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Beschreibung

**Dich darf ich nicht lieben** Nachdem sich Maddies Exfreund aus dem Nichts von ihr getrennt hat, braucht die 21-Jährige dringend Ablenkung. Gebrochenen Herzens beschließt sie, als Rettungsschwimmerin in dem kleinen Küstenstädtchen anzuheuern, wo sie als Kind viele schöne Erinnerungen gesammelt hat. Jedoch ist die Kleinstadt nicht mehr der friedliche Urlaubsort, wie sie ihn kannte. Eine zwielichtige Surfer-Gang treibt seit geraumer Zeit ihr Unwesen und ausgerechnet dessen Anführer Ace läuft Maddie bereits an ihrem ersten Tag über den Weg. Mit seinem durchdringenden Blick, dunklen Ruf und den zahlreichen Tattoos sollte er sie eigentlich das Weite suchen lassen, aber Maddie lässt sich nicht einschüchtern und bietet ihm die Stirn. Womit sie Ace nicht nur beeindruckt, sondern sich auch in große Gefahr bringt …   Die Gefahr, sich zu verlieben. Diese knisternde Bad Boy Romance bringt alles zusammen: gefährlich-geheimnisvolle Gang-Mitglieder, wilde Motorradfahrten an der Küste, einen Exfreund, der alles durcheinanderbringt, und mittendrin zwei Herzen, die sich finden, aber nicht zusammen sein dürften.   //Dies ist der erste Band der »Rebel Kiss«-Reihe von Lillemor Full. Alle Bände der Buchreihe bei Impress: -- Rebel Kiss 1: Heimliche Liebe -- Rebel Kiss 2: Riskante Sehnsucht// Diese Reihe ist abgeschlossen.

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Lillemor Full

Rebel Kiss. Heimliche Liebe

**Dich darf ich nicht lieben**Nachdem sich Maddies Exfreund aus dem Nichts von ihr getrennt hat, braucht die 21-Jährige dringend Ablenkung. Gebrochenen Herzens beschließt sie, als Rettungsschwimmerin in dem kleinen Küstenstädtchen anzuheuern, wo sie als Kind viele schöne Erinnerungen gesammelt hat. Jedoch ist die Kleinstadt nicht mehr der friedliche Urlaubsort, wie sie ihn kannte. Eine zwielichtige Surfer-Gang treibt seit geraumer Zeit ihr Unwesen und ausgerechnet dessen Anführer Ace läuft Maddie bereits an ihrem ersten Tag über den Weg. Mit seinem durchdringenden Blick, dunklen Ruf und den zahlreichen Tattoos sollte er sie eigentlich das Weite suchen lassen, aber Maddie lässt sich nicht einschüchtern und bietet ihm die Stirn. Womit sie Ace nicht nur beeindruckt, sondern sich auch in große Gefahr bringt …

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Vita

© privat

Lillemor Full, Jahrgang 1989, lebt im schönen Weserbergland und befindet sich ständig auf der Suche nach dem Sinn des Lebens und dem perfekten Job. Nach dem Abitur absolvierte sie ein freiwilliges soziales Jahr im Sport, eine Ausbildung zur Kosmetikerin sowie ein Studium der Public Relations und arbeitete in zahlreichen Berufen. Lediglich dem Schreiben ist sie seit Kindheitstagen treu.

Für Johnny.We Can Be Heroes.

Eins

Kill Devil Hills. Wer das Ortsschild zum ersten Mal sieht, denkt vermutlich, dass es sich um die Stadt der Sünder handelt. Gezeichnet von Kriminalität und Drogenhandel. Hinter jeder Ecke lauert das Unheil. Oder der Teufel himself.

Doch bei mir lösen diese drei Wörter Glücksgefühle aus. Sie erinnern mich an unbeschwerte Sommer und schöne Augenblicke.

Ich kurble das Fenster meines Pick-ups herunter und atme die salzige Luft ein. Feucht und schwer wabert sie mir entgegen und erfüllt das Innere meines Autos. Der Geruch hat sich in den letzten drei Jahren nicht verändert. Unglaublich, dass ich so lange nicht in dieser Stadt war. Und noch viel unglaublicher finde ich, dass ich mich in diesem Moment hier befinde. Wenn mir jemand vor achtundvierzig Stunden gesagt hätte, dass ich dieses Jahr meine Semesterferien in Kill Devil Hills verbringe, hätte ich es nicht geglaubt. Aber genauso wenig hätte ich vor zwei Tagen geglaubt, dass ich als Single anreise.

Ich seufze und ärgere mich darüber, dass meine Gedanken schon wieder zu Logan wandern. Ich bin seit über zehn Stunden und fünfhundert Meilen unterwegs und wenn ich ehrlich bin, habe ich ununterbrochen an ihn gedacht. Kein Wunder. Die Trennung nach über zwei Jahren Beziehung kam so unvorhergesehen wie eine Sternschnuppe in einer bewölkten Nacht. Plötzlich und aus dem Nichts. Leider habe ich in diesem Fall keinen Wunsch frei. Im Gegenteil, ich muss Logans Wunsch nach Freiheit respektieren. Er fühle sich nicht bereit für eine richtige Beziehung und wolle sich ausprobieren. Wie schön, dass ihm das nach zwei Jahren einfällt und noch dazu, wenn sich ihm die Gelegenheit bietet, mit seinen zwei besten Kumpels die Semesterferien in einem Camper zu verbringen und von Festival zu Festival zu reisen.

Für mich wäre sein Urlaub vollkommen okay gewesen, aber nachdem er sich spontan von mir getrennt hat, weiß ich ja, worauf diese Buddy-Reise hinausläuft. Bestimmt hat er mit Sean und Chad sogar eine Wette am Laufen, wer die meisten Mädels flachlegt. Sollte ich ihm sogar dankbar sein, dass er mich verlassen hat, bevor er mich betrogen und verletzt hätte?

Ich schüttle den Kopf. Ich muss diese Gedanken loswerden und meinen eigenen Sommer genießen. Auch wenn die Zeit in einem Ort mit knapp siebentausend Einwohnern wahrscheinlich nicht allzu spannend wird.

