ansprüche stellen darf. Er lebte mit mir in meinem Haus, es ist mein Bett, mein Futter, mein Besuch usw. Ich habe ihn über die Leine begrenzt, das heißt seine Bewegung im Raum kontrolliert und ihm Verhaltensvorgaben gemacht, und das alles in Verbindung mit einem zeitlich strukturierten Tagesablauf. Hubi akzeptierte das erstaunlich schnell. Er ist kein aggressiver Hund, er war im freien Fall, hatte die Orientierung am Menschen verloren und einfach zu viel Handlungsspielraum.

VERHALTEN VERSTEHEN UND BEGRENZEN

Das Raumdenken® schärft Ihr territoriales Bewusstsein und lässt Sie das Verhalten Ihres Hundes besser verstehen. Über Raumvorgaben setzen Sie Ihrem Hund verständlich Grenzen, innerhalb derer er sich nach seinen Möglichkeiten teamorientiert einbringen kann.

TERRITORIALER ANSPRUCH

Territoriales Verhalten befriedigt das Grundbedürfnis nach Sicherheit, denn Hunde wollen instinktiv ihren Raum beziehungsweise ihr Revier einnehmen und schützen. Es beinhaltet einen territorialen Anspruch, einen Besitzanspruch auf den Raum selbst und auf das, was sich im Raum befindet: die Ressourcen, wie zum Beispiel Futter, Spielzeug, Schlafplatz und vieles mehr. Sie sind, je nach Hund und Situation, ein mehr oder weniger wichtiges Gut und auch der Bezugsmensch selbst kann für den Hund eine wichtige Ressource sein.

© Ursula Löckenhoff

Schäferhund Wolfi reguliert den territorial übersteuerten Beagle Hubi.

Ein Beispiel aus meinem Alltag Bulldogge Lola hat zu mir ein enges Verhältnis. Aber sie akzeptiert es, mich mit der Gruppe zu teilen. Sie zeigt weder Futterneid noch schiebt sie sich zwischen mich und andere Hunde, um sich in den Vordergrund zu drängen. Wird Lola jedoch von ihrer Halterin abgeholt, dann darf kein anderer Hund in die Nähe ihrer Halterin kommen. Sie ist für Lola eine wichtige Ressource, die sie nicht teilen möchte.

© Ursula Löckenhoff

„Hau ab, das ist meine Mama!“ Auch der Hundehalter ist eine Ressource für den Hund.

RÄUMLICH ANLEITEN

Hunde streben instinktiv danach, möglichst viel Raum einzunehmen. Sie agieren „ich-bezogen“, wollen nicht übersehen werden und sich dabei im Raum erfahren. Sie probieren aus, was alles möglich ist und wie weit sie gehen können, bevor sie „anecken“ (siehe Vom territorialen Verhalten zum Raumdenken®, Beispiel „Hubi“). In der Mensch-Hund-Gemeinschaft sollte man deswegen gleich bei Einzug des Hundes aktiv mit der Raumverwaltung beginnen, also Grenzen setzen und Besitzansprüche klären. Dabei ist es egal, ob es sich nun um einen Welpen vom Züchter oder einen schon älteren Tierschutzhund handelt. Konsequente Raumvorgaben machen Sie zum verlässlichen Hundehalter. Welpen und Junghunde schulen sich anfangs spielerisch im territorialen Verhalten, um es dann im Erwachsenenalter effektiv anwenden zu können. Deswegen treten Problematiken, ganz nach dem Motto: „Er war so ein süßes Kind!“, erst mit zwei bis drei Jahren auf. Ein willensstarker Hund braucht eine willensstarke, ein unsicherer Hund eine sichere Führung. Je konsequenter Sie Ihre Vorgaben durchsetzen, desto mehr steigt Ihre Akzeptanz und damit auch Ihre Kompetenz (siehe Die vier Faktoren des Raumdenkens®). Es geht nicht darum, ein perfekter Hundehalter zu sein, sondern seinen Hund anleiten zu wollen, sich mit ihm zu erfahren und gemeinsam zu wachsen.

NATÜRLICHE UND SOZIALE ERZIEHUNG

Das Raumdenken® ermöglicht Ihnen eine natürliche und soziale Erziehung. Sie erfahren, was und warum Ihren Hund etwas bewegt, und können sich dementsprechend reflektieren. Hunde überprüfen nichts anderes als unsere Führungsqualitäten. Können Sie Ihre Raumvorgaben durchsetzen? Die zentrale Frage lautet also: „Wer bewegt wen im Raum?“

© Anna Auerbach

Es geht nicht um Perfektion, sondern darum, sich mit seinem Hund zu erfahren und gemeinsam zu wachsen.