Während ich durch die mir vertrauten Straßen fahre, überkommen mich Zweifel, ob mein überstürzter Aufbruch in Pittsburgh richtig war. Hätte ich in einer Großstadt nicht mehr Ablenkung? Zum wiederholten Male entfährt mir ein schweres Seufzen. Ich weiß jetzt schon, dass Tante Olive mir erst mal eine ausführliche Rede darüber halten wird, warum Männer niemals ein Must-have, sondern nur ein Nice-to-have sein sollten. Wenn überhaupt.

Während ich Tante Olive wild gestikulierend vor mir sehe, schießt von links ein Motorrad heran. Intuitiv mache ich eine Vollbremsung und drücke gleichzeitig auf die Hupe.

»Arschloch!«, rufe ich, doch den Fahrer scheint es nicht zu stören. Er hebt lässig die Hand, die in einen tätowierten Arm übergeht, und grinst überheblich. Für wen hält er sich? Mister Obercool trägt nicht einmal einen Helm, sodass seine schwarzen Haare im Wind wehen. Ob seine Knochen auch so lässig sind wie er, wenn ein Autofahrer mal nicht schnell genug abbremst? Und seit wann gibt es hier solche Vollidioten? Wahrscheinlich ist er ein Tourist. Denn diese Kleinstadt war für mich stets der Inbegriff von heiler Welt, in der alle nett zueinander sind und in der man sich sicher fühlen kann.

Mit zitternder Hand starte ich den Motor neu und setze meine Fahrt fort. Nach zwei weiteren Kreuzungen parke ich vor dem Diner meiner Tante, das einen neuen Anstrich bekommen hat und nun in einem angenehmen Sonnengelb erstrahlt.

Ich steige aus und strecke mich. Mein Shirt klebt unangenehm an meinem Rücken und ich klaube es von meiner verschwitzten Haut. Ein Auto mit funktionierender Klimaanlage wäre für die schwülen Sommer in North Carolina nicht schlecht.

Obwohl ich einige hundert Meter vom Meer entfernt bin, bilde ich mir ein, dass ich bereits die Wellen des Atlantiks höre. Am liebsten würde ich abends noch an den Strand fahren, den ich so lange nicht gesehen habe. Aber es ist spät und ich möchte morgen an meinem ersten Arbeitstag fit und ausgeschlafen sein. Und dann werde ich ohnehin jeden Tag am Meer verbringen.

Bei der Gewissheit breitet sich ein Grinsen auf meinem Gesicht aus und für einen kleinen Moment vergesse ich, warum ich spontan aufgebrochen bin, und freue mich auf die kommenden drei Monate.

Ich zerre meinen riesigen Rucksack vom Beifahrersitz, knalle die Autotür zu und betrete das Diner. Ehe ich mich richtig im Lokal befinde, stürmt auch schon Tante Olive mit ausgebreiteten Armen auf mich zu.

»Es gibt nur eine Person, die ihre Autotür so enthusiastisch zuknallt – meine Maddie!«

Mindestens genauso enthusiastisch umarmt sie mich jetzt.

»Hey, Tante Olive!«, sage ich und bekomme kaum Luft. Ich habe mich schon immer gefragt, wie so eine zierliche Person so viel Kraft aufbringen kann. Ich vermute, dass sie all ihre Liebe in ihre Umarmungen legt, sodass man sich einerseits unheimlich willkommen fühlt, aber andererseits ein paar blaue Flecken in Kauf nehmen muss.

Schließlich löst sie sich von mir, fasst mich an den Schultern und schiebt mich ein Stück von sich weg.

»Groß bist du in den letzten drei Jahren geworden«, sagt Tante Olive und mustert mich kritisch.

Ich rolle mit den Augen. »Also eigentlich bin ich seit ein paar Jahren ausgewachsen.«

Sie schüttelt den Kopf. »Ich spreche nicht von deiner Körpergröße. Du siehst erwachsener aus. Und deine Augen haben ihren typischen Maddie-Glanz verloren.«

Sie haben ihr Strahlen verloren? Sehe ich bereits mit einundzwanzig Jahren verbittert aus? Ich muss schlucken.

Ihre Worte treffen mich unvorbereitet. Zeitgleich weiß ich, dass sie recht hat. Bevor ich in Tränen ausbrechen kann, schiebt sie mich glücklicherweise zum Tresen und sagt: »Aber keine Sorge, wenn ein paar Wochen vergangen sind, bist du wieder die Alte. Die Stadt und ich werden schon dafür sorgen. Ich mache dir erst mal mein neues Spezialsandwich. Du hast doch Hunger, oder?«

Ich lasse mich auf einen Barhocker plumpsen und nicke. Das erste Mal, seitdem Logan mit mir Schluss gemacht hat, verspüre ich nicht nur Hunger, sondern auch Appetit. Vermutlich liegt es daran, dass mir jemand etwas zubereitet und ich mich nicht selbst darum kümmern muss.

Ein wohliges Gefühl durchströmt mich, als ich Olive dabei zusehe, wie sie im offenen Küchenbereich eins ihrer köstlichen Sandwiches für mich zaubert.

Als kleines Kind und als Jugendliche habe ich jeden Sommer bei ihr verbracht. Meine Eltern hatten nie etwas dagegen, sondern haben sich über unser gutes Verhältnis gefreut und waren froh, dass sie mal Zeit nur für sich hatten. Deswegen fühlt es sich jedes Mal, wenn ich nach Kill Devil Hills komme, nach Zuhause an. Mein zweites Zuhause bei meiner wundervollen Tante.

Die letzten zwei Jahre habe ich meinen Sommer allerdings in Pittsburgh verbracht. Wegen Logan. Er musste die kompletten Semesterferien arbeiten und ich wollte ihn nicht allein lassen. Während er in der Firma seines Vaters im Büro saß, war ich als Bademeisterin im Freibad tätig und verzichtete darauf, in Kill Devil Hills als Lifeguard zu arbeiten, wie ich es die Jahre zuvor getan hatte. Abends und am Wochenende haben wir dann gemeinsam etwas unternommen. Er hatte mir versprochen, dass wir dieses Jahr zu zweit verreisen. Tja und dann kam der spontane Trip mit seinen Kumpels.

Meine Tante stellt mir einen Teller und mein Lieblingsbier vor die Nase und reißt mich aus meinen Gedanken.

»So und jetzt erzähl mir, warum du vorgestern bei mir angerufen und gefragt hast, ob du kurzfristig anreisen kannst.«

Ich nehme einen Schluck vom Bier, um etwas Zeit zu schinden. Dann zucke ich mit den Schultern und antworte: »Ich habe mir überlegt, dass ich diesen Sommer gerne mal wieder als Lifeguard arbeiten möchte. Dann habe ich bei Steve angerufen und gefragt, ob er wen für seine Crew braucht. Er hat gesagt, dass er dringend Ersatz für Abby sucht, die einen Bänderriss hat. Also bin ich angereist.«

Gekonnt weiche ich ihrem Blick aus und fokussiere stattdessen mein Sandwich. Ich nehme einen großen Bissen und stöhne sogleich auf. »Verdammt, schmeckt das geil!«

In meinem Mund entsteht ein wilder Geschmacksmix und ich kann gar nicht sagen, mit was das Sandwich belegt ist. Ich beäuge es und mache unter anderem Bacon, Salat, Avocado und irgendeine Sauce aus.

»Und warum bist du wirklich hergekommen?«, fragt sie und unterbricht damit meine Sandwichinspektion. Ich kann ihr wie immer nichts vormachen. Langsam lege ich mein Essen auf den Teller und widme mich meinem Bier.

»Logan.« Die grünen Augen meiner Tante blitzen auf und ich weiß, dass ich nichts weiter sagen muss. Sie war nie ein Fan von Logan, obwohl sie ihn nur aus meinen Erzählungen kennt.

»Was hat er gemacht?« Ihre Stimme klingt scharf und sie erinnert mich an eine Löwin, die lauernd ihre Beute anvisiert. Ein Glück für Logan, dass er nicht hier ist. Er hätte keine Chance.

»Er hat mich verlassen, damit er mit seinen Kumpels Urlaub machen und sich durchs Land vögeln kann. Und da habe ich spontan entschlossen, dass ich raus aus Pittsburgh muss.« Ein Kloß bildet sich in meinem Hals und es regt mich auf, dass mein Ex-Freund so viel Einfluss auf meine Gefühlswelt hat.

»Und musst du auch vögeln?«

»Olive!«, rufe ich und muss lachen. Meine Tante war immer schon ein offener Mensch. Manchmal zwar zu direkt, aber sie weiß genau, wann sie was sagen muss, um andere aufzuheitern. Und dafür liebe ich sie.

»Ich bin zum Arbeiten angereist und um mich abzulenken. Das ist alles. Außerdem kenne ich den Großteil der Einwohner.«

Olive zapft zwei Bier. »In den letzten drei Jahren hat sich einiges verändert. Und jedes Jahr sind doch neue Touristen hier. Vielleicht ist einer dabei. Als Ablenkung.«

»Können wir bitte das Thema wechseln?« Ich richte meinen Fokus wieder auf das Sandwich und meine Tante muss zum Glück in die Küche. Ich schaue mich um und erkenne ein paar bekannte Gesichter.

Das Diner ist seit zwanzig Jahren eine feste Institution in der Stadt und wird sowohl von Einwohnern als auch von Touristen gerne aufgesucht. Nicht nur wegen des Essens und der legendären Partys, sondern ebenso wegen Tante Olive, die für jeden ein offenes Ohr und den einen oder anderen Ratschlag hat. Ob ihre Ratschläge die besten sind, wage ich zu bezweifeln, aber sie ist stets bemüht, anderen zu helfen. Auch wenn sie dabei manchmal vergisst, dass nicht jeder so selbstbewusst und durchgeknallt ist wie sie.

Als sie aus der Küche kommt, gibt sie mir die Schlüssel zu ihrer Wohnung, die sich direkt über dem Lokal befindet. Als hätte sie geahnt, dass ich mich nach einer Dusche sehne.

»Du weißt ja, wo alles ist, und fühl dich wie immer wie zu Hause.«

»Danke. Also für alles«, sage ich, als ich vom Hocker rutsche und meinen Rucksack schultere.

»Für dich immer, Maddie.« Ich gehe zu der Tür, die in das kleine Treppenhaus ihrer Wohnung führt, als ich Tante Olives Stimme ein weiteres Mal vernehme. »Und das Thema Logan und Männer im Allgemeinen ist nicht beendet! Du musst anscheinend noch einiges lernen!«

Ich frage mich, wie sie und meine Mum Schwestern sein können.

Zwei

Um halb zehn am nächsten Morgen fahre ich mit dem Rad zum Headquarter der Ocean Rescue, wo ich mit Steve, dem Supervisor, verabredet bin. Obwohl ich ihn seit drei Jahren nicht gesehen habe, begrüßt er mich mit einer väterlichen Umarmung.

»Maddie, wie schön, dass du uns unterstützt!« Er lächelt mich an und wieder einmal fällt mir auf, wie sehr er dem jüngeren David Hasselhoff ähnelt. Deswegen wird er hinter seinem Rücken oft Mitch genannt – nach Hasselhoffs berühmter Rolle als Rettungsschwimmer von Malibu.

»Danke. Ich freue mich riesig, dass du kurzfristig einen Job für mich hast.«

Er winkt ab. »Ich hätte ein anderes Mädchen einsetzen können, aber es wäre seine erste Season gewesen und ich hätte es einarbeiten müssen. Du weißt schon, wie die Abläufe sind, und es hat sich seit deinem letzten Einsatz nichts verändert.«

»Also immer noch keine neuen Wachtürme?«, frage ich und beobachte, wie Steve niedergeschlagen den Kopf schüttelt. Schon damals hat er sich größere, modernere Hochsitze gewünscht. Ich hingegen finde, dass die simplen Holztürmchen, die eher Jagdsitzen ähneln, vollkommen ausreichend sind und perfekt an den Strand passen.

»Leider nein. Aber wir haben mittlerweile zwei neue Quads bekommen. Komm, ich zeige sie dir und gebe dir deine Arbeitskleidung. Heute arbeitest du mit mir zusammen. Ich dachte, das ist am praktischsten, falls du noch irgendwelche Fragen hast.«

Steve und ich betreten das Gebäude und er zeigt mir stolz die neuen Quads. Vier Stück hat die Ocean Rescue insgesamt und ich freue mich darauf, mit einem durch den Sand zu düsen, wenn ich an einem anderen Turm eingesetzt werde.