© Anna Auerbach

Die zentrale Frage lautet: „Wer bewegt wen im Raum?“

DIE VIER FAKTOREN DES RAUMDENKENS®

Physikalisch gesehen, füllen Körper (menschliche, tierische und andere) Raum aus. Dies wird vom Umfeld bewusst oder unbewusst wahrgenommen und mit individuellem Raumverhalten beantwortet. Wenn Sie sich zum Beispiel durch eine Fußgängerzone bewegen, laufen Sie entweder einen Bogen um Ihr Gegenüber und weichen aus oder Sie halten Ihre Spur und verschaffen sich Platz. Um die Abläufe Ihres Mensch-Hund-Teams nach Ihren Vorstellungen gestalten zu können, müssen Sie sich also zunächst Ihres Raumverhaltens und Ihrer körperlich-räumlichen Position als Leitmensch klar werden. Das umfasst vier wesentliche Faktoren, die ich nachfolgend vorstelle.

© Anna Auerbach

Raum nehmen – Präsenz einbringen, Raum beanspruchen → willensstark auftreten

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Raum halten – präsent sein, Raum ausfüllen → Kompetenz entwickeln

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Raum freigeben – Präsenz herausnehmen, Raum freigeben → Akzeptanz ernten

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Raum aufgeben – nicht präsent sein, meiden und flüchten, Auseinandersetzung scheuen

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Wolfi präsentiert sich wirkungsvoll, die Gruppe formiert sich um ihn (siehe Räumlich positionieren).

1. PRÄSENZ

Präsenz beschreibt Ihre körperlich-räumliche und auch mentale Anwesenheit. Sie wird vom Umfeld bewusst oder unbewusst mit unterschiedlich dominierender Ausstrahlungs- beziehungsweise Wirkungskraft wahrgenommen. Wenn Sie Einfluss auf das Raumgeschehen nehmen möchten, sollten Sie sich wirkungsvoll präsentieren, engagiert einsetzen und gegebenenfalls auch durchsetzungsstärker einbringen.

© Anna Auerbach

Wir werden nicht übersehen, präsentieren uns wirkungsvoll im Raum.

Dazu ein Beispiel aus der Schule Stellen Sie sich vor, es ist der erste Tag nach den Schulferien. Sie sind Lehrerin beziehungsweise Lehrer und betreten das Klassenzimmer, aber keiner reagiert auf Sie. Um zu signalisieren, dass Sie im Raum sind und die Aufmerksamkeit der Schüler möchten, weil Sie etwas mitzuteilen haben, rufen Sie laut „Guten Morgen“. Sie können auch etwas an die Tafel schreiben, sich auf einen Stuhl stellen, eine Polka tanzen oder ein Lied anstimmen – Ideen, um auf sich aufmerksam zu machen, gibt es unendlich viele. Wie Sie Präsenz zeigen, ist egal, entscheidend ist, einen wirkungsvollen Impuls zu setzen, um die Aufmerksamkeit der Schüler zu bekommen. Nur so erreichen Sie die Kinder, haben Zuhörer und können ihnen vorgeben, was Sie als nächstes von ihnen erwarten.

2. AKZEPTANZ

Wenn Sie Raum verwalten möchten, reicht Ihre Präsenz allein nicht aus. Sie benötigen auch die Akzeptanz des anderen. Dafür sollte man sich kennenlernen und miteinander beschäftigen. Eine respektvolle und verständliche Kommunikation schafft im Miteinander Werte, gibt Erwartungssicherheit und baut Vertrauen auf. Das ist wichtig, denn Akzeptanz benötigt Einverständnis und beruht auf Freiwilligkeit. Wenn Sie sich klar und standfest positionieren, Konflikte präsent anleiten und souverän Lösungen finden, dann steigt auch Ihre Akzeptanz. Hierfür gibt es keinen Knopfdruck, Akzeptanz ist Beziehungsarbeit und gegenseitiger Respekt ist die Grundlage.

»Das Geheimnis der Erziehungskunst ist der Respekt vor dem Schüler!«

Ralph Waldo Emmerson

Bleiben wir bei dem Beispiel Schule Sie stehen heute zum ersten Mal vor den Kindern, denn es ist eine neue Klasse. Sie haben signalisiert, dass Sie räumlich anwesend sind und haben nun die volle Aufmerksamkeit. Sie fordern die Kinder auf, sich hinzuknien. Die verstehen Sie akustisch, allerdings nicht den Sinn Ihrer Vorgabe und so verweigern sie sich. Allein Präsenz zu zeigen heißt also noch nicht, dass das getan wird, was man vorgibt. Auch nicht, wenn man dabei dominant auftritt. Das braucht Akzeptanz und die muss man sich erarbeiten. Zunächst stellen Sie sich also den Kindern vor, kommen mit ihnen ins Gespräch und lernen sich kennen. Im Gespräch können Sie sich bereits positionieren. Statt beispielsweise über sinnloses Hinknien Respekt einzufordern, können Sie die Kinder über Vorgaben, die im Kontext stimmig sind, anleiten und zeigen, dass auch Sie sie respektieren.

© Anna Auerbach

Herr Rossi kennt und akzeptiert Wolfi. Er schließt sich ihm vertrauensvoll an (siehe Räumlich positionieren).

3. KOMPETENZ

Es ist nicht einfach, Konflikte präsent anzuleiten und gleich souverän Lösungen zu finden. Kompetenz basiert auf Erfahrungen und erlangt man nicht von heute auf morgen, sie sollte aber das Ziel eines jeden Hundehalters sein. Präsentieren Sie sich mit klarer und standfester Haltung und seien Sie konsequenter als Ihr Hund. Beweisen Sie darin Kompetenz, steigt Ihre Akzeptanz. Der Fokus liegt nicht auf Perfektion, sondern auf steter Optimierung und die wird möglich durch Eigenreflexion. Sie schärft die Eigenwahrnehmung und bewirkt so eine kontinuierliche Verbesserung.

Ein Beispiel aus dem Alltag mit dem Hund Stellen Sie sich vor, ein neuer Hund zieht bei Ihnen ein. Tag für Tag leben Sie mit dem Hund zusammen und leiten ihn an. Der Hund akzeptiert Ihre Vorgaben und lernt erfreulicherweise schnell. Nur an der Leine zieht er noch sehr. Da er aber gut hört, lassen Sie ihn frei laufen. Der Hund vergrößert nun täglich seinen Radius. Anfangs noch unbemerkt, aber je älter er wird, desto weiter entfernt er sich und auch der Rückruf ist nicht mehr zuverlässig. Spätestens hier ist der Punkt, wo dies reflektiert werden und die Arbeit mit der Leine wieder aufgenommen werden sollte. Denn Sie zeigen Ihrem Hund gegenüber Kompetenz, indem Sie ihn durchsetzungsstark anleiten, und nicht, indem Sie ihn nach Lust und Laune gewähren lassen. Die Leine ist dafür ein zuverlässiges Hilfsmittel.

© Anna Auerbach

Wolfi ist der Leitrüde meiner Gruppe. Er hat sich im sozialen Miteinander unter meiner Anleitung geschult und Erfahrungen gesammelt. Heute leitet er Konflikte präsent an und beweist dabei Kompetenz.

4. WILLE

Wollen Sie einen gut führbaren Hund haben, sollten Sie ihm zeigen, dass Sie ihn führen wollen. Das Raumdenken® ist dabei eine Erziehungshilfe, es hilft Ihnen, sich Ihrem Hund gegenüber zu positionieren und Grenzen zu setzen. Bei der Erziehung des Hundes lassen sich viele Wege gehen und manchmal muss man auch Umwege in Kauf nehmen. „Wo ein Wille ist, ist auch immer ein Weg“. Definieren Sie dafür Ihr Ziel und verlieren Sie es nicht aus den Augen. Denn bei der Durchsetzung Ihrer Vorstellungen ist Konsequenz der Schlüssel und das Ziel die Konstante. Reflektieren Sie sich und betrachten Sie Ihre Fehler als Lerngeschenke, die Ihnen helfen, passende Lösungen für sich und Ihren Hund zu finden.

© Anna Auerbach

Wolfi weiß, was er will, was er kann und was er darf. In Absprache mit mir tritt er entscheidungsfreudig für die Belange der Gruppe ein.