Ich erhalte meine Arbeitskleidung und in der Umkleidekabine treffe ich auf April und Julie, die ich von meinem letzten Sommer als Rettungsschwimmerin in Kill Devil Hills kenne. Auch die beiden begrüßen mich herzlich und ich nehme mir fest vor, dass ich nie wieder einen Sommer in meinem zweiten Zuhause ausfallen lasse. Schon gar nicht wegen eines egoistischen Arschlochs wie Logan.

Danach treffe ich mich draußen mit Steve und wir gehen an den Strand. Kurz bleibe ich stehen, inhaliere tief die Luft und lasse meinen Blick über den Ozean schweifen.

»Fühlt sich gut an, wieder hier zu sein, oder?«, fragt Steve, der mich von der Seite beobachtet.

»Und wie«, antworte ich. Nicht nur vor Ort zu sein fühlt sich toll an, sondern auch als Lifeguard zu arbeiten. Bereits als kleines Kind habe ich die Menschen in ihren roten Hosen bewundert, wie sie mit dem Fernglas den Überblick behalten haben und sich mit ihren Rettungsbojen oder -brettern ins Meer stürzten, um Menschen zu retten. Meine Faszination ging so weit, dass ich am Tag der offenen Tür der Ocean Rescue stets das erste Kind war, das vor dem Headquarter stand. Mit achtzehn Jahren legte ich dann nach intensiver Vorbereitung die Prüfung zur Rettungsschwimmerin ab und ich hatte geplant, jeden Sommer hier zu arbeiten. Durch meine Beziehung mit Logan schaffte ich es aber nur in einem Jahr herzukommen und arbeitete stattdessen als Aufsicht im Freibad in Pittsburgh. Ebenfalls ein toller Job, doch wesentlich anstrengender und nur halb so schön wie am Strand. Hier ist jeder Tag anders und am Morgen weiß man nie, was einen erwartet. Ich liebe das.

»Dann lass uns mal loslegen«, sagt Steve und klopft mir auf die Schulter.

Während er die lilafarbene Flagge hisst, die den Leuten mitteilt, dass es ein erhöhtes Aufkommen von Quallen gibt, beschrifte ich das schwarze Brett, das sich an der Rückseite des Wachturms befindet, mit den wichtigsten Infos für den Tag. Wann Ebbe und Flut sind, aus welcher Richtung der Wind kommt, welche Temperatur das Wasser hat und heute auch, dass auf Quallen zu achten ist. Anschließend setzen wir uns auf unseren kleinen Aussichtsturm und verschaffen uns einen Überblick.

Obwohl es erst zehn Uhr ist, tummeln sich schon viele Menschen am Strand. Größtenteils sind es Familien mit kleinen Kindern, die ihren Urlaub an der Küste verbringen. Im Wasser hingegen befinden sich die ersten Surfer, die auf ein paar Wellen hoffen.

Steve nimmt das Fernglas und studiert die Surfer ausgiebig.

»Was ist?«, frage ich und versuche etwas Außergewöhnliches an den drei Männern zu erkennen. Sie wirken auf mich wie normale Sportler.

Steve senkt das Fernglas. »Ach, wir haben Probleme mit einer Gang. Ich habe mich nur vergewissert, dass die Surfer nicht zu dieser Truppe gehören. Wobei sie um diese Uhrzeit eigentlich nicht unterwegs sind.«

Er sieht unfassbar ernst aus, als er mir davon erzählt. Diesen Gesichtsausdruck zeigt er äußerst selten. Ich starre ihn an und warte darauf, dass er weiterspricht. Eine Gang? Hier in Kill Devil Hills? Das kann ich mir nicht vorstellen. In meiner Erinnerung gibt es keine schlechten Menschen in dieser Stadt.

»Ja, und? Was macht diese Gang?«, frage ich ungeduldig.

»Die Kerle nennen sich Barrel Killers und treiben ihr Unwesen in ganz Outer Banks, aber vermehrt bei uns. Es ist eine Gruppe von zehn bis fünfzehn jungen Männern, die surfen. Dabei nehmen sie weder Rücksicht auf Schwimmer noch auf sich selbst. Als wären sie unsterblich. Außerdem befahren sie mit ihren Schrottautos und Motorrädern die Strände, machen Feuer, trinken Alkohol und lassen die Glasflaschen am Strand liegen.« Steve macht eine Pause und kratzt sich am Kopf. Plötzlich muss ich an den Biker denken, der mir gestern die Vorfahrt genommen hat. Ob er zu den Barrel Killers gehört? Möglich wäre es.

»Aber solche Idioten, die sich nicht an die Regeln halten, gibt es doch jedes Jahr. Das ist doch …«

»Wenn es nur das wäre«, unterbricht mich Steve. »Sie randalieren, prellen die Zeche, zerstechen Reifen. Letztens musste das Auto des Police Chiefs dran glauben, nachdem er eine Anzeige gegen ein Gangmitglied aufgenommen hat. Nach einer Drohung gegen seine Tochter hat er die Anzeige zurückgezogen. Verstehst du, Maddie? Sie tyrannisieren die Leute.«

Mit offenem Mund starre ich Steve an. Ich kann nicht glauben, was er gerade gesagt hat. Eine Gang treibt ihr Unwesen in meiner geliebten Stadt und keiner unternimmt etwas dagegen? Selbst die Polizei nicht? Warum hat mir Tante Olive noch nichts davon erzählt?

»Und was mache ich, wenn die Gang auftaucht?« Während der Ausbildung zur Rettungsschwimmerin habe ich zwar gelernt, wie man panische Menschen beruhigt und deeskalierend reagiert, aber nicht, wie man mit Kriminellen umgeht.

»Nichts. Die meisten Einwohner kennen die Kerle und halten sich von ihnen fern. Auch die Gang ist nicht unbedingt auf Konfrontation aus. Außer im Wasser, da sind sie wild«, erklärt Steve.

»Aber ist es nicht unsere Aufgabe, dafür zu sorgen, dass sich die Badegäste sicher fühlen?« Ich höre, wie aufgeregt meine Stimme klingt.

Beschwichtigend hebt Steve die Hände. »Wie gesagt: Die meisten gehen der Gang automatisch aus dem Weg. Und, Madison, versprich mir, dass du das ebenfalls machst und nichts im Alleingang unternimmst.«

Bei kleinen Kindern mag es Eindruck schinden, wenn man ihren richtigen Namen ausspricht, um die Bedeutsamkeit eines Themas zu unterstreichen. Bei mir nicht.

»Versprochen«, antworte ich, obwohl ich es nicht ernst meine. Für ein paar Sekunden meldet sich mein schlechtes Gewissen, weil ich Steve gerne mag. Aber ich werde nicht dabei zusehen, wie irgendwelche dahergelaufenen Typen dafür sorgen, dass andere Kinder keine so schönen Erinnerungen an diesen Ort haben werden wie ich damals.

***

Der Rest des Tages verläuft ruhig. Ich gebe ein paar Auskünfte, ermahne eine Mutter, die ihre gesamte Aufmerksamkeit ihrem Handy widmet, statt auf ihr kleines Kind zu achten, und versorge eine Wunde, die durch die Tentakel einer Feuerqualle verursacht wurde. Trotzdem bin ich angespannt, weil ich damit rechne, dass die Gang auftaucht, von der Steve erzählt hat. Jeder neue Surfer wird von mir ausgiebig gemustert, doch anscheinend sind keine Gangster dabei. Alle benehmen sich gesittet. Dennoch lässt mich der Gedanke an sie nicht los und das nervt mich.

Als Lifeguard sollte man durchgehend aufmerksam und darauf gefasst sein, dass jede Sekunde etwas passieren kann. Allerdings ist es keinesfalls vorteilhaft, den ganzen Tag über mit dem Schlimmsten zu rechnen und jeden Surfer zu verdächtigen, kriminellen Machenschaften nachzugehen.

Als halb sechs unsere Schicht vorbei ist, springe ich vom Turm in den warmen Sand.

»Kommst du mit zum Quarter?«, fragt Steve, der sich die Rettungsbojen, das Erste-Hilfe-Set und die Rettungsleine unter den Arm geklemmt hat. So als wüsste er, was ich vorhabe.

»Ich komme gleich nach. Der Ozean ruft mich.« Er hebt den Daumen und lacht, ehe er seinen Weg fortsetzt. Er kennt mich eben.

Ich ziehe mein T-Shirt und meine Hose aus, zupfe meinen roten Bikini zurecht und gehe zum Wasser. Die Wellen umspielen meine Knöchel und ich genieße das kühle Nass auf meiner Haut. Ich bin froh, dass der Atlantik nicht mal im Sommer Badewannentemperatur erreicht. Wenn ich ins Nass springe, möchte ich mich abkühlen und mich lebendig fühlen.

Langsam wate ich weiter ins Wasser hinein, das ausgesprochen ruhig ist. Lediglich ein paar kleine Wellen versuchen vergeblich mich umzuwerfen. Als mir das Wasser bis zum Bauchnabel reicht, stürze ich mich kopfüber in die Fluten und mache ein paar kräftige Züge, ehe ich auftauche. Ich kraule hinaus und versuche ein Gefühl für die Strömung zu bekommen. Sie ist schwach, aber wird mich zur Not an Land bringen. Nach zweihundert Metern stoppe ich und drehe mich auf den Rücken. Von oben wärmt mich die Sonne und von unten kühlt mich die See. Ein wunderbares Gefühl, das mir so vertraut ist und mich wohlig umarmt. Ich schließe die Augen, atme tief ein und lausche den Geräuschen, die sich auf ein Minimum beschränken. Das leise Plätschern der Wellen, die mich sanft tragen, ein paar Möwen, die über mir kreisen und leise Schreie von sich geben, und fernes Stimmenwirrwarr, das vom Strand auf das Meer hinausgeweht wird. Mich treiben lassen habe ich bereits als Kind gerne gemacht und es gehört zu meinen Lieblingserinnerungen. Dieses Schwimmen nach der Arbeit ist definitiv ein Vorteil, den mir die Tätigkeit als Bademeisterin im städtischen Freibad nicht bietet. Abermals ärgere ich mich darüber, dass ich die letzten zwei Jahre auf dieses Gefühl verzichtet habe.

Ein lautes Dröhnen, das ich nicht zuordnen kann, dringt an mein Ohr. Schnell richte ich mich auf, um nicht versehentlich von einem Boot erwischt zu werden. Doch es ist keins in Sicht. Allerdings taucht am Strand ein schwarzer Truck auf. Ich bin mir nicht sicher, ob die Quelle des Dröhnens die illegale Auspuffanlage oder die Musik ist, die aus den Lautsprechern des Gefährts wummert. Jedenfalls ist es viel zu laut und passt nicht zu der Idylle, die ich eben noch genossen habe. Mal davon abgesehen, dass das Befahren des Strandes innerhalb der Saison sowieso verboten ist, fährt der Truck viel zu schnell und wirbelt ordentlich Sand auf. Ich bin froh, dass nicht mehr viele Badegäste vor Ort sind.

Mit schnellen Zügen schwimme ich Richtung Ufer und lasse dabei das schwarze Gefährt, auf dessen Ladefläche Surfboards liegen, nicht aus den Augen. Drei Männer steigen aus und ich bin mir ziemlich sicher, dass ich zum ersten Mal Mitglieder der Barrel Killers sehe. Wer sonst sollte ohne Erlaubnis durch den Sand brettern?

Ein Kribbeln breitet sich in mir aus und ich kann nicht leugnen, dass ich neugierig bin. Neugierig auf die selbst ernannten Bad Boys, vor denen sogar Steve den allergrößten Respekt hat.

Aus der Entfernung kann ich die Kerle zwar nicht genau erkennen, aber ihren lässigen und selbstsicheren Bewegungen nach zu urteilen, schätze ich sie auf Mitte zwanzig. Einer sieht aus wie der klassische Surfertyp: groß, muskulös, lange blonde Haare. Er lacht und haut seinem glatzköpfigen Kumpel auf die Schulter, der etwas untersetzt ist und neben ihm steht. Der dritte ist braun gebrannt, tätowiert und hat schwarze Haare. Ob er der Biker von gestern ist, wegen dem ich bremsen musste?

Ich schwimme schneller, um sie mir aus der Nähe ansehen zu können. Doch die drei gehen schon wieder zum Auto. Offenbar haben sie sofort gesehen, dass bei den Miniwellen nicht mal an Bodyboarding zu denken ist. Wenn sie schlau sind, düsen sie in den Süden nach Nags Head. Dort könnten sie noch Glück haben.