IHRE PERSÖNLICHEN ZIELE SOLLTEN SEIN:

Lösungsorientiert zu denken → um den Alltag mit Hund über Raumvorgaben zu strukturieren

Entscheidungen zu treffen → um dem Hund Anleitung zu geben

Selbsterkenntnis zu erlangen → um realistische Zwischenziele zu verfolgen und sich zu verbessern

Lernen, Dinge zu hinterfragen → um nicht einfach aufzugeben und alles als gegeben hinzunehmen

Gefühle und Gedanken auszusprechen → um Emotionen zuzulassen und so steuern zu können

© Anna Auerbach

Seinen Hund anzuleiten läuft nicht nebenher, das muss man wollen.

DER INDIVIDUALRAUM

Raum ist ein grundlegender Bestandteil der Realität. Er umgibt uns, wir bewegen uns darin und wir nehmen mit dem Platz, den der eigene Körper ausfüllt, Raum ein. Entweder wir beanspruchen diesen Bereich für uns selbst, oder aber wir sind bereit, unsere Nähe zu teilen. Hunde haben, genau wie wir Menschen, individuelle Wohlfühlbereiche: Den Raum, den es braucht, um sich nicht bedrängt zu fühlen. Die Grenzsetzung variiert je nach Situation und Interaktionspartner. Eine wichtige Regel im sozialen Miteinander ist, den Raum des anderen zu achten und zu respektieren – dafür nutzen wir, der Mensch und der Hund, territoriales Verhalten.

© Anna Auerbach

Herr Rossi möchte keinen körperlichen Kontakt zum Menschen. Er erwartet, dass ich seinen Wohlfühlbereich respektiere.

MENSCH – SELBSTWAHRNEHMUNG

Je bewusster ich mir selbst bin, desto bewusster kann ich meinen Körper einsetzen, um Raum präsent auszufüllen. Es ist eine spannende Herausforderung, immer mal wieder in sich hineinzuhorchen und sich zu reflektieren. Über Ich-Botschaften, wie zum Beispiel: „Ich möchte das nicht!“, lassen sich die eigenen Bedürfnisse nach außen kommunizieren, statt über Vorwurf oder Belehrung eine Abwehrreaktion des Gegenübers herauszufordern. Das ist im Alltag zum Beispiel bei Hundebegegnungen wichtig. Sagen Sie „Nein“, wenn Sie Nein meinen, und wenn Ihr Bauchgefühl etwas ablehnt, sollten Sie dem nachgehen. Intuition ist zwar meistens spontan, aber doch oft richtig und einfach authentisch.

Auch im Zusammenleben mit Ihrem Hund legen Sie Ihren Wohlfühlabstand fest und entscheiden, wann ein Hund mit Ihnen Körperkontakt aufnehmen darf und wann er sich zurücknehmen soll. Die ausgesendeten Signale sollten dabei vom Hund wahrgenommen und respektiert werden. Laden Sie wiederum einen Hund zu sich ein, bieten Sie Nähe und Geborgenheit, einen Schutzraum nur für sich und den jeweiligen Hund. Hier gilt es, seinem Interaktionspartner „Hund“ gegenüber achtsam zu sein, denn er ist nicht einfach Plüsch- oder Kuscheltier, sondern hat genau wie wir Menschen, individuelle Wohlfühlräume.

© Anna Auerbach

Faraón möchte beim Ruhen nicht bedrängt werden. Über Blicke hält er die anderen auf Distanz.

Aber was bedeutet Authentizität eigentlich?

Das „Ich“ in sozialen Beziehungen präsentieren.

Dabei ist das eigene Verhalten selbst- und nicht fremdbestimmt.

Nach seiner Überzeugung (Gefühle, Emotionen, Werte, Vorlieben, Bedürfnisse etc.) zu kommunizieren und danach zu handeln.

Authentisch zu sein schließt nicht aus, sich in verschiedenen sozialen Rollen (je nach Interaktionspartner/Umfeld) unterschiedlich zu verhalten.

Reflexion fördert die Selbsterkenntnis und damit die Authentizität.

TIPP

Bewusstsein schaffen durch regelmäßige Reflexion, dabei einen Blick auf sich selbst und seinen Hund werfen und die Ereignisse wiederholt in Erinnerung rufen. Ihr Umfeld können Sie nicht ändern, aber an sich selbst können Sie arbeiten. Dafür regelmäßig die gemachten Erfahrungen auswerten, in den kommenden Tag die neuen Erkenntnisse einfließen lassen und üben. Führen Sie eine Checkliste – Sie werden sehen, dass Sie mehr Fortschritte als Rückschritte machen und das ist motivierend.