Als der Motor startet, erreiche ich den Strand. Ich sprinte aus dem Wasser, doch es ist zu spät. Der Truck fährt an. Am Lenkrad sitzt der Dunkelhaarige, sein tätowierter Arm hängt lässig aus dem geöffneten Fenster. Sein Kumpel neben ihm gafft mich an und macht eine eindeutige Geste mit seinen Fingern und seiner Zunge. Im Vorbeifahren brüllt er: »Fast so geil wie Pamela, nur die Brüste fehlen!« Die Glatze johlt und eine ebenso unreife Reaktion erwarte ich vom Fahrer. Dieser verzieht jedoch keine Miene und guckt mich nur stumm an.

Nein, er guckt mich nicht einfach nur an. Sein Blick ist so intensiv, dass er wie die Sonne auf meiner Haut brennt. Ich habe das Gefühl, dass jeder Wassertropfen, der über meinen Körper läuft, unverzüglich verdunstet.

Er verringert das Tempo und rollt langsam an mir vorbei. Oder bilde ich mir nur ein, dass er langsamer fährt, und die Szene spielt sich in meinem Kopf wie in Zeitlupe ab? Seine dunklen Augen, die beinahe schwarz sind und in denen etwas Bedrohliches liegt, ruhen weiterhin auf mir. Ich halte seinem Blick stand, auch wenn es mir schwerfällt. In meinen Ohren rauscht es und ich weiß, dass dafür nicht mein Lieblingselement hinter mir verantwortlich ist, sondern mein eigenes Blut. Die Rufe seiner Freunde, Glatze und Stereo-Surfertyp, nehme ich kaum wahr. Kill Devil Hills scheint ausschließlich aus ihm und mir zu bestehen. Normalerweise fühle ich mich in einem Bikini wohl, er ist ein Teil meiner Arbeitskleidung. Aber momentan fühle ich mich furchtbar nackt, obwohl in seinem Blick nichts Anzügliches liegt. Er mustert mich mit einer Intensität, die nicht unangenehm ist. Trotzdem verschränke ich schnell die Arme vor meinen Brüsten. Und fühle mich dadurch noch angreifbarer. Ein kleines, wissendes Lächeln zeichnet sich auf seinem Gesicht ab. Dann zwinkert er mir zu und gibt Gas. Ich schaue dem Auto hinterher und lasse langsam meine Arme sinken.

So hatte ich mir mein erstes Zusammentreffen mit den Barrel Killers nicht vorgestellt. In meiner Vorstellung waren sie aggressiver und ich selbstbewusster. Und nicht so nackt. Ich hatte mir ausgemalt, dass ich sie souverän in meiner Funktion als Rettungsschwimmerin zurechtweise. Dabei hätte ich selbstverständlich ein T-Shirt und eine Hose getragen. Beim nächsten Mal. Wenn mich diese intensiven schwarzen Augen dann nicht völlig aus dem Konzept bringen. Dem Rest seines Gesichts habe ich kaum Beachtung geschenkt. Ich kann nicht einmal sagen, ob er einen Bart trägt oder nicht. Auf jeden Fall hat er markante Gesichtszüge.

Ich atme ein paarmal tief ein und aus. Dann sammle ich meine Sachen zusammen und gehe zum Head Quarter. April steht oben auf dem Holzbalkon und sieht besorgt aus.

»Bist du okay?«, fragt sie, als ich die Treppe hinaufgehe.

»Ja.« Ich zucke mit den Schultern. Es ist auch alles gut. Bis auf die Tatsache, dass ich mein Selbstbewusstsein am Strand vermisst habe.

Erstaunt schaut April mich an. »Die haben dich nicht belästigt oder dumme Sprüche gemacht?«

»In Pittsburgh hatte ich oft mit irgendwelchen Chaoten zu tun. Was ich mir da für Beschimpfungen anhören musste. Das eben war harmlos.« Am liebsten würde ich April über die Gang ausfragen und besonders über den Kerl mit den Tattoos. Aber nachher könnte sie es falsch verstehen. Falls wir demnächst mal zusammen für einen Turm eingetragen sind, werde ich sie unauffällig aushorchen.

»Maddie, sei nicht zu leichtsinnig! Mit denen ist nicht zu spaßen. Die neuen Mädels stehen bei ihnen besonders im Fokus«, sagt April und streicht mir über den Oberarm. Sie wirkt aufrichtig besorgt und obwohl uns nur zwei Jahre trennen, erscheint sie viel erwachsener als ich. Wir haben uns vor drei Jahren super verstanden und ich hoffe, dass sie diesen Sommer eine richtige Freundin wird. Und der Meinung seiner Freundinnen vertraut man doch, oder?

Also nicke ich. »Ich werde aufpassen.«

Dieses Versprechen gleitet mir leichter über die Lippen als bei Steve, weil ich es diesmal auch so meine. Ich werde vorsichtig sein, aber ich werde den Barrel Killers nicht aus dem Weg gehen. Zum einen werde ich mich in meinem Job als Lifeguard nicht einschränken und zum anderen habe ich mich noch nie einschüchtern lassen. Dann werde ich auch nicht diesen Sommer damit anfangen. Zumal ich nach Logan sowieso die Schnauze von Männern voll habe.

April blickt mich erleichtert an. »Danke. Ach, ich habe übrigens gesehen, dass Steve uns übermorgen für den Turm am Coral Drive eingetragen hat. Dann können wir uns updaten, was in unseren Leben passiert ist in den letzten Jahren.«

»Total gerne!«, antworte ich und bin schon gespannt, ob sie noch mit Heath liiert ist. Die beiden waren damals für mich das absolute Traumpaar! Nicht nur optisch, sondern auch charakterlich. So ein harmonisches Paar habe ich selten gesehen. Logan und ich waren sehr gegensätzlich. Ich hätte von Anfang an wissen müssen, dass wir nicht für die Ewigkeit bestimmt waren. Zwar hatten wir definitiv keine schlechte Beziehung, allerdings hätte ich mir mehr atemberaubendere Momente gewünscht. Aber man kann sich nun mal nicht aussuchen, in wen man sich verknallt. Leider.

»Maddie?«

»Hm?«

»Ich habe gefragt, ob du mit Julie und mir was trinken möchtest. Wir gehen ins Monkeys. Das ist eine neue Cocktailbar«, sagt April und bindet ihre braune Lockenmähne zu einem Dutt zusammen.