HUNDE SIND KEINE KUSCHELTIERE

Können Hunde sich selbst wahrnehmen? Nach bisheriger Forschungslage erkennen Hunde sich nicht selbst im Spiegel (den Hundehalter übrigens schon), können aber die Bedeutung ihres Körpers in Relation zur Umgebung und damit verbunden auch zu anderen Objekten und Individuen zuordnen. Sie können zum Beispiel wahrnehmen: „Ich bin (im Weg)“ oder auch „Das brauche ich (an Platz) für mich“. Ein gutes Körperbewusstsein ist ein entscheidender Baustein der Selbstpräsentation beziehungsweise der sozialen Positionierung (siehe Positionierung).

© Anna Auerbach

„Wer bist Du?“ – Luca begutachtet sich im Spiegel.

Hunde müssen sich erfahren, sich selbst wahrnehmen und dabei auch im gesunden Maß selbstbestimmend bleiben dürfen. Nicht jeder Hund möchte sich zum Beispiel gern streicheln oder gar knuddeln lassen. Wir selbst können unseren Wohlfühlraum definieren. Aber auch unsere Hunde haben eine eigene Vorstellung davon, wie viel Nähe sie jeweils zulassen möchten. Sie kommunizieren mit uns und senden Signale aus, wie Kopfwegdrehen, Schlecken, Aus-der-Situation-Gehen, Meiden, Drohen (und vieles mehr), die wahrgenommen und respektiert werden sollten. Übergeht man sie, werden Hunde deutlicher. Sie erweitern entweder ihr Repertoire an Wehrhaftigkeit oder aber ihr Meideverhalten.

Nähern sich im Haus und unterwegs unachtsam fremde Menschen oder Hunde, ist es die Aufgabe des Hundehalters, seinen Hund zu schützen und den Individualraum zu kommunizieren. Beachten Sie, dass Ihre Freunde nicht die Freunde Ihres Hundes sind, sondern zunächst Fremde beziehungsweise Eindringlinge. Individuelle Raumgrenzen müssen respektiert und die Signale des Hundes ernst genommen werden. Hunde agieren nach ihren Regeln, wenn die Entscheidung über die Situation ihnen überlassen wird und der Mensch es versäumt, seine Werte zu vermitteln.

Grundsätzlich gilt:Der Hundehalter sollte dafür Sorge tragen, dass die persönlichen Grenzen geachtet und Abstände eingehalten werden – schreitet der Hundehalter nicht ein, übernimmt der Hund, je nach Veranlagung, diese Aufgabe.

POSITIONIERUNG

Eine Position kennzeichnet zum einen den räumlichen Ort einer Person, zum anderen aber auch den (hierarchischen) Ort beziehungsweise Rang in Bezug auf andere (soziale Position). Somit erfolgt auch in sozialen Gebilden eine „räumliche“ Positionierung. Auch sie wird durch territoriale Verhaltensweisen bestimmt, denn es wird sich abgegrenzt oder aber Nähe zugelassen. Eine wichtige Rolle spielen dabei Signale, die beim Einnehmen verschiedener Distanzen zueinander ausgetauscht werden: die Ausrichtung des Körpers zum anderen, Blicke und Laute, sich voneinander entfernen oder aufeinander zu bewegen, bis hin zu Berührung. Dabei ist es statushöher gestellten Individuen eher gestattet, körperliche Kontakte aufzunehmen als statusniedrigen.

Beispiel aus der Hundewelt Der Altrüde begrenzt den Jungrüden freundlich gesinnt per Nackengriff, jedoch nicht umgekehrt.

Beispiel aus der Menschenwelt Der Lehrer hat im sozialen Miteinander einen höheren Status als der Schüler, weil er mehr Erfahrung hat und sich der Schüler so an ihm orientiert. Wird vom Beziehungsgeflecht „Lehrer und Schüler“ eine Zeichnung erstellt, dann ist der Lehrer „räumlich“ ganz oben positioniert. Unter den Schülern finden sich wiederum eigene räumlich soziale Positionierungen. Genauso verhält es sich auch mit Hunden.

© Anna Auerbach

Hunde legen sich nicht irgendwohin: Emma blockiert den Laufweg der anderen.

WER BEWEGT WEN IM RAUM?