»Nächstes Mal bin ich dabei. Ich bin heute mit meiner Tante verabredet.«

»Alles klar, grüß Olive von mir. Bis übermorgen.«

»Mach ich. Bis übermorgen«, erwidere ich und sehe dabei zu, wie Aprils Haarknoten bei jeder Treppenstufe, die sie heruntergeht, munter wippt.

Als April außer Sichtweite ist, ziehe ich mir schnell trockene Sachen an und fahre dann zum Diner. Auf dem Weg dorthin halte ich nach einem schwarzen Truck Ausschau. Ich weiß nicht, wieso ich das mache. In den Outer Banks gibt es Dutzende Trucks und selbst wenn ich den einen besonderen finden sollte, wüsste ich nicht, was ich davon hätte. Ich könnte ins Innere und auf die Ladefläche schielen, um mir ein besseres Bild der Gangmitglieder zu machen. Was ich wohl finden würde? Waffen und Drogen? Oder gar nichts?

Empört über mich selbst schüttle ich den Kopf und trete kräftiger in die Pedale. Ich darf nicht zu neugierig sein und vermutlich werde ich noch oft genug auf die Barrel Killers treffen. Ich konzentriere mich auf den Weg vor mir und genieße den Fahrtwind, der mein Gesicht kühlt. Die mir bekannten Häuser ziehen an mir vorbei und ich fühle mich angekommen.

Kurz darauf erreiche ich das Diner, dessen Parkplatz wieder voll ist. Umso schöner finde ich es, dass Tante Olive sich trotzdem freigenommen hat, um meinen ersten richtigen Abend in Kill Devil Hills mit mir zu verbringen.

***

Als ich in die Wohnung komme, nehme ich augenblicklich einen köstlichen Geruch wahr.

»Maddie!«, ruft Olive vom Balkon aus. »Wir essen draußen! Es ist alles fertig.«

»Wow, das sieht super aus!« Der kleine Tisch auf dem Balkon steht voller Schalen, in denen sich diverse Dips und Saucen befinden. In einem Körbchen liegen zwei Sorten Weißbrot, die Olive selbst ebacken hat, und sie dampfen sogar noch.

»Aber wollten wir nicht ins Restaurant gehen?«, frage ich, während ich mich hinsetze. Bevor Olive antwortet, gießt sie jeder von uns erst einmal ein riesiges Glas Wein ein.

»Ja, das wollten wir. Aber mir kamen so viele Rezeptideen für neue Dips, die wir unbedingt probieren müssen. Also quasi ein Dip Tasting. Die Sandwichkarte wird erweitert und ich denke, es ist praktisch, wenn ich die Meinung einer jungen Person habe. Erklärst du dich bereit zur Verköstigung und bist meine Probandin? Ich habe sogar einen Zettel für dich vorbereitet.« Sie reicht mir ein Blatt Papier, auf dem fünfzehn ausgefallene Dip-Namen aufgeführt sind. Dahinter befindet sich jeweils ein Kästchen, um Anmerkungen festzuhalten, und ein weiteres, um eine Note von eins bis zehn einzutragen.

Grinsend nehme ich ihr das Blatt aus der Hand. »Gerne.«

Und schon laben wir uns an den Köstlichkeiten und diskutieren über die Zusammensetzungen. Eine Geschmacksexplosion nach der nächsten erfüllt meinen Mund und die wilden Kombinationen verzücken meinen Gaumen.

Wie gewöhnlich kann ich nicht alle Zutaten herausschmecken, dennoch bohre ich nicht nach, da meine Tante aus all ihren Rezepten ein Staatsgeheimnis macht. Allerdings nimmt es ihr keiner übel, da die ganze Stadt ihre Kreationen verehrt und jedes Sandwich ein besonderes ist.

Nachdem wir das Brot aufgegessen und uns auf fünf Favoriten geeinigt haben, lehne ich mich zurück und halte meinen Bauch, der selbst wie ein Hefeteig aufgegangen ist. Olive schenkt uns Wein nach, wobei ihre Armreife klimpern. Ich zeige ihr mit einer Handbewegung, dass mir ein halbes Glas reicht.

»Das war superlecker, aber ich platze gleich! Es ist nicht mal mehr Platz für Wein.«

Kopfschüttelnd stellt sie die Flasche zur Seite. »Ihr jungen Leute stellt euch an.« Ich muss jedes Mal schmunzeln, wenn meine Tante solche Sprüche bringt. Dann könnte man meinen, dass sie mindestens siebzig Jahre alt ist. Dabei ist sie erst fünfundvierzig und sieht höchstens wie vierzig aus. Ihre grünen Katzenaugen strahlen mich förmlich an und bilden einen beeindruckenden Kontrast zu ihren braunen Haaren. Meine Tante ist wahrhaftig eine hübsche Frau.

Ich neige den Kopf zur Seite. »Sag mal. Warum hast du eigentlich keinen Freund? Gibt es für dich keine Männer in Kill Devil Hills oder woran liegt es?«

Sie zuckt mit den Schultern und nimmt einen Schluck Wein. »Ich arbeite nahezu den ganzen Tag. Da bleibt kaum Zeit, sich mit jemandem zu treffen. Und ich bin glücklich. Ich kann machen, was ich will. Warum soll ich es verkomplizieren, indem ich mir einen Kerl anlache, der Aufmerksamkeit haben möchte? Der mich für seine Kumpels sitzen lässt, wie Logan es mit dir gemacht hat? Hast du was von ihm gehört? Du hast dich hoffentlich nicht bei ihm gemeldet.«

Typisch meine Tante. Bloß nicht zu viel über sich selbst reden. Stattdessen unverblümt mal wieder Logan in den Raum werfen. Danke.

»Als Logan sich von mir getrennt hat, hat er angekündigt, dass er meine Nummern und meine Konten auf Social Media blockiert. Was er auch getan hat. Wahrscheinlich soll ich die ganzen Bilder von dem Männertrip nicht sehen, bei dem er auf jedem Foto eine andere im Arm hat«, antworte ich und schmecke bittere Enttäuschung auf meiner Zunge.

Auf Olives kleinem Balkon wird mir auf einmal bewusst, was für ein mieses Arschloch mein Ex-Freund ist. Fies, kindisch, egoistisch und eiskalt. Ohne Rücksicht auf meine Gefühle hat er mich kurzerhand für einen Spaßtrip mit seinen bescheuerten Freunden abserviert. Ich weiß nicht, ob ich gedacht habe, dass Logan der Eine ist, aber ich war mir zumindest sicher, dass er ein loyaler, liebevoller und rücksichtsvoller Freund ist. Ha.

»Also hat er sich nicht bei dir gemeldet?«, hakt sie nach.

Ein Grunzen entfährt mir. »Natürlich nicht! Und das wird er hoffentlich auch nicht mehr! Er soll zur Hölle fahren! Arschloch!« Erschrocken schlage ich mir eine Hand vor den Mund. So einen Gefühlsausbruch habe ich nicht erwartet. Jedoch tut er verdammt gut.

»Wie ich sehe«, sagt sie und hebt ihr Glas, damit ich mit ihr anstoßen kann, »bist du über den Kerl hinweg. Schön. Ich mochte ihn sowieso nie.«

Lachend stoßen wir an. Selbstverständlich bin ich noch nicht über Logan hinweg. Dafür war unsere Beziehung zu lang. Vor allem stört es mich, dass er mich so scheiße behandelt hat. Aber ich weiß, dass ich eines Tages aufwachen und keinen Gedanken mehr an ihn verschwenden werde. Dann wird er ausschließlich eine seltene Erscheinung in meinen Erinnerungen sein, die irgendwann ganz verblassen wird.

»Du hast eben ein besseres Gespür für Männer. Und für Dips.« Ich mache eine kleine Pause und überlege, ob ich Olive wegen der Barrel Killers ausfragen soll. »Was weißt du über diese Gang? Weshalb existiert sie auf einmal? Steve und April haben mich vor ihr gewarnt.«

Jedes Mal, wenn ich das Wort Gang ausspreche, komme ich mir blöd vor. Ich kann diesen Ausdruck nicht ernst nehmen. Damals als Kind hatte ich nämlich auch eine Gang. Wir waren zwei Mädchen und drei Jungs. Fast jeden Tag stromerten wir durch die Straßen unseres Viertels und machten gelegentlich Klingelstreiche. Unser supergeheimes Versteck war ein altes Baumhaus im Garten meines besten Kumpels. Wir fühlten uns wahnsinnig cool, obwohl wir es nicht waren. Daher assoziiere ich den Begriff Gang bloß mit harmloser Spielerei.

»Die Kerle sind in ganz Outer Banks unterwegs. Von Duck im Norden bis nach Waves im Süden. Alles Surfer, die sich kennengelernt und zusammengetan haben. Vor ungefähr zwei Jahren nannten sie sich zum ersten Mal Barrel Killers. Woher dann die kriminelle Energie und das rüpelhafte Verhalten kamen, weiß keiner genau. Ich persönlich hatte bislang keine Probleme mit denen. Sollten sie in meinem Diner auftauchen, werde ich sie rauswerfen. Da kann Steve noch so besorgt sein.«

Sie klingt so entschlossen, wie ich mich fühle. Mit den Frauen der Familie Baker ist nicht zu spaßen.

»Also meinst du nicht, dass sie gefährlich sind?«

»Es kommt darauf an, was du als gefährlich einschätzt. Falls du zerstochene Reifen, leere Drohungen und kleineren Drogenhandel meinst, dann ja. Ich glaube nicht, dass sie gewalttätig oder dergleichen werden. Sie nutzen aus, dass sie relativ viele und dazu fit und muskulös sind. So was beeindruckt die Leute und schüchtert sie ein.«

»Und kennst du irgendwelche Mitglieder?«, frage ich weiter und habe dabei weder einen blonden noch einen glatzköpfigen Kerl vor Augen.

Olive legt die Stirn in Falten. »Hm … Also aus dem Ort sind glaube ich Jimmy und Dave dabei. Wobei Jimmy nur ab und zu mit ihnen rumhängt. Ansonsten kennt man die Typen eher vom Sehen, wenn sie unterwegs sind.«

Ich bin gleichzeitig entsetzt und enttäuscht. Entsetzt, dass der liebe Jimmy, mit dem ich als Kind gespielt habe und der sich nicht getraut hat, einen Regenwurm anzufassen, einer Gang angehört. Und enttäuscht, dass meine Tante nichts über einen Mann mit einem außergewöhnlichen Paar Augen weiß.

»Ach und dann gibt es Ace. Den kennt jeder. Ich glaube, er wohnt in Kitty Hawk. Er ist so was wie der Leader, der Anführer der Gang. Hat die Ideen, verteilt die Aufgaben und macht sich selbst nicht strafbar. Eloquent und weiß Gott nicht dumm.«

Ich warte darauf, dass Olive überdies irgendetwas sagt. Zum Beispiel, ob dieser Ace Tattoos hat oder die schwärzesten Augen, die ein Mensch haben kann. Aber sie schweigt. Trotzdem überkommt mich das eigenartige Gefühl, dass es Ace ist, der mir in den letzten vierundzwanzig Stunden bereits zweimal begegnet ist.

Wir bleiben so lange auf dem Balkon sitzen, bis der Ozean die Sonne verschluckt.

Bevor ich in mein Zimmer gehe, sagt Olive: »Nimm dich vor den Barrel Killers in Acht.«

Verwirrt schaue ich sie an. »Du hast doch gesagt, dass von ihnen keine Bedrohung ausgeht.«

»So meine ich das nicht. Sie sind nur ziemlich attraktiv«, antwortet Olive und wendet sich mit einem wissenden Lächeln ab.

Ich spüre, wie mir die Hitze in die Wangen kriecht, und verschwinde schnell in meinem Zimmer. Waren meine Fragen zu auffällig? Nein, ich denke nicht. Ich habe bloß vergessen, dass meine Tante alles registriert. Jede noch so kleine Gesichtsregung, jede Augenbewegung, jede Veränderung der Stimme. Dabei finde ich diesen Ace, falls dies sein Name ist, nicht einmal anziehend. Wie könnte ich das beurteilen, nachdem ich ihn zweimal gesehen habe? Ich bin mir sicher, dass er nicht hässlich ist. Jedoch tut das nichts zur Sache. Ich möchte nur wissen, auf wen ich die nächsten Monate zwangsläufig treffen werde und wie ich mit diesen Typen umgehen muss. Mehr nicht.