Raum umgibt uns, wir bewegen, verhalten und positionieren uns darin. Die Position des Individuums im Gesamtkomplex der sozialen Beziehungen gibt Auskunft über dessen Status. Sie lässt sich am räumlichen Verhalten der einzelnen Interaktionspartner erkennen. Hunde denken in Räumen und nutzen territoriale Verhaltensweisen, um sich räumlich und damit auch sozial hoch zu positionieren. So überprüfen sie im Zusammenleben unsere Führungsqualitäten, und ob sie sich an uns orientieren können. Wer Einfluss auf die räumliche Position des anderen nehmen kann, der steigt im sozialen Rang und je höher der soziale Rang, desto höher ist auch das soziale Gewicht des Betreffenden.

Die zentrale Frage lautet also: „Wer bewegt wen im Raum?“ Denn wer sich als richtungsweisend beweist, ist tonangebend im sozialen Miteinander.

BEISPIEL

Ich nehme Raum ein. → Ich schiebe mein Gegenüber von mir weg, nehme ihm den Platz.

Ich halte und fülle Raum. → Ich besetze einen von mir definierten Bereich, mein Gegenüber hat hier keinen Platz.

Ich mache Raum frei. → Ich mache meinem Gegenüber Platz.

Ein Beispiel aus dem Alltag Sie sind bei der Futterzubereitung und Ihr Hund soll solange an der Tür warten. Der Hund hält sich nicht an Ihre Vorgabe und betritt unaufgefordert die Küche. Sie gehen also auf ihn zu, nehmen ihm Raum und schieben ihn so zurück zur Tür. Nun haben Sie das Futter fertig angerichtet und bitten den Hund herein, das heißt, Sie verkleinern den von Ihnen besetzten Bereich. Das Futter stellen Sie neben sich und dem Hund ab. Dieser hält angemessen respektvoll Abstand. Sie bleiben noch einen Augenblick stehen, treten dann zurück, nehmen also Ihre Präsenz aus der Situation und machen so den Raum und damit auch den Napf frei. Der Hund darf jetzt an sein Futter gehen.

Wenn Sie Ihren Alltag über Raumvorgaben strukturieren, geben Sie die Richtung an und Ihr Hund folgt im Idealfall. Konflikte sind dabei unvermeidbar und wichtig, denn sie ermöglichen es Ihnen, Ihre Vorstellungen zunehmend kompetent durchsetzen. Natürlich unter Berücksichtigung der Belange des Hundes. Es sollte immer geprüft werden, ob Ihr Hund gerade keine Lust hat, Ihre Vorgaben zu akzeptieren, oder ob man zu viel von ihm erwartet und er zum Beispiel aufgrund von Überforderung oder auch Ihrer Überpräsenz, der Bitte nicht Folge leisten kann (siehe Erziehung).

Ein Beispiel aus meinem Alltag Meiner Hundegruppe und mir kommt ein Jogger mit Hund entgegen. Der Hund sieht uns, stockt, bleibt stehen und läuft nicht weiter mit. Er hat großen Respekt vor der Präsenz der Gruppe. Er weiß nicht, was wir an Raum für uns beanspruchen. Er weiß aber wohl, dass eine unerlaubte Grenzüberschreitung für ihn unangenehme Konsequenzen haben kann. Der Hund reagiert nicht auf das Rufen seines verärgerten Halters. Der Hund ist überfordert, er würde gern folgen, kann es aber nicht. Wir treten ein Stück zurück, machen mehr Raum frei und signalisieren so, dass wir keine Ansprüche stellen. Der Hund ist beruhigt, setzt sich in Bewegung und schließt sich seinem immer noch verärgerten Halter an.

Das Beispiel macht deutlich, dass es sich lohnt, sich mit dem Raumverhalten des Hundes auseinanderzusetzen. Es macht so manches Verhalten besser verständlich. Kommunikation und daraus resultierendes Verständnis sind wichtig für die so notwendige gegenseitige Akzeptanz. Hunde wollen als Persönlichkeit wahrgenommen werden, sich uns anschließen und geführt werden. Aber Führen muss man wollen: Präsenz zeigen, Situationen einschätzen, Entscheidungen treffen, Konflikte austragen und vor allem Verantwortung übernehmen. Es gilt, sich im Miteinander zu erfahren und zusammen zu wachsen. Es ist ein Prozess im Zusammenleben durch soziale Erziehung: verlässlich handeln, liebevoll, aber nicht erdrückend Nähe bieten und souverän in der Reglementierung sein („Schluss ist Schluss“).

© Anna Auerbach

Präsent einbringen

© Anna Auerbach

Sich Raum nehmen

© Anna Auerbach

Das Bein füllt den eingenommenen Bereich

© Anna Auerbach

Raum freigeben, sich zurücknehmen